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Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1898
Bd.: 164. 1897/98
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-164

ID: 00002776
281 /648
... Ein weiteres Mitglied der Kommission stellte einen Antrag in Aussicht, wonach Bestrafung erst eintreten solle, wenn Ansteckung thatsächlich erfolgt sei, dann aber auch in jedem Fall des geschlechtlichen Verkehrs, unterließ es je-! doch, als von verschiedenen Seiten darauf aufmerksam ge- ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1899
Bd.: 166. 1898/1900
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-166

ID: 00002778
282 /648
... Nun zeigt aber eine alte Erfahrung, daß gerade die größte Ansteckung für jugendliche Uebelthäter in den sogenannten Krankenabtheilungen der Gefängnisse herrscht. Daher müßte auch diese Bestimmung aus den Grundsätzen eliminirr werden. Ich glaube, der Herr Kollege Stadthagen hat bereits von dem 8 31 dieser „Grundsätze gesprochen, der meiner Anschauung nach vom sanitären Standpunkt geradezu eine 151* ...

283 /648
... Die Land Wirthschaft ist bei diesem Gesetz bestrebt, den deutschen Viehstand zu schützen, zu verhindern, daß eine Ansteckung des Viehstandes eintrete, und sie hat zum Theil die Meinung geltend gemacht, die auch der Herr Staatssekretär hier wiedergegeben hat, daß die fertigen Fabrikate vom Auslande eingelassen werden und lieber eine möglichst strenge Kontrole des lebenden Viehs stattfinde. Die entgegengesetzten Interessen, meine Herren, sehen mehr auf den Schutz der Arbeiter und nicht in dem Maße ans den Schutz des Viehstandes; sie wollen das lebende Vieh hereingelassen haben, sie wollen die Zufuhr erleichtert haben und kleinere Gefahren, wenn sie auch in der Hauptsache für den Schutz des Viehstandes sind, lieber in den Kauf nehmen. Sie wollen dem städtischen Proletariat (6) nahrhafte preiswürdige Nahrungsmittel bieten, und sie wollen dahin wirken, daß die auswärtigen Fabrikate, die minderwerthig und der Gesundheit nachhaltig sind, ausgeschlossen werden. Das eine Bestreben in seiner Einseitigkeit dürste ebenso unberechtigt sein wie das andere Bestreben in seiner gleichen Einseitigkeit. Es muß der Viehstand geschützt werden; auf das städtische Proletariat und die städtische Bevölkerung muß aber auch Rücksicht genommen werden. Die Kommission wird sorgen müssen, zwischen beiden Extremen den richtigen Mittelweg zu finden. Nun, meine Herren, hat der Herr Abgeordnete Lenzmann — und scheinbar wohl mit einigem Recht — geltend gemacht, daß die Ausführungen von einigen Seiten des Hauses doch gar zu sehr den Jntereffenstandpunkt hervorkehrten. Namentlich haben die Vertreter der bäuerlichen Interessen klar und ohne Scheu hier vorgetragen, welches Interesse sie selber an der Sache haben. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1899
Bd.: 167. 1898/1900
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-167

ID: 00002779
284 /648
... Die Krankheit dauert so lange, bis der Mensch vollständig verseucht ist, bis seine Krankheit zur Ansteckung seiner Umgebung geführt hat; erst dann kommt er oft dazu, einen Arzt zu Rathe zu ziehen. Das ist das Allerbedenklichste, daß, wenn die Krankheit verheimlicht wird, dies geradezu eine Veranlassung zur Ausbreitung der Krankheit giebt. Wenn wir überhaupt durch reichsgesetzliche Bestimmungen etwas thun wollen, so darf es nicht durch M) drakonische Strafgesetze geschehen; es muß umgekehrt im Sinne christlicher Milde geschehen, damit man die Leute wirklich heilen kann, und nicht in der Weise, daß man sie dafür gleichsam brandmarkt, daß sie eine solche Krankheit haben. Wer mit dem praktischen Leben vertraut ist, wie das jeder praktische Arzt ist, der eine große Thätigkeit hinter sich hat, der weiß, daß, wenn man die Umstände genau berücksichtigt, mancher in Gefahr geräth, eine geschlechtliche Krankheit zu bekommen, aus Unüberlegtheit und Leichtsinn, im Rausch, im Verkehr und durch Verleitung durch andere, und daß es nicht unangemessen ist, wenn man in dieser Beziehung eine gewisse Milde walten läßt, um möglichst rasch den Menschen zu heilen und nicht durch eine allgemeine Brandmarkung den Mann zu hindern, zur rechten Zeit zum Arzt zu gehen. Das ist im wesentlichen das, was ich dazu zu sagen habe. Ich möchte bitten, daß Sie die Worte „geschlechtliche Ausschweifung streichen. (Lebhaftes Bravo links.) Vizepräsident Dr. von Frege-Weltzien: Das Wort hat der Herr Abgeordnete vr. Hitze. Dr. Hitze, Abgeordneter: Meine Herren, die Ausführungen des Herrn Vorredners gehen, wie mir scheint, von ganz falschen Voraussetzungen aus. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1899
Bd.: 173. 1898/1900
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-173

ID: 00002784
285 /648
... Er bildet neben anderen Quellen der Ansteckung eine der am meisten zu beachtenden Ursachen für die starke Verbreitung der Tuberkulose unter den Menschen. h Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamt 1891 Bd. VII S. 749 ff. Aktenstücke zu den Verhandlungen des Reichstages 1898/99. Der Rotz (Wurm) befällt zumeist Thiere des Einhufergeschlechts (Pferde, Esel, Maulthiere). Die Erscheinungen sind in mehrfacher Beziehung denen der Tuberkulose ähnlich, werden jedoch durch einen anderen Spaltpilz (baeillus mallei 8. kareimiiwm) hervorgerufen. Die häufigsten Sitze der Erkrankung sind die Athmungsorgane, namentlich die Nase, der Kehlkopf sowie die Luftröhre und die Lunge, ferner die Haut mit dem darunter liegenden Zellgewebe (Hautrotz, Wurm) und die Lymphdrüsen; letztere sind vergrößert, verhärtet und enthalten kleine Eiterherde. Die Schleimhaut der Luftwege ist mit Geschwüren oder speckigen Narben bedeckt. Die Lungen sind theils mit hanfkornbis erbsengroßen, innen käsigen Knoten durchsetzt, theils stellenweise gallertartig oder speckig verdichtet, theils geschwürig zerfallen. In der Haut sitzen oft perlschnurartig aneinander gereihte harte Knoten sowie Geschwüre mit speckigen Rändern. Durch die Absonderungen der rotzigen Geschwüre kann die Krankheit, besonders bei verletzter Haut, auf den Menschen übertragen werden; in gleicher Weise wirkt die Verunreinigung mit Blut, Fleischsaft sowie der Genuß von Fleisch und Milch kranker Thiere auf den Menschen schädlich. Der Verlauf der Rotzkrankheit beim Menschen ist meist tödtlich. Die Trichinenkrankheit befällt Schweine, Hunde und viele andere Thiere. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1899
Bd.: 174. 1898/1900
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-174

ID: 00002785
286 /648
... In einem Erlaß des deutschen General-Gouvemements von Elsaß-Lothringen und Reims, der den Akten abschriftlich beiliege, und der besondere Verordnungen, betreffend die Rinderpest, treffe, werde aber ausdrücklich bestimmt, daß für alle der Ansteckung erlegenen oder auf Anordnung der Behörde getödteten Thiere Entschädigungen geleistet werden sollen. Schon auf Grund dieser Verfügung sei die deutsche Regierung verpflichtet gewesen, dem Petenten für die gefallenen und getödteten Ochsen Entschädigung zu leisten. Was würde man sagen, wenn bei ähnlichen Anlässen in Deutschland die Behörden ihrer Verpflichtung sich entzögen. Eine Reihe weiterer gerichtlich vernommener Zeugen bekundeten zudem, wie in Fällen, wo Vieh auf Veranlassung des Etappenkommandanten wegen Verdachts der Rinderpest getödtet worden, dafür Entschädigung geleistet worden sei, so beim 3., 5. und 6. Korps an die Herrn Cohn, Jul. Schottländer, Weitz, Caro und Friedman, bekannte jüdische Armeelieferanten. Demgemäß müsse es Verwunderung erregen, wenn ein christlicher Lieferant anders behandelt würde, als seine jüdische Konkurrenz; den Gedanken, der hier nahe liege, wolle er nicht weiter ausführen. Fasse er Alles zusammen, dann müsse er sagen, daß wohl kaum jemals in einer Sache dem Reichstag so umfassendes Beweismaterial beigebracht worden sei, wie bei der vorliegenden Petition. Hätte dies gesammte Material einem deutschen Gerichte vorlegen, es würde ohne alle Frage zu demselben Schluffe gekommen sein, wie die Petitions-Kommission. Nur dem Umstande, daß dasselbe gelegentlich des gerichtlichen Austrages der Sache dem Gerichte noch nicht vorlag, sei die Abweisung der Klage zuzuschreiben. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1900
Bd.: 169. 1898/1900
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-169

ID: 00002780
287 /648
... Wenn wir in Berlin 5000 bis 6000 ein-/ geschriebene Prostituirte haben, und vielleicht 50 000, dis das Gewerbe ganz oder halb treiben, ohne eingeschrieben^ zu sein, so bedeutet das 50 000 Herde der Prostitution (0) und der Ansteckung. (Zuruf links.) — Gewiß, das ist der Fall. Und diese Prostituirten wohnen nicht bei wohlhabenden, sondern bei kleinen Leuten, die in Miethsnoth sind, die oft mit dem größten Unwillen zu dem Nebenerwerb greifen, weil sie die Miethe oft nicht anders aufbringen können. So kommen Mann, Frau und Kinder mit der Prostitution in Berührung; und die Prostituirte ist für die Familie nicht etwa ein Gegenstand des Abscheus oder des Bedauerns, nein, sie ist das Fräulein, die den armen Leuten hilft die Miethe bezahlen. Sie ist ein bevorzugtes Wesen, das die Kinder zu bedienen haben, und so in Berührung kommen mit dem Laster, das wir alle verwünschen. Verehrte Herren, wenn wir der Prostitution den Kamps anbieten und die grenzenlose Verseuchung unseres Volks mit Unzucht und Syphilis einschränken wollen, können wir diesen Paragraph nicht annehmen, weil er uns jeden Kampf gegen die Sache selbst unmöglich macht. Auch was hier von Ausbeutung steht, ist kein Schutz. Der Vermiether braucht die Personen gar nicht auszubeuten, er kann sein Haus oder seine Stube zu den gebräuchlichen Preisen abgeben. Es giebt Häuser und Gegenden in Berlin genug, wo die Wirthe in beständiger Sorge um Miether sind, sie geben ihre Häuser her zu gewöhnlichen Preisen und haben davon den Vortheil, daß die Wohnungen beständig vermiethet sind. ...

288 /648
... Wir wollen deshalb vor allen Dingen das Institut der bedingten Verurtheilung einführen und dadurch die Jugend vor dem coniaZium, vor der Ansteckung bewahren. Meine Herren, in der Petition heißt es dann — und das führt uns auf die Frage der praktischen Bethätigung und Einführung der Prügelstrafe —: Wir erachten daher eine Nachprüfung der Frage, ob nach der ganzen Lage des Falles die Prügelstrafe geboten ist, durch ein hohes, erfahrenes Nichterkollegium für erforderlich und bringen dementsprechend weiter — die Analogie des ß 485 der Strafprozeßordnung — eine Bestimmung in dieser in Vorschlag, nach welcher die Prügelstrafe erst vollstreckt werden darf, wenn der zuständige Strafsenat des Oberlandesgerichts dieselbe genehmigt hat. Nun haben wir bisher überhaupt mit Ausnahme des Oberlandesgerichts München und des Kammergerichts Berlin gar keinen Strafsenat eines Oberlandesgerichts, wenigstens für Bayern und Preußen. Dies scheinen die Herren Petenten vollständig vergessen zu haben. Meine Herren, nun sehen Sie sich einmal die Sache an, wie sie sich in der Praxis macht. Zunächst soll die Rechtskraft des Urtheils abgewartet werden. Es wird also, je nachdem das Schöffengericht oder die Strafkammer in erster Instanz abgeurtheilt hat, entweder die Berufung und dann die Revision oder bloß die Revision eingelegt. Das genügt aber nicht. Nachdem nun die Rechtskraft eingetreten ist, soll noch Beschwerde — die doch unter Ml allen Umständen stattfinden muß — gegen diesen Beschluß des Oberlandesgerichts stattfinden. Die Prügelstrafe wird also vollzogen nach Jahr und Tag. (Hört! hört! links.) ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1900
Bd.: 170. 1898/1900
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-170

ID: 00002781
289 /648
... Da giebt es nur ein Mittel:1 das1 Fleisch,1 wie es1 bei den Kulturvölkern geschieht, zu kochen; dann sind die Gefahren der Ansteckung beseitigt. Aber auch das andere Mittel wäre nicht übel, wenn man nämlich ein Büchlein herausgäbe über die Lungen-, Blasenwürmer, die Leberegelerkrankungen und die Tuberkulose, Krankheiten, diegerade am häufigsten vorkommen. Die Belehrung des Publikums würde das beste Mittel sein, vor Gefahr zu schützen. Meine Herren, die Kontrole könnte nur einen kleinen Nutzen haben, und der ist fraglich. Die Nachtheile sind aber nicht fraglich, sondern sicher und sehr groß. Denken Sie nur einmal an die Kosten! Im vorigen Jahre sind in Baden 500,000 Schweine im Haushalt geschlachtet worden, im Königreich Bayern bei 8000 Landgemeinden (v) ungefähr 1/2 Millionen Schweine. In ganz Deutschland sind im vorigen Jahre 14 Millionen Schweine geschlachtet worden; davon trafen auf die 22 großen Schlachthöfe nur 2179356 Stück. Wir werden gewiß nicht zu viel annehmen, wenn wir sagen: 7 Millionen Stück Schlachtvieh, Schweine und andere Thiere, sind in Haushaltungen geschlachtet worden. Wenn für diese Thiere, wie es die sächsische Gebührenordnung für Fleischbeschauer bestimmt, für jedes Rind 1,50 Mark, für ein Kalb 60 Pfennig, für ein Schwein 75 Pfennig verlangt werden, so macht das allein eine Summe von 6 Millionen Mark jährlich aus. Das ist aber ganz gering gerechnet. ...

290 /648
... Meine Herren, wir betrachten die Vorlage i» ihrer Wirkung gegen moralische Ansteckung — ich will es aber nicht mehr weiter ausführen — nur als ein schwaches Spinnweb, so leicht zu durchbrechen. Das Schöne ist nicht der Welt geschenkt worden, um vergraben und ver- ...

291 /648
... Also ein Geschlechtskranker, der weiß, daß er gcschlechtskrank ist — und das weiß ja jeder Mann, der krank ist, zweifellos; die Frauen, wenn sie nicht Prostitnirte sind, wissen es meistens nicht, darin unterscheiden sie sich wieder von den Männern — hat in dem Alter, wo er einen solchen Akt begeht, bereits so viel Kenntniß erlangt, daß er weiß, daß, wenn er in dem Zustand, in dem er sich befindet, mit einer gesunden Frau den Beischlaf begeht, die Gefahr der Ansteckung für die betreffende Frau eintreten kann, und er Anklage wegen Fahrlässigkeit zu erwarten hat. Immer wieder unter der Voraussetzung, daß die Frau bestimmt weiß, von wem die fahrlässige Handlung begangen ist. Endlich aber heißt es in dem 8 231: In allen Fällen von Körperverletzung kann auf Verlangen des Verletzten neben der Strafe auf eine an derselben zu erlegende Buße bis zum Betrage von 6000 Mark erkannt werden. Eine erkannte Buße schließt die Geltendmachung (v) eines weiteren Entschädigungsanspruchs aus. Hier kann nach dem geltenden Recht über den Antrag hüians, der uns vorliegt, bereits Buße durchgesetzt werden. Nachdem ich mich so überzeugt habe, daß in der That bereits unsere Gesetzgebung gegenwärtig die Möglichkeit bietet, das hier durch den 8 327 » bedrohte Vergehen zur Verantwortung zu ziehen, möchte ich Sie bitten, mit mir gegen den 8 327» zu stimmen. (Bravo! links.) Vizepräsident Schmidt (Elberfeld): Das Wort hat der Herr Kommissar des Bnndesraths, Kaiserliche Geheime Obcr-Negierungsrath Dr. von Tischendorf. ...

292 /648
... Was nützt es, wenn man auch weiß, in dem und dem Hause oder in jener Familie ist ein Tuberkelfall, wenn man nicht eine Masse anderer Vorbedingungen erfüllen kann, um den Schwindsuchtskranken aus seiner Behausung zu entfernen, so die Ansteckung zu verhindern, für sein anderweites gesundes Unterkommen zu sorgen, ihn zu heilen und wieder erwerbsfähig zu machen oder dauernd in ein Asyl unterzubringen. Um die beiden hier genannten Krankheiten zu bekämpfen in einem wirksamen Maßstabe, bedarf es spezieller Gesetze; im Rahmen dieses Gesetzes würde ich es für unmöglich halten und ich möchte nament-(v) lich bezüglich der Tuberkulose jetzt vorläufig von gesetzgeberischen Schritten absehen. Die freiwillige Bekämpfung der Tuberkulose in Deutschland ist doch schon eine recht großartige; in allen Theilen Deutschlands regt sich das Gefühl der Verantwortlichkeit, besonders in den besitzenden Kreisen, dem Uebel zu steuern, die freie Liebcsthätigkeit hat hier geradezu Wunder gethan; die besitzenden Klassen haben ein großes Interesse für die Frage bewiesen, haben sich außerordentlich opferwillig gezeigt, und ich hoffe deshalb auch, daß auf dem Wege der freien Liebesthätigkeit der Kampf gegen die Tuberkulose wirksam aufgenommen ist und zu einem siegreichen Erfolge führen wird. Ein Grund, warum wir Ihnen erst jetzt das Gesetz vorgelegt haben, war übrigens auch der, daß wir bekanntlich Sachverständige nach Oporto zum Studium der Pest geschickt hatten, und es uns wesentlich darauf ankam, ehe wir dieses Gesetz endgiltig feststellten, ans dem Munde dieser Sachverständigen zu hören, welche Maßregeln sie zur Bekämpfung der Pest für nöthig halten. ...

293 /648
... Gerade die moderne Anschauung über die Art der Ansteckung und über die Verbreitung der Krankheiten beweist, wie richtig diese Anschauung Rubners ist. Es ist jetzt festgestellt, daß die Ansteckungskeime zu Zeiten von Epidemien auch bei Gefunden vorhanden sein können. Es ist festgestellt, daß Gesunde während einer Choleraepidemie reichlich Cholera-Vibrionen in ihrem (v) Darm mit sich führen können, dabei niemals krank zu werden brauchen und doch fähig sind, Ande.re anzustecken! Wenn also Gesunde, bei denen nicht der geringste Verdacht oder äußere Anschein vorliegt, daß eine solche Jnfizirung derselben oder, richtiger gesagt, eine solche Invasion, wie es technisch heißt, mit Spaltpilzen stattgefunden hat, sich unbeobachtet bewegen können — und sie können es auch nach dem Entwurf, ja, es ist überhaupt unmöglich, bei Gesunden, die gar keine äußeren Verdachtsmomente zeigen, Verkehrsbeschränkungen zu schaffen —, so ist doch damit bewiesen, daß die Möglichkeit, solche Ansteckungen herbeizuführen, durch die bloße Maßnahme der Feststellnng des ersten Falls nicht allein schon aus der Welt geschafft ist. Ich erinnere ferner daran, daß auch die Jnfizirten längere Zeit sich in einem scheinbar normalen, gesunden Zustande befinden können und dabei von außerordentlicher Anfteckungssähigkeit sind, nämlich während der Inkubationszeit, der Zeit, während der sich die Invasion zur Infektion verwandelt, wo sich die Spaltpilze am lebhaftesten vermehren, weil sie dann die vegetativste Form besitzen, in der sie sich am leichtesten fortpflanzen und übertragen. ...

294 /648
... M Ansteckung vermeiden zu können. Das ist dem Volke aber nur möglich auf Grund einer rationellen Lebensweise. Die Kenntniß derselben kann aber nicht erst zu Zeiten der Gefahr verbreitet werden durch einzelne amtliche Flugschriften, die von der geängstigten Bevölkerung dann oft gar nicht richtig ersaßt werden! Ich erkenne ja an, daß daß das Reichs-Gesundheitsamt schon seit Jahren ein „Gesundheitsbüchlein herausgiebt, welches in gemeinverständlicher Darstellung eine ganze Anzahl vorzüglicher Lehren enthält! Aber solange nicht in den Schulen die Grundlagen der Gesundheitslehre gelehrt werden, so lange ist nicht daran zu denken, daß die große Masse der Bevölkerung auch die erforderlichen Vorkenntnisse und das Interesse besitzt, um sich mit dieser Materie zu beschäftigen. Wo soll sich denn das Volk die Vorkenntnisse erwerben, um auch die ganz gemeinverständlich geschriebenen Bücher zu verstehen? Ich habe diese Bemerkung hier eingefügt, um mich dagegen zu wenden, daß man auf die im Gesetzentwurf geforderten Jsolirungen und Absperrungen Werth legt. Man ist doch glücklich dahin gekommen, daß man auf die Quarantäne, die Absperrung der Grenzen gegen Menschen, Waaren und Güter keinen solchen Werth mehr legt, wie man dies früher that, wo man glaubte, man könne sich dadurch überhaupt gegen die Angriffe der Seuche schützen. Jetzt hat uns die Bakteriologie gezeigt, daß das nicht möglich ist, daß die Waaren trotz aller Quarantäne noch die Ansteckungsgefahr in sich bergen könne und zwar Jahre lang. ...
... Die Bakteriologie hat uns ferner gelehrt, daß die Ansteckung durch Luftzug, besonders der feuchten Luft, stattfinden kann, auch durch Insekten — Natten und Mäche sind ja in dem Gesetzentwurf aufgenommen —; die Fliegen hat man nicht aufgenommen, trotzdem sie doch noch in höherem Maße zur Zeit der Epidemie gefährlich sind als Ratten und Mäuse, da die Fliegen direkt mit dem Menschen (s) in Berührung treten, während das bei den Ratten und Mäusen nur in beschränkterem Maße der Fall ist. Gegen die Jsolirung habe ich dann noch einzuwenden — wenn sie auch nicht mehr in so rigorosem Maße wie früher zur Anwendung kommt, so kann sie doch nach der Vorschrift des ß 14 noch rigoros genug sein —, daß man vor allen Dingen versäumt hat, dafür Sorge zu tragen, daß auch Räume vorhanden sind, in denen die Leute hingeschafft werden können, die man isoliren will. Ich habe vorhin schon erwähnt, daß es an Wohnungen mangeln kann. Wo aber wollen Sie denn die Kranken hinschaffen (sehr richtig! bei den Sozialdemokraten), von denen Sie verlangen, daß sie aus der Wohnung entfernt werden? Und das wird ja immer bei der armen Bevölkerung nothwendig sein, wenn Mann und Frau und Kinder in einer Stube lebt, wäscht, kocht und womöglich noch Hausindustrie treibt. Dort müßte, falls die Jsolirung das Richtige wäre, die Jsolirung dadurch stattfinden, daß die kranken Arbeiter aus ihrer Wohnung fortgeschafft werden. Wo sollen sie aber hin? In die Krankenhäuser? ...

295 /648
... Es war absolut ausgeschlossen, daß eine Ansteckung stattgefunden. Endlich kam der Arzt auf den Gedanken, den Besitzer des Gehöfts zu fragen: sind hier vielleicht russische Gänse durchgekommen? Und was erwiderte der? —: ja, ich habe in demselben Stall vor drei Tagen — oder vor mehreren Tagen, das lasse ich ungesagt — russische Gänse zu Gast gehabt, d. h. ein Händler hatte ihn gebeten, russische Gänse unterzubringen. Er hat das auch gethan, und mehrere Tage darauf brach darauf in seinem Gehöft die Seuche aus. Ich dächte, das wäre Beweis genug. Warum wird die Durchfuhr der russischen Gänse nicht verboten? Sonst nützen alle die Erschwernisse, die gemacht werden, nichts. Wenn Sie sehen, daß in die Ställe solche Gänse hineingenommen werden, und es bricht die Seuche da aus, dann ist die Gefährlichkeit der russischen Gänse damit bewiesen. Es ist doch auch nicht zu leugnen, daß, ebenso wie durch die Berührung von Menschen und Vieh die Seuche verschleppt wird, dies auch geschehen kann durch die Federn der Gänse. Es ist auch bewiesen, daß die Seuche aufgetreten ist bei Vieh, das Straßen betreten hat, auf denen vorher russische Gänse durchmarschirt waren. Ich verstehe nicht, wie man sich da weigert, Maßregeln dagegen zu treffen; ich muß annehmen, daß da nicht sanitätspolizeiliche, sondern politische Rücksichten maßgebend sind. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1900
Bd.: 171. 1898/1900
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-171

ID: 00002782
296 /648
... Wenn er nun gleich ins Gefängniß wandert, so unterliegt er hier der Ansteckung durch die anderen Kumpane; er wird schlechter aus dem Gefängniß herauskommen, als er Hineinkain. (Sehr richtig! links.) Ich sage also, auch vom kriminalpolitischen Standpunkt ist eine derartige Bestrafung landwirthschastlicher, vor allem jugendlicher Arbeiter zu verwerfen. Aber maßgebend bei den heutigen Verhandlungen muß M) auch die Frage der verfassungsmäßigen Giltigkeit sein. Nun hat der Herr Staatssekretär Dr. Nieberding als Grundlage seiner Ausführungen das Moment gewählt, daß die Bestrafung des Kontraktbruchs nicht in das Reichsrecht einschlage, d. h. nicht zur Kompetenz der Reichsgesetzgebung gehöre; er hat auseinandergesetzt, daß vor allem auch die Presse der äußersten Linken darüber einig sei, daß eine Bestrafung des Kontraktbruchs selbst nicht in das Reichsrecht eingreife. Wenn dem so wäre, dann hätte der Herr Staatssekretär mit seinen übrigen Auslassungen Recht; aber ich glaube, daß diese Anschauung, auch wenn sie von sozialdemokratischen Zeitungen publizirt worden ist, eine vollkommen falsche und irrthümliche ist. Ich glaube vielmehr, daß die Bestrafung des Konkraktbruchs, ganz gleich, ob es sich um landwirthschaftliche Arbeiter oder andere handelt — das kann keinen Unterschied machen —, thatsächlich einen Eingriff in die Reichsgesetzgebung bedeutet. Es kann sich bei diesen Bestimmungen — und das scheint die Negierung von Anhalt vor allem im Auge gehabt zu haben — entweder um gemeingefährliche Vergehen im Sinne des 27. Abschnittes des Strafgesetzbuchs oder um Vergehen gegen die öffentliche Ordnung, wie dies bereits vom Herrn Kollegen Stadthagen ausgeführt wurde, also um Delikte des 7. Abschnittes handeln. ...

297 /648
... Daß Differenzen zwischen diesen beiden Aerzten entstehen können, gebe ich lv) gerne zu; aber im Ernstfall weiß jeder, worum es sich handelt: den ersten Fall gleich zu fassen, damit die Allgemeinheit von der Ansteckung verschont bleibt. Natürlich weiß ja der Herr Abgeordnete Böckel von pandemischen Krankheiten, die vom Auslande eingeschleppt werden, sehr wenig; er meint, die Cholera, der Pestbazillus, ebenso auch die Pocken entstehen genuin. Bekannt ist, daß die Pocken immer aus den Ländern eingeschleppt werden, wo kein Impfzwang besteht. (Sehr richtig!) Ich möchte nun sagen, um eben den Gegensatz zu mildern, der durch den sozialdemokratischen Antrag hineingekommen ist, habe ich mir erlaubt, meinen Antrag einzubringen. Im Ernstfälle glaube ich wirklich nicht, daß es zwischen dem behandelnden und dem beamteten Arzte zu großen Differenzen kommen wird; das ist ein Ding der Unmöglichkeit. Ich möchte daran erinnern, daß die Bekämpfung der Cholera im Jahre 1892 gerade durch die Beihilfe der beiden Klassen von Aerzten und der Kommissarien, welche vom Reiche hingeschickt wurden, so glücklich verlaufen ist. Nun stehe ich auf dem Standpunkte — ich bin kein beamteter Arzt —, daß der beamtete Arzt dadurch, daß er erklärt, die Uebcrführung „ist unerläßlich, natürlich zu einer ganz verschiedenen Entscheidung kommt als der behandelnde Arzt, der nur über die Schädigung, die dem Kranken durch den Transport entstehen kann, sein Urtheil abgeben soll. Ich finde darin natürlich für den behandelnden Arzt — das sage ich für meine Person — eine kleine Degradation. ...

298 /648
... erforderlichen Maßregeln gegen die Weiterverbreitung der Ansteckung anzuordnen hat. Da halte ich es ebenso für selbstverständlich und möchte ich besonders darauf hinweisen, daß, in denjenigen Fällen, in denen ein behandelnder Arzt uicht vorhanden ist, die Unterbringung in ein Krankenhaus nicht deshalb unterbleiben muß, weil ein Gutachten des behandelnden Arztes über die Unschädlichkeit der Ueberführung ins Krankenhaus nicht zu erlangen ist. In solchen Fällen ist das Gutachten ausschließlich des beamteten Arztes als ausreichend zu betrachten. Ich weiß nun wohl, der angenommene Antrag der sozialdemokratischen Abgeordneten, dessen wohlwollende Absicht ich nochmals betone, ist nicht zu beseitigen. Mein Antrag wird bei der vorgerückten Zeit wohl nicht mehr die Zustimmung des hohen Hauses finden. Daher ziehe ich diesen Antrag auf Nr. 907 der Drucksachen hiermit zurück. Vizepräsident Dr. von Frege-Weltzien: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Zubeil. Zubeil, Abgeordneter: Meine Herren, auf die Gefahr hin, nachher von einem Mediziner rektifizirt zu werden, kann ich doch nicht umhin, auch meine Bedenken gegen dieses Gesetz zur Geltung zu bringen. Ich bedauere in erster Linie, daß die Reichsregierung ein solches in das gesammte Volksleben tief einschneidendes Gesetz zu so später Stunde eingebracht hat, und daß die endgiltige Verabschiedung dem hohen Hause hier, da wir schon mit dem Koffer in der Hand uns befinden, vorliegt. Selbstverständlich kann da eine richtige, gründliche Prüfung der Materie nicht mehr stattfinden. Selbst unsere Kommission war noch nicht einmal sicher, als sie in diese Materie eintrat, ob sie ihre Arbeit noch in dieser Session zur Verabschiedung bringen würde. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1900
Bd.: 177. 1898/1900
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-177

ID: 00002788
299 /648
... Bei Fleck sie der gilt es hauptsächlich denjenigen Theil der Bevölkerung zu schützen, welcher vorzugsweise der Ansteckung ausgesetzt ist, nämlich die in ungünstigen wirthschaftlichen und gesundheitlichen Verhältnissen lebenden Bewohner enger Räume, die Insassen von Herbergen, Asylen und dergleichen. Daneben ist einer Verbreitung der Seuche durch das Krankenpflegepersonal vorzubeugen und die erfahrungsgemäß häufige Verschleppung von Ort zu Ort durch umherziehende Personen zu verhüten. Gegen eine Weiterverbreitung der Pocken werden im Hinblick auf die durch das Jmpfgesetz verringerte Empfänglichkeit der Bevölkerung für die Ansteckung allgemeine Schutzmaßregeln nur in den der Einschleppung aus dem Ausland ausgesetzten Grenzbezirken in Frage kommen, im Binnenlande dagegen wird es sich hauptsächlich darum handeln, beim Auftreten vereinzelter Pockenfälle eine möglichst schnelle und strenge Absonderung der Kranken eintreten zu lassen. Der Gesetzentwurf beschränkt sich absichtlich darauf, nur die Zulässigkeit der in den weiter folgenden Bestimmungen bezeichneten Maßnahmen auszusprechen. Wann die Nothwendigkeit vorliegt, zu den einzelnen Maßnahmen überzugehen, wird in der Regel nur aus der Lage des Einzelsalls sich ergeben. Um voreiligen und unnöihigen Maßregeln vorzubeugen, sollen in den Ausführungsbestimmungen des Bundesralhs leitende Grundsätze aufgestellt werden, nach denen die Polizeibehörden und beamteten Aerzte zu handeln haben. Jedenfalls werden die vorgesehenen Schutzmaßregeln nur für die Dauer der Krankheitsgefühl: ergriffen werden dürfen. Wann der Beginn und das Ende der Krankheitsgefahr als gegeben zu erachten ist, wird von der Polizeibehörde nach Anhörung des beamteten Arztes zu entscheiden sein; nöthigen Falles wird der Bundesrath auch hierfür Anhaltspunkte aufstellen können. ...

300 /648
... Einerseits kann auch durch solche Personen eine Ansteckung vermittelt werden, andererseits gebietet es die Vorsicht, Personen, von denen anzunehmen ist, daß sie den Krankheitsstoff aufgenommen haben, unter ständiger Aufsicht zu halten, um bei etwaigem Ausbruche der Krankheit sofort die nöthigen Sicherheitsmaßregeln ergreifen zu können. Namentlich kommen hierbei Personen in Betracht, welche mit Kranken längere Zeit in einem und demselben Raume sich aufgehalten haben oder sonst in enge Berührung gekommen sind. z. B. auf Eisenbahnfahrten, während einer Seereise, bei Massentransporten, in Herbergen oder dergl. Der Entwurf sieht deshalb auch für krankheits- oder ansteckungsverdächtige Personen die Zulässigkeit der Absonderung vor; doch wird diese Maßnahme auf die Fälle zwingender Nothwendigkeit beschränkt zu bleiben haben und keinesfalls darf sie in Räumen, in denen an der Seuche erkrankte Personen untergebracht sind, stattfinden, um nicht die nur verdächtigen Personen durch das Zusammenbringen mit Kranken einer neuen Ansteckungsgefahr auszusetzen Auch soll die Absonderung von ansteckungsverdächtigen und krankheitsverdächtigen Personen, so lange dies irgendwie angängig ist und ausreichende Räume hierfür zur Verfügung stehen, in getrennten Unterkunftsstätten vorgenommen werden, um zu vermeiden, daß erst durch die polizeilichen Absonderungsmaßnahmen gesunde Personen der Ansteckung ausgesetzt werden. Die im Abs. 4 des §. 14 vorgesehene Bezeichnung von Wohnungen oder Häusern, in welchen eine Seuche ausgebrochen ist, soll dazu dienen, vor dem Verkehr in diesen Räumen zu warnen und dadurch die Absonderung der Kranken zu erleichtern. ...


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