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Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1900
Bd.: 177. 1898/1900
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-177

ID: 00002788
301 /648
... 4223 lange abgesondert zu halten, bis der Kantonalarzt die Gefahr der Ansteckung für beseitigt erklärt hat und Kleider, Wäsche . . . desinfizirt worden sind. Derselben Absonderung müssen sich alle Personen, welche sich mit dem Kranken in demselben Hause beziehungsweise derselben Wohnung befinden, unterwerfen, wenn sie nicht den Nachweis liefern, daß sie im Laufe der letzten 10 Jahre geimpft oder wiedergeimpft worden sind??) Bei jeder ansteckenden Krankheit ist auf thunlichste Absonderung der Kranken hinzuwirken. Sie ist am wichtigsten bei Scharlach, dann bei Diphtherie. Auch Typhusund Ruhrkranke sind thunlichst von Gesunden zu trennen. Jeder unnöthige Besuch ist fernzuhalten. Die Uebcrführung der Kranken in ein Spital ist bei den genannten 4 Krankheiten anzustreben, wenn die Absonderung und Wartung nicht genügt und ein geeignetes Spital zur Verfügung steht. Spitalzwang ist ohne besondere Verordnung nicht zulässig. Zur Ueberführung der Kranken in ein Spital sind öffentliche Fuhrwerke nicht zu benutzen??) Kennzeichnung des Aufenthaltsorts von ansteckenden kranken. (Gesetzentwurf §. 14 Abs. 4.) Eine öffentliche Bekanntmachung der einzelnen Häuser, in welchen sich an ansteckenden Krankheiten leidende Personen befinden, ist zulässig in Württemberg bei Cholera^) und Pocken?). Durch eine Warnungstafel können die Häuser oder wenigstens die Wohnungen, in denen sich ansteckende Kranke befinden, kenntlich gemacht werden in Preußen bei Cholera?), Typhus^), bösartiger Ruhr?), Pocken?), besonders bösartigen Masern, Scharlach und Röthelr?), Diphtherieb), Milzbrand?); Württemberg bei Cholera^) und Pocken?); Baden bei Blatternro), Typhus), Cholera?) und bei besonders gefährlichem Auftreten von Scharlach, Diphtherie, Croup oder beim Vorkommen mehrerer solcher Erkrankungen in einem Hause?) ...
... Breitet sich die Krankheit sehr aus, so können sie nach Umständen auch die Schließung der öffentlichen Vergnügungs- und anderer Versammlungsorte, mit Ausnahme der Kirchen, ingleichen die Aufhebung der Wochenmärkte anordnen, oder geeignete Modifikationen behufs der Verminderung der Gefahr der Ansteckung vorschreiben. Jahrmärkte können nur auf Veranlassung des Oberpräsidenten der Provinz, Messen nur durch Verfügung der betreffenden Ministerien aufgehoben werden?) Alle Gegenstände, welche mit ansteckenden Krankheiten in unmittelbare Berührung gekommen sind, dürfen nicht eher wieder in den Verkehr kommen oder von einem Orte zum anderen versandt werden, bis deren Reinigung nach Anleitung der Desinfektionsinstruktion erfolgt ist.?) Für die inländische Schiffahrt sind auf denjenigen Wasserstraßen, welche mit Gegenden, worin die Cholera epidemisch verbreitet ist, in direkter Verbindung stehen, an bestimmten, von dem Oberpräsidenten zu bezeichnenden Punkten genaue Revisionen des Gesundheitszustandes der auf den Schiffen befindlichen Mannschaften durch die Ortspolizeibehörden oder andere geeignete, speziell damit beauftragte Beamte und, wo es möglich ist, unter Zuziehung eines Arztes anzuordnen. Jedem, die genannten Wasserstraßen befahrenden Schiffer muß von der Polizeibehörde seines Abgangsorts ein Schein ertheilt werden, in welchem die auf dem Schiffe befindliche Mannschaft verzeichnet und deren Gesundheitszustand angegeben ist und welcher an jedem Revisionsorte visirt werden muß. Während der Fahrt darf von dem Fahrzeuge Niemand ohne Vorwissen der Polizeibehörde des Ortes entlassen werden?) Der Ausbruch der Cholera auf einem Flußfahrzeug ist von dem Schiffer oder seinem Stellvertreter der Polizeibehörde des nächsten Ortes, welchen er auf seiner Fahrt zu berühren hat, anzuzeigen. ...

302 /648
... Die Distriktspolizeibehörden sind befugt, die Reinigung von Kleidungsstücken, Leinenzeug, Betten oder anderen zur Verbreitung von Ansteckung geeigneten Gegenständen, welche von einem an einer ansteckenden Krankheit Leidenden während der Erkrankung gebraucht worden sind, anzuordnen, erforderlichenfalls auch deren Vernichtung zu verfügen?) Sachsen. Bei dem Auftreten von Epidemien haben die Bezirksärzte, soweit nöthig, die erforderlichen Lokalerörterungen vorzunehmen und bei den betreffenden Ortspolizeibehörden die vorzukehrenden Maßregeln zu beantragen, auch die letzteren im Einvernehmen mit den Ortspolizeibehörden zu leiten und zu überwachen?) Wegen Desinfektion der Schulräume ist den Anordnungen des Bezirksarztes nachzugeben?) Das Publikum ist in geeigneter Weise auf die Gefahren der Verschleppung von Krankheiten, insbesondere von Diphtherie, Masern, Scharlach, Pocken, Typhus, Cholera, Lungenschwindsucht, durch Kleider, Wäsche oder Betten, welche Kranke während der Krankheit benutzt haben, besonders hinzuweisen; es ist die Desinfektion derartiger Gegenstände zu empfehlen, falls sie nicht besser vernichtet werden?) SaniLäLspolizeiliches Regulativ §?. 19 bis 21. H Ministerialerlaß vom 14. Juli 1884. ^1 Erlaß des Ministers der öffentlichen Arbeiten vom 1. April 1898 (Eisenbahn-Verordnungsblatt S. 81). *) Ministerialerlaß vom 6. August 1883. b) Artikel 67 Abs. l des Polizeistrafgesetzbuchs, §. 21 Abs. 1 der Vollzugsverordnung vom 4. Januar 1872. 6)1 Verordnung vom 10. Juli 1884 §. 13 Abs. 1. 7)1 Verordnung vom 8. November 1882 Nr. 8 (Gesetz- und Verordnungsblatt S. 252). b) Ministerialerlaß vom 22. März 1897 (Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheitsamts S. 794). Württemberg. ...

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... Außerdem find die Polizeibehörden befugt, bei jedem an einer ansteckenden Krankheit Leidenden die Reinigung der Kleidungsstücke, Betten, des Leinenzeugs und anderer zur Verbreitung der Ansteckung geeigneter Gegenstände, die während dessen Erkrankung gebraucht worden sind, anzuordnen oder deren Vernichtung zu verfügen?) Hessen. Durch Kreis-Polizeiverordnungen sind bei Typhus, Flecktyphus, Scharlach, Rachen- und Halsbräune, Blattern, Wasserblattern bei Erwachsenen, und asiatischer Cholera im ganzen Großherzogthume, ferner bei epidemischer Genickstarre, Wochenbettfieber, Milzbrandkarbunkel und in choleraverdächtigen Fällen im Kreise Offenbach ^), bei Rückfallfieber, Ruhr und Trichinenkrankheit in allen übrigen Kreisen Desinfektionsmaßregeln vorgeschrieben. Mecklenburg-Schwerin und -Strelitz. Desinfektionsmaßregeln sind vorgeschrieben für die Leibwäsche von Personen, welche an Unterleibstyphus, Rückfallfieber, epidemischer Ruhr oder Milzbrand gestorben sind,22) ferner beim Auftreten der Cholera für Abtritte, Pissoirs, Ausleerungen der Kranken und mit solchen Ausleerungen beschmutzte Gegenstände, Leibwäsche, Betten und für Räume, welche von den Kranken benutzt worden sind,2) außerdem zum Schutze gegen Diphtherie für das Krankenzimmer, die Absonderungen des Kranken aus dem Munde, der Nase und der Operationswunde, für die vom Kranken benutzten Gegenstände, wie Eß- und Trinkgeschirre, Kleider, Leib- und Bettwäsche, Betten, Matratzen re., für die krankenpflegende Person und deren Wäsche und Kleidung sowie für den genesenen Kranken.^) Lübeck. Die Haushaltungsvorstände beziehungsweise deren Stellvertreter (in Anstalten die Leiter, Verwalter, Hausväter u. s. w.) sind verpflichtet, bei in ihrem Haushalte sich ereignenden Krankheit?- oder Sterbefällen an asiatischer Verordnung vom 18. Juli 1884 §§. 4 und 6. ) Verordnung vom 8. Dezember 1894 (Gesetz- und Verordnungsblatt S. 438). s) Verordnung vom 6. Mai 189? ...

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... Bei den Beerdigungen von Pockenkranken ist thunlichst Alles zu vermeiden, was die Ansteckung vermitteln kann. Es ist auch in dieser Beziehung den Anordnungen der Aerzte Folge zu leisten??) Elsaß-Lothringen. Die Leichen der an Blattern Verstorbenen sind in starken, wohl erpichten Särgen zu beerdigen. Zusammenkünfte des Leichengefolges in den Sterbewohnungen sind nicht gestattet?^) Pocken- und Scharlachkeichen müssen zur Desinfektion in mit Sublimatlösung fl : 1000) getränkte Leinentücher eingeschlagen und an Kopf- und Fußansatz verschnürt werden?^) Anlage H. Zusammenstellung gesetzlicher Bestimmungen zur Abwehr ansteckender Krankheiten in außerdeutschen Staaten. Belgien. In Belgien gehört die Leitung des öffentlichen Gesundheitsdienstes zum Geschäftsbereiche des Ministeriums des Innern. Die einzelnen Maßregeln auf dem Gebiete der Gesundheitspflege vollziehen sich nach den Anträgen oder auf Grund von Gutachten der den politischen Behörden beigegebenen, aus Fachmännern und Rechtskundigen zusammengesetzten Gesundheitsräthe. Diese letzteren Körperschaften sind: 1. Der oberste Gesundheitsrath in Brüssel (oon8oil superisur äb^Aivus publigus), 2. die Provinzial-Gesundheitskommissionen fLominissions provilieial68 äo 8alubritch, 3. die Orts - Gesundheitskommissionen (Oom-1018810118 M6äieul68 loonltzch. Auf dem Lande kann an Stelle der letzteren ein einzelner Arzt treten. Den Kommissionen niederer Instanz ist unter Anderem die Verpflichtung zur jährlichen Berichterstattung und zur Meldung der die öffentliche Gesundheit gefährdenden Verhältnisse und Ereignisse, insbesondere jedes Ausbruchs von ansteckenden Krankheiten an die Kommissionen der höheren Instanz auferlegt. Unabhängig hiervon werden die gleichen Vorkommnisse auch von den politischen Behörden auf dem Instanzenweg an das Ministerium des Innern gemeldet. ...

305 /648
... Kann der Kranke in seiner Wohnung nicht so isolirt werden, daß einer Ansteckung vorgebeugt wird, so darf die Kommission anordnen (§. 13), daß er in ein öffentliches Krankenhaus oder in einen von der Gemeinde zu beschaffenden Jsolirraum (tz. 4) verbracht wird; sie hat dafür Sorge zu tragen, daß das zur Krankenhausbehandlung erforderliche Wärterpersonal und die ausschließlich zum Krankentransporte bestimmten Beförderungsmittel in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen (§. 4). Auch Kranke, welche an Diphtherie, Scharlach, Typhus oder gastrischem Fieber leiden, können, wenn solches sofort beim Ausbruche der Krankheit möglich ist, auf Verlangen eines Arztes zur unentgeltlichen Behandlung in das zur Aufnahme solcher Kranken bestimmte Krankenhaus gebracht werden (§. 2). §. 15 enthält Bestimmungen über den Ausschluß ansteckungsverdächtiger Personen von ihrer gewohnten Beschäftigung gegen Gewährung einer Entschädigung, §. 18 handelt von der Schließung von Meiereien und Milchgeschäften, innerhalb deren eine der öffentlichen Behandlung unterliegende Krankheit ausgebrochen ist. Für den dadurch entstehenden Verlust wird dem Eigenthümer eine Entschädigung geleistet. §. 19 verbietet den Schulbesuch von Kindern, welche einem von einer Krankheit heimgesuchten Hausstand angehören. Zu solchen Krankheiten gehören für diesen Fall auch Diphtherie, Croup und Scharlach. Lehrer, in deren Hausstand eine dieser Krankheiten vorkommt, können vom Unterricht ausgeschlossen werden. In den von einer der Krankheiten betroffenen Gemeinden sowie in ihren Nachbargemeinden können auch die Schulen geschlossen und Lustbarkeiten, bei welchen viele Personen in demselben Raume zusammenkommen, verboten werden. ...

306 /648
... Zuführung des Krankheitsstoffs durch den Mund in den ^ Körper eine Ansteckung erfolgen kann. Es ist deshalb auch ! streng zu vermeiden, während oder nach dem Umgänge mit Kranken vor erfolgter sorgfältiger Reinigung der Hände zu rauchen oder Speisen und Getränke zu sich zu nehmen. 10.1 Eine besondere Sorgfalt ist der Erhaltung peinlicher Sauberkeit in allen Bedürfnißanstalten, Abtritten und Pissoirs auf den Stationen zuzuwenden; die Sitzbretter der Aborte sind durch Abwaschung mit einer Lösung von Kaliseife (siehe Anlage U** unter I, 3) mindestens einmal täglich zn reinigen. Eine Desinfektion der Aborte, welche alsdann mit Kalkmilch (siehe Anlage II* unter ll, 8) und unter wiederholtem Uebergießen der Fußböden mit Kalkmilch, soweit sie diese Behandlung vertragen, zu bewirken ist, erfolgt lediglich auf den Stationen der Orte, an welchen die Cholera ausgebrochen ist, und auf solchen Stationen, wo dies ausdrücklich angeordnet werden sollte. Die zur Beseitigung üblen Geruchs für die warme Jahreszeit allgemein getroffenen Bestimmungen werden jedoch hierdurch nicht berührt. 11.1 Der Boden zwischen den Gleisen ist, sofern er auf den Stationen in Folge Benutzung der in den Zügen befindlichen Bedürfnißanstalten verunreinigt ist, durch wiederholtes Uebergießen mit Kalkmilch gehörig zu desinsiziren. 12.1 Eine Beschränkung des Eisenbahngepäckund Güterverkehrs findet, abgesehen von dem bezüglich einzelner Gegenstände ergangenen Ausfuhr- und Einfuhrverbote, nicht statt. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1900
Bd.: 178. 1898/1900
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-178

ID: 00002789
307 /648
... Die Gefahr, daß erst durch den gemeinsamen Aufenthalt in einem Raume eine Ansteckung erfolgt, bestehe auch dann, wenn nur Ansteckungsverdächtige in einem Beobachtungsraum untergebracht würden. Wolle man jede Gefahr ausschließen, dann müsse jede zu beobachtende Person in einen gesonderten Raum verbracht werden. Dies aber sei praktisch undurchführbar. Namentlich auf dem flachen Land, in kleineren Dörfern u. s. w. werde aus Mangel an geeigneten Räumen eine Trennung der ansteckungsverdächtigen Personen von krankheitsverdächtigen nicht immer erreichbar sein. Der Antrag 9 wurde angenommen. Dem unter 10 eingebrachten Antrag, die Worte „oder Häuser zu streichen, wurde seitens der Regierungsvertreter widersprochen. Nach den epidemiologischen Erfahrungen hätten sich bei Pest und Cholera bestimmte Häuser als ganz besonders gefährlich insofern erwiesen, als in ihnen Krankheitsfälle immer wieder von Neuem aufzutreten pflegen. Der Aufenthalt in solchen Häusem begünstige da» Zustandekommen von Erkrankungen. Nebenbei sei bemerkt, daß die als Ursache für diese Erscheinung angeführten ...

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... Kenntlichmachung der Häuser für die Bewohner Nachtheile bringen; allein anderseits solle eben durch solche Anschläge das Publikum vor Ansteckung geschützt werden. Ferner wurde darauf hingewiesen, daß die Polizeibehörden nur die fakultative Befugniß zur Kenntlichmachung nach dem vorliegenden Wortlaute erhalten sollen, daß also die Kenntlichmachung nicht unbedingt in jedem Falle erfolgen müsse. Der Antrag 10 wurde abgelehnt. Antrag 11 wurde angenommen. In der zweiten Lesung lagen zu §. 14 folgende Anträge vor: 1.1 in Abs. 2 statt „dem Seelsorger zu setzen „dem berufenen Seelsorger. 2.1 einen neuen Abs. 4 mit folgendem Inhalt einzufügen: „Trennung eines Kranken von seinen zu sachgemäßer Pflege bereiten und geeigneten Angehörigen ist gegen seinen Willen nur zulässig, wenn nach Lage der Verhältnisse nicht durch Räumung der Wohnung oder des Gebäudes (§. 18) geholfen werden kann. 3.1 in Abs. 3 die Worte „auch müssen u. s. w. zu ersetzen durch „Ansteckungsverdächtige Personen dürfen in demselben Raume mit kranlheitSverdächtigen Personen nur untergebracht werden, soweit der beamtete Arzt es für zulässig hält und diese Worte als neuen Satz zu behandeln. Zur Begründung des Antrages 1 wurde vorgebracht, daß der Besuch eines Kranken durch einen Seelsorger, der zur Konfession desselben in keinen Beziehungen stehe, verhütet werden müsse. Der Antrag wurde abgelehnt, da mit den Worten „dem Seelsorger selbstverständlich derjenige Seelsorger gemeint sei, der nach dem religiösen Bekenntnisse des Kranken zuständig ist. Der Antrag 2 wurde mit den gleichen Gründen wie bei der ersten Lesung befürwortet und bekämpft. Von dem Antragsteller wurde noch vorgebracht, in der Begründung des Entwurfes zu §. ...

309 /648
... 3 werde schon deswegen zu streichen sein, weil bei den vielen Wegen, auf denen die Ansteckung sich vollziehen könne, niemals der Beweis zu erbringen sei, daß die Erkrankung eines Anderen die Folge einer bestimmten strafbaren Handlung war; im Uebrigen liege eine zu große Härte darin, daß der Richter gezwungen sein soll, gegen ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1900
Bd.: 168. 1898/1900
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-168

ID: 00003566
310 /648
... Ich will nur noch daran erinnern, wie bei Seuchen sich herausgestellt hat, daß schlechte Häuser die Quelle der Ansteckung für die ganze Stadt bildeten. Nun muß man doch fragen, wenn man die Sache richtig entscheiden will: giebt es gegenwärtig Handhaben, um diese Dinge zu ändern? Ich sage: nein! Die privaten Kräfte reichen nicht aus. Wir haben in der Stadtmission ersucht, einige Häuser anzukaufen und umzubauen, weil wir zu der Besserung der Wohnungsverhältnisse auch unseren Antheil beitragen wollten. Wenn aber die Leute erfahren, daß man Häuser zu solchen Zwecken kaufen will, machen sie hohe Preise; der Ausbau kostet auch ein gut Stück. So wird das Ganze theuer. Wir nehmen von den Miethern nicht einen Pfennig über das, was (W wir an Zinsen bezahlen, und kommen auch nicht zu viel besseren Zuständen. Auch die Leute, die bei uns wohnen, brauchen den vierten Theil des Lohnes. Das sind doch unerträgliche Verhältnisse; und sie sind nicht bloß in den Großstädten, sondern in kleinen Judustriebezirken vielfach noch schlimmer als in Berlin. Wenn ich nun vor einer Frage stehe von dieser sozialen Bedeutung, die einen Knäuel von Schwierigkeiten uns macht, aus der so viel soziales Elend hervorgeht, dann kann ich nicht die Sache auf die lange Bank schieben. Ich kann auch nicht wegen etwaiger formaler Fehler zur Tagesordnung übergehen. Nein, ich muß die Sache anfassen. Es ist doch auch die Meinung bedeutender Männer, daß die Sache vor das Reich gehört. ...

311 /648
... Aber nehmen wir an, es wäre das, was damals publizirt wurde, wahr, es würde die Infektion übertragen dadurch, daß das virus in den Blutumlauf des Thieres hineinkommt, dann ist auch jene Ansicht von Thierärzten nicht zu verwerfen, daß die Ansteckung in großem Maßstabe vermittelt wird durch Fliegen, besonders Stechfliegen. Professor Or. Schneidemühl — wenn ich nicht irre — von Kiel schreibt, er habe aus eigener Erfahrung die Wahrnehmung in langen Jahren gemacht und von Landleuten gehört, daß die Maul- und Klauenseuche in denjenigen Jahren am meisten an Ausbreitung gewonnen habe, in denen es zahlreiche Fliegen gab. Nun ist es aber doch ganz sonderbar, wenn wir mit unseren Sperrmaßregeln auch die Stechfliegen treffen wollten; das würde doch nicht gelingen, wenn wir schließlich auch eine ganze Kette von Gendarmen aufstellen wollten. (Heiterkeit.) Ich gebe ja zu, daß dadurch, daß die Thiere auf einem Platz, auf dem Markt angesammelt werden, auch die Fliegen herbeigezogen werden; aber die Fliegen sind auch ohnedies überall und werden leicht durch die Luft fortgetragen von einem Ort zum anderen. So kommt es denn infolge dieser Sperrmaßregeln, daß, wenn in den erstbefallenen Gehöften das Vieh durchseucht ist, wobei der Ort gesperrt wurde, nach vielleicht vierzehn Tagen die Sperre aufgehoben wird. Aber wieder in vierzehn Tagen tutt die Seuche in anderen Höfen an demselben Orte auf, und der Ort wird wieder gesperrt. So ist es vorgekommen, daß ein Ort ein halbes Jahr und darüber gesperrt Reichstag. 10. Legisl.-P. I. Session. 1898/1900. wurde, und infolge dessen gar nichts verkauft werden konnte. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1901
Bd.: 180. 1900/03
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-180

ID: 00002791
312 /648
... Ferner ist der andere Schutz, der gegen Einschleppung von Ansteckung, von Seuchen und gegen schlechtes Fleisch angestrebt ist, auch immer noch nicht durchgeführt und — ich weiß nicht, weshalb — auch von Herrn Dr. v. Siemens bekämpft worden. Wie sehr ist von der Linken im Frühjahr das Fleischbeschaugesetz bekämpft worden, was doch, wie vom Bundesrath betont ist, nicht einmal eine Schutzmaßregel, sondern nur von sanitärem Interesse sein sollte! (Sehr richtig! rechts.) Wenn nun Herr Dr. v. Siemens auch diesen Produktionszweig preisgeben will nicht nur der Konkurrenz, sondern auch der Ansteckungsgefahr des Auslandes, so weiß ich nicht, mit welchem Herzen er die Viehhaltung empfehlen kann. Immer von neuem muß betont werden, daß der Großgrundbesitz, wie ich schon letzthin erklärte, nur 3 Prozent der Gesammtfläche des ganzen Deutschen Reichs ausmacht. (Sehr richtig! rechts.) Also 97 Prozent sind nicht beim Großgrundbesitz. Ich (v) habe die Zahlen angegeben bis auf die 500 Hektar und will sie heute nicht wiederholen. Eines hat Herr Dr. v. Siemens noch außer Acht gelassen: daß zur Viehhaltung auch nothwendig Stroh gehört. Wenn man kein Getreide baut, woher soll alle Viehstreu kommen? Jeder Landwirth, selbst der nordöstliche Herr, wird einräumen, daß man zur Viehhaltung Stroh braucht. Jetzt muß ich mich zum Herrn Abgeordneten Fischbeck wenden, und zwar ist mir zuerst aufgefallen, daß der Herr nur die Punkte, die ihm in meinen zahlenmäßigen Darlegungen bequem waren, erörtert hat; er hat einzelne herausgegriffen, — das ist ja sein gutes Recht, aber ich wollte das doch betonen. ...

313 /648
... Meine damaligen Ausführungen gingen dahin, daß eine Ansteckung auf folgende Weise möglich ist: es ist nämlich draußen eine kleine Kammer vorhanden — es ist dies der Vorraum der Klosets —, in diesem Vorraum werden das Sputum und die Exkremente, die der Arzt untersuchen will, aufgehoben, bis dies geschehen ist; nachher werden dieselben selbstverständlich vernichtet. Nun müssen aber alle Kranken, die das Kloset benutzen wollen, diesen Raum durchgehen; da besteht die Gefahr, daß die Patienten nur allzu leicht mit diesen oft ansteckenden Troffen in Berührung kommen. Da nun die Wärter infolge der vielen Arbeit nicht immer in der Lage sind, den Kranken zeitig zu Hilfe zu kommen, thun das die Patienten, welche nicht bettlägerig sind. Da kommt es denn auch vor, daß Urin- und Sputumgläser mit und ohne Inhalt herunterfallen, daß ferner die Leute aus Unachtsamkeit da hineinfassen und dann damit weiter gehen, unter Umständen sogar Eßwaaren austheilen, ohne 149* ...

314 /648
... Man steht daraus, daß auch unter diesen Umständen das Reichs-Senchengesetz die Arbeiter gegen die Gefahr einer Ansteckung nicht schützt. Aus Mülheim a. d. Ruhr wird mir mitgetheilt, daß dort ...

315 /648
... Jetzt, wo die Gefahr der Ansteckung wieder vollkommen beseitigt ist, läßt auch die Reinigung der Wagen vierter Klasse wieder viel zu wünschen übrig. Sie mögen einsteigen, wo Sie Lust haben, auf dem Schlesischen Bahnhof, in der Friedrichstraße, Charlottenburg, so werden Sie finden, daß diese Wagen vierter Klasse nur mit einem groben Besen ausgefegt, am Fußboden und an den Wänden nichts geschehen ist, das irgendwie nach Reinigung aussieht. Eine Desinfektion der Wagen giebt es nicht. Sie können sich in jedem Wagen mit Ihren weißen Handschuhen davon überzeugen, wie es mit diesen Wagen beschaffen ist; diese Wagen werden ausschließlich von der Arbeiterklasse, einem großen Theil der bäuerlichen Bevölkerung, einem Theil des kleinen Handwerkerstandes, für die Sie angeblich ja immer ein so fühlendes Herz haben, in allererster Linie benutzt, nicht aus Wollust (Heiterkeit), (L) nein, weil wir solch theure Tarife haben, daß ein großer Theil die dritte Wagenklasse überhaupt nicht benutzen kann kraft seiner sozialen und wirthschaftlichen Lage, in der sich ein großer Theil auch des Mittelstandes befindet. Nicht ein einziger Abort ist in den Wagen vierter Klasse vorhanden, trotzdem Touren von 17, 18, 19 Stunden ununterbrochen zurückgelegt werden müssen. Trotzdem Schutzvorschriften für die Fabriken, Werkstätten u. s. w. in Deutschland zur Durchführung gelangt sind, ist bis heute noch keine einzige Verordnung gegen die Mißstände in den Wagen vierter Klasse erlassen. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1901
Bd.: 191. 1900/03
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-191

ID: 00002801
316 /648
... Gegen diese Erwägungen wurde darauf verwiesen: Der wohlthätige Zweck, die Ansteckung zu vermeiden und geschlechtliche Erkrankungen der Seeleute zu vermindern, werde durch solch eine Bedingung in Frage gestellt. Auch Ausländer sollten in dem Gefühl, der Wohlthaten der 54 bis 56 sicher zu sein, Ursache finden, ihre geschlechtliche Krankheit offen zu bekennen. Die Kommission beschloß jedoch, der oben erörterten Anregung durch die jetzige Fassung des Absatzes 2 des §. 66 Folge zu geben. Anspruch im Falle vorzeitiger Entlassung aus anderen Gründen. Zu 8. 67. Zu Absatz 2 lag ein Antrag vor, das Nückbeförderungsrecht dem Manne nicht nach dem Hafen der „Ausreise, sondern nach dem Hafen der „Anheuerung zu gewähren. 242* ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1902
Bd.: 183. 1900/03
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-183

ID: 00002794
317 /648
... Eine Desinfektion ist nicht möglich, weil ein Desinfektionsapparat nicht vorhanden ist, und so kann die Ansteckung unter den Kranken ruhig weiter gehen. Die Anstalt hält es manchmal nicht einmal für der Mühe werth, neues Stroh in die Strohsäcke zu thun, sondern auf dieselben alten Strohsäcke, auf denen ein Mann gestorben ist, kommt in den nächsten Tagen womöglich ein anderer Kranker hinauf. Ich nenne die Anstalt: es ist die Privatirrenanstalt von Fränkl und Oliven, Lankwitz, Viktoriastraße 59. Ich füge noch ausdrücklich hinzu, daß die Anstalt sehr häufig revidirt wird von der Regierung, und daß alles in schönster und bester Ordnung befunden ist. Das Wartepersonal wird dort ganz miserabel bezahlt, es erhält 27 Mark pro Monat und muß 15 bis 16 Stunden täglich arbeiten. Was können da die armen Irren für eine Behandlung haben! Es ist ja schon von dem Herrn Kollegen Lenzmann mit einigen Worten darauf hingewiesen worden, wie solche E» Irre manchmal behandelt werden. Meine Herren, das waren Krankenanstalten, die ich mir erlaubt habe hier anzuführen. Ich will jetzt noch einen Fall vortragen, der nach meiner Auffassung die Regierung und besonders das Gesundheitsamt veranlassen sollte, darauf hinzudrängen, daß hier schleunige Abhilfe geschaffen wird. Das ist eine Sache, die nach meiner Auffassung speziell mit dem Neichs-Seuchengesetz in engen Zusammenhang gebracht werden muß. Ich mache diese Mittheilung hier unter aller Reserve. Ich war nicht im Stande, die Sache nachprüfen zu können. Es betrifft ein Institut, wo ich nicht hinkomme. (Zurufe.) ...

318 /648
... , nachdem sie an diesen Einimpfungen zu Grunde gegangen sind, nicht sofort beseitigt werden, sondern daß sie dort tagelang herumliegen, sodaß die Gefahr vorhanden ist, daß eine Ansteckung verbreitet werden kann, um so mehr, da der betreffende junge Mann, der diese Sachen wegzubringen hat, ein Bursche von 15 bis 16 Jahren ist. — Auch die Vernichtung dieser Thiere geht nach meiner Auffassung in einer Weise vor sich, wie es billigerweise nicht gestattet werden sollte. Ich habe bisher angenommen, daß man solche Institute nur dann konzessionirt, wenn sie auch alle Einrichtungen haben, die ein solches Institut haben muß. Aber weit gefehlt! In diesem Institut ist kein Verbrennungsofen. Der junge Bursche packt die todten Thiere, die mitunter tagelang herumgelegen haben, in ein Zeitungspapier oder einen Korb, geht einen langen Gang entlang, zwei Treppen herunter, und trägt sie in die Kesselfeuerung des Neuen Theaters, wo sie verbrannt werden. Daß aus diesem laugen Wege sehr leicht einzelne Theile der Thiere — die Thiere sollen manchmal zerschnitten sein — verloren gehen, und so die große Gefahr einer Ansteckung vorhanden ist, liegt auf der Hand.1 Nun sollen ja zwei insofern luftdichte Behälter vorhanden sein für den Transport der Thiere; aber es scheint kein Gebrauch davon gemacht zu werden; denn in dem einen ist Futter für die (L) Versuchsthiere, und der andere wird für andere Zwecke gebraucht. — Ferner soll keine Vorsichtsmaßregel getroffen worden sein, daß die in der Anstalt beschäftigten Leute sich nicht anstecken. ...

319 /648
... Ich habe damals behauptet, daß dort in Moabit syphilitische Kranke auf den Stationen mit anderen Kranken zusammenliegen, und infolge dessen leicht eine Ansteckung stattfinden könne. Ich habe ferner gesagt, daß die Desinfektionsapparate nicht in Ordnung waren, nicht M immer richtig funktionirt haben; ich habe weiter gesagt, daß ekelhaft aussehende Kranke, Lupus, in den Stationsküchen beschäftigt werden, daß geschlechtskranke Wärter dagewesen seien. Von alledem hat der Herr Geheimrath nichts gesehen. Er hat alles in vorzüglicher Ordnung vorgefunden! Aber auch Herr Straßmann hat sich in der Stadtverordnetenversammlung hingestellt und erklärt, das sei alles nicht wahr, was ich über die Mißstände in Moabit gesagt habe. Der verehrte Dezernent für Krankenhäuser behauptete, es käme überhaupt nicht vor, daß männliche syphilitische Kranke nach Moabit kämen, sondern nur Frauen werden dorthin gelegt. Der gute Mann scheint die Krankenjournale nicht mal zu kennen, obwohl sie ihm doch zweifellos offenstehen. Die Herren scheinen die Revision eines Krankenhauses dahin aufzufassen, daß man die zu revidirende Anstalt mal durchgeht, dem Herrn Direktor guten Tag sagt und dann wieder nach Hause geht, und weiter auf seinen Lorbeeren ruht. Es ist ja alles in vorzüglichster Ordnung gewesen! Meine Herren, ich will nur noch kurz feststellen, daß trotz aller Revision die oben angeführten Mißstände bestanden haben. Ich behalte mir vor, darauf bei geeigneter Gelegenheit zurückzukommen. Meine Herren, wenn wir nach dieser Art von Revisionen zur preußischen Negierung und auch zu dem Berliner Magistrat kein Vertrauen mehr haben, dann dürfen Sie sich darüber nicht wundern. ...

320 /648
... Auf meine Klage, daß syphilitisch kranke Männer mit anderen Kranken auf einer Station lägen und damit die Gefahr der Ansteckung gegeben sei, hat Herr Straßmann erklärt, männliche Syphiliskranke seien überhaupt nicht in Moabit, nur Weiber, meine diesbezügliche Behauptung hier im Reichstag sei demnach eine1 Unwahrheit.1 Herr Straßmann,1 der Dezernent für dieses Krankenhaus ist, scheint hiernach gar nicht1 zu wissen,1 was in1 seinem1 Dezernat vorgeht.1 Ich stelle1 deshalb1 fest, daß auf meiner Station folgende Syphiliskranke gelegen haben — ich nenne nur die Anfangsbuchstaben, da ich den Kranken das1 gewissermaßen1 öffentlich1 an den1 Pranger gestellt werden nicht anthun will, stelle aber der Regierung die Namen gern zur Verfügung —. Auf Station 21 lagen folgende Patienten, deren Krankheit Lues und Gonorrhoe war — die Herren werden wissen, was das ist — P., Bürstenmacher, vom 12. 4. bis 26. 5. 1899, Sch., Lehrling, vom 17. 4. bis 17. 5. 1899, M., Kutscher, vom 20. 9. bis 24. 10. 1899. Ferner, meine Herren, Kranke, die ungefähr zu der Zeit, wo der Herr Stadtrath die Rede gegen mich gehalten hat, mit dieser Krankheit in Moabit gelegen haben: M., Arbeiter, vom 30. 5. bis 16. 6. 1900, M., Arbeiter, vom 14. 1. bis 16. 3. 1900. Das sind Leute, die ich habe feststellen können, die unter der Diagnose Syphilis im Krankenhause gelegen haben. Nun haben aber auch eine ganze Reihe solcher dort gelegen, welche unter einer anderen Diagnose geführt wurden und trotzdem geschlechtskrank waren. Ich selbst habe einen solchen Mann kennen gelernt. ...


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