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Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1923
Bd.: 360. 1920
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-360

ID: 00000044
561 /648
... Wir haben deshalb beantragt, daß in der Frage der Anpreisung von ansteckungsverhütenden Mitteln der § 13 so gefaßt wird, daß nicht nur frei sein sollen die Mittel, die die Ansteckung verhüten, sondern auch solche, die die Empfängnis verhüten. Wir beantragen in dem 14. Punkte unseres Antrags, daß in Ziffer H Zeile 3 des § 13 hinter dem Wort „Verhütung eingefügt wird: „der Empfängnis oder zur Verhütung. Wir beantragen da positiv, daß die Condome und Präservativs auch benutzt werden und benutzt werden können und ange-1550 ...

562 /648
... Bei den ansteckenden Geschlechtskrankheiten sind wir jetzt — ich betone: jetzt — in der Lage, die Ansteckung außerordentlich früh mit absoluter Stcherheu in dem bei weitem überwiegenden Gros der Fälle, natürlich nicht in allen Fällen, zu erkennen. Das möchte ich ein für allemal auch gegenüber einzelnen Bemerkungen des Herrn Abgeordneten Hofmann (Thüringen » sagen: mit absoluten Regeln arbeitet die Hygiene über-Haupt nicht. Wir sind aber auch in der Lage, in außerordentlich zahlreichen Fällen die Ansteckungsgefährlichkeit dieser.Krankheiten in einer verhältnismäßigkurzen Zerr zu unterdrücken. Ich betone ausdrücklich: wir sind in der Lage, die Ansteckungsgefährltchkeit zu unterdrücken. Ich sage nicht, daß mir sie immer heilen können, weil ich sehr viel mehr medizinische Ausführungen machen müßte, als ich sie jetzt machen kann, wenn ich von der Feststellung der Heilung der Geschlechtskrankheiten sprechen wollte. Auf der andern Seite sind wir aber bei den ansteckenden Geschlechtskrankheiten nicht in der Lage, die Kranken — das sind hier oie Anstcckungsquellen — zu isolieren; denn die ansteckenden Geschlechtskrankheiten gehen mit außerordentlich geringen Ausnahmen nur von Mensch zu Mensch. Wir sind nicht in der Lage, die Ansteckungsquellen zu isolieren, und deshalb ist cs unbedingt notwendig, daß wir von der einen Möglichkeit, die uns geboten ist, nämlich von der frühzeiligen Erkennung und der frühzeitigen Unschädlichmachung der Ansteckungsquellen, in möglichst weitgehendem Maße Gebrauch machen. ...

563 /648
... Es gibt in der Tat kaum eine ernste Krankheit, gegen die wir medizinisch so gut gerüstet sind wie gegen die frische Ansteckung mit Syphilis. Wenn wir in der Lage wären, die Syphilis wirklich in der bei weitem über-(») wiegenden Mehrzahl der Fälle mit Salvarsan so früh zu behandeln, wie wir sie diagnostizieren können, dann würde die Syphilis auch in diesem Parlament nicht diese Diskussion hervorrufen, wie sie es mit Recht tut. Denn dann wäre eine unendlich große Zahl von Fällen, ich sage nicht, alle, aber der bei weitem überwiegende Teil aller frischen Syphilistnfektioncn im Keime erstickt, — nun sage ich wieder nicht, daß wir jetzt nach 10 oder 12 Jahren Salvarsanerfahruug schon behaupten können, diese Menschen seien geheilt, aber daß wir sagen können: sie haben in den .5, 0, 8 und 10 Jahren, die wir sie verfolgen können, keine Erscheinungen mehr gehabt. Sie haben keine Ansteckung, auch nicht in ihrer Familie, ausgeteilt. Das alles ist nicht ausnahmslos, wie ich vorhin schon sagte, aber in einer kolossalen Überzahl der Fälle. Sie haben gesunde Nachkommen, sie haben sich sogar, was immer als ein ganz besonders guter Beweis der Geheiltheit galt, wieder angesteckt. (Abgeordneter Hofmann (Thüringens: Und die vielen Rezidive? — Die bekommen jetzt eben die nicht, welche ganz frisch so zeitig diagnostiziert werden, wie wir sie diagnostieren können, und die mit Salvarsan oder mit Salvarsan und Quecksilber behandelt werden. Darüber haben wir unendlich zahlreiche Erfahrungen. ...

564 /648
... Nicht daß ich sagen wollte, daß in den Bordellen eine Sicherung gegen Ansteckung läge, aber es werden viele mit mir der Meinung sein, daß auch die mangelhafte Sicherung, die in dieser Ein- ^ richtung liegt, wegfällt, wenn die Einrichtung ganz auf. gehoben wird. Im Reichstag, im Preußischen Landtag ist über die Frage der Aufhebung der Bordelle schon bei verschiedenen Gelegenheiten scharf debattiert worden. Immer ist man von einem solchen Verbot abgekommen, das doch wohl hauptsächlich aus sexualethischen Gründen verlangt wird. Sie können nicht bestreiten, wie Sie sich auch zu der Frage vom Standpunkt der Sozialethik aus stellen, daß es eine Anzahl Orte, namentlich große Städte, gibt, wo die Stadtverwaltung der Anficht ist, daß sie mit dieser Einrichtung günstige Erfahrungen gemacht hat, daß die Einrichtung der Bordelle und der Kasernierung der Prostitution immerhin noch das kleinere übel gegenüber der Freiheit ist. (Zuruf rechts: Es werden immer weniger!) Diese Ansichten bestehen jedenfalls in einer Reihe von Stadtverwaltungen auf Grund von Erfahrungen, die man gemacht hat. Annehmbar wird Wohl für alle im Gesetz der 8 i sein, mit der Bestimmung, daß bestraft werden soll, wer in Kenntnis einer Geschlechtskrankheit, die ihm anhaftet, Beischlaf ausübt und andere Personen ansteckt. Da kaun die Strafe nicht hoch genug sein. Ich will 8 4 noch von einem anderen Gesichtspunkt aus besprechen. Im Abs. 2 wird gesagt, daß die Verfolgung, soweit es sich um den Geschlechtsverkehr zwischen Ehegatten oder Verlobten handelt, nur auf Antrag eintritt. Ein Antrag des Zentrums will Wohl die Verlobten hier streichen. ...

565 /648
... Trotzdem haben wir ein tiefes Mitleid mit diesen armen Geschöpfen, von denen wir wissen, daß sie oft durch die erste Ansteckung mit einer Geschlechtskrankheit allein auf den Weg der Prostitution getrieben werden. Darum sind wir froh, daß es jetzt Bestimmungen im Gesetze gibt, wie den ß 2, die auch den gewissenlosen Mann — denn es gibt auch solche — endlich einmal vor die Frage stellen werden, ob er ein Verbrecher werden will. ^ Wir haben aber nicht etwa nur Mitleid mit der Frau, wir haben auch Mitleid mit dem Manne. Uns mütterlichen Frauen ist eS entsetzlich zu hören, wie die Seuchen unter unseren jungen Männern zugenommen haben. Wir fürchten, daß sie sich ihr liebes Leben, das wir ihnen so heiß wünschen, durch ungute Jugendjahre verderben; wir müssen in der Gegenwart, wo soviel deutsche Frauen verseucht sind, fast fürchten, daß unsere Söhne in Zukunft, wenn es so weiter geht, überhaupt keine gesunden, reinen Frauen mehr für ihre Ehe bekommen werden. Aus allen diesen Gründen sind wir glücklich, daß endlich einmal ein Gesetz kommt, das uns helfen will. Wir sehen den größten Fortschritt des Gesetzes in der Abschaffung der heutigen Reglementierung. Es war nach unserer Auffassung das tiefste Unglück, daß der Staat mit dieser schandbaren Regelung die Prostitution gewissermaßen als Gewerbe anerkannt hat. (Sehr richtig!) Das wird in dem Augenblick aufhören, wo die Prostituierte unter die 88 2 und 3 fällt. Dann wird das Zugreifen. das auch jetzt kommen wird, eine Folge ihres schandbaren Gewerbes sein, aber nicht eine unnütze Präventivmaßnahme. ...

566 /648
... Soll es aber nach de» Beschlüssen der zweiten Lesung als Antragsdelikt behandelt werden, dann darf man es nicht, wenn ich den gleich zu erklärenden technischen Ausdruck gebrauchen darf, als sogenanntes Erfolgsdelikt konstruieren, sondern als Gefährduugsdelikt, das heißt: die Verfolgung und Bestrafung darf dann nicht davon abhängig gemacht sein, daß bereits eine Schädigung durch Ansteckung, also wirklich eine Körperverletzung, eingetreten ist. Denn die Beweisfrage gestaltet sich in einem derartigen Falle meistens ganz aussichtslos. Es kann immer eingewendet werden, daß die Ansteckung eben doch durch andere Vorfälle als durch die Beifchlassverübung gerade mit der Person des Beschuldigten eingetreten ist. Nicht alle scheinen mir über die gegenwärtige Rechtslage orientiert zu sein. Was in dem 8 4 steht und in das künftige Gesetz aufgenommen werden soll, ist bereits geltendes Recht aus Grund der Notverordnung vom 11. Dezember 1918, die in ihrem 8 3 mit dem Regierungsentwurf, der uns hier vorgelegt wurde, gleichlautend ist. Nun liegt die Sache rechtlich so: durch diese Notverordnung sind diese geltenden Bestimmungen des heutigen Strafgesetzbuches nicht außer Wirksamkeit gesetzt. An und für sich besteht schon auch nach dem Strafgesetzbuch ein gewisser Schutz gegen diese gemeine Handlung. Ist durch Geschlechtsverkehr eine Ansteckung, also eine Gesundheitsschädigung wirklich erfolgt, so kann bereits nach dem allgemeinen Strafgesetzbuch Bestrafung wegen vorsätzlicher oder wegen fahrlässiger Körperverletzung, unter Umständen sogar Bestrafung wegen schwerer Körperverletzung eintreten, falls nämlich die Beschädigung den Verlust der Zeugungs- oder der Gebärfähigkeit zur Folge hat. ...
... Es machen ganz wenige davon Gebrauch, weil dieser Schutz ein versteckter ist, weil niemand weiß, daß bereits das geltende Strafgesetzbuch gegen eine syphilitische Ansteckung einen Rechtsschutz gewährt. Wissen sie es aber — nun kommt das Entscheidende I —, so stehen die Betroffenen vor der ungeheuer schwierigen Beweisfrage des Ursachenzusammenhanges, das heißt: des Zusammenhanges gerade des bestimmten Verkehrsaktes mit der eingetretenen Erkrankung. Und nun beabsichtigt dieser Antrag das Folgende: Es soll nach ihm nicht bestraft werden die wirkliche Schädigung, also die wirkliche Ansteckung, die eingetretene Körperverletzung, sondern es soll eben die Gefährdung mit Ansteckung durch Beischlafsverübung bestraft werden. Dadurch wird die Beweisschwterigkett aus der Welt geschafft. Ei» Ursachenzusammenhang zwischen der Handlung und dem Erfolg kommt dann überhaupt nicht mehr Wetter in Frage, sondern die beiden Bewetspunkte sind lediglich einmal die Tatsache der Beischlafsverübung und (v) (v) ...

567 /648
... Es ist von dem Herrn Kollegen Kahl durchaus mit Recht schon darauf hingewiesen, daß der Absatz 1 nicht etwa eine Ansteckung voraussetzt, sondern nur eine Gefährdung. Wie Herr Kahl ganz zutreffend ausführte: schon die Tatsache der Beiwohnung unter den weiteren Voraussetzungen des § 4 macht strafbar. Nun würde es ganz unmöglich sein und in den meisten Fällen gar nicht zu einem Strafantrag ,g) berechtigen, wenn der Wortlaut stehenbliebe: Die Verfolgung tritt nur auf Antrag des geschädigten Teilsein. Denn es ist tatsächlich, wenn keine Ansteckung stattgefunden, niemand geschädigt in dem Augenblick, wo der Antrag gestellt wird. Man müßte die Schädigung sehr künstlich konstruieren, indem man einen Schaden darin steht, daß der Betreffende einmal in seiner Gesundheit gefährdet gewesen ist, wenn tatsächlich keine Ansteckung erfolgt ist. 8 4 setzt eben voraus, daß gleichwohl, auch wenn keine Ansteckung herbeigeführt worden ist, eine Bestrafung eintritt. Damit würde der erste Teil dieser Neuerung absolut unhaltbar sein. Noch weniger haltbar scheint mir aber der zweite Teil zu sein, daß auch auf Antrag der zuständigen Gesundheitsbehörde eine Strafverfolgung eintreten soll. Das würde nach meinem Wissen im ganzen Strafgesetzbuch geradezu ein Unikum sein, daß eine Behörde, die ganz bestimmte Funktionen, noch dazu weit entfernt vom strafgesetzlichen Standpunkt, hat, einen Antrag auf Straf-Verfolgung, und zwar wegen Gefährdung eines anderen, der mit ihr gar nicht in Beziehung steht, soll stellen können. Das geht meines Erachtens über alle Grenzen unseres Strafgesetzbuchs hinaus. (Zustimmung.) ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1924
Bd.: 365. 1920/24
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-365

ID: 00000049
568 /648
... Die Gefahr der Ansteckung und Verschleppung ist sehr groß, da die Krankheit nicht unter das Seuchengesetz fällt; der betroffene Besitzer hat demnach keinerlei Entschädigung zu erwarten und sucht zu retten, was noch zu retten ist, verkauft die anscheinend noch gesunden Pferde, die aber möglicherweise schon angesteckt sind und so die Krankheit weitertragen. Welche Gefahr für die gesamte Pferdezucht hierin liegt, braucht nicht näher ausgeführt zu werden. Sind der Reichsregierung diese Tatsachen bekannt? Was gedenkt sie zur schleunigen Bekämpfung dieser Krankheit zu tun? Ist sie insbesondere bereit, dafür zu sorgen, daß diese Krankheit schnellstens in das Seuchengesetz einbezogen wird? Schriftliche Antwort genügt. Berlin, den 9. Dezember 1929. Dr Deermann. Herbert (Franken) Gerauer. Nr. 1102. Anfrage Nr. 546. Es ist eine vielfach bekannte Tatsache, daß der Nährwert des in den Großstädten konsumierten Brotes — Hon wenigen Ausnahmen abgesehen — nicht nur ganz außerordentlich herabgesetzt wird durch den Zusatz von minderwertigen Streckmitteln, sondern auch durch eine zu starke Ausmahlung des Getreides bis zu 90°/g, die wegen des hohen Kleiegehalts teilweise Unverdaulichkeit des Brotes bedingt; dazu kommt der schwerste Ubelstand in Gestalt des gröblichen Unfugs der Protein- und Fettsäureentziehung aus dem Mehl. Was gedenkt die Reichsregierung zu tun, daß diese dem menschlichen Organismus nötigen, unersetzlichen Stoffe zweckentsprechend bei der Brotbereitung für die Volksernährung verwendet werden? Was wird sie gegen den Verkauf von minderwertigem Brot zu teuren Preisen tun? Berlin, den 9. Dezember 1920. Krrnert. -SS Nr. 1103. Anfrage Nr. 547. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1924
Bd.: 371. 1920/24
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-371

ID: 00000055
569 /648
... Während bei allen anderen übertragbaren Krankheiten jeder verständige Mensch der Gelegenheit zur Ansteckung sorgsam aus dem Wege geht, liegen die Verhältnisse bei den Geschlechtskrankheiten wesentlich anders. Hier ist es der ungehemmte Geschlechtstrieb, der dazu führt, daß zahllose Personen in ständigem Wechsel der geschlechtlichen Beziehungen sich immer wieder neuen Ansteckungsgefahren aussetzen. Die häufige Tatsache, daß innerhalb kurzer Zeit ein Mann mit mehreren Weibern oder ein Weib mit mehreren Männern geschlechtlich verkehrt, ist die Hauptursache für die Verbreitung der Geschlechtskrankheiten. Besonders erschwert wird der Kampf gegen die Geschlechtskrankheiten dadurch, daß der Geschlechtskranke oft seine Erkrankung heimlich zu halten und sich der! ärztlichen Behandlung zu entziehen trachtet. Die unsachgemäße Behandlung durch Laien und die verspätete Inanspruchnahme des Arztes hat in zahllosen Fällen Unheilbarkeit der Erkrankung und Übertragung der Krankheit auf andere zur Folge gehabt. Von Aufklärung und Warnung allein, so wichtig und notwendig sie sind, ist dem ungehemmt waltenden 439 ...

570 /648
... Den Vorschriften des Strafgesetzbuchs über die Körperverletzung fehlt aber deshalb die abschreckende und vorbeugende Kraft, weil in ihnen nicht hinreichend erkennbar zum Ausdruck kommt, daß sie sich auch auf die Ansteckung mit Krankheiten, insbesondere mit Geschlechtskrankheiten, beziehen. Auch kann eine Bestrafung aus dem vornehmlich in Betracht kommenden 8 223 des Strafgesetzbuchs, da der Versuch nicht strafbar ist, nur dann eintreten, wenn« die Ausübung des Beischlafs die Übertragung der Krankheit zur Folge gehabt hat. Aber auch dann scheitert die Verfolgung vielfach an der Schwierigkeit, im Einzelfalle den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Geschlechtsverkehr und der Erkrankung nachzuweisen. Ein wirklicher Erfolg ist von einer Strafvorschrift nur dann zu erwarten, wenn sie auch die Gefährdung erfaßt. Es erschien deshalb geboten, der Verbreitung von Geschlechtskrankheiten auf dem Wege einer Sondervorschrist gegen Geschlechtskranke, die in Kenntnis ihrer Erkrankung den Beischlaf ausüben, entgegenzuwirken. Schon im Jahre 1893 hatte die mit der Vorberatung der Vorlage über Abänderung von Bestimmungen des Strafgesetzbuchs usw. betraute Reichstagskommission beschlossen, als 8 327 u eine derartige Vorschrift in das Strafgesetzbuch einzustellen?) Dieser Vorschlag wurde später mehrfach wiederholt). Neuerdings hat sich auch der (16.) Ausschuß des Reichstags für Bevölkerungspolitik in diesem Sinne ausgesprochen. 8 4 des vorliegenden Entwurfs soll vor allein vorbeugend wirken; bei dem diskreten Charakter der geschlechtlichen Beziehungen werden die Fälle, in denen es bei der Gefährdung durch den Beischlaf geblieben ist, nur selten an den Richter gelangen. Mit einer Anzeige wird im allgemeinen nur dann zu rechnen sein, wenn der Geschlechtsverkehr zur Ansteckung geführt hat. ...
... Weiterzugehen und jeden mit Strafe zu bedrohen, der einen anderen in irgendeiner Weise der unmittelbaren Gefahr der Ansteckung mit einer Geschlechtskrankheit aussetzt (zu vergleichen Gegeneutwurf zum Vorentwurf eines Deutschen Strafgesetzbuchs 8 274), empfiehlt sich nicht. Den Praktischen Bedürfnissen wird genügt, wenn der Hauptfall, die Vollziehung des Beischlafs, getroffen wird. Zum Tatbestände des 8 4 gehört die Ausübung des Beischlafs in Kenntnis der geschlechtlichen Erkrankung und in Kenntnis der Ansteckungsgefahr. Dein Wissen ist die Kenntnis solcher Umstände gleichgestellt, die dem Täter die Annahme, daß er au einer mit Ansteckungsgefahr verbundenen Geschlechtskrankheit leide, aufnötigen. Zur Vermeidung unnötiger Eingriffe in das Familienleben soll die Verfolgung, soweit es sich um den Geschlechtsverkehr zwischen Ehegatten oder Verlobten handelt, nur auf Antrag eintreten. Autragsberechtigt ist die gefährdete Person; neben ihr oder an ihrer Stelle der gesetzliche Vertreter entsprechend der Vorschrift des 8 05 des Strafgesetzbuchs. Trifft — bei eingetretener Ansteckung — der Tatbestand des 8 4 mit den: Tatbestände der Körperverletzung zusammen, so kommt nach 8 73 des Strafgesetzbuchs dasjenige Strafgesetz zur Anwendung, welches die schwerste Strafe androht. Zu 85. Eine besondere Gefahr liegt darin, daß öfters Personen, die an einer Geschlechtskrankheit ge-Drucksachen des Reichstags, 8. Leg.-Per., tl. Session, 1892/93 Nr. 178. 2) sin vergleichen Drucksachen des Reichstags, 8. Leg.-Per., IV. Session 1896/97, Nr. 618, V. Session 1897,V8, Nr. 36 und 191: 10. Leg.-Per., t. Session 1898/1900; Nr. 31 und 312; Sten. Ber.. 10.Leg.-Per., I. Session 1898/1900, S. 3962 nnd Geheime Sitzung tff. 439 ...

571 /648
... Umgekehrt muß zum Schutze der Amine vor Ansteckung durch das Kind, sobald irgendwelche Krankheitserscheinuugen an seiner Haut oder an seinen Schleimhäuten auf den Verdacht geschlechtlicher Erkrankung hinweisen, der Arzt befragt werden, ob das Kind von der Amme gestillt werden darf. Auch andere als syphilitische Geschlechtskrankheiten können von der Amme auf das Kind oder umgekehrt übertragen werden, wenn nicht die gebotene Vorsicht nach Anleitung des Arztes beobachtet wird. Ebenso kann auch Pie Überlassung eines gcschlechtskranken Kindes an Pflegepersonen, denen von der Erkrankung nichts bekannt ist, zur Weitervcrbreitung der Krankheit führen. Der in solchen Fällen drohenden Ansteckung suchen die in M 11, 12 vorgesehenen Strafbestimmungen vorzubeugen. Straffreiheit soll bestehen für den Fall, daß ein syphilitisches Kind von einer weiblichen Person gestillt wird, die selbst au Syphilis leidet. Für die stillende Person ist hiervon kein Schaden zu befürchten, wohl aber kann dem Kinde die Ernährung mit Frauenmilch von großem Nutzen sein. Zu Z 13. Die als Reglementierung bekannte polizeiliche Überwachung der gewerbsmäßigen Unzucht wird im allgemeinen in der Weise durchgeführt, daß die Dirnen unter sittenpolizeiliche Aufsicht gestellt, in eine Liste eingetragen und einer regelmäßigen polizeiärztlichen Untersuchung unterworfen werden. Dieses Verfahren hat sich als unzureichend erwiesen, weil ein großer Teil der Dirnen sich scheut, mit der Polizei in Berührung zu kommen, und sich daher der polizeiärztlichen Untersuchung zu entziehen sucht. Die Zahl der heimlichen Dirnen ist aber in den meisten Städten erheblich größer als die Zahl derjenigen, die der Polizei bekannt und bei ihr eingeschrieben sind. ...

572 /648
... Die praktische Folge dieser Auslegung ist, daß unter die Strafbestimmung ganz allgemein alle Gegenstände fallen, die überhaupt beim Geschlechtsverkehr Verwendung finden können, also insbesondere auch alle Mittel, die zur Verhütung geschlechtlicher Ansteckung dienen sollen (vgl. Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Bd. 34 S. 365, Bd. 36 S. 312). Erfahrene Fachärzte haben diese Auslegung mit lebhaftem Bedauern aufgenommen; ihrem Bedenken, daß bei unbehinderter Verbreitung von Schutzmitteln eine ungeheure Zahl von geschlechtlichen Erkrankungen vermieden werden könne, wird man sich nicht verschließen dürfen. Durch Erschwerung des Vertriebs von Schutzmitteln den außerehelichen Geschlechtsverkehr einzuschränken, ist, wie die Erfahrung erwiesen hat, unmöglich. So erscheint es denn geboten, wenigstens den der Volksgesundheit hiervon drohenden Gefahren nach Möglichkeit zu begegnen. Der Entwurf will deshalb die Beschaffung der ansteckungverhütenden Mittel von allen Erschwerungen befreien durch eine in 8 184 aufzunehmende Ausnahmebestimmung, die das Ausstellen, Ankündigen und Anpreisen der zur Verhütung von Geschlechtskrankheiten dienenden Gegenstände für straflos erklärt, soweit es nicht in einer gegen Sitte oder Anstand verstoßenden Weise erfolgt. Auch dem sittlichen Empfinden dürfte durch diese Fassung Rechnung getragen sein. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1924
Bd.: 377. 1920/24
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-377

ID: 00000061
573 /648
... Durch die sogenannte Abortivbehandlung werden die meisten Frühfälle so günstig beeinflußt, daß weitere Erscheinungerl nicht mehr auftreten, das Blut dauernd normal ist, nach der Verheiratung Ehegatte und Kinder frei bleiben, ja in einer Anzahl solcher Fälle sind nachträglich neue Infektionen aufgetreten — was der beste Beweis dafür ist, daß die erste Ansteckung wirklich vollständig geheilt war. Dennoch ist es, wie ohne weiteres zuzugeben ist, nicht möglich, mit positiver Sicherheit zu beweisen, daß eine syphilitische Erkrankung wirklich geheilt ist. Die Frage, wie weit der Verlauf der Syphilis durch die Salvarsanbehandlung dann beeinflußt wird, wenn sie, wie leider außerordentlich oft, erst in einem späteren Stadium in Angriff genommen werden kann, ist dahin zu beantworten, daß auch solche Fälle bei energischer und wiederholter Behandlung sehr oft anscheinend endgültig ausheilen; unter diesen Umständen kommen dann aber eher Rückfälle der Krankheit vor. Die Zeit seit dem Beginn der Salvarsanbehandlung ist noch nicht lang genug, um ein sicheres Urteil über die Spätererscheinungen in den frühbehandelten Fällen abzugeben. Jedenfalls sind die sogenannten Tertiärerschemungen an Haut und Schleimhaut außerordentlich selten geworden; von inneren Spätsymptomen wissen wir noch nichts. Die viel kolportierte Behauptung, daß Tabes und Paralyse häufiger geworden sind, ist durch nichts bewiesen; dagegen ist sicher, daß unzureichende Salvarsanbehandlung gewisse syphilitische Nervenerscheinungen häufiger machten, die aber, wenn sie zeitig genug wieder mit Salvarsan behandelt werden, meist gut geheilt werden. Von besonders großer Bedeutung ist die schnelle Beseitigung aller ansteckenden Symptome und die weitgehende Verhinderung ansteckender Rückfälle. ...

574 /648
... 8 4 enthalte eine gute Strafbestimmung gegen die syphilitische Ansteckung, er sei aber den Verhältnissen bei einer aonorrhöischen Infektion schlecht angepaßt. Bei der Gonorrhöe lägen die Dinge so, daß sie bei der Frau ganz anders verläuft wie beim Manne. Angesehene Ärzte hätten den Standpunkt vertreten, daß die Gonorrhöe beim weiblichen Geschlecht überhaupt nicht in dem Maße heilbar sei, um später jede Infektionsgefahr auszuschließen. Auch unter den Männern gäbe es zahlreiche Personen, bei denen die gonorrhöische Erkrankung so ungünstig verläuft, daß sie zu schwerer Entzündung der Prostata führt, die zumeist eine Heilung im Sinne absoluter Beseitigung der Infektionsgefahr ausschließt. Obwohl ein solcher Mann von allen Merkmalen gonorrhöischer Erkrankung frei erscheint, sei bei ihm doch immer die Möglichkeit einer In- ...

575 /648
... Bei der Prostitution gäbe es nicht nur eine physische, sondern auch eine psychische Ansteckung. Das Wohnen einer Prostituierten in einer Wohnung mit heranwachsenden Kindern und Jugendlichen stelle zweifellos eine sittliche Gefährdung der letzteren dar. Die Protistuierte erscheine in deren Augen als „Dame, die nicht zu arbeiten braucht, viel Geld verdient, was naturgemäß moralisch schwache Naturen zur Nachahmung anreizt. Bei einem engen Zusammenleben einer Protistuierten mit Jugendlichen zeige sich das, was der soziale Forscher als psychische Ansteckung bezeichnet. Bei dem Berliner System sei die Gefahr psychischer Ansteckung vielleicht am wenigsten groß. Da die Prostitution sich hier in Absteigequartieren vollzieht, gelten die Straßenmädchen in ihren Wohnungen oft nicht als Prostituierte, weil sie ihrer Umgebung geschickt einen ehrbaren Berus vorzutäuschen verstehen. Das Berliner System lasse sich aus andere Städte aber nicht übertragen. Deshalb sei es richtig, sich mit dem freien Wohnen der Prostituierten als dem relativ kleinsten Übel abzufinden. Die Sozialdemokratie werde daher alle Abänderungsanträge zum Abs. 1 ablehnen. Ein Redner der Deutschen Volkspartei wendet sich aus den Gründen, die schon von den Vertreterinnen der Deutschen Demokratischen Partei dargelegt sind, gegen die Heraufsetzung des Alters auf 21 Jahre. Sehr notwendig sei es vor allem, die Entwickelung von Bordellen und bordellartigen Betrieben zu verhindern. In der Abstimmung über die Anträge zu § 13 Ziffer 1 wird der Antrag Nr. 36 Ziffer 1 in folgender neuer Fassung angenommen: Als Kuppelei gilt insbesondere das Unterhalten eines Bordells oder eines bordellartigen Betriebs. Ebenso wird angenommen Antrag Nr. ...

576 /648
... Es muß die rechtliche Möglichkeit geschaffen werden, nicht nur Aufklärung über den Schutz gegen sexuelle Ansteckung zu verbreiten, sondern auch die hierzu wirklich geeigneten Mittel in einer Sitte und Anstand nicht gefährdenden Weise zum Verkauf zu bringen, wobei der Gesichtspunkt nicht aus dem Auge verloren werden darf, daß in dem Maße als es gelingt, die Männer beim außerehelichen Verkehr zur Anwendung von Schutzmitteln zu bestimmen, man dem Ziel der Ausrottung der Geschlechtskrankheiten immer näher kommt. Allerdings ist es richtig, daß es wirklich wirksame Mittel gegen Infektion nur für den Mann gibt. Das spricht jedoch nicht gegen den Wert der individualhygienischen Methode bei Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten, weil die Frauen, die der Prostitution verfallen, ja von Männern angesteckt werden. Will man der sexuellen Volksseuchen Herr werden, so dürfe man sich nicht von einem falschen Schamgefühl leiten lasten. Tatsache ist, daß der Mann, wenn er eine Minderung der Lustgefühle im sexuellen Verkehr in den Kauf nimmt, sich durch den Gebrauch von Condomen und sorgfältigen Waschungen vor sexueller Ansteckung, wenn auch nicht absolut, so doch in weitgehendem Maße schützen kann. Die weitaus größte Zahl von Infektionen kann also verhindert werden, wodurch uns zugleich die Aussicht auf völlige Ausrottung der Geschlechtskrankheiten eröffnet wird. Alles kommt daher darauf an, der Männerwelt die Ansicht der britischen Sanitätsbehörden beizubringen, daß unehelicher Verkehr ein Verstoß gegen die Moral, unehelicher Verkehr ohne Schutzmittel aber ein schweres soziales Verbrechen gegen die eigene Person und gegen seine Nachkommen ist. Hierauf wird ein Antrag, den Abs. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1924
Bd.: 380. 1920/24
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-380

ID: 00000064
577 /648
... Frau die Befürchtung geschlechtlicher Ansteckung durch den Marokkaner. Kurz vor dieser Tat versuchten dieselben Marokkaner drei Mädchen im Alter von 16, 15 und 13 Jahren in Gegenwart eines vierten Kindes geschlechtlich zu mißbrauchen. Ähnliche Überfälle farbiger Truppen auf deutsche Frauen und Männer haben sich in der Gegend von Speyer wiederholt ereignet. IS. Drei farbige französische Soldaten schlagen einen Deutschen nieder, vergewaltigen und berauben zwei Mädchen Am 16. August 1923 gingen die 32 Jahre alte Sch. mit ihrer 29jährigen Freundin K., ihrem Schwager St. aus Ehrang und dessen Ehefrau von Trier über die Provinzialstrsße auf Ruwer zu. An dem Wege, der von der Provinzialstraße zum städtischen Wasserwerk abzweigt, tauchten Plötzlich drei farbige französische Soldaten auf. Einer der Soldaten schlug die St. mit dem Gewehrkolben nieder. Die beiden Mädchen Sch. und K., welche die Flucht ergriffen, wurden von den Soldaten verfolgt und trotz heftiger Gegenwehr unter Mißhandlungen von den drei Farbigen vergewaltigt und beraubt. 2«. Zwei farbige französische Posten vergewaltigen die 17jährige R. aus Weiterstadt Am 4. September 1923 befand sich die 17 Jahre alte R. mit Wer jungen Leuten auf dem Wege von Weiterstadt nach dem Wald zur „Täubches Höhle, um Brombeeren zu suchen. Ungefähr 2 Km vom Ort entfernt wurden die Genannten von einem farbigen Posten angesprochen und nach den Pässen gefragt. Unter dem Vorwand, daß die Pässe nicht in Ordnung seien, mußten die Deutschen dem Posten folgen, der mit ihnen die Straße Gräfenhausen—Darmstadt bis zum ersten Bahnübergang ging. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1925
Bd.: 384. 1924
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-384

ID: 00000068
578 /648
... — Ich entschuldige nicht die Tatsache, daß die Kinder krank sind, sondern ich wende mich gegen den Zwischenruf Ihres Fraktionskollegen, der als Grund für die Ansteckung die Ursache angeführt hat, die ich hier erwähnt habe. Aber aus allen diesen Vorgängen mag das deutsche Volk und vor allem das gläubig eingestellte Volk. den Schluß ziehen, daß mit schönen Worten zur Verbesserung der Fürsorgegesetzgebung (Zuruf von den Kommunisten: Auch mit Ihren schönen Worten nicht!) — wollen mal abwarten! — den Fürsorgebedürftigen nicht geholfen wird. Nein, ich wage sogar die Behauptung, daß manche Veröffentlichungen von Reden, ^ wie sie hier im Reichstag zu diesem Kapitel gehalten ^ worden sind, bei den Fürsorgebedürftigen Hoffnungen erweckt haben, die nachher zu Schanden gemacht worden sind, und daß die Vernichtung all dieser Hoffnungen und all dieser Erwartungen für die Fürsorgeempfänger und empfängerinnen viel schmerzlicher gewesen ist, als wenn sie nie etwas von diesen Anträgen und Versprechungen im Reichstag gehört hätten. (Lebhafte Zustimmung im Zentrum.) Ich komme zum Schluß. Sie haben unsere Einstellung in diesen Dingen aus diesen kurzen Erläuterungen kennengelernt. Es ist dieselbe, die wir als Zentrumspartei stets vertreten haben. Ich sage noch einmal: wir wären nicht wert, das Erbe eines Hitze und anderer katholischer sozialpolitischer Vorkämpfer in unseren Reihen zu verwalten, wenn wir nicht immer wieder bei diesem Kapitel auf diese unsere grundsätzliche Einstellung hinweisen wollten. Was wir praktisch dazu im Ausschuß zu sagen haben, das brauchen wir hier nicht zu unterstreichen. ...

579 /648
... bei den Sozialdemokraten) durch Tod, Ansteckung, Erwerbseinbuße, ärztliche Behandlung, Heilverfahren, Krankengeld und andere Dinge mehr. Sachverständige schätzen den Verlust auf zwei Millionen Goldmark jährlich. (Hört! Hört! links.) Ähnliche Verheerungen richten die Geschlechtskrankheiten an. Dazu kommt hier noch die Einschränkung des Nachwuchses durch Verlust der Zeugungs- und Gebärtätigkeit. Auf die Bekämpfung der Volksseuchen muß sich die Sozialversicherung noch viel schärfer und umfassender einstellen, als das früher der Fall gewesen ist. Sie soll in dem Tuberkulösen nicht den Versicherten für seine Person sehen, sondern zugleich auch den Verbreiter einer gefährlichen Volksseuche. Sie soll neben dem Kranken auch die Angehörigen, die um ihn herum sind, sehen, die Volksgenossen, denen er Schaden zufügen kann. Aufgabe unserer Sozialversicherung ist es daher, rechtzeitig Heilverfahren einzuleiten, Schutz der Umgebung vor Ansteckung, Beteiligung der Versicherungsträger an allen Aufgaben der sozialen Hygiene. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1925
Bd.: 385. 1924
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-385

ID: 00000069
580 /648
... Wie steht es mit dem Pflegepersonal in den Krankenhäusern, das im Umgang mit den Kranken der Gefahr der Ansteckung ausgesetzt ist? Hier handelt es sich doch um einen Berufsunfall. Wenn der Betreffende nicht Pfleger wäre, käme er mit Kranken, die ansteckende Krankheiten haben, nicht zusammen, daun wäre er von der Ansteckung verschont geblieben. Wenn also ein Pfleger, eine Pflegerin und Krankenschwester bei der Ausübung ihres Berufes angesteckt werden, so ist das doch, wie ich mit Recht behaupten kann, ein Betriebs- und Berufsunfall. Dieser Personentreis ist aber von der Unfallversicherung ausgeschlossen. Wir fordern, daß auch dieser Berussstaud und die Angehörigen anders gearteter Berufe mit in die Unfallversicherung einbezogen werden. Nun hat bei den Beratungen über die sozialpolitischen Fragen im allgemeinen einen breiten Raum die Frage des Unfallschutzes eingenommen. Fm Entwurf der Regierung wird zwar auch darauf hingewiesen, man müsse dem Unfallschutz und der Unfallverhütung ^ in Zukunft größere Beachtung schenken, aber das ist nicht mehr umschrieben, es ist nur ein Hinweis. Vorläufig wird sich also an dem tatsächlichen gegenwärtigen Zustand nichts ändern. Fntcressant ist es, einige Fälle aus der Praxis anzusehen, um zu beweisen, wie notwendig es ist, daß alles getan wird, um in Zukunft Unfälle möglichst zu verhüten. Es ist sehr nützlich, einmal die Statistiken über die Zahl der Unfälle in den letzten Fahren vorzunehmen. ...


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