... Dagegen ist einzuräumen, daß solche Dirnen, welche sich ohne jede Wahl gegen geringen Lohn hingeben und auf ihren Gesundheitszustand eben so wenig wie die Männer ihres Umgangs achten, gerade die schlimmsten Träger der Ansteckung sind und bei der Offenkundigkeit ihres Treibens in der Regel unter Controle gestellt werden. Daß mithin innerhalb sehr enger Grenzen ein Schutz erzielt wird, ist nicht zu bezweifeln. Auch hier bietet indeß das System allgemeiner Strafbarkeit größere Sicherheit, vorausgesetzt, was wir annehmen, daß es der polizeilichen und richterlichen Thätigkeit gelingen wird, das Unzuchtsgewerbe in demselben Umfange zu erfassen, als dies jetzt von der Polizei allein geschieht. Während die der Prostitution ergebenen Frauenzimmer heute ihr Gewerbe weiter betreiben, und trotz ärztlicher Untersuchung die Syphilis ausbreiten können, wird ihnen jede Möglichkeit hiezu unter dem Strafsystem entzogen. Dieser Schutz genügt jedoch nicht. Da die Verbreitung ansteckender Geschlechtskrankheiten eine gemeine Gefahr ist, welche mit der gewerblichen Unzucht und ohne dieselbe besteht, so ist der Gesetzgebung und Verwaltung die Aufgabe gestellt, dieser Gefahr nach allen Seiten entgegenzutreten. Die Lösung einer solchen Aufgabe bietet erhebliche Schwierigkeiten. Repressive Maßnahmen, wie die Androhung von Strafen, sind nur aushilfsweise brauchbar. Wir haben vorgeschlagen (S. 8 der Vorschläge), Personen, welche wissen, daß sie an einer ansteckenden Geschlechtskrankheit leiden und das Betreiben der Heilung versäumen, unter Strafe zu stellen, aber diese Bestimmung allein oder auch sonstige Ergänzungen des Strafrechts, wie etwa der Vorschriften über die Körperverletzung, würden das erhoffte weitere Ziel nicht erreichen lassen. ... ... Die Gesundheitspolizei würde von ihren Befugnissen Gebrauch zu machen haben: wenn auf Grund glaubwürdiger Anzeigen oder Zeugenaussagen die Erkrankung an der Syphilis nicht zweifelhaft erscheint und die Umstände darauf schließen lassen, daß ärztliche Hilfe nicht nachgesucht worden ist, oder wenn der liederliche Lebenswandel notorisch ist und die Umstände zu der Annahme berechtigen, daß die Ansteckung erfolgt und ärztliche Behandlung nicht eingetreten ist. Die Zulässigkeit des Einschreitens würde auch in Betreff solcher Personen, welche demselben bereits früher unterworfen gewesen wären, in jedem Falle aufs Neue zu prüfen sein. Nur bei notorisch liederlichen Männern oder Weibern, wäre die Gesundheitspolizei in der Freiheit ihres Handelns etwas weniger beschränkt. Sollte es daher auch einigen Prostituirten gelingen, sich der gerichtlichen Strafe zu entziehen, so würde ihnen gegenüber doch das sanitäre Interesse wahrgenommen werden können. Die Thätigkeit der Gesundheitspolizei soll sich im ersten Angriff auf die Forderung des ärztlichen Nachweises beschränken, daß der Betroffene an einer ansteckenden Geschlechtskrankheit nicht leide oder in ärztlicher Behandlung sei. Zur Führung dieses Nachweises wird eine sehr kurze Frist, in der Regel 24 Stunden, zu bestimmen sein. Nur wenn dieser Aufforderung nicht Genüge geleistet würde, träte die Zwangsuntersuchung ein. Um die Letztere möglichst zu vermeiden, empfiehlt es sich, dafür Sorge zu tragen, daß die selbst bewirkte Untersuchung gegen sehr billige Taxe erfolgen könne. Abkommen hierüber mit den Aerzten der öffentlichen Anstalten oder Privatärzten werden sich ohne Schwierigkeit treffen lassen. ...
| Abb. der Originalseite (Image-Nr.: bsb00018455_00681) |