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Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1896
Bd.: 143. 1895/97
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-143

ID: 00002756
241 /648
... Die berufensten Autoritäten haben sich angelegen sein lasten, eine ganze Reihe von Jnfektionsbazillen der Untersuchung zu unterwerfen und zu konstatiren, wie die damit infizirten Körper sich in der Erde in Bezug auf Ansteckung und Verwesung verhalten. Ich habe hier aus den Arbeiten des Reichsgesundheitsamts einen Sonderabdruck, den ich den verehrten Mitgliedern des Hauses zum Lesen sehr empfehle; denn aus diesem Material, das unser einer ja kaum eingehend zu studiren in der Lage ist, kann jeder von uns für sich und seine Gemeinde sehr nützliche praktische Kenntnisse schöpfen. Die Beobachtungen haben von 1893 bis 1895 gedauert. Es hat sich herausgestellt, daß auf dem Friedhofe, wo die Hamburger Choleraleichen beerdigt worden, nicht der Schatten einer Gefahr wahrgenommen wurde. Ilr. Lösener faßte seine Beobachtungen dahin zusammen: Ich glaube somit, von neuem bewiesen zu haben, daß Choleravibrionen in beerdigten Leichen nur eine ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1896
Bd.: 144. 1895/97
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-144

ID: 00002757
242 /648
... Je weiter nun die Geimpften in die höheren Jahrgänge emporgestiegen find, desto weiter und in demselben Schritt ist auch die Krankheit mit emporgestiegen — eine sehr auffällige Thatsache, die doch wohl einige Berechtigung zu der Behauptung giebt, daß entweder mit der Schutzimpfung zugleich auch die Anlage der Krankheit eingeimpft wird, oder daß mindestens die Widerstandsfähigkeit des Leibe« gegen die Ansteckung eine geringe geworden ist. Die Thatsache steht fest, sie wird überall behauptet» auch in diesem Buche, daß allmählich die Gefahr auch für die höheren Jahrgänge bezüglich der Pockenkrankheit gestiegen ist. Nun vergleicht man Deutschland noch mit anderen Ländern, und in der Beziehung muß ich Ihnen noch Nähere» mittheilen, weil namentlich darauf auch die Logik der Schutzimpfungsfreunde beruht. Sie sagen: in Deutschland ist alleherrlich, wir können es kaum noch bester erwarten, wir sind (8) so ziemlich sicher für die Zukunft. Nun, da» wird die Zukunft selber noch entscheiden; vorläufig wird e» behauptet. Aber in anderen Ländern, sagt man weiter, sieht man, wohin es kommt, wenn man dieses segensreiche Gesetz nicht einführt. Ich muß nun behaupten, daß nach allem, wa» ich gelesen und mir zusammengestellt habe, nach allen den statistischen Nachrichten diese Behauptung durchaus nicht aufrecht zu erhalten ist. Und da diese Seite der Frage eine der wichtigsten ist, so gestatten Sie mir, darauf einzugehen, nicht indem ich alle Länder einer Prüfung unterwerfen will, sondern indem ich nur einige Proben herausgreife, um die Behauptung zu kennzeichnen und, wie ich glaube, zu widerlegen. ...

243 /648
... Die Erfahrung hat gelehrt — darüber ist nach meiner Meinung bei allen Leuten, die sich damit beschäftigen, kein Zweifel —, daß eine gut ausgeführte Impfung für die ersten Jahre einen vollständigen Schutz gegen die Ansteckung giebt. Davon find wir so fest überzeugt, daß man mit aller GemüthSruhe Aerzte, Krankenwärter und alle, die mit Pockenkranken zu thun haben, zu ihnen gehen läßt, ohne daß man die mindeste Sorge hat, daß sie angesteckt werden, wenn sie eben gut geimpft find. Ich habe selbst vor wenigen Jahren in Brüssel, Antwerpen und in Pari» ganze Säle mit Pockenkranken besucht, mich allerdings selbst erst vorher geimpft und geschützt. Ich habe dann auch nicht im mindesten befürchtet, daß der Besuch der Pockensäle mir irgendwie schaden könnte. Die Impfung gewährt einen Schutz, den man aber keineswegs nach einem bestimmten Datum berechnen kann. Man kann nicht sagen: wenn ich heute geimpft bin, bin ich genau 6) für 10 Jahre pockenfrei. Es ist nachqewiesen, daß unter Umstände» der Schutz für da» ganze Leben dauert; e» ist ferner nachgewiesen mit der größten Bestimmtheit, daß eine wiederholte Impfung, wenn sie auch nicht absolut vor der Erkrankung an den Pocken schützt, doch bewirkt, daß die Erkrankungen außerordentlich viel milder find und außerordentlich viel seltener zu Todesfällen führen. Wir Aerzte haben nicht das mindeste Interesse daran, über die Pockenfrage etwa« zu verschweigen, zu verheimlichen oder in irgend unrichtiger Weise darzustellen. ...
... Mit einer solchen Lymphe ist die Ansteckung an Syphilis absolut ausgeschlossen. Wenn die Herren die Güte haben wollen — ich will Sie mit der Verlesung nicht aushalten in dieser Denkschrift über dir Schutzpockenimpfüng, ...

244 /648
... Wenn Arme mehr erkanken, so liegt dies zum Theil daran, daß es überhaupt viel mehr arme als reiche Leute giebt; es liegt aber auch daran, daß die arme Bevölkerung mehr zusammen« gehäuft wohnt und mehr Gelegenheit zur Ansteckung hat, sich auch dieser Gelegenheit viel mehr aussetzt. Die wohlhabende Bevölkerung schützt sich eifriger und kann sich bester schützen. Darum meine ich nicht, daß man nicht überall die hygienischen Einrichtungen möglichst verbessern sollte; aber wenn wir so lange warten wollten mit dem Impfschutz, bi» vollkommene hygienische Einrichtungen bestehen, dann würden wir noch in hundert Jahren nicht so weit sein; denn e» werden immer neue Aufgaben für die Hygiene sich ergeben, und mit den wenigen hunderttausend Mark, die die Impfung kostet, und die der Abgeordnete ReißhauS dazu verwenden will, werden hygienische Maßregeln in erheblichem Umfang im Deutschen Reich nicht zu treffen sein, da» wäre ja nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Dann hat Herr vr. Förster davon gesprochen, daß jetzt nur erwachsene Leute häufig erkrankten, daß es früher eine Kinderkrankheit gewesen wäre. Es ist sehr einfach, sich da» (v) zu erklären. Vor der Impfung waren die Pocken eine Kinderkrankheit wie Masern und Scharlach; diejenigen, die die Pocken überstanden hatten, waren durchgehend für ihr Leben gefeit. Das ist, nachdem wir die Pocken in dieser Ausdehnung nicht mehr haben, ganz anders geworden. ...
... Die Impfung schützt aber nicht für die ganze Lebenszeit : im Gegentheil, der Schutz der Impfung verliert sich im Lauf der Jahre, und es ist natürlich, daß, wenn man älter geworden ist und sich dann der Ansteckung aussetzen muß, man eher geneigt ist zur Erkrankung als das Kind, das erst geimpft oder revaccinirt ist. Da» ist nichts Wunderbares, sondern etwas ganz Natürliche«. Auch muß ich auf da» allerentschiedenste bestreiten, daß die französische Armee zur Zeit de» Krieges geimpft gewesen wäre. (Zuruf links.) — Ein Bruchtheil, ja wohl. Es ist nachgewiesen, daß höchsten« 30 Prozent geimpft waren. Da« geht aus den Berichten der französischen Militärärzte mit aller Bestimmtheit hervor. (Zuruf links.) —1 Selbstverständlich hat man sie geimpft, sobald man konnte. Da» ist richtig. Aber wer vorher schon da« Pockengift aufgenommen hatte, dem konnte die Impfung nichts mehr helfen. (Zuruf.) —1 Sie sagen: sie find trotzdem erkrankt und gestorben. Auch da» ist richtig; denn wenn ich heute jemanden impfe, der schon von den Pocken infizirt ist oder sich der Gelegenheit der Ansteckung ausgesetzt hat, so schützt die Impfung nicht, sie schützt erst nach einer geraumen Zeit, nachdem die Jmpfperiode vollständig abgelaufen ist. Da» ist ganz natürlich. Die Gefahr der Pockenerkrankung war bei der französischen Armee sehr groß, die Soldaten brachten in ihren Kleidern den Ansteckungsstoff mit. Was soll da die Impfung nützen, wenn die Leute schon infizirt find? Man konnte sie doch 199 ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1896
Bd.: 145. 1895/97
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-145

ID: 00002758
245 /648
... Meine Herren, es ist ja ganz klar: gegenüber allen Seuchen, die wie die Maulund Klauenseuche ein so ungeheuer übertragbares Kontagium haben, was nicht bloß durch kranke Thiere, und deren Produkte verschleppt wird, sondern wo der Tritt eines Menschen oder eines Thieres, das gar nicht einmal der Ansteckung unterworfen ist, genügt, einen ganzen Distrikt zu verseuchen, daß diesen Seuchen gegenüber die Prohibitivmaßregeln im wesentlichen versagen. Aber es erklärt diese begreifliche Erscheinung keineswegs, wie oft an einer Stelle die Seuche in ganz intensiver Weise auftritt und haftet, an anderer Stelle aber durchaus harmlos verläuft und sofort verschwindet. Es müssen Nebenumstände für diese verschiedenartige Entwickelung vorhanden sein, aber diese kennen wir nicht, wir kennen überhaupt die Natur der Seuche sehr wenig. Es ist eine große Meinungsverschiedenheit über die Dauer der Wirksamkeit des Kontagiums; wir wissen, daß es, (g) der Luft ausgesetzt, bald wirkungslos wird; wir wissen aber auch, daß unter Umständen dasselbe merkwürdig lange wirksam geblieben sein muß; wir wissen nicht, warum die Seuche in einem Falle so intensiv auftritt, in dem anderen so gelinde. Von allen diesen Momenten und auch von etwa zu treffenden Vorbeugungsmaßregeln und Heilungsmitteln wissen wir sehr wenig, und unsere Veterinäre gestehen offen, daß sie dieser Seuche gegenüber ziemlich rathlos gegenüberstehen. ...

246 /648
... M Man wird nun allerdings nicht gleich dahinter kommen, die Krankheitserreger zu finden; aber man wird dahinter kommen, in welcher Weise, auf welchen Wegen sich die Ansteckung fortpflanzt. Von welcher kolossalen Bedeutung das nicht bloß für diejenigen ist, die Vieh halten und kaufen müssen und davon leben, sondern für die ganze Bevölkerung, das liegt auf der Hand. Denken Sie nur einmal an die Zeiten, als die Cholera uns noch etwas ganz fremdes war! Wir sperrten ab, und zwar, weil wir nicht wußten, was wir absperren sollten, sperrten wir alles ab. Später ist man immer vorsichtiger geworden und, nachdem man das Wesen der Cholera erkannt hat, geht man nicht mehr so weit, alles abzusperren, sondern man weiß, wie sich die Cholera verbreitet, wer die Hauptverbreiter sind, und man weiß jetzt vor allen Dingen auch den Bazillus, der sie verbreitet. Aber darauf kommt es jetzt nicht einmal an, man weiß jetzt, was man absperren soll, um die Verbreitung zu hindern. Wenn uns das gelingt bei der Maul- und Klauenseuche — und es giebt ja noch andere Seuchen, die recht gefährlich sind —, dann brauchen wir nicht Dänemark gleich ganz auszusperren, dann brauchen wir nicht gegen Rußland eine vollständige Grenzsperre aussprechen, während wir jetzt, wo wir nicht wissen, in welcher Weise die Krankheit sich weiter verbreitet, nichts anderes wissen als: wir machen eine vollständige Grenzsperre. ...

247 /648
... im zweiten Kapitel heißt eS: die in der Gegenwart bei übertragbaren Krankheiten gebräuchlichen Mittel zur Verhütung der Ansteckung seien auch den Pocken gegenüber bereits vor langer Zeit angewendet worden; man habe die Kranken vom Verkehr abgesperrt, auch den Umgang mit den Angehörigen meiden lasten, habe die Kleidungsstücke, Wäsche, Gebrauchsgegenstände derselben zerstört u. s. w. Nachher heißt es, man habe in der Regel damit nicht viel ausgerichtet, die Desinfektionsverfahren, die früher angewendet wurden und vornehmlich in Räucherungen mit Schwefeldämpfen oder dergleichen bestanden, wären, wie die wissenschaftliche Untersuchung neuerdings gelehrt habe, unwirksam. Hier wird direkt zugestanden, daß die früheren Maßregeln nicht in der Weise wirksam sein konnten. Für die Krankenabsonderung — heißt es weiter —1 (V) war die Bauanlage der meist wenig geräumigen Wohnungen, in denen sich unsere Vorfahren einrichteten, wenig geeignet; eine erfolgreiche Absperrung ist aber gerade in Pockenfällen schwer erreichbar, weil der Ansteckungsstoff dieser Krankheit höchst flüchtig ist und sich sogar erfahrungsgemäß nicht selten durch die Luft von Haus zu Haus verbreitet zu haben scheint. Zudem wird es häufig genug an wirklich ernsthafter Sorgfalt bei der Durchführung der Schutzmaßregeln gefehlt haben. Hier wird also in einem Athem behauptet, es wären dieselben Mittel angewendet worden, die hätten aber nichts genützt; dann wird zugestanden, sie seien nicht in zureichender Weise angewendet worden, weil man die jetzt geübten sanitären Maßregeln damals nicht kannte. Aber man will nicht zugeben, daß jetzt mit Hilfe dieser sanitären Vorkehrungen viel erreicht worden ist bei Ausrottung der Pocken. ...

248 /648
... Kruse weiter gesagt, es sei kein Zweifel, daß eine gut ausgeführte Impfung für die ersten Jahre einen vollständigen Schutz gegen die Ansteckung gäbe; „davon sind wir so fest überzeugt — und nun kommt wieder die bekannte Ueberzeugung. Meine Herren, die Sache ist doch hier eine sehr merkwürdige; es erliegen der Ansteckung an den Pocken Leute, die geimpft waren, die einen bald (L) nachher, die anderen später, und wiederum bleiben Leute, die nicht geimpft sind, frei. Jetzt pflegt man da eine ganz eigenthümliche Logik zu gebrauchen; sowie ein Geimpfter trotzdem krank wird, heißt es: ja, das ist durch einen Fehler gekommen oder der Betreffende ist so eigenthümlich geartet, daß er viel eher noch einmal hätte geimpft werden müssen; bei dem einen kann die Impfung 10 Jahre vorhalten, bei dem anderen nur 10 Tage. Das ist die sogenannte Wissenschaftlichkeit in dieser Frage, daß man behauptet, man wisse genau, so und so lange reiche der Schutz aus, hernach aber im einzelnen Falle alle möglichen schönen Redensarten hat, um das, was wider den Strich kommt, zu bemänteln. Wenn kurze Zeit nach der Impfung einer erkrankt, dann heißt es: es muß ein Fehler gemacht worden sein, oder es ist schlecht oder ohne Erfolg geimpft worden. Ja, mit solchen Mitteln kann man natürlich jegliche Statistik zu Stande bringen; damit läßt sich eben alles beweisen oder widerlegen. Und wenn dann Herr Dr. Kruse weiter sagt, er sei nach Paris, Brüffel, Antwerpen gekommen und habe die Hospitäler da ganz ruhig besucht, so liegt auch darin lein Beweis. ...
... Kruse weiter: „mit einer solchen Lymphe ist die Ansteckung durch Syphilis vollständig ausgeschlossen. Auch das ist falsch; denn von Seiten der Herren Vertreter der Sache wird ausdrücklich anerkannt, daß, da es eine Kuhpockenlymphe gar nicht giebt, sondern, da die ...

249 /648
... M Kühe immer durch Ansteckung mit Menschenpockengift krank gemacht werden muffen, es gar nicht ausgeschloffen sei, daß auch auf die Kühe menschliches Krankheitsgift übertragen und dieses nachher bei dem bekannten Abkratzen, das Ihnen neulich drastisch hier vorgeführt worden ist, zusammen mit der Schutz- und Schmutzlymphe mit eingesammelt wird, weshalb aber Di-. Pissin die Retrovaccination, wie er es nennt, vermeiden will. Auch ist noch zu bemerken, daß, wenn auch, wie Herr Staatssekretär von Boetticher uns ausführte, behördlicherseits alle Vorsicht angewendet wird, es doch nicht ausgeschloffen ist, daß auch das Thier, dem man die Lymphe entnimmt, krank sei. Es giebt nicht nur offenbar nachweisbare Krankheiten, sondern auch — um einen Ausdruck aus der Physik zu brauchen — latente Krankheiten. Nicht bei jedem Kalbe braucht die Tuberkulose von früh an deutlich erkennbar zu sein, es kann aber die Anlage dazu, die erbliche Belastung haben, und es kann sehr wohl im Lauf der Zeit die von einem solchen Thier gewonnene „Heillymphe zum Schaden des Menschen ausschlagen, dem sie eingeflößt worden ist. Dann hat Herr Dr. Kruse weiter von dem Jmpfrothlauf gesprochen und zugegeben, daß dieser häufig eine Folge der Impfung sei. Er hat aber hinzugefügt, der außerordentlich wichtige Nachweis des Dr. Landmann, daß die Lymphe mit Millionen von Bakterien überfüllt sei, sei so zu erklären, daß Herr Landmann eben eine schlechte Probe bekommen habe. Ich kann nicht finden, daß Herr Dr. Landmann in seiner Darstellung dies durchblicken läßt; vielmehr beruft er sich auf wiederholt vorgenommene und nicht auf vereinzelte Fälle beschränkter Untersuchungen. ...

250 /648
... Aus dem Grunde kam es, daß etwa von 1819 an die Krankheitsziffer in der Armee von Jahr zu Jahr in so bedrohlicher Weise zunahm, daß der Generalstabsarzt der Armee im Jahre 1831 schrieb: Es sei in der That besorgnißerregend, daß von allen Armeekorps Nachrichten über die Ausbreitung der Pockenkrankheit eingehen, die, wie die Erfahrung längst gelehrt habe, sich beim Militär jedesmal mit Truppenbewegungen und der dadurch gebotenen Gelegenheit zur Ansteckung einstelle, auch durch die Einberufung der Rekruten unterhalten werde. Und im Jahre 1833, als sicher festgestellt war, daß von den Erkrankten viele schon als Kinder erfolgreich geimpft waren und die Kinderimpfung auf die Dauer vor den Blattern nicht schütze, daß sie vielmehr von Zeit zu Zeit erneuert werden müffe, wies der Generalstabsarzt der Armee auf die Gefahren hin, welche aus dem Vorhandensein einer großen Zahl blatternempfänglicher Leute für die Armee erwachsen und besonders in Kriegszeiten, wo größere Masten zusammengedrängt seien, für die Kriegsoperationen entstehen könnten, wenn der Armee eine größere Zahl von Soldaten durch die Blattern entzogen würden. Nun, meine Herren, unter diesen Eindrücken und Erwägungen wurde durch Königliche KabinetSordre — nicht durch eine Verwaltungsmaßregel — vom 16. Juni 1834 die Impfung für die Armee für jeglichen ...

251 /648
... Das liegt daran, daß es nicht immer möglich war, in der kurzen Zeit und bei der geringen Zahl von Aerzten das Jmpfgeschäfl bei den eingestellten Ersatz- und Besatzungstruppen so zu fördern, wie es nöthig gewesen wäre, um der Ansteckung durch die Seuche, die von den Kriegsgefangenen eingeschleppt wurde, zuvorzukommen. Aus dem Grunde sind bei der immobilen Besatzungsarmee in Deutschland verhältnißmäßig mehr Leute erkrankt trotz der geringeren Ansteckungsgefahr als bei der deutschen Feldarmee, die einer viel größeren Ansteckungsgefahr ausgesetzt war. Trotz alledem belief sich die Zahl der Pockentodesfälle bei der gesammten mobilen und immobilen deutschen Armee auf nicht mehr als 459 gegenüber 23 400 Pockentodesfällen in der französischen Armee. Diese Zahl ist ja bemängelt und angezweifelt worden in ihrer Richtigkeit. Ich glaube aber, es kann für ihre Richtigkeit keinen besseren Beweis geben als die Erklärung des französischen Kriegsministers selbst, der in einem Bericht an den Präsidenten der französischen Republik vom 17. Juni 1889 hierüber folgendes sagte: Ich konnte nicht vergessen, daß im Jahre 1870/71, während die deutsche Armee mit einer Million geimpfter Freitag den 8. Mai 1896.1 2215 Soldaten nur 459 Mann durch die Pocken verlor, M die weniger zahlreiche französische durch diese Krankheit einen Verlust von 23 400 Mann hatte, welchen die vorbeugende Ausübung der obligatorischen Wiederimpfung Frankreich hätte ersparen können. Und die Zahl der Kranken, welche diesen Verlust von 23400 Todesfällen durch Pocken ergeben hat, stellt sie sich nicht als eine vollständige Armee dar, die man unter den drückendsten und schwierigsten Kriegsverhältnissen in die Lazarethe schicken mußte? ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1897
Bd.: 147. 1895/97
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-147

ID: 00002760
252 /648
... Auch ist man dort der Ansicht, daß das übermäßige Einschleppen geschlachteten Fleisches aus Holland über die deutsche Grenze ebenfalls den Anlaß bietet, Seuchen zu verbreiten, weil gerade frischgeschlachtetes Fleisch ein besonderer Träger der Ansteckung ist. Der Wunsch des ganzen Niederrheius geht dahin, daß die dänische ebenso wie die holländische Grenze abgesperrt werde und die verbündeten Regierungen nach Mitteln und Wegen suchen (v) mögen, um dem übermäßigen Eindringen .frisch geschlachteten Fleisches von Holland aus entgegenzuwirken. (Sehr gut!) Dann steckt noch ein interessanter Posten im Reichsamt des Innern, betreffend die Weltausstellung in Paris im Jahre 1900, wofür als einmaliger Beitrag für die Vorarbeiten 50 000 Mark eingesetzt sind. Ich kann mich auch über diese Position, welche im Interesse der großen, dem Frieden dienenden Weltausstellung stattfindet, nur freuen; und wie ich es stets für einen Fehler gehalten habe, daß wir uns seiner Zeit nicht an der Pariser Ausstellung betheiligt haben, kann ich es nur mit Freuden begrüßen, daß sich nunmehr auch das Deutsche Reich im Einverständniß mit den anderen Kulturstaaten Oesterreich, Frankreich, Rußland und England an der Pariser Ausstellung betheiligen wird. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1897
Bd.: 148. 1895/97
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-148

ID: 00002761
253 /648
... Grade die Häufigkeit der Todesfälle in Folge dieser Ansteckung legt die ernste Pflicht nahe, möglichst bald durch Verordnung seitens des Bundesraths hier schützend einzugreifen. Dann, meine Herren, ein anderes Gebiet. Im vorigen Jahre hat uns hier die Vorlage des Bundesraths betreffend die Einführung von Handwerkerkammern eingehend beschäftigt. Wir haben die Berathungen dieser Vorlage in der Kommission, welcher dieser Gesetzentwurf überwiesen wurde, ausgesetzt, weil uns in Aussicht gestellt war, daß ein umfassender Gesetzentwurf, der nicht bloß Handwerkerkammern, sondern die Organisation des Handwerkerstandes überhaupt bieten soll, demnächst kommen würde. Wir haben in der Zwischenzeit durch die Erklärungen des Herrn Staatssekretärs erfahren, daß eine Vorlage des preußischen Ministeriums an den Bundesrath gekommen ist, daß diese Vorlage aber, wenigstens in den Ausschüssen, abgelehnt worden sei; inzwischen seien jedoch neue Berathungen in einer Subkommission im Gange, um eine neue Vorlage auszuarbeiten. Meine Herren, gewiß würde es dem ganzen Lande von großem Interesse sein, zu erfahren, wie weit die Berathungen dieser Vorlage gediehen sind. Es wird nach den Erklärungen des Herrn Staatssekretärs uns obliegen, zu prüfen, ob wir noch weiter unsere Kommissionsberathungen aussetzen wollen, oder ob wir uns nicht selbst verpflichtet fühlen, diese Initiative zu ergreifen. Speziell würde für meine Fraktion, glaube ich, der Gedanke nahe liegen, die Initiative dahin zu bethätigen, daß wir eventuell die Vorlage der preußischen Regierung als Initiativantrag in diesem Reichstag einbringen würden. Meine Herren, das sind so einige Anfragen und Wünsche, für deren Beantwortung ich dankbar sein würde. ...

254 /648
... Nun kann man allerdings sagen, daß Wissenschaft und Erfahrungen noch nicht weit genug gediehen seien, um sowohl die Ursachen der Krankheit als auch die Ansteckungsgefahr und die Träger der Ansteckung genau zu erkennen. Das will ich zugeben; aber ich meine doch, daß in den mancherlei Orten, in denen sich bezeichnete Fabriken befinden, schon eine Summe von Erfahrung niedergelegt ist, die es wirklich ermöglicht, einen bestimmten allgemeinen Desinfektionszwang wenigstens für Roß-, Kälber- und Kuhhaare durchzuführen. Hierzu bedarf es keiner weiteren Versuche, um diesen Desinfektionszwang allgemein zu machen. Der Herr Direktor des Gesundheitsamts hat im vorigen Jahre erklärt, daß durch die Desinfektion mit strömendem Dampf Roßhaare an Qualität und Quantität verlieren. Das ist in dieser Allgemeinheit nicht richtig. Es hat z. B. in Nürnberg im Jahre 1894 eine Besprechung zwischen Arbeitgebern und Arbeitern stattgefunden, die dargethan hat, daß die genannten Haare durch Desinfektion mit strömendem Dampf in ihrer Qualität nicht leiden. In Folge dessen ist auch in Nürnberg der Desinsektionszwang für Roßhaare und Haare von Ochsen, Kühen, Kälbern allgemein eingeführt. Es bedarf also gar keiner weiteren Erwägung mehr, um das, was an einem Orte wie Nürnberg bereits durchgeführt ist, allgemein im Reiche durchzuführen, zumal, wenn ich recht unterrichtet bin, ein ähnlicher Desinfektionszwang in Eschwege und, wie seinerzeit der „Vorwärts berichtete, auch in Baden allgemein durchgeführt ist. ...

255 /648
... Es ist dies um so erfreulicher, als wir im Inlands ja strenge Bestimmungen über die Bekämpfung des Milzbrandes haben, und durch die Probe gezeigt wird, daß diese Bestimmungen eine Ansteckung der Arbeiter ausschließen. Anders liegt es mit dem auswärtigen Material. Hierdurch sind wiederholt nicht nur ernste Gesundheitsschädigungen, sondern auch eine nicht unbedeutende Anzahl von Todesfällen verursacht worden. Es ist indessen gleichzeitig bei Mittheilung der Ergebnisse der Erhebungen, namentlich aus industriellen Kreisen heraus, betont worden, daß die bekannten Desinfektionsverfahren keineswegs ohne Nachtheil für die Qualität der Waaren seien, und es muß in dieser Hinsicht den Anführungen des geehrten Herrn Vorredners in gewissem Maße widersprochen werden. Es ist keineswegs richtig, daß z. B. die Roßhaare keinen Schaden erlitten; bei den geringeren Qualitäten ist es zutreffend, indessen bei den besseren Qualitäten, insbesondere bei den weißen Roßhaaren, zeigt sich eine auch schon dem Laien erkennbare Verschlechterung der Farbe. Daneben wird die Elastizität beeinträchtigt, und es tritt eine gewisse Brüchigkeit des Materials ein. Bei dem Widerstreit der Interessen der Industrie schien es zunächst angezeigt, daß Beamte des Reichs, insbesondere ein Beauftragter des Reichsamts des Innern und ein Mitglied des Gesundheitsamts, an Ort und Stelle verschiedene Betriebe in Augenschein nähmen. Es hat eine Bereisung der hauptsächlich betheiligten Orte stattgefunden, und aus dem Bericht ergiebt sich, daß die Sache nicht so einfach liegt, wie es nach den Ausführungen des Herrn Vorredners der Fall zu sein scheint. ...

256 /648
... Das ist nicht richtig; sämmtliche Roßhaare, ausländische wie inländische, sind dem Desinfektionszwang unterworfen; und zwar geschah dies in Nürnberg in Folge eines Gutachtens des dortigen Medizinalamts, das nachwies, daß nicht, wie Herr Köhler meint, inländische Haare nicht an- (0) steckend wirken könnten, sondern im Gegentheil — der Herr ist doch auch ein Sachverständiger — darlegte, daß trotz der bestehenden Gesetze Ansteckung auch durch inländische Waaren erfolgen kann. In Folge dieses Gutachtens ist der allgemeine Desinsektionszwang in Nürnberg eingeführt worden. Ich meine aber, was man in Nürnberg, was man in Baden, in Eschwege und anderen Orten thun kann, das könnte auch von Reichswegen geschehen. Hier liegt die Sache einfach. Nicht so einfach liegt die Sache in Bezug auf die Desinfektion für Borsten. Darum habe ich nicht aufgefordert, auch hier sofort den allgemeinen Desinfektionszwang einzuführen, sondern ersucht, energischer zu arbeiten, damit, wenn nöthig, endlich eine andere Methode gefunden werden könnte, welche die Desinfektion auch hier, ohne zu schädigen, zuläßt. Die erwähnte Arbeiterschutzkommission, die, wie der Herr Abgeordnete Grillenberger vorhin bestätigt hat, sich auf den Boden der Thatsachen stellt, hat auch in einer langen Eingabe an den Magistrat gefordert, es möchten solche Versuche gemacht werden, oder es möchte ein Preisausschreiben ergehen, damit eine Desinfektionsart für Borsten eingeführt werden könne, die zugleich auch nicht schädigend auf die Konkurrenzfähigkeit unserer Industrie wirkt. Also ich meinte, daß auf diesem Wege das Reichsgesundheitsamt schneller arbeiten könnte als bisher. ...
... Das ist bedeutsam, weil durch das Essen innerhalb der (v) Arbeitsräume die Ansteckung vielfach hervorgerufen wird. Eine derartige Maßregel würde also gewiß gute Erfolge haben. Ich glaube doch, wenn das Reichsgesundheitsamt mit der Kraft, mit der es auf anderen Gebieten arbeitet, auch auf diesem Gebiet vorgeht, so ist sehr bald eine Desinfektionsmethode gefunden, die einerseits den berechtigten Wünschen der Arbeiter entgegenkommt und andererseits die Konkurrenzfähigkeit der Fabriken nicht schädigt. (Bravo! links.) Vizepräsident Schmidt (Elberfeld): Das Wort hat der Herr Abgeordnete Grillenberger. Grillenberger» Abgeordneter: Ich kann nur sagen, daß das Schweigen des Herrn Direktors des Reichsgesundheitsamts zu meinen Ausführungen über die vorwürfige Frage, die auch der Herr Abgeordnete Weiß soeben nochmals berührt hat, auf unserer Seite hier als sehr auffallend empfunden worden ist. Er hat eine ziemlich große Entgegnung für den Herrn Abgeordneten Rettich gehabt, ist aber mit keinem Wort auf das eingegangen, was unsererseits über die Nürnberger Pinselfabriken, und was damit zusammenhängt, vorgebracht wurde. Man nimmt gewöhnlich an, daß, wenn jemand schweigt, er mit vorgebrachten Vorwürfen einverstanden ist, d. h. dieselben als berechtigt anerkennt. — Sollte das nicht der Fall sein, wie es nach der ablehnenden Bewegung des Herrn Direktors fcheint, dann hätte der Herr Direktor sich doch veranlaßt fehen sollen, auf die von uns gemachten Einwendungen mit einigen Worten einzugehen. ...

257 /648
... - das Gesetz, das dem Bundesrath einräumt, daß er an der Grenze eine Quarantäne für das eingeführte Vieh einrichten kann, wurde vom Bundesrath nicht in dem Umfang und dem Interesse, welche die Vieh besitzende Bevölkerung beanspruchen kann, ausgeführt; denn es ist eine bekannte Thatsache, und ihr wird auch nicht widersprochen werden (0) können, um so weniger, als die Statistik über die Seuche vom Jahre 1895 uns auch die Nachweise bringt, daß die Maul- und Klauenseuche oft erst am zehnten und einem noch späteren Tage nach der Ansteckung bei dem Rindvieh auftritt — ich sage, es ist nicht zu leugnen, daß die Reichsregierung die Quarantänezeit zu kurz bemessen habe. Wir hatten in der ersten Zeit nur fünf Tage Quarantäne; jetzt soll in einzelnen Grenzbezirken diese Zeit etwas erhöht worden sein. Allein, meine Herren, auch wenn einige Tage zu den fünf hinzugerechnet werden, wenn wir z. B. auf acht Tage kommen, so wird man immer noch mit Bestimmtheit sagen können, auch diese Zeit ist noch zu kurz. Wie ich eben bemerkte, ist in der Statistik über die Viehseuchen der Nachweis erbracht, daß unter Umständen ein Thier zehn Tage angesteckt sein kann, bis die Seuche zum Ausbruch kommt. Diese Beobachtungen können auch die Besitzer von Viehbeständen, welche von dieser Seuche befallen werden, auch im praktischen Leben recht gut machen. Denken Sie sich einmal den Fall, daß Thiere aus Oesterreich-Ungarn und Rußland u. s. w. ...

258 /648
... Was also auf der einen Seite durch Strenge erreicht wird, wird auf der anderen Seite durch die Nachgiebigkeit des anderen Staats aufgehoben, sodaß die Ansteckung ruhig weiter verbreitet werden kann. Nun scheint mir: wenn die einzelnen Staaten das Recht zu polizeilichen Maßregeln haben, muß doch auch dafür gesorgt werden, daß überall diese Maßregeln einheitlich und mit größter Energie durchgeführt werden, und wir dürfen wohl überzeugt sein, daß, wenn wir auf der einen Seite die Quarantänezeiten erhöhen und auf der anderen Seite einheitlich in unseren Polizeimaßregeln vorgehen, wir dahin kommen müssen, daß diese Seuche sich in unseren Stallungen nicht nur zurückdrängen, sondern sich sogar mit der Zeit verdrängen läßt. Wir haben eine lange Reihe von Jahren gehabt, wo man von dieser Seuche nichts mehr wußte. Warum sollte es unter den heutigen Verhältnissen nicht möglich sein, wieder so weit zu kommen? Man sagt allerdings: bei unserem Verkehr nach allen (2) Richtungen hin wird alles das nicht zu verhindern sein. Aber, meine Herren, ich bin fest überzeugt: sobald wir nur einmal so weit sind, daß kein seuchenangestecktes Vieh über die Grenze uns herein kommt, — bei uns im Lande entwickelt sich die Seuche nicht, — dann werden wir auch wieder dahin kommen, daß die Seuche bei uns erlischt, und ich möchte nur dringend wünschen, daß die Reichsregierung die Quarantänezeit erhöht und mit allen Mitteln danach strebt, daß die einzelnen Staaten einheitlich ihre Polizeimaßregeln durchführen, sodaß nach beiden Richtungen hin mehr geschieht, als es bis jetzt der Fall war. (Bravo!) ...
... Das eine weiß man aber, daß, wo die Krankheit besteht, sie in der Regel lange Zeit latent ist, und wenn sie übertragbar ist, sie auch in der Weise übertragen werden kann, daß beispielsweise eine Katze, die über die Straße läuft und me Fährte einer maul- und klauenseuchenkranken Kuh kreuzt, man 50 gegen 1 wetten kann, daß die Ansteckung n dem Stall, wohin die Katze läuft, erfolgt. Nun, meine Herren, ist doch der Schaden, der durch (0) die Krankheit entsteht, ein so eminenter, daß z. B-, wenn ich auf meine Gegend exemplifiziren darf, ich die Ueberzeugung habe, daß der indirekte und direkte Schaden zusammengenommen pro Haupt Vieh auf ungefähr 60 Mark zu berechnen sein würde; das ergiebt bei einem Viehbestand von 25 000 Stück, die wir vielleicht besitzen — es mögen vielleicht noch mehr sein —, immerhin einen Verlust von IV2 Millionen Mark, wenn eine derartige Epidemie ausbricht. Es giebt aber verschiedene Wege, die nach Rom führen: entweder die Möglichkeit, die Maul- und Klauenseuche durch Impfung der ganzen Bestände auf alle Thiere zu übertragen und sie durchseuchen zu lassen, oder die Mittel, die wir durch die Gesetzgebung haben, in Anspruch zu nehmen und das Uebel von vornherein auf polizeilichem Wege zu bekämpfen. ...

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... Die Ansteckung erfolgte; der fast ganze Regierungsbezirk wurde verseucht. Es sind zwar nur drei Kreise vollständig verseucht worden, zwei andere in geringerem Maße — immerhin Schaden genug. Nun frage ich Sie: aber wenn selbst gegenseitige Absperrungen erfolgen, von Regierungsbezirk zu Regierungsbezirk, zu welchen Mißständen muß das führen? Trotz alledem will ich die Regierung bitten, auf dem betretenen Weg fortzuschreiten und, solange irgend eine Gefahr einer Epidemie an der Grenze vorkommt, uns in der Weise zu helfen, daß die Quarantänemaßregeln an der Grenze erheblich verschärft werden, daß man Beobachtungsställe anlegt, die es ermöglichen, daß, wenn Vieh eingeführt werden sollte, in dem betreffenden Bezirk das importirte Vieh auf Seucheverdacht länger untersucht werden muß, und daß, wenn Tödtung nothwendig werden sollte, der Weg der (0) Errichtung gegenseitiger Versicherungsverbände begünstigt werde, damit, wenn die Gefahr zu groß geworden ist und die Schäden zu beträchtlich, ein Ausgleich der Last erfolge. In unserem Fall ist die Unaufmerksamkeit einer Polizeibehörde die Veranlassung der Schädigung unseres Bezirks durch kolossale Geldopfer. Wenn die Königliche Staatsregierung den Polizeibehörden die Anweisung ertheilen wollte, stets ein wachsames Auge auch auf die Gefahr der Einschleppung der Krankheit haben zu wollen, so wäre uns auch damit schon genützt. Wir wissen ja, daß die Geneigtheit im landwirtschaftlichen Ministerium besteht, solche Anordnungen zu treffen, wie z. B. mit dem Schweineeinfuhrverbot, und daß, wenn in den Nachbarländern Gänseepidemien ausbrächen, alle Grenzen für dieses Geflügel auf einmal gesperrt werden sollen. ...

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... Aber das hilft auch nicht; wie gestern einer der Herren Vorredner bemerkt hat, der Herr Abgeordnete aus Hannover: je strenger die Maßregeln, desto mehr fürchten die Leute die Chikanen und verschweigen die Fälle; und dadurch kommt die Ansteckung erst recht zum Ausbruch. Es wäre nöthig, viel strengere Maßregeln anzuwenden in den Schlachthäusern gegenüber den Großhändlern. (Sehr richtig!) Ebenso möchte ich, daß auch gegenüber dem Hausirhandel, der schon von meinem Herrn Vorredner berührt wurde, einheitlichere und strengere Maßregeln in ganz Deutschland angewendet würden. Da giebt uns der Erlaß der Regierung in Kassel einen sehr guten Anhaltspunkt, und es wäre nur zu wünschen, daß der in ganz Deutschland Anwendung finden würde, nämlich dahingehend, daß die Händler, welche Vieh herumführen zum Verkauf, den schriftlichen Nachweis führen, wann der Kauf stattgefunden, wo und an wen verkauft ist. Hierdurch käme man am besten an die Quelle der Ansteckung. Es wundert mich auch, daß von dem § 27 des Reichsseuchengesetzes so wenig Anwendung gemacht wird, daß zwar die Ställe, die Viehwagen, die Rampen und (n) dergleichen der Desinfektion unterzogen werden, man aber von den Gegenständen und den Personen selten etwas hört. Es ist nachgewiesen worden, daß die Ueberkittel, die Ueberröcke, die die Händler auf den großen Schlachthöfen tragen, die Hauptmittel sind, um die Maul- und Klauenseuche zu verbreiten, da die Träger mit ihnen das-Vieh anstreifen. Es sollten diese Kittel der Händler jedesmal vor Verlassen des Viehhofs der Desinfektion unterzogen werden, — vielleicht auch die Personen selbst. (Heiterkeit.) ...


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