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Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1885
Bd.: 85, 1. 1884/85
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 yb,A-85

ID: 00018455
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... Das finde ich durchaus nicht wunderbar, zunächst entspricht es der allgemeinen Erfahrung, daß Frauen in den mittleren Lebensjahren, weil sie früher nicht revaccinirt wurden, der Ansteckung wieder mehr zugänglich sind. So finde ich es auch ganz erklärlich, daß diese Frau, welche schon Kinder hat und bei der die Impfung gewiß schon vor zwanzig und mehr Jahren stattgefunden hatte, wieder empfänglich war für die Ansteckung durch das Pockengift; die Frau war vor dem Pockengifte wahrscheinlich ebensowenig geschützt wie ihr Kind. 165 ...

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... Wir Aerzte verlassen uns ja auch nicht auf eine einzige Revaccination, söndern impfen uns, weil wir uns häufiger als Andere der Gefahr der Ansteckung aussetzen müssen, so oft als thunlich wieder in der Ueberzeugung, daß in vielen Fällen eine einzige Revaccination noch nicht genügend schützt. Auch der Schutz, welchen die Revaccination bewirkt, ist von verschiedener Dauer, aber die Erfahrung hat gelehrt, daß er im Allgemeinen zur Abwehr der Pockengefahr genügend ist. Der Vortheil, welchen die gleichmäßige Impfung und Wiederimpfung einer Bevölkerung schafft, hat sich schon unverkennbar herausgestellt. Die Bevölkerung von Deutschland ist zwar nicht absolut, aber doch verhältnißmäßig immun gemacht. Wir entziehen dadurch der Seuche so viel Boden, daß sie überhaupt unter unserer Bevölkerung keinen rechten Fuß mehr fassen kann, obgleich unter derselben noch recht viel Menschen sein mögen, die nicht ganz immun gegen Pocken sind. Sodann freut es mich noch, konstatiren zu können, daß die Herren Dr. Böing und Dr. Weber sich bei dieser These dazu verstanden haben, eine Immunität nach der Impfung zuzugestehen. Die beiden Herren haben ja bei den Thesen 1 und 2 das Zustandekommen einer Immunität überhaupt bestritten- während sie jetzt anerkennen, daß wenigstens ein gewisser Grad von Immunität durch die Impfung erzielt wird, oder, mit anderen Worten, daß die Impfung einen gewissen Schutz verleiht. Ob der Schutz nur ein Jahr oder zehn Jahre dauert, darüber läßt sich ja streiten, aber daß die Menschen durch die Impfung gegen die Pockenkrankheit immun zu machen sind, wenn auch nur für eine gewisse Zeit, ist doch ein großer Vortheil. ...

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... Wenn sich nun solche Menschen in einer Umgebung befinden, die frei von Pocken ist, dann kommen sie gar nicht in Gefahr, daß sie unter diesem Mangel an Impfschutz zu leiden haben, aber sobald solche Menschen mit Pockenkranken in Berührung kommen, dann erliegen sie natürlich der Ansteckung, sie erkranken an den Pocken, und gerade diese Menschen sind es, welche noch die Mortalitätsziffern liefern, die wir in unseren statistischen Tabellen für Preußen zu verzeichnen haben. Wenn wir also von dem Grundsätze ausgehen, daß der einzelne Mensch durch die Vaccination und Revaccination noch nicht vollständig geschützt werden kann, so wird es nothwendig werden, seine Umgebung so viel wie möglich von den Pocken frei zu halten. Es ist also nicht einerlei, wenn jemand geimpft ist, und dadurch noch keinen vollständigen Schutz gegen die Pockengefahr erlangt hatte, ob derselbe Nachbarn hat, die ebenfalls geimpft sind, oder solche, die die Impfung unterlassen haben und also voraussichtlich viel eher der Gefahr ausgesetzt sind, an den Pocken zu erkranken, als andere Menschen. Es wird nun außerordentlich schwierig sein, das in der Praxis für den einzelnen Menschen wirklich nachzuweisen. Es ist das aber auch nicht nöthig, da uns Erfahrungen zu Gebote stehen, welche sich auf umfangreiches statistisches Material und auf große Zahlen stützen. Gerade diese Frage giebt uns ein ausgezeichnetes Beispiel, daß wir mit der Mortalitätsstatistik allein schon manche Fragen lösen können, die man früher immer nur an der Hand der äußerst unsicheren Pockenmorbiditätsstatistik beantworten wollte. ...

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... Sie müssen außerdem immer bedenken, daß sich die Zsolirung eines Pockenkranken doch immer nur mit Hülfe eines Wärterpersonals durchführen läßt, welches, wenn es nicht durch die Impfung geschützt ist oder selbst schon die Pocken durchgemacht hat, ebenfalls der Ansteckung zugänglich ist. Die Verhältnisse liegen in diesem Falle ähnlich, als wenn man beispielsweise Feuer dadurch eindämmen wollte, daß man ihm Holz oder andere brennbare Stoffe entgegenstellt. Es widerstreitet durchaus der medizinischen Erfahrung, wenn wir uns der Hoffnung hingeben wollten, eine Krankheit, die einen so leicht übertragbaren Ansteckungsstoff besitzt, wie die Pockenkrankheit, durch Zsolirung unter allen Verhältnissen einschränken zu können. Namentlich würde aber, worauf ich nochmals zurückkomme, der Zwang, der durch die Zsolirung der Pockenkranken der Bevölkerung auferlegt würde, in gar keinem Verhältnisse stehen zu dem Zwange, der ihr jetzt durch das Zmpfgesetz verursacht wird. Zch bin fest davon überzeugt, wenn die Herren Zmpfgrgner dem Volke mit dem Vorschlage kommen würden, daß an Stelle des Zmpfgesetzes die Zsolirung der Kranken eingeführt werden soll, und wenn sie ihren Anhängern statistisch berechnen würden, wie viel Tausende dann alljährlich isolirt werden müßten auf Wochen, vielleicht auf Monate hinaus, dann würde man doch auch im Volke sehr bald zu der Einsicht kommen, daß es besser ist, bei dem Ampfgesetze zu bleiben und die Bevölkerung nicht einem solchen Zwange auszusetzen, wie die Zsolirung der Kranken ihn zur Folge haben würde. ...

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... Auch das angeführte Beispiel von der Uebertragung der natürlichen Pocken durch die Impfung kann ich nicht als beweiskräftig anerkennen; denn das erste Kind, von dem die Lymphe entnommen wurde und welches zum Ausbruche der Pockenkrankheit Veranlassung gab, mußte doch schon pockenkrank sein, als es ins Jmpslokal gebracht wurde, und wir wissen, daß, wenn ein Pockenkranker mit ungeimpften Menschen zusammengebracht wird, wie das hier der Fall war, nicht erst eine Impfung nothwendig ist, um die Ansteckung zu vermitteln. Das Pockengift ist ein Ansteckungsstoff, welcher sich schon bei dem einfachen Zusammensein in demselben Zimmer anderen Menschen mittheilt. Ich gebe ja zu, daß es so gewesen sein kann, wie Herr vr. Böing annimmt, aber wissenschaftlich unanfechtbar ist diese Auffassung nicht; es kann ebensogut auch so gewesen sein, daß das pockenkranke-Kind die anderen Kinder unmittelbar und ganz unabhängig von der eigentlichen Impfung angesteckt hat. Ueber die Furunkulose, welche Herr vr. Weber anführt, habe ich auch Erfahrungen als Zmpfarzt gemacht. Solche Fälle kommen bisweilen vor, aber man sieht auch nicht selten ebensolche Fälle von Furunkulose bei Kindern, die nicht geimpft waren. Wie soll man da den Nachweis führen, daß die Furunkulose gerade die Folge der Impfung war? Ich habe die Möglichkeit von diesen und ähnlichen Nachkrankheiten zugestanden; wir können uns aber doch nicht mit solchen Möglichkeiten aufhalten, wenn es gilt, die notorisch beobachteten Zmpfschädigungen zu bezeichnen. ...

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... Zch will damit nicht sagen, daß die Ansteckung mit Syphilis eine geringfügige Beschädigung wäre, aber ich meine, man hat das Verfahren angeklagt, wo lediglich Fehler der Zmpfärzte vorgelegen haben. Es würde zu weit führen, die einzelnen beschriebenen Fälle von Zmpfsyphilis zu verfolgen und kritisch zu beleuchten. Es ist das übrigens von anderer Seite wiederholt geschehen, und ich möchte da u. A. an eine solche kritische Beleuchtung von Freund in Breslau erinnern, die sich in dem ärztlichen Vereinsblatte von 1879 Seite 203 ff. findet. Es wird daselbst eine Zusammenstellung sämmtlicher bisher in der Literatur enthaltenen Fälle von Zmpfsyphilis gegeben, derzufolge es sich um 52 Uebertragungen mit 510 einzelnen Fällen von Ansteckung handelt, die sich auf viele Millionen von Impfungen vertheilen. Freund kommt im Verlaufe seiner kritischen Untersuchungen zu dem Schluffe, daß die Uebertragung in 25 Fällen leicht hätte vermieden werden können, und daß in 17 anderen Fällen jede sichere Angabe fehlt, die eine kritische Beleuchtung zuläßt. Zch glaube bestimmt, daß die Syphilis sich durch Aufmerksamkeit in der größeren Anzahl von Fällen vermeiden läßt. Zch möchte als Beispiel hierfür die Zustände im Großherzogthum Sachsen anführen, in dem mir überhaupt kein Fall von vor« gekommener Zmpfsyphilis bekannt geworden ist. Zch bin seit 20 Zähren Referent für die Medizinalangelegenheiten im Großherzoglichen Ministerial-Departement des Znnern und hätte wohl Gelegenheit gehabt, einen solchen Fall, wenn er vorgekommen wäre, zu erfahren. Zch habe auch in den früher ergangenen Jmpfakten nichts von Zmpfsyphilis finden können. ...

127 /648
... Da möchte ich nun darauf aufmerksam machen, daß, wenn bei Verwendung der Lymphe eines Kindes irgend welche Gefahr derart bestände, durch die Benutzung des Kalbes die Gefahr auch nicht ganz ausgeschlossen ist, da erfahrungsmäßig doch die Perlsucht eine der Tuberkulose gleiche Krankheit ist, und da einige Forscher nachgewiesen haben, daß die Ansteckung mit Perlsucht bei den Kälbern bereits intrauterin er-171 ...

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... Lymphe gemacht — ich glaube nicht, daß ich da zu hoch greife, — und doch ist niemals durch die animale Lymphe eine Ansteckung mit Milzbrand, Klauenseuche und anderen Thierkrankheiten vorgekommen. Also die Erfahrung, und zwar eine sehr reiche Erfahrung spricht direkt gegen die von Herrn von Conta ausgesprochenen Befürchtungen. Zch bitte nochmals, daß wir doch in irgend einer Weise — ich bestehe durchaus nicht auf dem Stehenbleiben des Wortes „hat in der These — es nicht nur bei einer einfachen Empfehlung der animalen Lymphe bewenden lassen. Zch bin gern bereit, bei den folgenden Thesen derartige Anträge zu stellen, daß jeder Schein, als ob nun die humanisirte Lymphe vollständig von dem Zmpfgeschäfte ausgeschlossen werden sollte, vermieden wird. Herr Dr. Arnsperger: Wie ich Ihnen bereits vorhin gesagt habe, bin ich aus einem Gegner der Zmpfung mit animaler Lymphe ein Freund derselben geworden, insofern als ich früher aus praktischen Gründen entschieden der Ansicht war, daß sich dieselbe nicht durchführen lasse. Es sind auch jetzt noch einzelne Bedenken, die der Sache gegenüberstehen; insbesondere die Beschaffung der älteren Kälber, die zur Erzielung einer wirksamen Lymphe unbedingt nöthig sind, ist in Süddeutschland mit großen Schwierigkeiten verbunden, weil bei der besonderen Art der Ernährung der Kälber zum Zwecke ihrer Verwendung es außerordentlich schwer hält, dieselben soweit außerhalb des Stalles heranzubilden, als es zur Zmpfung nöthig ist, und Herr Kollege Reißner wird das bestätigen, daß, sowie zu junge Kälber geimpft werden, der Erfolg der Zmpfung ein sehr fragmentarischer ist. Also diese Herbeischaffung der Kälber ist nur mit großen Kosten möglich. ...

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... denn das ist doch nicht gleichgültig, insofern die Ansteckung in Betracht kommt; der Erkrankte kann ja vor vier Wochen zugereist sein, er kann auch vor drei Tagen zugereist sein. Herr Or. von Scheel: Zch weiß nicht, ob diese Angabe: „wann zugereist nicht in vielen Fällen Schwierigkeiten machen würde. Es ist selbstverständlich, daß man hier nur solche Zugereiste versteht, die kurz vor ihrem Zureisen erkrankt sind oder schon krank in den betreffenden Ort gekommen sind. Herr Or. Krieger: Ich meine, wenn der Medizinalbeamte die Meldekarte unterschreibt, dann wird er auch wissen, um was es sich hier handelt. Allzu ausführlich braucht die Meldekarte ja schließlich nicht zu sein. Wenn der Medizinalbeamte nicht weiß, um was es sich im gegebenen Falle handelt, dann werde ich überhaupt der Karte wenig Werth beilegen. Herr Or. von Scheel: Es ist dieser Zusatz auf einen Vorschlag von mir in die Karte hineingesetzt. Zch hatte diesen deshalb gemacht, um die Fälle zu ermitteln, wo es sich etwa um zugereiste Ausländer handelt, damit man im Stande wäre, die Todesfälle dieser kürzlich zugereisten Ausländer von unserer Pockenmortalität abzuziehen. Dieser Zweck ist für mich der maßgebende. Herr vr. Meißner:1 Zch glaube, es ist am besten, wenn in diesen Zählblättchen die ganze Frage fallen gelassen wird; soweit es sich um eine sanitätspolizeiliche Maßregel handelt, muß der Medizinalbeamte doch gewiß noch mehr thun, als in diesen Blättchen registrirt wird, und nach dem, was ich gehört habe, kann die Frage zu ganz verschiedenen mißverständlichen Auffassungen Veranlassung geben. Herr Or. ...

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... Wenn man nun bedenke, wie viel Ansteckung von diesen 1 285 lediglich von der Prostitution lebenden und hierfür konzesstonirten Personen, mit denen, wie anzunehmen sei, eben deshalb und wegen des durch die regelmäßige Z ärztliche Untersuchung veranlaßten Vertrauens auf eine - gewisse Sicherheit vor Ansteckung die Männer vorzugsweise sich einließen, in der Zeit von ihrem Krankwerden bis zur ärztlichen Entdeckung der Krankheit ausgehen möge, so dürfe wohl bezweifelt werden, ob der Erfolg ein besonders günstiger zu nennen sei. Bestände das System der polizeilichen Regulirung nicht, so würde eine große Menge von Verführung durch diese mit polizeilicher Genehmigung öffentlich sich umhertreibenden Personen und.damit auch von Ansteckung weggefallen sein, während auf der anderen Seite allerdings bei manchen von ihnen, welche trotzdem, wenn auch minder öffentlich, der gewerbsmäßigen Unzucht sich hingegeben hätten, die ihnen anhaftende Krankheit vielleicht später entdeckt worden wäre. k Nach demselben Generalberichte sollten ferner im Jahre 1882 von 83113 Mitgliedern des Gewerkskrankenvereins 6 124 gleich 7,4 Prozent an geschlechtlichen Krankheiten gelitten haben. Der Bericht beschließt den betreffenden Abschnitt mit folgenden nicht sehr tröstlichen Worten (S. 166): Die Ueberwachung der Prostituirten, wie die ärztliche Untersuchung haben, wie bereits bemerkt, Aenderungen nicht erfahren; die von Jahr zu Jahr zunehmende Zahl der zu untersuchenden Personen aber läßt, wie schon im vorjährigen Bericht S. 188 ausgesprochen, eine Vermehrung der ärztlichen Kräfte dringend geboten erscheinen, soll nicht der Zweck der ganzen Maßregel in Frage gestellt werden. ...

131 /648
... Oktober 1881 seien, um der zunehmenden Entsittlichung und Ansteckung zu steuern, die sämmtlichen öffentlichen Häuser geschloffen und neue Konzessionen an Einzelnstehende nicht ertheilt, so daß bis Ende 1883 die Zahl der letzteren auf 4 gesunken sei. Die Wirkung sei gewesen, daß,^ während von der Garnison in den Jahren 1878/81 58 pro wilis an venerischen Krankheiten, darunter 10 pro nMs an konstitutioneller Syphilis erkrankt seien, in dem Jahre 1882/83 die Erkrankungen nur 15 pro vaiiis bezw. 1,g pro Mills betragen hätten; im Bürgerhospital ferner seien an venerischen Krankheiten behandelt im Jahre 1880/81 11 Männer und 31 Frauen, im Jahre 1882/83 dagegen 5 Männer und 9 Frauen; und die Civilärzte in Colmar hätten ebenfalls eine merkbare Abnahme der geschlechtlichen Krankheiten seit der Abschaffung der Regulirung bezeugt. Aehnliche Erfahrungen habe man, wie dem Referenten mitgetheilt, in Wismar gemacht, wo, nachdem man zunächst die öffentlichen Häuser aufgehoben habe, der Gesundheitszustand sich wesentlich gebessert, eine weitere Besserung aber erfahren habe, seitdem man zu einer völligen Aufhebung des Regulirungssystems sich entschlossen habe. Auch diese einzelnen Erfahrungen, führte Referent weiter aus, könnten selbstverständlich als entscheidend nicht angesehen werden, sie forderten aber zur weiteren Prüfung auf und bewiesen jedenfalls, daß auch in gesundheitlicher Beziehung die angeblichen vortheilhaften Folgen des Regulirungssystems keineswegs so über allen Zweifel erhaben scheinen, wie dieses von manchen Seiten oft angenommen werde. Auf die noch sonst in Betracht kommenden Seiten der vorliegenden Frage einzugehen, werde zur Zeit kaum erforderlich sein. ...

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... Dagegen ist einzuräumen, daß solche Dirnen, welche sich ohne jede Wahl gegen geringen Lohn hingeben und auf ihren Gesundheitszustand eben so wenig wie die Männer ihres Umgangs achten, gerade die schlimmsten Träger der Ansteckung sind und bei der Offenkundigkeit ihres Treibens in der Regel unter Controle gestellt werden. Daß mithin innerhalb sehr enger Grenzen ein Schutz erzielt wird, ist nicht zu bezweifeln. Auch hier bietet indeß das System allgemeiner Strafbarkeit größere Sicherheit, vorausgesetzt, was wir annehmen, daß es der polizeilichen und richterlichen Thätigkeit gelingen wird, das Unzuchtsgewerbe in demselben Umfange zu erfassen, als dies jetzt von der Polizei allein geschieht. Während die der Prostitution ergebenen Frauenzimmer heute ihr Gewerbe weiter betreiben, und trotz ärztlicher Untersuchung die Syphilis ausbreiten können, wird ihnen jede Möglichkeit hiezu unter dem Strafsystem entzogen. Dieser Schutz genügt jedoch nicht. Da die Verbreitung ansteckender Geschlechtskrankheiten eine gemeine Gefahr ist, welche mit der gewerblichen Unzucht und ohne dieselbe besteht, so ist der Gesetzgebung und Verwaltung die Aufgabe gestellt, dieser Gefahr nach allen Seiten entgegenzutreten. Die Lösung einer solchen Aufgabe bietet erhebliche Schwierigkeiten. Repressive Maßnahmen, wie die Androhung von Strafen, sind nur aushilfsweise brauchbar. Wir haben vorgeschlagen (S. 8 der Vorschläge), Personen, welche wissen, daß sie an einer ansteckenden Geschlechtskrankheit leiden und das Betreiben der Heilung versäumen, unter Strafe zu stellen, aber diese Bestimmung allein oder auch sonstige Ergänzungen des Strafrechts, wie etwa der Vorschriften über die Körperverletzung, würden das erhoffte weitere Ziel nicht erreichen lassen. ...
... Die Gesundheitspolizei würde von ihren Befugnissen Gebrauch zu machen haben: wenn auf Grund glaubwürdiger Anzeigen oder Zeugenaussagen die Erkrankung an der Syphilis nicht zweifelhaft erscheint und die Umstände darauf schließen lassen, daß ärztliche Hilfe nicht nachgesucht worden ist, oder wenn der liederliche Lebenswandel notorisch ist und die Umstände zu der Annahme berechtigen, daß die Ansteckung erfolgt und ärztliche Behandlung nicht eingetreten ist. Die Zulässigkeit des Einschreitens würde auch in Betreff solcher Personen, welche demselben bereits früher unterworfen gewesen wären, in jedem Falle aufs Neue zu prüfen sein. Nur bei notorisch liederlichen Männern oder Weibern, wäre die Gesundheitspolizei in der Freiheit ihres Handelns etwas weniger beschränkt. Sollte es daher auch einigen Prostituirten gelingen, sich der gerichtlichen Strafe zu entziehen, so würde ihnen gegenüber doch das sanitäre Interesse wahrgenommen werden können. Die Thätigkeit der Gesundheitspolizei soll sich im ersten Angriff auf die Forderung des ärztlichen Nachweises beschränken, daß der Betroffene an einer ansteckenden Geschlechtskrankheit nicht leide oder in ärztlicher Behandlung sei. Zur Führung dieses Nachweises wird eine sehr kurze Frist, in der Regel 24 Stunden, zu bestimmen sein. Nur wenn dieser Aufforderung nicht Genüge geleistet würde, träte die Zwangsuntersuchung ein. Um die Letztere möglichst zu vermeiden, empfiehlt es sich, dafür Sorge zu tragen, daß die selbst bewirkte Untersuchung gegen sehr billige Taxe erfolgen könne. Abkommen hierüber mit den Aerzten der öffentlichen Anstalten oder Privatärzten werden sich ohne Schwierigkeit treffen lassen. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1886
Bd.: 86. 1885/86
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 yb,A-86

ID: 00018456
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... Die verdächtigen Thiere zerfallen in zwei Kategorien; in solche, die der Seuche verdächtig sind, und in solche, die der Ansteckung verdächtig sind. Erstere sind solche, welche bereits äußere Erscheinungen der Krankheit an sich tragen, letztere solche, von welchen nach den äußeren Umständen anzunehmen ist, daß sie möglicherweise Krankheitsstoff in sich aufgenommen haben, ohne daß sie bereits äußere Erscheinungen zeigen. Es ist anzunehmen, daß bei den der Seuche verdächtigen Thieren im Reiche wohl allgemein die Tödtung angeordnet wird. Anders bei der zweiten Kategorie. Die Lungenseuche entwickelt sich in der Art, daß sie zunächst eine längere Zeit chronisch verläuft, als ein lokaler Prozeß in der Lunge, der sich äußerlich weiter nicht bemerkbar macht; aber gleichwohl sind die so erkrankten Thiere im Stande, durch den bloßen Athem andere Thiere anzustecken und die Krankheit weiter zu verschleppen. Oft vergeht die Krankheit, heilt von selbst wieder ab; in anderen Fällen tritt sie in ein akutes Stadium über, in welchem die Thiere durch Fieber, häufiges Husten und Athembeschwerden sich als wirklich erkrankt auch äußerlich erkennbar machen:1 Der Ansteckung verdächtig sind mithin alle mit sichtbar erkrankten oder der Seuche verdächtigen in Berührung gekommenen Thiere. Es wäre nun das Sicherste, wenn alle der Ansteckung verdächtigen Thiere gleichfalls getödtet würden. Allein das Opfer, welches dadurch der deutschen Landwirthschaft und Viehzucht zugemuthet würde, wäre zu erheblich, als daß inan nicht versuchen sollte, auf anderem Wege das Ziel der Viehseuchentilgung zu erreichen. ...

134 /648
... Es ist gar nicht zu vermeiden, auch bei der peinlichsten Sorgfalt auf den werthvollen Gestüten, daß auf einem Gehöfte durch Ansteckung ein vereinzelter Rotzfall vorkommt. Wenn Sie sich vergegenwärtigen, was für Summen dabei ins Spiel kommen, wie der Besitzer häufig dem Ruin preisgegeben ist aus Grund einer vielleicht sehr zweifelhaften Diagnose eines Notzfalles, welcher in einem benachbarten Ackerstalle vorgekommen ist, so muß entschieden die Kommission, abweichend von den Ausführungen des Herrn Grafen Behr, von vornherein diesen Gedanken gar nicht in den Kreis ihrer Berathungen aufnehmen, weil damit ein Sprung in das Dunkle gemacht werden würde, dessen Tragweite in keiner Weise zu überfehen ist. Meine Herren, bekanntlich ist die Anwendung des Sprichwortes: gut tuest, oonssntlrs viästur — in parlamentarischen Verhandlungen eine sehr beliebte, obwohl manchmal gerade nicht zutreffend, und ich mußte allerdings fürchten, daß, wenn den Ausführungen des Herrn Grafen Behr hier nicht widersprochen würde, in Jahr und Tag der Mythus vielleicht festsitzen würde, daß ein oonssnsus oraninin in dieser Beziehung eristirte, und daß es wünschenswertst würde, mit einer derartigen Maßregel noch über das Maß hinaus zu gehen, welches schon in diesem Gesetzentwurf — in meinen Augen in etwas unzulässiger Weise — überschritten ist. Präsident: Das Wort wird nicht mehr begehrt Der Herr Abgeordnete Graf von Behr-Behrenhoff hat das Wort. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1886
Bd.: 87. 1885/86
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 yb,A-87

ID: 00018457
135 /648
... Dagegen hat die Berathung in der Kommission ergeben, und auch die heutigen Verhandlungen werden vielfach darauf zurückkommen, daß die der Seuche verdächtigen Thiere, abgesehen von der Lungenseuche, überhaupt nach dem bisherigen Gesetze schon in zwei Klassen sich theilen: in solche verdächtigen Thiere, bei denen sich bereits Erscheinungen zeigen, welche den Ausbruch der Krankheit befürchten lasten — das sind dann die der Seuche verdächtigen Thiere — und in solche, die bloß der Ansteckung verdächtig sind, und das sind nach dem Ausdrucks des Gesetzes diejenigen, bei welchen solche die Krankheit vermuthen lastende Erscheinungen zwar noch nicht aufgetreten sind, bei welchen aber die Vermuthung vorliegt, daß sie angesteckt sein könnten — und diese zweite Kategorie nennt man die der Ansteckung verdächtigen Thiere. — Das ist der eine Punkt. Der zweite Punkt, den ich hervorheben wollte und gleich im Anfang — ich halte das für zweckmäßig —, das ist der. Das Ergebniß der Kommissionsberathungen ist leider ein im wesentlichen negatives gewesen. Die Kommission, deren Wortführer ich in diesem Augenblicke bin, ist nicht in der Lage gewesen, Ihnen eine mit der Gesetzesvorlage konforme oder auch davon abweichende anderweitige Gesetzesnorm in Vorschlag zu bringen. Die Kommission ist nicht einmal im Stande gewesen, irgend einen Torso von dem Gesetzentwurf Ihnen darzubieten, ja, sie ist nicht einmal in der Lage, Ihnen einen Wechsel auf die Zukunft entgegenzubringen. ...
... Es heißt da: Das Nämliche gilt von den nur der Ansteckung verdächtigen Thieren, es sei denn, daß es sich um wenig zahlreiche Viehbestände handelt. Es muß heißen: Das Nämliche gilt von den nur der Ansteckung verdächtigen Thieren dann, wenn es sich um wenig zahlreiche Viehbestände handelt. Der Druckfehler hat also herbeigeführt, daß das Gegentheil von dem, was gesagt werden sollte, hier zu lesen ist. Meine Herren, da ich einmal bei den Druckfehlern bin, so will ich schließlich auch das noch bemerken: es liegt Ihnen heute ein Antrag vor, der auch den Namen Ihres Referenten trägt. Der Referent muß erklären, daß er nicht die Autorisation gegeben hatte, seinen Namen dem Antrage beizufügen. Es ist der Antrag Graf Adelmann und Genossen. Der Referent hat allerdings mit Wohlwollen den Berathungen über diesen Antrag beigewohnt und hat auch dem Konklusum des Antrages in einer gestrigen Verhandlung zugestimmt; er hat aber schon gestern das Bedenken geäußert, es sei nicht angängig, daß der Referent auch eigene Anträge bei der zweiten Berathung stelle, und es dürfe also wohl sein Name nicht mit abgedruckt werden. Er ist doch mit abgedruckt worden; das ist ein srror gewesen. So weit ich dabei betheiligt bin — ich glaube aber gar nicht dabei betheiligt zu sein —, bitte ich um Entschuldigung; ich möchte ersuchen, ganz einfach meinen Namen unter den Antragstellern zu streichen. Präsident:1 Das Wort hat der Herr Abgeordnete von Hafselbach. ...

136 /648
... Meine Herren, der Vorschlag der Regierung verlangt nach wie vor nur die Tödtung der erkrankten Thiere und stellt die Tödtung der seuchenoerdächtige n Thiere in das Ermessen der Polizeibehörden; unser Antrag verlangt nicht nur die Tödtung aller erkrankten und seucheverdächtigen Thiere, sondern auch die Tödtung aller, lediglich der Ansteckung verdächtigen, „sofern es sich um wenig zahlreiche Viehbestände handelt, oder sofern es auf die Unterdrückung einzelner Seuchenausbrüche in sonst seuchenfreien Gegenden ankommt.1 Meine Herren, ich möchte bei dieser Gelegenheit gleich dem Herrn Referenten gegenüber bemerken, der in seinen Eingangsworten erklärte, was unter „seucheverdächtig zu verstehen sei, daß die Begriffsbestimmung im ß 1 des Viehseuchengesetzes enthalten ist. Dort werden die Begriffe „seucheyerdächtig und „ansteckungsvcrdächtig streng unterschieden. Verhandlungen des Reichstags. 1213 Meine Herren, unser Antrag geht, wie gesagt, in Beziehung auf die polizeiliche Tödtung weiter als die Regierungsvorlage, um den Freunden der Tödtung entgegenzukommen; wir wollen die Kennzeichnung annehmen, jedoch mit der Einschränkung, daß wir den Besitzern großer und werthvoller Heerden ein Widerspruchsrecht gegen die Kennzeichnung geben. Ferner haben, wir die Impfung beibehalten; doch als Voraussetzung hingestellt, daß die Lungenseuche in der betreffenden Gegend an Ausdehnung gewonnen haben muß. Ich gebe zu, daß unser Antrag in der vorliegenden Form in Bezug auf Redaktion verbesterungsfähig ist. In materieller Beziehung, glaube ich, kann er auch den Herren, die für allgemeine Tödtung sind, annehmbar erscheinen. Zum Schluß will ich versuchen, einige Einwendungen, die in der Kommission gegen unseren Antrag schon geltend gemacht sind, zu widerlegen. ...

137 /648
... Jeder Viehbesitzer hat jetzt das Recht, alle nur der Ansteckung verdächtigen Thiere nach dem Schlachtviehhof transportiren und dort unter polizeilicher Aufsicht schlachten zu lassen. Er erleidet nur einen ganz geringen Schaden, da er verkaufen kann an wen und wann er will, während der ihn treffende Schaden, wenn der vorliegende Antrag angenommen wird, erheblich höher sein muß. Es scheint wenigstens so, als ob die Herren Antragsteller in diesem Fall überhaupt keine Entschädigung aus öffentlichen Fonds gewähren wollen. In Beziehung auf die Impfung enthält Absatz 5 des vorgeschlagenen Z 45 Bestimmungen, welche den Werth der Impfung meines Erachtens in Frage stellen, wie die. Herren Vertreter des Bundesraths in der Kommission nachgewiesen haben. Sie behaupteten mit Recht, daß nur die Impfung Erfolg verspreche, welche ohne Rücksicht auf die Zustimmung der Viehbesitzer zwangsweise durchgeführt werden könne. So weit ich dies zu beurtheilen vermag, werden auch die Herren, die mit mir den Antrag 172 dkr Drucksachen eingebracht haben, unter keinen Umständen aus den Antrag der Herren Grafen Adelmann und Genossen eingehen, und bitte ich das hohe Haus daher, diesen abzulehnen, unseren Antrag aber annehmen zu wollen. (Bravo! rechts.) Präsident: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Graf Adelmann von Adelmannsfelden. ...

138 /648
... Es ist mir ganz wohl bekannt, daß eine Selbstentwickelung der Lungenseuche von der Wissenschaft nicht mehr angenommen wird, sondern daß es als erwiesen gilt, daß die Lungenseuche nur durch Ansteckung entsteht und durch Ansteckung sich verbreitet. Aber das, meine Herren, lasse ich mir von Ihnen nicht abstreiten, daß bei einer so geschilderten Fütterungsweise die Disposition zu der Krankheit wesentlich gefördert, und das Kontagium, welches nach meiner Ansicht in der Provinz Sachsen schon seit Jahrzehnten haftet, geradezu konservirt wird. Wenn der Herr Präsident es mir erlaubt, werde ich nur kurz eine diesen Theil unserer Angelegenheit berührende Notiz verlesen, welche ich Gerlach, „Gerichtliche Thierheilkunde, entnommen habe: Gesunde Rinder können aus einem kranken Ort den Ansteckungsstoff meilenweit, ja selbst über das Meer verschleppen; V2 bis Z Jahr nach Einführung solcher Rinder kann die Seuche in dem betreffenden Stall ausbrechen. Die Seuche kann nie unter einer Heerde fortdauern, wenn nicht von neuem Rindvieh zugeführt wird, weil sie dasselbe Thier nur einmal befällt; sie wird aber stationär in den Fällen, wo immer von neuem wieder Rinder eingeführt werden, bevor der Ansteckungsstoff getilgt ist. Die angekauften Rinder erkranken früher oder später, infiziren die Ställe von neuem, und so regenerirt sich das Kontagium von Zeit zu Zeit, und die so gebildeten Seuchenherde sind dann die Quellen der sich immer wiederholenden Verschleppung. Meine Herren, das ist das Bild der Provinz Sachsen, wie wir es besser gar nicht geschildert bekommen können, und so wird es dort bleiben, bis Sie sich zu energischen Maßregeln entschließen. ...

139 /648
... : In Erwägung 1.1 daß die mit der Abänderungsvorlage zum Gesetze betreffend Abwehr und Unterdrückung von Viehseuchen beabsichtigte Kennzeichnung eines der Lungenseuche oder der Ansteckung verdächtigen Viehbestandes eine Maßnahme von sehr einschneidender wirthschaftlicher Wirkung ist; —1 das habe ich eingangs schon hervorgehoben — 2.1 daß aber nach wie vor seucheverdächtige Viehbestände auf polizeiliche Anordnung getödtet werven können, und daß bei strengem —1 in fettem Druck — Vollzüge dieser gesetzlichen Bestimmung die Tödtung (mit Entschädigung) sich seither bewährt hat, erklärt sich der Landwirthschaftsrath zwar nicht gegen die Kennzeichnung (hört! hört! im Zentrum), erwartet jedoch, daß dieses Hilfsmittel nur da Anwendung findet, wo aus schwerwiegenden finanziellen und wirthschaftlichen Gründen die Tödtung sämmtlicher verdächtigen Thiere nicht stattfinden kann. Der §.42 des Reichsgesetzes vom 23,Juni 1880 ist auch für die Lungenseuche in Geltung zu bringen. Die Tödtung ist insbesondere vorzunehmen, wenn der vierte Theil eines Stallbestandes als seucheverdächtig erklärt wird. In Konsequenz der bereits gesetzlich stattfindenden Entschädigung für auf polizeiliche Anordnung getödtete Thiere ist auch jedenfalls der durch die Kennzeichnung veranlaßte Minderwerth in Geld zu entschädigen. Ec spricht sich also für die Entschädigung aus; irgend eine Spur von Sympathie für die Kennzeichnung werden Sie in diesem Beschlusse nicht finden. Ich lese zwischen den Zeilen: man möge es statt der Kennzeichnung lieber beim Alten lassen und nur mehr von der im Gesetz vorgesehenen Befugniß zum Tödten Gebrauch machen. ...

140 /648
... Wie bereits hervorgehoben, entspricht es der Terminologie des Seuchengesetzes von 1880, zu sprechen von „der Seuche verdächtigen Thieren und von „der Ansteckung verdächtigen Thieren. Diese Bezeichnungen haben sich in der Ausübung des Gesetzes, in der Handhabung seitens der Veterinärpolizei vollständig eingebürgert, und ich würde deshalb glauben es als zweckmäßiger bezeichnen zu müssen, nicht solche Umschreibungen zu machen, sondern dieselbe Terminologie zu wählen, wie das Gesetz von 1880. Dann würde ich anheimgeben, das dritte Alinea vielleicht als letztes Alinea zu inseriren und hier auch wiederum die Terminologie zu wählen, wie sie dem Gesetze von 1880 entspricht. Materielle Bedenken würde ich haben gegen den zweiten Satz des dritten Alinea, welcher dahin lautet: Widerspricht ein Viehbesitzer dem Kennzeichnen, so ist nach Maßgabe der Bestimmungen im Absatz 2 zu verfahren. Meine Herren, ich möchte doch ein Widerspruchsrecht dem Besitzer nicht einräumen. Wer das Unglück hat, eine Verseuchung in seinem Viehbestände zu bekommen, muß das Unglück auch bis zu einem gewissen Grade tragen und als solches empfinden. Ich glaube, es ist zu weit gegangen, wenn man in seinen Entschädigungsneigungen gewissermaßen jedes Unglück noch durch Zahlung einer hohen Entschädigung fast zu einem Glücksfall machen will; ich glaube, es ist nützlich, daß derjenige es als ein Unglück empfindet, daß er eine Verseuchung seines Viehbestandes erfahren hat; es wird ihn wach erhalten, sich bei seinen künftigen Handelsgeschäften genauer die Lieferanten anzusehen und sich vor Einschleppung verdächtigen Viehes zu schützen. Ich würde deshalb glauben, daß es zweckmäßig ist, ein solches ...


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