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Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1883
Bd.: 72. 1882/83
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 yb,A-72

ID: 00018442
101 /648
... 583 des Blutes zum Zwecke der Entgiftung oder Bewahrung vor Ansteckung habe sehr häufig guten Erfolg; aber die Zmpfschädigungen sind auch nicht in Abrede zu stellen. Der Staat garantirt weder für die Reinheit der Lymphe, noch giebt er die mindeste Entschädigung bei den schwersten Beschädigungen. Ein Zwang unter diesen Umständen ist ungerecht und unmoralisch. 3.1 Höchst ungerecht und unsittlich aber ist dieser Zwang Eltern gegenüber, welche das Impfen für eine der Gesundheit und das Leben ihrer Kinder schädliche Operation halten, indem der Staat hier die Eltern zu einer Handlung zwingt, die vor ihrem Gewissen verwerflich ist, gegen deren Vornahme sich ihre Ueberzeugung sträubt. 4.1 Ganz unstatthaft ist die Vergleichung des Impfzwanges mit dem Schul- und Militärzwang. Weder Schul- noch Militärzwang ist mit einer direkten Lebensgefahr beim Eintritt in die Schule und Kaserne verbunden, während der Zmpsakt als solcher mehr oder minder große Gefahr direkt im Gefolge hat. 5.1 Mit demselben Rechte, mit welchem der Staat zum Impfen zwingt, könnte er zum Zwangsgebrauche aller übrigen Arzneimittel verpflichten, die als die bewährtesten Schutzmittel gegen andere seuchenartig auftretende Epidemien jeweilig gelten. 6.1 Zn zweifelhaften Dingen herrsche Freiheit! In ckubiis libortas! Die Impfung kann nützen, aber auch schaden; zu einer solchen Maßregel zwingen, ist abermals ungerecht. Korreferent kommt somit zu dcm Antrage: „Die Petitions-Kommission wolle beschließen: die sämmtlichen Petitionen, welche die Aufhebung des Impfzwanges verlangen, dem Herrn Reichskanzler behufs Beseitigung desselben zur Berücksichtigung zu überweisen. ...

102 /648
... Die Ansteckung war durch Frau Keßler erfolgt, doch ist die Zeit der Infektion nicht festzustellen. 7.1 Anr 1. Zanuar erkrankte der 43jährige Spengler Boy, nur geimpft, schwere Erkrankung; Heilungnach 3Wochen. Die Ansteckung ist nicht klar zu stellen; es liegt die Möglichkeit vor, daß er durch die Familie Hütsch, welche vis-üvis wohnte, und wo am 4. Zanuar die Frau an Blattern erkrankte, infizirt wurde. 8.1 Oberlehrer Hofmann, 55 Jahre alt, im ersten Lebensjahre geimpft, auf jedem Arme eine Narbe sichtbar, nicht revaccinirt, erkrankte am 2. Zanuar schwer und genaß nach 3 Wochen. Für die Infektion liegen bei ihm verschiedene mögliche Gelegenheiten vor. Er selbst glaubt sich von einem Schulknaben angesteckt, welcher ihm am 19. Dezember mit der Anzeige erschreckte, daß in seiner Familie die Blattern ausgebrochen seien und konnte sich von da ab nicht mehr von dem Gedanken frei machen, daß er an Blattern erkranken werde. Doch hat Hofmann noch andere Berührungspunkte gehabt. Der 12jährige Schwickert, der am 2. Zanuar ebenfalls an Blattern erkrankte, besuchte vor seiner Erkrankung die Schule Hofmanns. Ein anderer Schulknabe, der an Blattern erkrankte, saß in der Nähe Hofmanns sowohl in der Schule als in der Kirche. Auch der Kaplan, der ihn am 1. Weihnachtsfeiertage besuchte, erzählte ihm, daß er am Abend vorher den Blatternkranken Lau in ger „versehen habe. Das Znkubationsstadium betrüge demnach längstens 14 Tage. ...
... Zanuar erkrankte, ohne daß die Ansteckung zu ermitteln gewesen, der 12 jährige, geimpfte und 4 Lage vor der Erkrankung revaccinirte Schulkuabe Schwickert schwer und starb nach 10 Tagen. Bei ihm kam gleichzeitige Entwickelung der Vaccinopusteln neben der kvnfluirenden Variolaeruption zur Beobachtung. Ohne daß Berührung mit Variolakranken nachweisbar wäre, erkrankte: 11.1 am 4. Zanuar die 45 jährige geimpfte, nicht revaccinirte Lumpensammlerin Hütsch schwer und genaß nach 4 Wochen; 12.1 am 5. Januar der Bruder des sub 6 erwähnten und von diesem infizirten Kindes Keßler, 1^/4 Zahre alt; schwerer Fall, Heilung nach 4 Wochen; nur geimpft. Znkubationsstadium von längstens 16 Tagen. 13.1 Die 65jährige Wäscherin Hochheimer, geimpft, nicht revaccinirt; schwerer Fall, starb nach 14 Tagen. Der Weg der Infektion ist bei ihr nur insoweit zu ermitteln, als nach Angabe des behandelnden Arztes die Möglichkeit vorliegt, daß sie die Wäsche eines Blatternkranke behandelnden Arztes besorgt hätte. Zm Hause wohnten noch 3 Töchter, Wäscherinnen, welche alle geimpft und zweimal, zum letzten Male 1871 revaccinirt sind und alle drei gesund blieben. 14.1 Am 8. Januar erkrankte die 32 jährige, nur geimpfte Frau Sprendler schwer und starb nach 5 Tagen-Ueber den Weg der Ansteckung konnte nichts Sicheres ermittelt werden. 15.1 Am 9. Zanuar erkrankte nach angeblich 2 tägigem Znkubationsstadium der 45jährige Wengenroth, geimpft, mit 2 sichtbaren Zmpfnarben, nicht revaccinirt; mittelschwerer Fall, gen aß nach 3 Wochen. Znfektionsweg ist nicht zu ermitteln. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1883
Bd.: 73. 1882/83
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 yb,A-73

ID: 00018443
103 /648
... Zu diesem Behufe können die Landesregierungen namentlich 1.1 verbieten, daß Reben, Rebtheile, Weinpfähle (Rebstützen) oder Erzeugnisse des Weinstocks, ferner auch, daß andere Pflanzen oder Pflanzentheile von dem betreffenden Grundstück entfernt werden; 2.1 die Vernichtung der angesteckten oder dem Verdacht einer Ansteckung unterworfenen Nebpflanzungen und die Unschädlichmachung (Desinfektion) des Bodens anordnen; 3.1 die Benutzung des Grundstücks zur Kultur von Reben für einen bestimmten Zeitraum untersagen. Die vorbezeichneten oder sonst erforderlichen Maßregeln können einzeln oder in Verbindung mit einander angeordnet werden; dieselben können auf Theile des Grundstücks beschränkt, aber auch auf mehrere Grundstücke und erforderlichenfalls auf größere Bezirke erstreckt werden. 8- 4. Zn den Weinbaugebieten des Reichs werden alle Gemarkungen (Ortsfluren), in welchen Weinbau betrieben wird, bestimmten Weinbaubezirken zugetheilt. Die Grenzen dieser Bezirke werden von den betheiligten Landesregierungen festgesetzt und durch den Reichskanzler im Centralblatt für das Deutsche Reich bekannt gemacht. Die Versendung und die Einführung bewurzelter Reben in einen Weinbaubezirk ist untersagt. Für den Verkehr zwischen den einzelnen Weinbaubezirken können mit Zustimmung des Reichskanzlers Ausnahmen von diesem Verbot von den Landes-Zentralbehörden zugelassen werden; auch können die höheren Verwaltungsbehörden der einzelnen Bundesstaaten Ausnahmen zu gunsten desjenigen gestatten, welcher Nebpflanzungen in benachbarten Weinbaubezirken besitzt. Innerhalb des einzelnen Weinbaubezirks ist der Verkehr mit bewurzelten Reben aus Rebschulen verboten, in welchen andere als in diesem Bezirk übliche Rebsorten gezogen werden oder innerhalb der letzten drei Jahre gezogen worden sind. Weinbau im Sinne dieses Gesetzes ist die Pflanzung und Pflege der Rebe zum Zwecke der Weinbereitung. .8- 5. ...
... Von jedem Auftreten der Reblaus, sowie von jeder einen dringenden Verdacht des Vorhandenseins des Insekts begründenden Erscheinung innerhalb eines Bundesstaats wird die Regierung des letzteren, unter eingehender Darlegung aller in Betracht kommenden Verhältnisse, namentlich auch der ermittelten oder muthmaßlichen Ursache der Ansteckung, dem Reichskanzler stets unverweilt Mittheilung machen. 8. 7. Die Regierungen der Bundesstaaten, in welchen das Vorhandensein der Reblaus festgestellt ist, werden in einem dem Zwecke entsprechenden Maßstabe eine Karte aufstellen und richtig erhalten, welche den Stand der Krankheit jederzeit ersichtlich macht. Auf Grund der bezüglichen Mittheilungen wird der Reichskanzler eine das ganze Reichsgebiet umfassende Karte Herstellen lassen und die Grenzen der als angesteckt oder wegen der Nähe von Ansteckungsherden als verdächtig zu betrachtenden Bodenflächen bestimmen. Ebenso werden die Negierungen der Bundesstaaten dem Reichskanzler im Lausenden zu erhaltende Verzeichnisse derjenigen Gartenbau- oder botanischen Anlagen, Schulen und Gärten mittheilen, welche regelmäßigen Untersuchungen in angemessener Jahreszeit unterliegen und amtlich als den Anforderungen der internationalen Reblaus-Konvention entsprechend erklärt worden sind. 8. 8. Der Eigenthümer oder Nutzungsberechtigte eines Grundstücks, auf welchem die Reblaus auftritt oder Anzeichen für das Vorhandensein des Insekts sich finden, ist verpflichtet, hiervon der Ortspolizeibehörde unverzüglich Anzeige zu machen. 8 9. Die Kosten der nach Maßgabe dieses Gesetzes auf obrigkeitliche Anordnung ausgeführten Vernichtung von Rebpflanzen und Unschädlichmachung des Bodens fallen demjenigen Bundesstaat zur Last, in dessen Gebiete die infizirte Rebpflanzung belegen ist. 8-10. Derjenige, dessen Nebpflanzungen von den in den 88. ...

104 /648
... ihrem ganzen Umfange nach auszurotten; den Boden unschädlich zu machen; die Entfernung von Pflanzen aus dem betreffenden Grundstücke und aus dem Umkreise desselben, soweit er dem Verdachte der Ansteckung unterliegt, zu verhüten; die einstweilige Wiederbenutzung der Znfektionsstätten zur Rebkultur zu verhindern, — so daß es hat geschehen können, daß einer der umfangreichsten und gefahrdrohendsten Neblausherde, welche in Deutschland bisher ermittelt worden, in Folge des Widerspruchs des Besitzers mehrere Jahre hindurch hat unangetastet bleiben müssen. Endlich hat das Gesetz vom 6. März 1875 eine Anzeigepflicht der Besitzer solcher Grundstücke, welche von der Reblaus offenbar oder muthmaßlich befallen sind, nicht festgesetzt; wegen der Entschädigung der im allgemeinen Interesse von nachtheiligen Verfügungen der Obrigkeit betroffenen Personen Bestimmung nicht getroffen, auch die wichtige Frage der Regelung des inneren Nebverkehrs unberührt gelassen. Der vorstehend angedeuteten Maßnahmen bedarf es, nicht blos um den Anforderungen der internationalen Konvention gerecht zu werden, sondern auch um, so weit wie möglich, eine Bürgschaft dafür zu gewinnen, daß nicht, wie in anderen Ländern, die Reblauskrankheit bei uns überhand nehme und mit den Weingeländen eine reiche Quelle des Volkswohlstandes je länger je mehr zerstöre. Unter den Bundesstaaten sind bisher nur Preußen, Baden, Hessen auf dem in Rede stehenden Gebiet gesetzgeberisch vorgegangen. Das preußische Gesetz, Maßregeln gegen die Verbreitung der Reblaus betreffend, vom 27. Februar 1878 (preußische Gesctz-Samml. S. 129), welchem das unterm 16. April 1880 erlassene badische und das unterm 30. ...

105 /648
... Auch die hauptsächlich noch in Betracht kommende Gefahr der Ansteckung durch nicht zur Kategorie der Rebe gehörige bewurzelte Pflanzen erscheint angesichts des Umstandes nicht groß, daß in Folge der Durchführung der Konvention von den Handelsgärtnereien die meisten die Rebenzucht gänzlich einstellen werden, die übrigen aber regelmäßig gründlichen Untersuchungen zu unterwerfen sind. Die Bestimmung, daß die Feststellung der Weinbaubezirke in dem einzelnen Bundesstaat durch die Landesregierung bezw. im Falle der Zusammenlegung von Gemarkungen verschiedener Bundesstaaten zu einem Weinbaubezirk durch die betheiligten Landesregierungen zu erfolgen hat, bedarf besonderer Erläuterung nicht. Aber auch die Gliederung der Weinbaugebiete in Weinbaubezirke ist mit Rücksicht auf die weitgehenden Verschiedenheiten der maßgebenden Verhältnisse den Landesregierungen zu überlassen. Wenngleich es nahe liegen, im allgemeinen sich auch empfehlen wird, die Grenzen der Weinbaubezirke mit der Grenze größerer oder kleinerer Verwaltungsbezirke zusammenfallen zu lassen, so würde doch die Aufstellung verbindlicher Normen in dieser Hinsicht nicht rathsam sein. Etwa bei der Ausführung der hier fraglichen Bestimmung hervortretende Unzuträglichkeiten lassen, wie andere, vermöge der im §. 5 Absatz I enthaltenen Vorschrift sich erledigen. 8. 5. Die hier getroffenen Vorschriften entsprechen denjenigen, welche in andern, ähnliche Materien ordnenden Gesetzen, namentlich im K. 4 des Gesetzes, betreffend die Abwehr und Unterdrückung von Viehseuchen, vom 23. Juni 1880 (Reichs-Gesetzblatt Seite 153) erlassen worden sind. ...

106 /648
... Denn die nicht nachweislich kranken bewurzelten Pflanzen, welche der Vernichtung und Unschädlichmachung vorerst noch entgehen, unterliegen immerhin einem dringenden Verdachte der Ansteckung und würden nur etwa Abnehmer finden, welche mit der Thatsache oder der Bedeutung der Infektion des Grundstücks unbekannt sind, mithin getäuscht werden, so daß der Besitzer schwerlich in der Lage sein dürfte, einen aus solchem Verbot hergeleiteten Ersatzanspruch rechtlich zu begründen. Nicht bewurzelte Pflanzen aber, abgeschnittene Blumen, Obst, Gemüse, unter Umständen auch Trauben ohne Blätter werden bei Beobachtung der nöthigen Vorsicht im allgemeinen freigegeben werden können. Endlich wird auch ein Verbot, das heimgesuchte Grundstück zeitweise — der Regel nach für 2 bis 3 Jahre — zur Rebkultur nicht zu verwenden, einen nachweisbaren Schaden nicht verursachen. Denn es ist zu erwägen, daß der Besitzer bei sofortiger Erneuerung der Rebkultur den bereits erlittenen Schaden nicht heilen, sondern voraussichtlich vergrößern würde, da eine einmalige Säuberung des behafteten Grundstücks das Znsekt, dessen enormes Fortpflanzungsvermögen bekannt ist, fast niemals gänzlich vertilgt. Es kommt hinzu, daß in vielen Fällen der Boden durch den Wechsel der Kultur und durch den mit einer Unschädlichmachung verknüpften Gewinn an Nährstoffen eine Verbesserung erfährt, welche dem später neu gepflanzten Weinstock reichlich zu gute kommt. Immerhin beabsichtigt der Entwurf durch die Vorschrift im §. 10 Absatz 1 nur das Mindestmaß der Entschädigungspflicht festzusetzen, ohne die Bundesstaaten, wenn sie nach Lage der Verhältnisse die Leistung weitergehender Vergütungen für angemessen erachten, hierin zu beschränken. 8. 12 enthält die nöthigen Sirasvorschriften. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1883
Bd.: 5. 1881/84, Sess. 2/3 = 1882, 27. Apr. - 1883, 12. Juni u. 1883, 29. Aug. - 1. Sept.
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,C-5,2/3

ID: 00019719
107 /648
... Zu diesemBehufekönnen die Landesregierungen namentlich 1.1 verbieten, daß Reben, Rebtheile, Weinpfähle (Rebstützen) oder Erzeugnisse des Weinstocks, ferner auch, daß andere Pflanzen oder Pflanzentheile von dem betreffenden Grundstück entfernt werden; 2.1 die Vernichtung derangestecktenoder dem Verdacht einer Ansteckung unterworfenen Rebpflanzungen und die Unschädlichmachung (Desinfektion) des Bodens anordnen; 3.1 die Benutzung des Grundstücks zur Kultur von Reben für einen bestimmten Zeitraum untersagen. Die vorbezeichneten oder sonst erforderlichen Maßregeln können einzeln oder in Verbindung mit einanderangeordnetwerden; dieselben können aufTheiledes Grundstücks beschränkt, aber auch auf mehrere Grundstücke und erforderlichenfalls auf größere Bezirke erstreckt werden. 8 4. In den Weinbaugebieten des Reichs werden alle Gemarkungen (Ortsfluren), in welchen Weinbau betrieben wird, bestimmten Weinbaubezirkenzugetheilt.Die Grenzen dieser Bezirke werden von den betheiligten Landesregierungen festgesetzt und durch denReichskanzlerim Zentralblatt für das Deutsche Reich bekannt gemacht. Die Versendung und die Einführung bewurzelter Reben in einen Weinbaubezirk ist untersagt. Für den Verkehr zwischen den einzelnen Weinbaubezirken können mit Zustimmung des Reichskanzlers Ausnahmen von diesem Verbot von den Landeszentralbehörden zugelassenwerden; auch können die höheren Verwaltungsbehörden der einzelnen Bundesstaaten Ausnahmen zu Gunsten desjenigen gestatten, welcher Rebpflanzungen in benachbarten Weinbaubezirken besitzt. Innerhalb des einzelnen Weinbaubezirks ist der Verkehr mit bewurzelten Reben aus Rebschulen verboten, in welchen andere als in diesem Bezirk übliche Rebsorten gezogen werden oder innerhalb der letzten drei Jahre gezogen worden sind. Weinbau im Sinne dieses Gesetzes ist die Pflanzung und Pflege der Rebe zum Zwecke der Weinbereitung. 8 5. ...

108 /648
... Von jedem Auftreten der Reblaus, sowie von jeder einen dringenden Verdacht des Vorhandenseins des Insekts begründenden Erscheinung innerhalb einesBundesstaatswird die Regierung des letzteren, unter eingehender Darlegung aller in Betracht kommenden Verhältnisse, namentlich auch der ermittelten oder muthmaßlichen Ursache der Ansteckung, dem Reichskanzler stets unverweilt Mittheilung machen. 8?. Die Regierungen derBundesstaaten,in welchen das Vorhandensein der Reblaus festgestellt ist, werden in einem dem Zwecke entsprechenden Maßstabe eine Karte aufstellen und richtig erhalten, welche den Stand der Krankheit jederzeit ersichtlich macht. Auf Grund der bezüglichen Mittheilungen wird der Reichskanzler eine das ganze Reichsgebiet umfassende Karte herstellenlaßenund die Grenzen der als angesteckt oder wegen der Nähe von Ansteckungsherden als verdächtig zu betrachtenden Bodenflächen bestimmen. Ebenso werden die Regierungen derBundesstaatendem Reichskanzler im Laufenden zu erhaltende Verzeichnisse derjenigen Gartenbau- oder botanischen Anlagen, Schulen und Gärten mittheilen, welche regelmäßigen Untersuchungen in angemessener Jahreszeit unterliegen und amtlich als den Anforderungen der internationalen Reblauskonvention entsprechend erklärt worden sind. 8 8. Der Eigenthümer oder Nutzungsberechtigte eines Grundstücks, auf welchem die Reblaus auftritt oder Anzeichen für das Vorhandensein des Insekts sich finden, ist verpflichtet, hiervon der Ortspolizeibehörde unverzüglich Anzeige zu machen. 8 9. Die Kosten der nach Maßgabe dieses Gesetzes auf obrigkeitliche Anordnung ausgeführten Vernichtung von Rebpflanzen und Unschädlichmachung des Bodens fallen demjenigen Bundesstaat zur Last,in dessen Gebiete die infizirte Rebpflanzung belegen ist. 8 10. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1884
Bd.: 76. 1884
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 yb,A-76

ID: 00018446
109 /648
... In Egypten war um dieselbe Zeit, als unsere Kommission ankam, eine französische Kommission anwesend zu demselben Zweck, eine Kommission, deren Führer — ein sehr verdienter Mann, der auch uin den Milzbrand sich besondere Verdienste erworben hat, Thuilliers — als Opfer der Ansteckung gefallen ist. Aber sie haben eben nichts vorwärts bringen können, und cs ist erst Herrn Koch vorbehalten gewesen, diese Entdeckung zu machen. Meine Herren, daß das in so kurzer Zeit möglich war, ist eben nur zu verdanken der vorzüglich ausgebildeten Methode, welche bei uns ausgebildet worden ist, und ich muß in dieser Beziehung besonders sagen: wenn auch viele Vorarbeiter daran mitgearbeitet haben, die Materialien herbeizubringen, um endlich diese Methode so weit zu bringen, so ist es doch nur die ausdauernde hingebende anhaltende Arbeit des Herrn Koch gewesen, die sie zur Vollendung gebracht hat, daß sie mit der Promptheit arbeitet, wie es hier geschehen ist. Vom Standpunkte der Wissenschaft aus — das will ich bei dieser Gelegenheit besonders sagen — würden wir immer noch geneigt sein, der Entdeckung des Tuberkelbacillus einen höheren Werth beizulegen; cs war das eine viel mehr überraschende, schwieriger verwickeltere Aufgabe als die, welche hier vorlag, und ich will die Gelegenheit nicht vorübergehen lassen ohne auch hier zu sagen, daß dieser Schritt eben ein so großer gewesen ist, daß wir im Augenblick in der That noch gar nicht übersehen können, zu welchen Konsequenzen er führen wird. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1884
Bd.: 77. 1884
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 yb,A-77

ID: 00018447
110 /648
... nicht ohne bleibenden Nachtheil für dessen Gesundheit oder Glieder an Bord behandelt werden können, andererseits bei solchen ansteckenden Krankheiten, welche nicht ohne Gefahr der Ansteckung für die Besatzung an Bord verbleiben können. Befindet sich kein Lazareth am Orte oder in der Nähe oder ist ein etwa vorhandenes Lazareth hygienisch ungeeignet, so darf der Kranke in Privätpflege gegeben werden, Wenn die Umstände es gestatten, wird dieser Kranke dann vom Schiffsarzte behandelt und von Bord aus mit Arznei und Verbandmitteln versorgt. Zn das Lazareth zu Yokohama darf jedoch ohne nähere Begründung jeder Kranke ausgeschifft werden, wenn durch die Behandlung am Lande ein besserer und rascherer Erfolg zu erwarten steht. Verläßt ein Schiff dauernd einen ausländischen Hafen, so werden nur solche Kranke am Lande zurückgelassen, bei welchen nach dem schriftlichen Gutachten des Schiffsarztes durch eine Rückkehr an Bord die Aussicht auf Wiederherstellung verloren geht oder der tödtliche Ausgang der Krankheit mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Für die im Lazareth zu Yokohama untergebrachten Kranken ist, sofern dieselben unheilbar oder dienstunbrauchbar sind, die Rücksendung mittelst heimkehrender Kriegsschiffe als Regel vorgeschrieben. Dagegen ist, wenn sich eine solche Gelegenheit auf Kriegsschiffen nicht bietet, die Rücksendung auf Staatskosten auf anderem Wege aus ausländischen Häfen nur bei solchen Kranken zulässig, welche nach ärztlichem Gutachten weder durch die Behandlung an Bord noch am Lande wiederhergestellt werden können, vielmehr den Einflüssen des Klimas zu erliegen oder ein chronisches Siechthum beizubehalten drohen. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1885
Bd.: 85, 1. 1884/85
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 yb,A-85

ID: 00018455
111 /648
... Es mußte aber, wenn der physiologische und pathologische Stand der Jmpffrage berathen werden sollte, dieser Punkt doch noch einmal besprochen werden, denn gerade auf der Eigenschaft der Pocken, daß sie durch einmaliges Ueberstehen eine Immunität gegen eine spätere Ansteckung verleihen, bericht ja schließlich die ganze Begründung des Impfschutzes. Die erste ...

112 /648
... Velten im Jahre 1841 beschrieben ist; dieser erklärt, daß nicht nur viele mit gutem Erfolge in der ersten Kindheit geimpfte Kinder und mit Erfolg revaccinirte Personen die Pocken bekommen, sondern daß auch die überstandenen Pocken nicht vor Ansteckung geschützt hätten. Was mich aber am meisten bestimmt zu leugnen, daß ein so absoluter Schutz gegen das zweimalige Befallenwerden existirt, sind meine persönlichen Erfahrungen in den neuesten Epidemien. Ich habe die Epidemie in Duisburg studirt und habe konstatiren können, daß viele Leute, die die Pocken gehabt haben und revaccinirt waren, in der allergefährlichsten Weise von den Pocken wieder befallen wurden. Ich habe die Essener Pockenepidemie studirt und dort ebensolche Beispiele gefunden. Ferner: im Jahre 1882 herrschte in Aachen eine Epidemie, wo von 215 Fällen im Beginne der Epidemie bereits dreizehn zum zweiten Male befallen waren. Diese Leute wurden aus dem Krankenhause entlassen, desinfizirt, gewaschen, mit reinen Kleidern versehen, und kamen nach circa 4 Wochen, aufs neue erkrankt, in das Krankenhaus zurück. Sie werden allerdings sagen: das sind Ausnahmen. Ich gehe aber von dem naturwissenschaftlichen Grundsätze aus, daß, wenn solche Ausnahmen vorkommen, sie das von Ihnen formulirte Gesetz umstoßen. Wir dürfen doch nicht sagen: die Theorie muß aufrecht erhalten werden, wenn widersprechende Fälle auftreten, sondern die Thatsachen bestimmen die Theorie, und nicht umgekehrt. Und weil es eine so große Zahl widersprechender positiver Thatsachen giebt, so glaube ich, daß wir die erste Frage nicht so absolut bejahen können, daß wir das Recht hätten, darauf ein Zwangsgesetz zu begründen. ...
... Herr Geheimrath Koch hat gesagt: wenn die erste Impfung mit Milzbrandgist gegen eine zweite Impfung schützt, die Thiere aber, wenn sie der natürlichen Ansteckung ausgesetzt werden, erkranken, so ist der Impfschutz nicht da; denn diese eine positive Thatsache beweist mehr als tausend negative Beobachtungen. Aehnlich ist es mit den Pocken, bei welchen wir in der Inokulation des vorigen Jahrhunderts ein Pasteursches Experiment im Großen haben, denn die Inokulation stellt einen viel geringeren Eingriff dar, als die natürliche Ansteckung; von den Jnokulirten sterben höchstens 1 Prozent, von den natürlich erkrankten 10 bis 20 Prozent. Nun aber setzen Sie diese inokulirten Leute der natürlichen Ansteckung aus, die tausendmal giftiger ist, lassen Sie das Pockengift einathmen, dann werden Sie mir zugestehen müssen, daß, selbst wenn die Impfung gegen die Inokulation schützt, noch lange nicht gesagt ist, daß sie gegen die natürliche Infektion schützt, die durch die Lunge zu Stande kommt. Herr Geheimrath Dr. Koch: Meine Herren, ich habe keineswegs gesagt, daß das einmalige Ueberstehen der Pocken einen absoluten Schutz verleihe. Ich beziehe mich hierbei wieder auf das Beispiel der Masern. Wir kennen auch eine ganze Reihe von Fällen — mir selbst sind solche Fälle bekannt —, wo einzelne Menschen die Masern zum zweiten, ja zum dritten Male bekommen haben. Das stößt aber nicht die Thatsache um, daß mit wenigen Ausnahmen die Menschen, die die Masern überstanden haben, nunmehr dagegen geschützt sind. Ganz ebenso verhält es sich auch mit den Pocken. ...

113 /648
... Wäre die Uebertragung der Menschenpocken auf Schafe in so einfacher Weise zu erreichen, wie in dem erwähnten Experimente mit dem Pockenhemde, dann hätten doch während der letzten Pockenepidemien irgend welche Fälle von Ansteckung der Schafe durch pockenkranke Menschen vorkommen müssen. Aber es ist nichts derartiges bekannt geworden. Herr Dr. Weber: Zch wollte nur darauf aufmerksam machen, daß das Gesetz, welches die Zmpfung der Schafheerden verbietet, ausspricht, daß jedwede Art Zmpfverfahren untersagt werden solle, und zwar ist das geschehen, weil man die Ovination als die Ursache erkannte der ungewollten permanenten Fortzüchtung der Seuche in den Schasheerden, ...

114 /648
... Es sind jene Beobachtungen um so wichtiger zu einer Zeit, wo die Pocken noch regelmäßig herrschten und die Gefahr der Ansteckung daher viel größer war als jetzt, wo Blattern nur noch seltener herrschen. Das Resultat jener Enquöte führte dahin, daß 1815 bereits angeordnet wurde, daß alle Kinder bis zum dritten Zahre geimpft sein müßten. Es wurden indessen die Beobachtungen fortgesetzt, und im Mai 1826 erschien ein größeres Jmpfgesetz, welches in ausführlichen Bestimmungen die Vaccination obligatorisch einführte, und welches bis zur Einführung des Reichs-Jmpfgesetzes für das Großherzogthum maßgebend geblieben ist. Die Folge war, daß die Pocken zunächst großentheils verschwanden. Später allerdings traten sie in einzelnen Fällen wieder auf, und es zeigte sich schon damals, daß es nöthig sei, die Vaccination durch die Einführung der Revaccination zu ergänzen. Man schritt aber damals hiermit nicht zwangsweise vor, sondern begnügte sich mit der Anempfehlung der Revaccination. Jedenfalls waren die Zustände durch die Anordnung der ersten Zwangsimpfung schon ganz wesentlich verbessert. Wenn ich mich entsinne, als Kind noch eine Menge Pockeninvaliden gesehen zu haben, die z. B. das Augenlicht verloren hatten, die mit entstellenden Narben umhergingen, die das Gehör eingebüßt hatten, so war dies eine Folge der Pocken, welche vor der Zeit der Einführung der Zwangsvaccination acquirirt worden waren. Ich habe später dergleichen Pockenschädigungen nie mehr gesehen, wie das ja in ähnlicher Weise auch von anderen Herren aus ihrer Praxis konstatirt worden ist. Wenn aber trotzdem noch zuweilen Epidemien zur Erscheinung kamen, so wurden dieselben doch. Dank den Bestimmungen des JmpfgesetzeS vom 26. ...
... Was mich betrifft, so habe ich auch nicht den geringsten Zweifel, daß die Vaccination in Verbindung mit der Revaccination einen ganz gewaltigen Schutz vor der Ansteckung mit Pocken gewährt. Herr vr. Betz: Meine Herren, ich glaube Sie nicht aufmerksam darauf machen zu müssen, mit welcher heiligen Sache wir hier zu thun haben, denn die Gesundheit so vieler Kinder ist damit verbunden und das Glück so vieler Familien. Wir haben auch Rechenschaft zu geben vor der fortschreitenden Wissenschaft über unsere heutigen Arbeiten, und es läßt sich annehmen, daß dem Einen oder Anderen dieser oder jener Gedanke, der von Wichtigkeit ist, noch kommen wird bei einer zweiten Lesung. Ich möchte deshalb bitten: wir wollen die Vorlage durchberathen und dann noch eine zweite Berathung mit ruhigerem Geiste und mit größerer Sachkenntniß vornehmen. Herr vr. Krieger: Meine Herren, es ist schon von mehreren Herren auf die Erfahrungen hingewiesen worden, die in den Grenzprovinzen resp. Grenzländern gemacht worden sind. Das bestimmt mich, mitzutheilen, daß Elsaß-Lothringen 1871/72 an der damals herrschenden Pandemie sehr starken Antheil genommen hat. Vor der Einführung des Jmpfgesetzes (1874), und zwar von den Jahren 1819 bis 1869, verging speziell in Straßburg fast kein Jahr ohne Pockentodesfälle, und alle 5 bis 6 Jahre kam es zu kleineren oder größeren Epidemien. Seit 1874 hatten wir nur in einem Jahre (1882) Pockentodesfälle, obgleich die Blattern relativ sehr häufig bei uns in Elsaß-Lothringen und zwar in der Regel von Frankreich her eingeschleppt wurden. ...

115 /648
... Solche Erkrankungen kommen vor in überfüllten Wohnungen, bei Ansteckung durch ungeimpfte Geschwister, welche schwere Variola haben. Solche leichte Erkrankungen zeigen, daß die Befallenen in der Hauptsache geschützt waren, und nur ein Minimum von Mangel an Schutz sich durch eine so geringe Krankheit noch aussprach. Zch möchte dann noch kurz Einiges dem hinzufügen, was von der Einschleppung in Grenzbezirken gesagt worden ist. Das Königreich Sachsen hat auch eine lange Grenze gegen Böhmen. Es herrschen bekanntlich häufig Pocken in Böhmen und es werden jedes Zahr in die Grenzdistrikte von Sachsen Pocken eingeschleppt; aber es bleibt meist bei nur wenigen Erkrankungen. Es wird sofort die Umgebung durchimpft, und dadurch ist es fast immer gelungen, diese Einschleppung auf wenige Fälle zu beschränken. Es sind auch durch böhmische Arbeiter Pocken nach Leipzig gekommen, aber nach rasch durchgeführter Impfung und Wiederimpfung der Hausbewohner bis zum frühesten Alter herunter ist stets eine Weiterverbreitung zu einer Pockenepidemie verhütet worden und wird, so lange das Zmpfgesetz besteht — und das wird hoffentlich immer sein — gewiß auch künftig verhütet werden können. Es ist dann von dem Aerztetage in Eisenach und dem Flinzerschen Vortrage gesprochen worden. Ich möchte bemerken, daß über die Einzelheiten des Vortrages keine Abstimmung stattgefunden hat. Der Vortrag ist auch ohne Diskussion entgegengenommen worden. ...

116 /648
... Sie sind vielfach einquartiert gewesen in solchen Häusern, in welchen vorher Pockenkranke gewesen waren, sie haben sich in Betten gelegt, in welchen vorher Pockenkranke gelegen hatten, und nichtsdestoweniger sind sie gegen Ansteckung geschützt geblieben. Daß ungünstige hygienische Einflüsse in fast gleicher Weise auf unsere Armee einwirkten, wie es bei den Franzosen der Fall gewesen ist, wird gewiß auch von Ihnen beistimmend anerkannt. Herr vr. Betz: Meine Herren, ich habe in Heilbronn die Cholera erlebt und auch zwei große Pockenepidemien, und ich will Ihnen den Gesammteindruck, welchen ich bekommen habe, in Bezug auf die Kontagiosität oder Nichtkontagiosttät nicht vorenthalten. Ich bin bei beiden Krankheiten noch nicht ganz sicher, ob und wie weit sie kontagiös sind, denn die Pocken haben sich auf Stadttheile beschränkt, trotzdem der Verkehr mit ihnen nicht abgeschlossen war, die Cholera hat sich auf Stadttheile beschränkt, trotzdem der Verkehr nicht abgeschlossen werden konnte und immer sind es Haushaltungen gewesen, welche insanitär, deren Häuser dunkel und schmutzig waren, so daß es bei mir nicht ganz sicher ist, ob die beiden Krankheiten so kontagiös sind, als man gewöhnlich glaubt, daß sie es seien. Herr Dr. von Kerfchensteiner : Mich hat die Auseinandersetzung des Herrn Kollegen Weber doch wesentlich dazu geführt, anzunehmen, daß wir da, wo Blattern sind und wo sie sich in Folge schlimmer hygienischer Verhältnisse so sehr ausbreiten, zunächst auf die Ausrottung der Blattern sehen müssen und nicht zunächst auf die Besserung der hygienischen Verhältnisse. Die Besserung der hygienischen Verhältnisse ist etwas, was man nicht jeden Augenblick machen kann. ...

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... (Impfwesen.)1 1305 Kasernen immer erfolgreich zu begegnen, trotzdem wir alles aufbieten, die Mannschaften vor Ansteckung zu schützen und der Uebertragung von Infektionskrankheiten von Mann zu Mann in der Kaserne bei den engen Wohnungsverhältnissen vorzubeugen. Zch möchte diesen Grund, der oft für die Immunität der Armee gegen Pocken angeführt wird, hiermit zurückgewiesen haben. Herr Dr. Eulenberg: Meine Herren, ich möchte nur mit ein paar Worten noch einmal den prinzipiellen Punkt erwähnen, der eben wieder zur Sprache kommt und den auch Herr Geheimrath Koch berührt hat, nämlich den, daß Herr Dr. Böing den Vertheidigern der Impfung vorwirft, sie stützten sich stets auf subjektive Anschauungen und persönliche Erfahrungen. Da möchte ich doch fragen: was thut Herr Dr. Böing denn anderes? Er spricht immer nur von den ungünstigen, hygienischen Verhältnissen, unter deren Einwirkung die Pockenkrankheit entstände und sich weiter entwickele; er geht daher von einer durchaus subjektiven Ansicht aus, die im Widersprüche mit allen Erfahrungen über das Wesen der Pockenkrankheit steht, da wir doch Alle wissen, daß die Entwickelung der Pockenkrankheit ganz unabhängig von den äußeren Verhältnissen ist, daß sie den in Lumpen und den in Seide gekleideten Menschen befällt und affizirt, sobald derselbe sich den Einwirkungen des Pockenkontagiums aussetzt. Aber abgesehen hiervon möchte ich mir doch in Anbetracht der Wichtigkeit der Angelegenheit, die wir hier verfolgen, erlauben, noch einige Beispiele für die positive Schutzkraft der Vaccination zu liefern. Meine Herren, wir haben noch gar nicht die großartigen Erfolge der Impfring berücksichtigt, die in Indien und überhaupt bei den orientalischen Völkern sich gezeigt haben. ...

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... Das brauchen aber natürlich nicht gerade unterjährige Kinder zu sein, denn diese laufen nicht auf der Straße herum und sind daher den Gefahren der Ansteckung durch den Verkehr nicht so sehr ausgesetzt, sie müssen warten, bis die Blattern zu ihnen ins Haus kommen. Herr Dr. Weber: Ich möchte zunächst direkt anknüpfen an das, was der Herr Vorredner erwähnt hat, wenn wir je die Frage, ob der Staat eine Berechtigung zu dem persönlichen Zmpfzwange habe, als eine fundamentale betrachten sollen. Wir wollen ja nicht behaupten, daß das Ungeimpstsein vor den Blattern schütze, sondern wir wollen nur sagen, daß, wenn eine Berechtigung zum Zwange existiren soll, zunächst nachgewiesen werden muß, daß die Ungeimpften fast ausnahmsweise es sind, welche die ersten Pockenfälle liefern: denn die ganze Theorie der Anhäufung der Ungeimpften wurzelt ja in dieser Ansicht, daß die Blattern, hineinfallend ins Land, zuerst immer die Ungeimpften, als die Seuchenzünder, erfassen. Um dieser Invasion vorzubeugen, solle man darum, nach der Ansicht der Zmpffreunde, diese Ungeimpften impfen, um sie seuchenfest zu machen. Es liegt nun außerhalb der Aufgabe der Zmpfgegner, zu beweisen, daß die Geimpften immer die Erstergriffenen seien, sondern wir brauchen nur nachzuweisen, daß die Ungeimpften in der Reihenfolge der Erkrankungen die Priorität nicht haben. ...

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... Aber meiner Meinung nach ist ein zweiter Faktor, der hier gar nicht in Betracht gezogen wurde, noch viel wesentlicher, nämlich, das Pockenmiasma selbst: denn das ist doch dasjenige, welches die Ansteckung verursacht. Es wird ja keiner in der Versammlung glauben, daß es einen Pockenkeim in uns gäbe, der durch die Zmpfung zerstört werde, um uns dadurch immun werden zu lassen. Vor langer Zeit allerdings ist die Anschauung so gewesen; aber das ist doch sicher: Wenn kein Pockenmiasma vorhanden ist, dann mag die Bevölkerung geimpft sein oder nicht, es wird keiner daran erkranken und wenn nach einem so gründlichen Austoben einer Welt-Pockenepidemie, wie die aus den Zähren 1871 bis 1874, die Pockenruhe eintrat, so ist dies doch allein der Thatsache zuzuschreiben, daß das aufgestaut gewesene Pockenmiasma durch seinen Ausbruch selbst auch auf irgend einem Wege fortgeschafft oder zerstört wurde, und durchaus nicht dadurch, daß für Preußen eine neue und eher gelindere Zwangsimpfung geschaffen wurde, als vorher. Es ist auch hier wieder gesagt worden, — es liegt in der zur Berathung stehenden Frage Nummer 2, — die Pockenepidemien des vergangenen Jahrhunderts seien durch die Einführung der Vaccination um die Wende des Jahrhunderts zum Abfall gekommen. Nun, es handelt sich für diese Behauptung nur darum, den Beweis zu liefern. Wir wissen aber, daß dieser Abfall schon früher stattgefunden hat, und können ohne Annahme einer rückwirkenden Kraft die Vaccination darum nicht als die Ursache dieses Abfalles anerkennen. ...

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... Das liegt in dem Zuzuge und in den zufälligen Verhältnissen, die eine Ansteckung möglich machten. Ich muß eigens darauf aufmerksam machen, und hier scheint mir auch ein Mißverständniß obzuwalten, daß eine ganze Reihe ungeimpfter Kinder vorhanden sein können, die von den Blattern nicht ergriffen werden; das geschieht jedes Mal in dem Falle, wenn sie mit Blatternkontagium nicht in Berührung kommen. Es ist sehr wohl möglich, daß sich in Bayern 100 000 ungeimpfte Kinder befinden, eine Epidemie ausbricht, und diese Kinder nicht krank werden; sie sind eben nicht angesteckt worden. Nun ist hier die Statistik, wie mir scheint, ein Prokrustesbett, auf welchem man sich die Ziffern zurechtlegen kann, wie man will. Deswegen lege ich auf unsere vaterländische Statistik als eine gerade durch die einfache Methode ihrer Herstellung zuverlässige, einen großen Werth. Ich wüßte nicht, daß in der Statistik, welche ich aufgestellt habe, irgend etwas, was für den Beweis der Schutzkraft der Impfung nothwendig ist, nicht enthalten ist. Ich bin nicht befugt, über die Verhältnisse der Armee zu sprechen; da aber Bayern hier einen militärärztlichen Vertreter nicht hat, so darf ich aus den Sachen, die im Drucke erschienen sind, wenigstens darauf hinweisen, wie es sich während des Feldzuges mit den Pocken verhalten hat. Der Spezialbericht wird in dem großen Generalstabswerke noch folgen, aber es ist vorläufig schon von einem ganz zuverlässigen und außerordentlich vorurtheilsfreien Beobachter, vom Oberstabsärzte vr. ...


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