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Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1891
Bd.: 124. 1890/92
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-124

ID: 00018674
121 /782
... Man findet es billig, Schutzgesetze gegen exotische Plagen wie Cholera, Pest, gelbes Fieber u. s. w. aufzustellen, die uns nur selten aufsuchen, und diese Maßregeln haben die allgemeine Zustimmung gefunden; warum dieser Wunsch des Gehenlassens, wenn es sich um Pockenkrankheit handelt, eine nicht weniger gefährliche und fast permanente Plage, die jährlich Tausende von Opfern erheischt? Man bemeffe nur den Verlust, der aus den Krankheitstagen, aus den daraus folgenden Gebrechen, aus den Todesfällen u. s. w. entsteht, und man wird nicht leugnen können, daß es sich hier um eine soziale Frage erster Ordnung handelt. Ein französischer Hygieniker, Plochard, schätzt auf 9—10 Mill. den Verlust, den Frankreich noch jährlich durch die Pocken erleidet. Man müsse bedenken, daß das Impfen keinen absoluten, sondern nur einen relativen, freilich sehr erheblichen Schutz gewähre, daß deshalb in einer nicht geimpften, also der Gefahr der Erkrankung an den Pocken leicht ausgesetzten Umgebung, auch das einzelne geimpfte Individuum mehr gefährdet sei, als in einer durch Impfung geschützten Umgebung, daß dagegen durch das Geimpftsein der Umgebung der Schutz, welchen der Einzelne durch die Impfung sich erworben hat, erhöht wird. Ein Gesetz, das den Zwang vorschreibt, kann allein und nur zu einem Theile der Unwissenheit, der Nachlässigkeit, dem schlechten Willen, all den Sophismen, die erdacht worden sind und die noch erdacht werden, um die Ansichten derer zu bekämpfen, die gesehen, beobachtet und ihre Augen der Gewißheit nicht erschlossen haben, entgegenarbeiten. Hoffen, daß ohne Zwang dasselbe Ziel erreicht wird, hieße sich mit Chimären schmeicheln. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1892
Bd.: 118. 1890/92
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-118

ID: 00018668
122 /782
... Man vergegenwärtige sich nur Zustände und Folgen, die dann eintreten würden, wo Kurpfuschern es überlasten wird, gemeingefährliche ansteckende Krankheiten wie Cholera, Pocken, Typhus oder Syphilis zu behandeln! Sollte da wirklich ein Bedenken nicht entgegenstehen — wie das Königlich sächsische Ministerium sich ausdrückt —, wenn ein Cholera-, Typhus-, Pockenkranker unter die Hände eines Kurpfuschers geräth, der die Natur der Krankheit zu erkennen außer Stande ist, Jsolirung, Desinfizirung und behördliche Anzeige demgemäß unterläßt und wenn hierdurch zur epidemischen Weiterverbreitung dieser Krankheit nicht allein über Familie und Haus, sondern unter Umständen über ganze Gemeinden und Bevölkerungen Veranlassung gegeben, und aus kleinen vermeidbaren Ursachen heraus unverantwortliches Elend heraufbeschworen wird? Meine Herren, es steht fest, daß weder die Reichsregierung noch die Reichstagskommisston noch der Reichstag selbst unter der als Theil der zu gewährenden Unterstützung zu leistenden ärztlichen Pflege je etwas anderes hat verstanden wissen wollen, als die Behandlung durch einen Arzt. Dieselbe Auslegung haben auch dem Gesetz gegeben die Königlich bayerische Regierung, die Großherzoglich badische, die Großherzoglich hessische Regierung, Bremen, Reuß und selbst das Königlich sächsische Ministerium, letzteres jedoch mit der Modifikation, daß, wenn der Kastenvorstand es zuläßt, und das Kastenmitglied es wünscht, auch andere Personen als approbirte Aerzte zur Kur zugezogen werden können. Dieser Austastung glauben wir mit aller Erergie entgegentreten zu müssen, da sie unserer Ansicht nach mit Zweck und Absicht des Krankenversicherungsgesetzes nicht in Einklang zu bringen ist, dieselbe vielmehr zu beeinträchtigen geeignet ist. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1892
Bd.: 119. 1890/92
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-119

ID: 00018669
123 /782
... Wenn man auch sagen kann, die Epidemien, (v) welche der Krieg selbst mit sich bringt, — 1866 die Cholera oder 1870/71 Typhus, Ruhr und Pocken, — so wird man da schon eine gewisse Verhältnißzahl herausfinden können, und es ist leichter für das Militärsanitätswesen des deutschen Heeres die Fürsorge zu treffen. Anders ist es aber mit der Zahl der Verwundeten. Die Zahl der Verwundeten wird jetzt nicht in demselben proportionalen Verhältniß zur vermehrten Masse des Heeres steigen; sie wird eine ganz enorme werden, eine so enorme, daß wir jetzt noch gar keinen Begriff haben, welche Verluste unsere verbesserten Handfeuerwaffen, unsere verbesserte Artillerie und die des Gegners unter den Streitern anrichten werden. Nicht am wenigsten wird dazu die Benutzung des rauchlosen Pulvers beitragen. Der Billrothsche Vortrag, welcher Ihnen allen ja wohl bekannt ist, „die Schrecken des nächsten Krieges und das Militärsanitätswesen, ist von einem tiefen Wißen durchdrungen; er wurde am 2. Dezember, wie ich schon vorhin erwähnt habe, in der österreichischen Delegation gehalten, und es ist von größtem Interesse für uns, das Volk in Waffen, über diese, möchte ich sagen, ganz speziellen Verhältniße, die aber doch von der größten Wichtigkeit sind, ganz instrukt zu sein. Billroth berechnet, daß 80 Prozent der Verwundungen durch das Kleingewehrfeuer herbeigeführt werden, 15 Prozent durch die Geschoße der Artillerie, und nur 5 Prozent sind Hiebund Stichwunden. Auch bei den Gefallenen, behauptet Billroth, habe nach den Erfahrungen aus dem Jahre 1870/71 dasselbe Verhältniß bei der Untersuchung der Todten stattgefunden. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1893
Bd.: 127. 1892/93
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-127

ID: 00018680
124 /782
... Es wird die Mehrausgabe für die preußische Militärverwaltung veranschlagt bei den Titeln für Brot- und Fourage-, sowie Viktualienverpflegung auf rund 8 Millionen, für Kafernenwirthschaft auf 277 000 Mark, für die Lazarethwirthschaft und Krankenpflegekosten — hier spielen ja auch die Mehrkosten in Folge der Vorkehrungen gegen die Cholera eine gewisse Rolle — auf etwas über 1 Million, und für die Wirthschaftskosten der Remontedepots auf etwa ^4 Million. Dies zusammen mit kleineren Mehrbedürfniffen des gewöhnlichen Haushalts giebt bereits gegen 10 Millionen. Es kommt hinzu eine zu erwartende Steigerung bei dem Titel für Artillerie und Waffenwesen von rund 1 Million, bei dem Titel für Reisekosten und Eisenbahntransporte von rund 1 Million, und bei verschiedenen anderen Titeln einschließlich der Steigerung der bayerischen Quote von etwa 3/,2 Millionen. Von diesen anderen Titeln hebe ich nur hervor eine zu erwartende Mehrausgabe, welche auf 800 000 Mark geschätzt ist, beim Kap. 24 infolge der Unzulänglichkeit der Mittel für Unteroffiziersdienstprämien, die natürlich in dem ersten Jahre stärker in Anspruch genommen sind, als es im Durchschnitt der Jahre der Fall sein wird, sowie für Uebungs- und Einkleidungsgelder für Offiziere des Beurlaubtenstandes u. s. w. Ich hebe weiter hervor eine Mehrausgabe von etwa 800 000 Mark beim Remontekauf, weil der Durchschnittspreis der angekauften Remonten sich höher gestellt hat, als bei Aufstellung des Etats angenommen wurde. Mit der bayerischen ...

125 /782
... Meine Herren, wie widerspricht ein solches Bild den thatsächlichen Verhältnissen, ja, wie widerspricht es selbst der preußischen Thronrede, der preußischen Thronrede, wo es heißt, eine Wendung zum besseren sei nicht zu erwarten, die wirthschaftlichen Verhältnisse seien durch die Cholera noch verschärft worden. Das ist auch eine Folge der Halbirung, daß im Namen desselben Monarchen zwei Thronreden verlesen werden, die so ganz verschieden die wirthschaftliche Lage beurtheilen. (Sehr richtig! links.) Wo bleibt da die Autorität im Lande?! Daß trotz der guten Ernte, die wir ja gar nicht leugnen, eine Wendung zum bestem noch nicht wahrnehmbar ist, zeigen uns die Oktoberergebnisse; man hätte erwarten können, daß nach der großen 11* ...

126 /782
... M Verkehrsstörung durch die Cholera im September der Oktober das nachholen würde, was in Verkehrsbeziehungen unterbrochen ist. Gleichwohl ist die Oktobereinnahme der preußischen Staatseisenbahnen niedriger gewesen als die Oktobereinnahme des vorigen Jahres, und wir sehen es gerade so an den Ergebnissen unserer Stempelsteuer. Der Emissionsstempel auf die Ausgabe neuer Papiere ist im Oktober wieder zurückgegangen hinter die Oktobereinnahme vorigen Jahres, und ebenso die Stempeleinnahme auf Kaufs- und Vertragsgeschäfte. Nur eins blüht in diesem neuen Reiche, — das ist das Lotteriespiel und die Stempeleinnahme aus den Lotterieloosen. (Sehr richtig! links.) Gestern noch hat der Herr preußische Finanzminister in der Steuerkommisston des Landtages gesagt, er mache eher Wahrnehmungen von weiteren Verschlechterungen als Verbesserungen der wirthschaftlichen Lage, setzt sei die Situation derartig, daß die Ausgaben sich immer höher herausstellen, als man angenommen habe, während die Einnahmen zurückblieben hinter den Erträgen, die man voraussah. Ich bin nicht der Meinung, daß diese Situation derart blos vorübergehend ist, wie es manche annehmen zu können glauben. Ich bin von solcher Meinung immer mehr zurückgekommen, wir haben eine nachhaltige Depression seit Anfang 1890. Eine amtliche Konkursstatistik giebt einen Gradmesser dafür, welche Rückgänge hervortraten. In diesem ersten Halbjahr 1892 ist die Zahl der Konkurse um 1500 größer gewesen als im Durchschnitt der ersten Halbjahre der Jahre 1880 bis 1889, das heißt, die Zahl der Konkurse ist seit 1890 fortgesetzt gestiegen und ist jetzt 60 Prozent höher als die Zahl der Konkurse im Durchschnitt der Jahre 1880 bis 1889. ...

127 /782
... Man könnte ebenso gut eine Konferenz berufen, um zn erklären, daß es sehr wünschenswerth wäre, daß wir nächstens wieder einen guten Sommer bekämen (Heiterkeit), oder daß es sehr wünschenswerth wäre, daß die Cholera nicht wiederkäme. Das alles steht auf derselben Höhe der Leistungsfähigkeit wie diese Erklärung. Und was ist gegenüber dieser — „platonisch wäre viel zu schwach gesägt — nichtssagenden Bestätigung gegenüber geschehen? Die Konferenz hat sie nicht einmal angenommen. (Heiterkeit.) Wenn Sie Hier die Liste der Delegirten vortragen hören, die sich dazu ausgesprochen haben, — es haben die meisten gesagt, das wäre so nichtssagend, daß sie sich enthielten, dem zuzustimmen. Die meisten von den Gesandten, — ich will hier nur erwähnen England, Frankreich, Spanien, Schweden, die Schweiz, Rußland, Italien, Rumänien, Portugal, Belgien, die Türkei, — sie alle haben erklärt: das bedeutet nichts ; wir haben solche Reserven zu machen, uns in irgend einer Weise zu binden, daß wir in dieser Richtung nicht mitgehen wollen. Der Ausgang der Sitzung war der, daß nicht in diesem Sinne beschlossen wurde. Ein Abgeordneter allerdings hat ...

128 /782
... In den wichtigsten Jndustrieartikeln Deutschlands ist in unserem Export — die Nachweisungen liegen mir allerdings noch nicht vollständig für das ganze Jahr vor, aber bis zum Schluffe des November —, eine recht beträchtliche Steigerung eingetreten, und wir können mit unserer Beschäftigung im vergangenen Jahre — das ja allerdings in einzelnen Theilen des Vaterlandes unter einer großen Kalamität zu leiden gehabt hat, unter der Cholera — im allgemeinen zufrieden sein. Der Herr Vorredner hat als Beweis seiner Behauptung daß der Nothstand ein sehr intensiver und akuter sei, die Ergebnisse der Sparkassen angezogen. Er hat dabei wahrscheinlich an die Nachweisungen gedacht, die über den Geschäftsbetrieb der Sparkaffen in Preußen neuerdings veröffentlicht sind, und von denen ich zugebe, daß sie insofern ein günstiges Resultat nicht liefern, als der Ueberschuß der Einnahmen über die Auszahlungen nicht in demselben Maße gestiegen ist, wie das in früheren Jahren der Fall war. Allein diese Erscheinung ist keineswegs eine allgemeine in Deutschland. Mir liegt z. B. hier eine Nachweisung vor über die Sparkaffenverwaltung des Königreichs Sachsen, welche ein wesentlich besseres — und sogar ein besseres Resultat, als es die früheren Jahre geliefert haben — für das vergangene Jahr ersehen läßt. Man kann auch nicht die Ergebnisse einer Statistik- lediglich ansehen nach ihren Zahlen, sondern man muß sich bemühen, auf den Grund zu gehen und die Zahlen zu lesen und zu verstehen. ...

129 /782
... Daran anschließend, hat der Herr Minister von Boetticher als Beweis für diese seine auch von der Regierung getheilte Auffassung darauf hingewiesen, daß die Uebersicht über die Entwicklung unserer Industrie im verflossenen Jahre kein ungünstiges Bild ergebe, daß die wichtigsten Industrien Deutschlands, besonders soweit der Export in Betracht komme, eine recht beträchtliche Steigerung erfahren haben, und daß wir im allgemeinen, abgesehen von den Theilen des Vaterlandes, welche von der Cholera heimgesucht wurden, und wodurch die Geschäfte dort gelitten haben, recht zufrieden sein können. Ich muß gestehen, daß diese Ausführungen auf unserer Seite — und ich glaube nicht, daß wir in dieser Beziehung allein geblieben sind — sehr überraschend gewirkt haben. Soweit wir unterrichtet sind über die allgemeinen Verhältnisse — und ich werde mir erlauben, dafür ein paar Beispiele beizubringen —, existirt der von Seiten der Regierung geleugnete Nothstand allerdings. Freilich kommt es darauf an, was man unter Nothstand versteht. Aus unseren Reihen heraus ist der Versuch gemacht worden, sogenannte Arbeitslosenstatistiken aufzustellen, und von den Arbeitslosenversammlungen, welche ebenfalls den Zweck haben, ein Bild der vorhandenen Arbeitslosigkeit zu geben, ist ja seitens meines Parteigenossen Liebknecht schon gesprochen worden. Der Herr Staatsminister hat sich darüber freilich in sehr abfälliger Weise geäußert. Wenn wir aber auch von Hause aus überzeugt waren — und es deshalb ablehnten, die Arbeitslosenstatistik zur Parteisache zu machen —, daß diese Aufnahmen ein vollständiges, die Sache erschöpfendes Bild nicht haben können, so zeigen doch die Versuche, die nach dieser Richtung ...

130 /782
... Nun hat zwar der Herr Vorredner, indem er selber gefühlt hat, daß er mit dem Hinweis auf diese amtlichen Schriftstücke allein nicht fertig werden könne, gesagt: meine Anführungen beziehen sich zwar auf das Jahr 1891, aber Veränderungen werden nicht vermuthet (lebhafte Zurufe links), und da wir außerdem noch im vergangenen Jahre die Cholera gehabt haben, (Andauernde Zurufe links.) Präsident: Herr Abgeordneter Singer, ich bitte zu schweigen so lange, bis ich Ihnen das Wort ertheile. Bevollmächtigter zum Bundesrath, Vizepräsident des Königlich preußischen Staatsministeriums, Staatssekretär des Innern Dr. von Boetticher: Ich werde Ihnen gleich die Verschlimmerungen mittheilen. Also, er hat selbst das Gefühl gehabt, daß seine Erfahrungen für 1891 allein nichts beweisen, und wenn ich eben gesagt habe, er habe nach dem Satz: Veränderungen werden nicht vermuthet — seine Beweisführung darauf zugespitzt, im Jahre 1892 müsse es ebenso gewesen sein wie 1891, so habe ich damit nur an einen bekannten Rechtssatz erinnern, nicht aber eine wirthschaftspolitische Be- (v) merkung machen wollen. Also der Herr Vorredner hat die Schwäche seines Beweises selbst gefühlt. (Widerspruch links.) — Dann sind Sie dieses Gefühls baar! Präsident: Die Herren von jener Seite (zu den Sozialdemokraten) verstoßen beständig gegen die Gesetze unseres Hauses, die ihnen sehr wohl bekannt sind, und die sie achten sollten. Bevollmächtigter zum Bundesrath, Vizepräsident des Königlich preußischen Staatsministeriums, Staatssekretär des Innern Dr. ...

131 /782
... Da liegt ja allerdings der Handel in Folge der Cholera sehr darnieder; das ist unzweifelhaft. Inzwischen hat sich dort Arbeitsgelegenheit. genug gefunden. Wenn der Herr Vorredner aus der Statistik, die dort das sogenannte Gewerkschaftskartell hat aufnehmen lassen, uns eine Ziffer genannt hat, wonach eine Zahl Arbeitsloser ermittelt sei von über 4000, so mag das vielleicht in dem Zeitpunkt der Aufnahme richtig gewesen sein — das kann ich ja nicht bestreiten —; allein ich glaube, meine Herren, mit dieser Statistik dürfen Sie nicht zu großen Staat machen. Es sind nämlich in Hamburg Fragebogen ausgegeben mit verschiedenen Rubriken, aus denen festgestellt werden sollte, welches der Umfang der Arbeitslosigkeit und wie die Lohnverhältnisse gewesen sind. Von diesen Fragebogen sind 172 000 ausgegeben, aber nur 7000 zurückgekommen, sodaß ich nicht annehme, daß diese Statistik eine sehr vollständige ist. (Sehr gut!) Auch die sozialdemokratischen Blätter haben bereitwillig zugegeben, daß dieser Versuch eigentlich als ein mißglückter angesehen werden muß. Nun, meine Herren, bin ich vorher durch einen Zwischenruf darauf aufmerksam gemacht worden, daß innerhalb der sozialdemokratischen Partei der Glaube besteht, die Löhne seien d) nicht gestiegen. Dieser Glaube ist falsch. Wir haben ja allerdings keine Lohnstatistik, ich kann also nicht für jeden einzelnen Thätigkeitszweig im Deutschen Reich bestimmte Zahlen angeben, aus denen sich der Schluß ziehen ließe, daß wirklich die Löhne gestiegen sind. Aber ich habe einen ganz guten Anhalt und eine gute Berechnung aus einem Anlasse, den ich aus dem Unfallversicherungsgesetz entnommen habe. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1893
Bd.: 128. 1892/93
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-128

ID: 00018681
132 /782
... Da wird bemerkt: Als im Beginne des Sommers sich in Rußland die Cholera zeigte, richtete in Hamburg die Amerikanische Packetfahrt - Aktien - Gesellschaft an den Senat das Gesuch, ihr die Errichtung einer großen Baracke am Amerikaguai zu gestatten, um dort die meist jüdischen Auswanderer aus Rußland unterzubringen, da deren freier Verkehr mit der Stadt gefahrbringend werden könnte. Nach erfolgter Genehmigung dieses Gesuchs wurde der Bau sofort in Angriff genommen und derart gefördert, daß die Baracke bereits am 20. Juli in Benutzung genommen werden konnte. Meine Herren, seitdem sind nun auch anderwärts — ich darf wohl sagen, im ganzen Deutschen Reich — in den einzelnen Städten aus Vorsicht Barackenbauten errichtet worden. Deshalb scheint es praktisch und nützlich, Auskunft zu begehren, wie denn die Einrichtung in Hamburg sich wohl bewährt habe. Erste Frage: sind in dieser Baracke Cholerafälle vorgekommen? Zweitens: sind von dort aus durch den Verkehr nach der Stadt nach den gemachten Wahrnehmungen keine Uebertragungen der- Krankheit erfolgt? Es werden die Herren vom Reichsgesundheitsamt und wohl Sie alle, meine Herren, eine Broschüre erhalten haben von einem Herrn Dr. Jäger, der sich auf das entschiedenste gegen diese Ein-(L) Achtung ausspricht, die als abwehrend gegen die Krankheit überall * gelten solle. Solcher Annahme gegenüber vertritt eine große Autorität in München, der bekannte und berühmte Professor von Pettenkofer, eine ganz andere Auffassung. Meine Frage ist also die: sind und wie viele Fälle vorgekommen in der Hamburger Barackenanlage seitens der jüdischen Auswanderer? ...
... Woher die Cholera im vergangenen Jahr eingeschleppt worden ist, das wissen wir mit voller Sicherheit nicht; wir nehmen aber an, daß wir sie aus dem Osten bekommen haben, und es lag, da der Strom der Auswanderer, der über Hamburg geht, auch vorwiegend aus dem Osten kommt, die Befürchtung nahe, daß unter diesen Auswanderern cholerainfizirte Personen sich befinden könnten. Deshalb ist es eine von der Hamburger Behörde getroffene sehr weise Maßregel, daß sie diese Auswanderer zunächst isolirte, einmal zum Schutz gegen die Verbreitung des Cholerakeims innerhalb Deutschlands, sodann auch, um denjenigen Ländern, in welche die Auswanderer auswandern wollten, die Beruhigung zu verschaffen, daß durch die in ihr Territorium geleitete Auswanderung die Gefahr der Uebertragung einer Choleraepidemie für sie nicht entstehen werde. Die Erfahrungen, die mit der Einrichtung (p) und Benutzung der Baracken gemacht worden sind, sind durchaus günstige; und wenn ich auch glaube, daß durch die Absperrung von dem sonstigen Verkehr der eine oder andere Auswanderer sich unangenehm berührt gefühlt haben mag, so meine ich doch, daß die ihm auferlegte Beschränkung zum Nutzen des Gemeinwohls hat eintreten müssen. Präsident:1 Das Wort hat der Herr Abgeordnete Di-. Hammacher. Abgeordneter Dr. Hammacher: Meine Herren, um die Geschäfte des Hauses zu fördern, versage ich es mir, auf den Inhalt der uns gestern zugegangenen Denkschrift über die Thätigkeit des Auswanderungskommissars einzugehen, überhaupt hier die Frage unserer Auswanderung zu erörtern, sie überhaupt zu berühren. ...

133 /782
... Ich kann ihm sagen, daß, was die Cholera anlangt, in Hamburg eingehende Versuche darüber angestellt worden sind, wie lange sich der Cholerabazillus, der vermöge der Leichen, die den Kirchhöfen übergeben worden sind, in die Erde gelangt ist, dort hält. Diese Versuche sind allerdings noch nicht zum Abschluß gekommen, indeß steht schon jetzt nahezu mit Sicherheit fest, daß der Bazillus sich in der Erde nicht lange hält. Es ist bei den bisherigen Forschungen kein lebender Bazillus aufgefunden worden, und man hat auch anderweitig bei den Versuchen, die hier im Gesundheitsamt angestellt sind, die Wahrnehmung gemacht, daß der Bazillus in der Erde bald abstirbt.1 (Sehr gut! rechts.) Dieses Absterben hängt wohl auch damit zusammen, daß die Erde selbst als ein Filter auf den Bazillus, resp. auf das Grundwasser, in welches der Bazillus etwa übergehen könnte, wirkt. Ueber die Fragen, die bei der Untersuchung der Kirchhöfe auf ihre Gesundheitsschädlichkeit aufgetaucht sind, sollen nach der Absicht des Gesundheitsamts und der Königlich preußischen Regierung mit Thierkadavern umfassende Versuche angestellt werden, die schon für den vergangenen Herbst in Aussicht genommen waren, damals aber wegen der Cholerepidemie nicht zur Durchführung gelangten und nun in diesem Frühjahr vorgenommen werden sollen. Was nun weiter das Thierseuchengift anlangt, namentlich den Milzbrand, so ist allerdings festgestellt worden, daß das (L) Milzbrandgift sich längere Zeit im Boden wirksam erhält. In dieser Beziehung sind aber zur Verhütung von Ansteckungen schon wichtige Bestimmungen des Bundesraths über die Beerdigung von Thieren, welche am Milzbrand verendet sind, erlassen worden. ...

134 /782
... Ebenso hat vor noch nicht langer Zeit der bekannte englische Arzt Sir Spencer Wells an die „Times folgendes geschrieben: Ich lese in Ihrem Blatt, daß die deutschen medizinischen Zeitschriften energisch für die zwangsweise (D) Leichenverbrennung in Fällen, wo die Cholera Todesursache war, eintreten. Die Bakteriologen Haben schon seit langem die Vernichtung der in den Leichen der Cholerakranken befindlichen Bazillen als Nothwendiges betrachtet, um der Verbreitung der Cholera zu steuern. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß das Feuer das schnellste und wirksamste Mittel zur Vernichtung der Bazillen ist. Werden sie in der Erde begraben, so ist ihre Vermehrung fast sicher. Früher oder später werden sie die Erde, das Wasser und die Luft verpesten und so Verbreiter der Krankheit werden, welche ausgerottet werden soll. Das sind Aeußerungen hervorragender Männer der medizinischen Wissenschaft; es könnte noch eine ganze Reihe angeführt werden. Man sollte sich also wohl hüten, diese sowohl in hygienischer wie ästhetischer und wirthschaftlicher Beziehung bedeutsame Frage in der Weife abzuthun, wie es dem Herrn Abgeordneten Dr. Lingens unter spezieller Berufung auf die Religion beliebt. Es unterliegt gar keinem Zweifel, daß die Feuerbestattung das wirksamste Mittel ist, allen der Verwesung von Leichen entspringenden Nachtheilen vorzubeugen, besonders in Zeiten großer Sterblichkeit, bei Seuchen und Kriegen. Wenn der Herr Abgeordnete Lingens einmal Gelegenheit gehabt hätte, das unerhört Schreckliche zu beobachten, welches ein Massenbegräbniß von an der Cholera oder an sonstigen Seuchen Erlegenen bietet, dann würde er vielleicht aus Grund dieses Anschauungsunterrichts zu einer anderen Ansicht gekommen sein. ...

135 /782
... Meine Herren, es kann noch viel schlimmer kommen: die Bedingnisse sind überall im reichsten Maße vorhanden, und selbst die amtliche Denkschrift über die Cholera, welche wir vor einiger Zeit erhalten haben, giebt ja dieser Befürchtung in nicht mißzuverstehenden Worten Ausdruck. Es wird da in dem Kapitel, welches von den Aussichten in diese Zukunft handelt, bemerkt: Wenn nach den vorstehenden Ausführungen anzunehmen ist, daß die Cholera in Deutschland einstweilen beseitigt ist und voraussichtlich auch während des kommenden Winters durch die getroffenen Maßregeln unseren Grenzen fern bleiben wird, so darf doch die Seuchengefahr für das Jahr 1893 nicht unterschätzt werden. Nein, wahrhaftig, es wäre ein Verbrechen, sie unterschätzen zu wollen. Wir sind sie, streng genommen, den ganzen Winter über in Hamburg und Altona — (Zuruf) — das ist ein Fall für sich, der beweist, wie wenig Recht man hat, nach einzelnen verseuchten Zentren zu suchen — die Seuche nicht los geworden, und ich muß Ihnen offen gestehen, daß man dort mit einigem Bangen in die Zukunft blickt. Gerade die trüben Aussichten, die sich uns in dieser Hinsicht eröffnen, legen die Frage nahe, auf die ich jetzt eingehen möchte: was hat denn nun das zur Pflege der öffentlichen Hygiene berufene Reichsgesundheitsamt gegen die Seuchengefahr bereits gethan, oder, richtiger gesagt, nach Maßgabe seiner Organisation und seiner Kompetenzen thun können? Außer einigen Erlassen, Anweisungen, Veranstaltungen bakteriologischer Untersuchungen rc. ...

136 /782
... Sie werden die Cholera nicht los werden und auch die andern Seuchen nicht, solange Sie das Elend aufrechterhalten. Besiegen Sie das Elend, helfen Sie uns in der Besiegung desselben, und Sie werden darin die sicherste Gewähr gegen die Seuchengefahr haben. (Bravo! bei den Sozialdemokraten.) Präsident: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Endemann. Abgeordneter vr. Endemann: Meine Herren, in vielen ^ ^ Dingen muß ich dem Herrn Vorredner Recht geben. Es ist ja wahr: die Seuchengefahr, die uns in diesem Jahre droht, ist keine geringe. Auch darin hat er wohl Recht, daß, je ungesunder und je überfüllter die Wohnungen sind, dies bei eintretender Seuche Herde giebt, die natürlich von der größten Gefahr für die Bewohner selbst und für die Umgebung sind. Allein er bringt wieder alles zusammen. Er ist wissenschaftlicher als wir, er weiß ganz genau, wie die Sache zu behandeln ist. Ich gestehe ganz offen: so weit habe ich es noch nicht gebracht. (Zwischenruf bei den Sozialdemokraten.) —. Ja wohl, meine Schuld! Wenn ich aber daran denke, daß der Kommabazillus auch mit den schönsten Wohnungen einstweilen nicht aus der Welt geschafft wird, so sind das Sachen, die nur auf Redensarten beruhen. Es wundert mich, daß der Herr Vorredner bei seinen großen wissenschaftlichen Deduktionen nicht auf die Wasserfrage in Hamburg gekommen ist; das scheint er ganz vergessen zu haben. Er ist natürlich auf Professor Koch und von Pettenkofex zu sprechen gekommen. Ich folge ihm auf dieses Kapitel nicht. ...

137 /782
... Ueberlegen Sie sich aber einmal, welch ein Schaden entsteht, wenn Krematorien nicht bald gebaut werden und der Fall eintritt, daß wir die Cholera wieder bekommen! Wenn dann die Leichen da liegen, ist es zu spät, Krematorien zu bauen. Es wundert mich, wie der Herr Abgeordnete Lingens sich durch die Antwort des Herrn Staatsministers von Boetticher befriedigt erklären kann. Der Herr Minister von Boetticher hat gesagt, daß man ungefähr im Stande wäre, die schädlichen Einwirkungen der Leichen zu verhindern durch Desinfektion u.s.w. Ja, meine Herren, vergessen Sie denn dabei ganz und gar, daß, wenn eine Epidemie auftritt und so sehr viel Leichen auf einmal vorhanden sind, dann deren schleunige Bestattung. absolut nicht erzwungen werden kann? Wir in Berlin muffen unsere Leichen eine Meile weit vor die Thore transportiren, wenn wir sie beerdigen wollen. Wie ist deren Beerdigung dann möglich, wenn während der Seuche zehnmal mehr sterben als zu gewöhnlichen Zeiten? In diesem Falle würde die Wohlthat der Krematorien sehr deutlich hervortreten. Ich meine also, Sie sollten sich das doch zehnmal überlegen, ob Sie nicht.diese Einrichtung mit etwas günstigeren Augen ansehen können. Bedenken Sie doch. meine Herren, daß es vorläufig nicht obligatorisch eingeführt werden soll, sondern daß es fakultativ eingeführt werden soll! Und dann muß Herr Dr. Lingens so gut sein und muß jedem von uns und unserem christlichen Bewußtsein überlaffen, wie wir mit unserem Christenthum fertig werden. (Sehr richtig! links.) ...

138 /782
... Meine Herren, vom ersten Moment ab, wo die Choleraepidemie in Deutschland auftrat, und schon lange vorher, von dem Moment ab, in welchem die Besorgniß entstand, daß wir die Cholera unter Umständen aus dem Osten importirt erhalten könnten, hat das Gesundheitsamt und alle seine Glieder mit einer seltenen Pflichttreue, mit einem Eifer, der den vollen Dank der Nation verdient, sich den ihm obliegenden Aufgaben unterzogen; und ich finde es nicht billig, daß man in diese Thätigkeit des Reichsgesundheitsamts auch nur den leisesten Zweifel setzt. Meine Herren, die Choleraepidemie des verflossenen Jahres ist uns in der Weise, wie sie gekommen ist, überraschend gekommen; es ist aber der vereinten Thätigkeit aller (6) berufenen Organe gelungen, ihrer Ausbreitung möglichst enge Grenzen zu ziehen. Ich glaube, wir können uns und dem ganzen Reiche dazu gratuliren, daß die Thätigkeit der berufenen Beamten und Organe uns vor einer weiteren Allsbreitung der Epidemie geschützt hat. (Bravo!) Präsident: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Metzger (Hamburg). Abgeordneter Metzger (Hamburg): Meine Herren, es ist von dem Herrn Abgeordneten Endemann die Frage aufgeworfen worden, weshalb mein Kollege Frohme nicht auch die Hamburger Wasserverhältnisse in Betracht gezogen habe. Daraus gedenke ich hier des näheren einzugehen. Nachdem mein Kollege Frohme darauf hingewiesen hat, daß es wohl richtig wäre, in ein Seuchen- oder ein ähnliches Gesetz auch Bestimmungen über das Wohnungswesen unter Berücksichtigung der richtigen hygienischen Grundsätze aufzunehmen, so müßten meiner Ansicht nach Bestimmungen in Bezug auf die Trinkwasser- überhaupt Wasserversorgung namentlich für große Städte ebenfalls in ein Seuchengesetz aufgenommen werden. ...
... Es ist bei Ausbruch der Cholera vom Senat dem damaligen Medizinalinspektor Krauß der Vorwurf gemacht worden, den Ausbruch der Cholera verheimlicht oder nicht früh genug entdeckt zu haben, und ist er gewissermaßen als Prügeljunge benutzt und als derjenige bezeichnet worden, der die größte Schuld habe, daß die Seuche solchen Umfang annehmen konnte. Jedoch von diesem Medizinalinspektor Krauß, der derartig beschuldigt worden ist, ist bereits 1872 dem Senat von Hamburg eine Denkschrift überreicht worden, in welcher sich Herr Dr. Krauß über die Gesährlichseit des Trinkwassers in umfangreicher Weise ausgesprochen hat. Hinterher ist von dem Oberingenieur Meyer, wie dieser selbst behauptete, wiederholt auf diese Denkschrift des Medizinalinspektors Krauß hingewiesen und eine bessere Wasserversorgung befürwortet worden. Es hat das alles, nichts genutzt; die Trinkwasserverhältnisse sind in Hamburg alle diese Jahre hindurch dieselben geblieben, und es lag auf der Hand, daß, sobald die Elbe vom Kommabazillus oder einem anderen infizirt war, die Seuche einen gewaltigen Umfang annehmen mußte, wie es denn auch nunmehr der Fall gewesen ist.1 (O) Als ich zuerst die Mittheilung erhielt, daß in Hamburg die Cholera ausgebrochen sei, war mein erster Gedanke, dafür Sorge zu tragen, daß kein Tropfen ungekochten Wassers mehr in meinem eigenen Haushalt verbraucht würde. (Hört! hört! links.) Der gleiche Rath wurde von den Redaktionen sämmtlicher Hamburger Zeitungen, so auch unseres Blattes, des „Echo wiederholt ertheilt. Dahingegen hat der Hamburger Senat sich erst, nachdem durch den Geheimrath Dr. ...

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... Diesem ekelhaften Zustand ist von Seiten der Behörden nicht entgegengetreten worden, nachdem die Cholera bereits in ungeheuerlicher Weise gewüthet hatte. Es ist den Behörden nicht eingefallen, den Hauswirthen aufzuerlegen, die Wasierkasten reinigen zu lassen, trotzdem bereits in verschiedenen Hamburger Blättern sich Leute, denen diese Uebelstände bekannt waren, ich möchte fast sagen, die Finger krummgeschrieben haben. Erst nachdem der Geheimrath Koch zum zweiten Mal in Hamburg anwesend gewesen ist und wahrscheinlich selbst mal einen Blick in einen solchen Wasserkasten zu werfen Gelegenheit gehabt hat, erfolgte eine Bekanntmachung von Seiten der Cholerakommission, die Wasserkasten zu reinigen und zu desinfiziren und diese Reinigung und Desinfektion alle 4 Wochen zu wiederholen. Zunächst fügte sich wenigstens die Mehrzahl der Grundbesitzer dieser kategorischen Bestimmung. Beider zweiten Aufforderung, die Desinfektion und Reinigung zu wiederholen, murrte man bereits, und dieses Murren der Hamburger Hauseigenthümer hat sich so sehr verdichtet, daß der Senat sich veranlaßt gesehen hat, jene Bestimmung wieder zurückzunehmen. (Glocke des Präsidenten.) Präsident: Ich muß den Herrn Abgeordneten fragen, wie er diese Mittheilungen in Verbindung bringen will mit dem vorliegenden Etat. Abgeordneter Metzger (Hamburg): Ich bin der Ansicht, daß, (6) da es sich um den Titel „Reichsgesundheitsamt handelt, derartige Sachen doch wohl in Berücksichtigung gezogen werden dürfen. Präsident: Sie haben eben gehört, daß das Reichsgesundheitsamt keine Exekutive hat, und daß auch das Reichsamt des Innern in dem vorliegenden Falle nicht direkt einwirken kann. ...
... Aber heute komme ich wirklich in eine gewisse Verlegenheit, daß ich neben den Nachtschatten der Cholera eine Weinblume einbinden soll. Sie müssen verzeihen, daß ich in dieser Weise zu der Verschiedenartigkeit des ganzen Gegenstandes noch beitrage. Ich habe seit mehreren Jahren unterlassen, über Weinfragen zu sprechen, aber ich bin jetzt dazu gezwungen. (Zwischenruf bei den Sozialdemokraten. — Glocke des Präsidenten.) Präsident: Herr Abgeordneter Frohme, Sie reden und haben nicht das Wort! Das ist gegen die Geschäftsordnung. ^ Abgeordneter Dr. Buhl: Ich darf nach der Bemerkung des Herrn Präsidenten Herrn Frohme nicht weiter antworten. Ich habe also bezüglich des Weines eine Angelegenheit zur Sprache zu bringen, die für weite Interessentenkreise von einer nicht unerheblichen Bedeutung ist. Es handelt sich nämlich darum, welche deutschen Weine zum Verschnitt mit italienischen Weinen zugelassen werden sollen. Das Schlußprotokoll zum italienischen Handelsvertrag bestimmt, daß als Verschnitt es zu achten ist, wenn der zu verschneidende „Wein, d. h., der deutsche Wein u. s. w. Es ist also hier im Schlußprotokoll zum Handelsvertrag davon die Rede, daß nur deutscher „Wein verschnitten werden soll. Seitdem das Weingesetz vom vorigen Jahre erlassen ist, haben wir wenigstens indirekt eine Definition des Begriffes „Wein bekommen. Es ist in dem neuen Gesetz ausgeführt, daß Weine, die nicht bestimmten Voraussetzungen für ihren Extrakt- und Aschengehalt entsprechen, nicht unter dem Namen „Wein verkauft werden dürfen, sondern daß sie unter einer besonderen Bezeichnung feilgehalten werden müssen. ...

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... Es wurde zunächst den Beamten nahe gelegt, die in Folge der Cholera Verluste erlitten hätten, diese Verluste nachzuweisen und den Ersatz in Form einer Unterstützung von der vorgesetzten Behörde zu reklamiren! Das heißt also: man giebt für Auslagen, die im Interesse des Dienstes gemacht worden sind, Unterstützungen! Wie es mit solchen Unterstützungen aussieht, das heißt, unter welchen Umständen die vorgesetzte Behörde Unterstützungsgesuche eventuell als begründet ansieht, das weiß man! Da nun das Generalpostamt nicht glaubte, genug Geld für jenen Zweck übrig zu haben, so ging man an die Postbeamten des ganzen Deutschen Reichs heran. Man hat eine Sammlung in Szene gesetzt, die nach Art all der „freiwilligen Sammlungen der Postbehörde 204* ...


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