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Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1893
Bd.: 130. 1892/93
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-130

ID: 00018683
201 /558
... In hervorragendem Maße ist die Civilverwaltung in ihrem Bestreben, das Land vor der Cholera zu schützen und die ausgebrochene Epidemie zu unterdrücken, von der Heeres- und Marineverwaltung unterstützt worden. An manchen Orten machte sich ein Mangel an solchen Aerzten geltend, welche die zur Feststellung der Cholera erforderlichen bakteriologischen Untersuchungen auszuführen im Stande waren; der Königlich preußische Kriegsminister ordnete deshalb an, daß auf Wunsch der Civilbehörden geeignete Sanitätsoffiziere behufs Feststellung der Krankheit zu entsenden, und bakteriologische Untersuchungen in den chemischhygienischen Laboratorien der Sanitätsämter vorzunehmen seien. Mit Rücksicht auf die wiederholt gemachte Erfahrung, daß gerade von der rechtzeitigen Feststellung des ersten Seuchenausbruchs der Erfolg der zur Unterdrückung der Krankheit angewandten Mittel wesentlich abhängt, war diese Mithülfe besonders werthvoll. Als die Besorgniß entstand, daß die Deckung des Bedarfs an Desinfektionsmitteln in Folge der großen Lieferungen nach Rußland auf Schwierigkeiten stoßen könnte, wurden durch die Königlich preußische Militärverwaltung größere Vorräthe von Karbolsäure im Voraus beschafft, und die Abgabe an amtliche Stellen zum Selbstkostenpreise je nach Bedarf ermöglicht. Dem Kaiserlichen Gesundheitsamte wurden 4 Stabsärzte überwiesen, welche hauptsächlich dazu bestimmt waren, im Bedarfsfälle nach einzelnen, von der Cholera befallenen Bezirken behufs Ausführung besonderer Aufträge entsandt zu werden. Nahezu das gesammte Personal an Aerzten und Gehülfen, welches für die Besetzung der von den Reichskommissaren in den Stromgebieten der Elbe und des Rheines errichteten Kontrolstationen erforderlich war, wurde, wie schon bemerkt, von den Verwaltungen des Heeres und der Marine zur Verfügung gestellt. ...

202 /558
... vor; dagegen ist die Epidemie in Ungarn noch nicht erloschen. In Budapest allein wurden vom 20. bis 25. November 36 Erkrankungen und 12 Todesfälle angezeigt; aus der Provinz laufen noch immer Meldungen über Cholerafälle ein. Am ernstesten bleibt die Lage in Rußland. Aus der anliegenden Zusammenstellung ergiebt sich, daß namentlich in den südlichen und südwestlichen Gebieten Rußlands bis in die letzte Zeit zahlreiche Erkrankungs- und Todesfälle an Cholera vorkamen, daß das Gouvernement Podolien in der Zeit vom 9. bis 18. November 1033 Erkrankungen und 375 Todesfälle, das Gouvernement Kiew in der Zeit vom 14. bis 20. November 608 Erkrankungen und 174 Todesfälle hatte, daß sich auch in Livland die Seuche in beachtenswertstem Umfange ausgebreitet hat, und daß die Epidemie in Polen, namentlich in den Gouvernements Radom, Siedlec und Lublin keineswegs erloschen ist, vielmehr von dort aus nach wie vor das preußische Gebiet der Weichsel und des Niemen in erheblichem Maße bedroht. Aussichten für 1898. Wenn nach den vorstehenden Ausführungen anzunehmen ist, daß die Cholera in Deutschland einstweilen beseitigt ist und voraussichtlich auch während des kommenden Winters durch die getroffenen Maßregeln unseren Grenzen fern bleiben wird, so darf doch die Seuchengefahr für das Jahr 1893 nicht unterschätzt werden. Nach den Erfahrungen früherer Epidemien hat die Cholera, wenn sie einmal in das Wolgagebiet eingedrungen war, in Rußland während der kalten Jahreszeit in der Regel wohl abgenommen, aber nicht ganz aufgehört. Es erfolgten vielmehr meist während des ganzen Winters vereinzelte Erkrankungen, welche sich bei Eintritt des Frühjahrs vermehrten und neue Epidemien erzeugten. ...
... Da amtliche Mittheilungen über das erste Auftreten von Cholerafällen in vielen Ländern erst verhältnißmäßig spät zur Veröffentlichung gelangen, so wurde namentlich den Kaiserlichen Konsularbehörden zur Pflicht gemacht, bei dem Herannahen der Epidemie dem Gesundheitszustände in ihren Amtsbezirken erhöhte Aufmerksamkeit zuzuwenden und vor der Berichterstattung nicht erst eine offizielle Bestätigung des Seucheausbruchs abzuwarten. Es wurde ihnen empfohlen, bei dem ersten Bekanntwerden von choleraverdächtigen Fällen sich auf jede geeignet scheinende und möglichst zuverlässige Weise über den Karakter der Krankheit zu vergewissern und, falls ihre Ermittelungen das Vorhandensein der asiatischen Cholera ergeben sollten, sofort telegraphisch über das Auftreten, die Entstehungsursachen und den Umfang der Epidemie zu berichten. Die weitere fortlaufende und möglichst ausführliche Berichterstattung hatte demnächst schriftlich und nur dann wieder telegraphisch zu erfolgen, wenn sich eine plötzliche und auffällige Steigerung in der Anzahl der Todesfälle bemerkbar machte. Das umfängliche Berichtsmaterial, das in Folge dieser Weisungen einging, ist, ebenso wie alle Meldungen über die im Auslande gegen die Cholera ergriffenen Schutzmaßregeln, den Regierungen der der Choleragefahr vorwiegend ausgesetzten Bundesstaaten von Seiten des Auswärtigen Amts mit jeder möglichen Beschleunigung zugängig gemacht, im Uebrigen aber auf geeignetem, möglichst direktem Wege auch zur Kenntniß der betheiligten Behörden und durch Veröffentlichungen im Reichsanzeiger auch zur Kenntniß der Bevölkerung gebracht worden. Es bildete zugleich eine wesentliche Grundlage für die in den „Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheitsamtes allwöchentlich publizirten Uebersichten über den Stand der Cholera und die Choleramaßnahmen im Auslande. ...

203 /558
... Durch die gegenwärtige Epidemie ist die von den hervorragenden deutschen Hygienikern und Epidemieologen verfochtene und auch in den maßgebenden wissenschaftlichen Kreisen Frankreichs und Englands vorherrschende Ansicht, daß allen Unterbindungen des Verkehrs in der Reihe der Cholera-Abwendnngsmittel nur eine sehr untergeordnete Rolle zuerkannt werden könne und insbesondere der Waarenverkehr als relativ ungefährlich zu gelten habe, aufs Neue und in hervorragendem Maße bestätigt worden. Um so mehr werden diejenigen Maßnahmen als überflüssig und folgeweise als schädlich bezeichnet werden müssen, welche nach allen gemachten Erfahrungen als Ausdruck einer übertriebenen Vorsicht zu gelten haben. Mag die Grenze, bis zu welcher man die geübte Vorsicht als berechtigt anzusehen hat, auch noch so weit gesteckt sein, so sind zweifellos in vielen Ländern starke Ueberschreitnngen auch dieser weit gezogenen Grenze vorgekommen. Für die Kaiserliche Regierung ergab sich hieraus im Laufe der diesjährigen Choleraepidemie die Verpflichtung, durch unablässige Vorstellungen bei den Regierungen derjenigen Länder, die in ihren Absperrungsmaßregeln das diesseits für vertretbar erachtete Maß überschritten haben, auf entsprechende Remedur hinzuwirken und somit weitere Schädigungen des deutschen Ausfuhrhandels und mittelbar der deutschen Gewerbthätigkeit thunlichst abzuwenden. ...
... Als besonders schwierig erwies es sich, die im Laufe der Epidemie seitens des Auslandes der deutschen Schifffahrt in den Weg gelegten Beschränkungen hinweg zu räumen oder wenigstens auf ein erträgliches Maß zurückzuführen. Die auf diesem Gebiet namentlich in außereuropäischen Ländern vorgekommenen Uebertreibungen kennzeichnen sich vielfach als geradezu maßlose. Sie gipfelten in der vollständigen und bedingungslosen Schließung von Häfen und ganzen Küstenstrecken gegen deutsche —1 mehrfach gegen alle europäischen — Ankünfte und legten die Erwägung nahe, inwieweit derartige Maßregeln sich noch mit anerkannten Grundsätzen des Völkerrechts rechtfertigen lassen. Besonders schwer hielt es auch, einzelnen von der Seuche ganz verschont gebliebenen oder nur vorübergehend heimgesuchten deutschen Häfen eine ihrem Gesundheitszustände entsprechende begünstigte Behandlung zu verschaffen. In der Regel wurde nach dem Ausbruch der Cholera in Hamburg seitens des Auslandes die ganze deutsche Küste für choleraverseucht erklärt und auf alle deutschen Provenienzen ein und dasselbe Quarantänemaß angewandt. Nur wo eine Jndividualisirung überhaupt stattfand, gelang es meistens, für die in Frage kommenden deutschen Häfen zunächst eine Versetzung ans der Klasse der „verseuchten in die der „verdächtigen Häfen und schließlich die „Reinerklärung zu erwirken. Es gilt dies namentlich auch von den Häfen Bremen und Kiel, bezüglich derer sofort nach der Wiedereinstellung der inländischen gesundheitspolizeilicheu Kontrole (siehe S. 324) entsprechende Milderungen der ausländischen Quarantänemaßregeln auf telegraphischem Wege beantragt und —1 zum großen Theil verhältnißmäßig schnell — auch erzielt wurden. ...

204 /558
... Es trifft dies theilweise auch auf die Regierungen solcher Länder zu, die sich gerade während der diesjährigen Epidemie noch durch zwecklos weitgehende Verkehrserschwerungen hervorgethan haben. Einzelne dieser Regierungen haben anläßlich diesseitiger Reklamationen ganz unumwunden den übertriebenen Karakter ihrer Maßnahmen zugestanden und denselben durch den Hinweis auf die ungenügenden sanitären Einrichtungen im Lande, die Stimmung der Bevölkerung oder auf sonstige innerpolitische Gründe gewissermaßen zu begründen versucht. Auch die Aufnahme, welche die Mittheilung des von der Cholerakommission über die rationellen Grenzen der Waarenverkehrs-Beschränkungen erstatteten Gutachtens bei den fremden Regierungen gefunden hat, ist in dieser Beziehung beweisführend gewesen. Es steht hiernach zu hoffen, daß sich die diesseitige Anschauung, welche mindestens ein richtiges Verhältniß zwischen den Maßnahmen der präventiven Gesundheitspolizei und der gebotenen Rücksichtnahme auf den internationalen Handelsverkehr sowie auf den Sinn und Geist der bestehenden Handelsverträge herzustellen bestrebt ist, allmälig immer mehr Bahn brechen wird. Inwieweit zur Erreichung dieses Ziels der Weg internationaler Berathungen zu beschreiten sein möchte, untersteht zur Zeit der Erwägung. Jedenfalls müßte es als ein großer Gewinn betrachtet werden, wenn es gelänge, die Willkür in den durch Menschenseuchen bedingten gesundheitspolizeilichen Maßnahmen der einzelnen Länder gegeneinander einzudämmen, durch Beseitigung der Extreme auf diesem Gebiet einer Lahmlegung des internationalen Verkehrs auch in Seuchezeiten vorzubeugen und nicht minder der unendlichen Vielgestaltig- ...

205 /558
... Es wurde deshalb lediglich auf die von sachverständiger Seite allgemein anerkannte, relative Ungefährlichkeit des Waarenverkehrs bezüglich der Choleraverschleppung und auf die über die Richtigkeit dieser Anschauung auch während der jüngsten Epidemie gewonnenen Erfahrungen hingewiesen. Die Entschließung der österreichischungarischen Regierung erfolgte nach mehrfacher Anregung durch die Ministerial-Verordnung vom 6. November, welche das Ein- und Durchfuhrverbot gegen Deutschland im Wesentlichen außer Kraft setzte. Es ist seitdem nur noch die Ein- und Durchfuhr von Hadern mit Einschluß ungereinigter Trennwolle, von zum Handel bestimmten alten getragenen Bekleidungsstücken mit Einschluß von altem getragenen Schuhwerk, sowie von Leib- und Bettwäsche im gebrauchten, ungereinigten Zustande verboten geblieben. Reise- und Uebersiedelungseffekten sind auch von diesem Verbot ausgenommen. Durch die Verordnung vom 6. November sind auch diejenigen Wünsche heimischer Interessenten gegenstandslos geworden, welche in Bezug auf die Herbeiführung gewisser Erleichterungen für den Grenzverkehr (im weiteren Sinne) geäußert und zum Gegenstand von Anträgen bei der K. u. K. österreichischungarischen Regierung gemacht worden waren. So war von dem Landeskulturrath für das Königreich Sachsen im Interesse der Gemüsegärtnerei von Zittau und Umgegend uni die Erwirkung der Einfuhrerlaubniß für frisches Kraut und Gemüse nach dem benachbarten Böhmen, von schlesischen Grundbesitzern um eine gleiche Vergünstigung für die Ausfuhr roher Milch nach Troppau und Umgegend gebeten worden. ...

206 /558
... Es war im Hinblick auf die Anschauungen der Mehrheit der Mitglieder des internationalen Gesundheitsraths in Konstantinopel von vornherein klar, daß die amtlichen Bemühungen, im Interesse des deutschen Handels- und Schifffahrtsverkehrs weitere Ermäßigungen der türkischen Quarantänevorschriften zu erreichen, vor dem Erlöschen der Epidemie in Hamburg sowie in den insbesondere von den Dampfern der Deutschen Levante-Linie berührten niederländischen und belgischen Häfen Aussicht aufErfolg nicht bieten würden. Es ist denn auch erst Ansang November gelungen, die Herabsetzung der zehntägigen auf eine fünftägige Quarantäne für alle Herkünfte von der nordeuropäischen Küste von Kronstadt bis Cherbourg zu erwirken. Durch diese Herabsetzung fielen den deutschen Provenienzen auch diejenigen besonderen Begünstigungen zu, welche in den oben erwähnten Ouarantänebestimmungen vom 22. Oktober für alle einer nur fünftägigen Quarantäne unterliegenden Provenienzen vorgesehen sind, d. h. sie wurden fortan nach einer strengen ärztlichen Untersuchung und bei günstigem Gesundheitsbefunde sofort zum freien Verkehr zugelassen, wenn sie bei ihrer Ankunft in einem türkischen, mit einem Sanitätsbeamten versehenen Hafen seit dem Verlassen des quarantänepflichtigen Hafens bereits sünfzehn Tage unterwegs gewesen waren. Da die deutschen Dampfer von Hamburg etwa drei Wochen, von Antwerpen etwa 14 Tage unterwegs sind, ehe sie in die türkischen Häfen gelangen, so war durch diese neueste Erleichterung den dringendsten Beschwerden bis auf Weiteres im Wesentlichen abgeholfen. Seit dem 22. November endlich werden alle Provenienzen aus den nordeuropäischen Häfen in der Türkei nur noch einer vierundzwanzigstündigen Observation unterzogen. ...

207 /558
... Der Generalanwalt der Vereinigten Staaten hatte ein Gutachten erstattet, wonach der Präsident gesetzlich befugt sei, aus eigener Machtvollkommenheit allen aus Häfen eines Landes, in welchem eine Epidemie herrscht, kommenden Schiffen die Einfahrt in die Häfen der Union zu verweigern und den an Bord derselben befindlichen Einwanderern die Landung jederzeit zu verbieten. Die Eventualität, daß von dieser Machtvollkommenheit Gebrauch gemacht wurde, ist dadurch abgewandt worden, daß die Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Aktien-Gesellschaft und der Bremer Lloyd inzwischen bereits die Beförderung von Zwischendeckspassagieren nach den Vereinigten Staaten überhaupt eingestellt hatten. Hierdurch und in Folge der Thatsache, daß die in New-Uork vorgekommenen Cholerafälle vereinzelt blieben, legten sich allmälig die Besorgnisse, welche den Gedanken an den Erlaß einer die Einwanderung prohibirenden oder die Quarantänemaßregeln noch verschärfenden Vorschrift nahegelegt hatten. Abgesehen von der vorstehend berührten Angelegenheit, ist die Thätigkeit der Kaiserlichen Regierung nur noch aus Anlaß des in den Vereinigten Staaten unterm 19. August ergangenen Lumpeneinfuhrverbots in Anspruch genommen worden. Zu einer eigentlichen Beschwerde ist es hierbei indeß wesentlich deshalb nicht gekommen, weil das Einfuhrverbot, wie sich hinterher herausstellte, auf die beim Erlaß desselben bereits schwimmende Waare keine Anwendung fand. b Mittelamerika und Westindien. Während die Regierung des Freistaates Costa Rica unter den: 2, September nur für Hamburger, nach dem 10. August ausgelaufene Schiffe eine Quarantäne im Hafen von Limon angeordnet hat, wurde seitens der Regierung von Guatemala unter dem 12. September zunächst verfügt, daß vom 18. ...

208 /558
... Im Uebrigen wird vorausgesetzt, daß von jedem ersten Choleraerkrankungsfalle in einer Stadt das Reichsamt des Innern und von dem weiteren Verlaufe der Epidemie in den einzelnen Ortschaften wöchentlich dem Kaiserlichen Gesundheitsamte nach Anleitung des im Jahre 1879 zwischen den deutschen Regierungen vereinbarten, hier als Anlage II beigegebenen Formulars Kenntniß gegeben wird. Die Wochenberichte sind so zeitig abzusenden, daß bis Montag Mittag die Mittheilungen über die in der vorangegangenen Woche bis Sonnabend einschließlich gemeldeten Erkrankungen und Todesfälle im Gesundheitsamte eingehen. Auch ist es nothwendig, daß fortlaufende Nachrichten über den Stand der Epidemie, womöglich täglich, in geeigneter Weise zur öffentlichen Kenntniß gebracht werden. 2.1 Die zuständigen Behörden haben ihr besonderes Augenmerk darauf zu richten, ob etwa Messen, Märkte und andere Veranstaltungen, welche ein ähnliches gefährliches Zusammenströmen von Menschen zur Folge haben, an oder in der Nähe solcher Orte zu verhindern sind, in welchen die Cholera ausgebrochen ist. 3.1 Schulkinder, welche außerhalb des Schulorts wohnen, dürfen, solange in dem letzteren die Cholera herrscht, die Schule nicht besuchen, desgleichen müssen Schulkinder, in deren Wohnort die Cholera herrscht, vom Besuch der Schule in einem noch cholerafreien Orte ausgeschlossen werden. An Orten, wo die Cholera heftig auftritt, sind die Schulen zu schließen. Gleichartige Bestimmungen müssen auch hinsichtlich des Besuchs des Konfirmandenunterrichts erlassen werden. 4.1 Hinsichtlich des Eisenbahnverkehrs ist das Zugbegleitungs- und Bahnhofspersonal wegen Ausschließung offenbar cholerakranker Reisenden von der Weiterreise mit Anweisung nach Maßgabe der anliegenden Grundsätze (Anlage HI) zu versehen. ...
... Auf den der Verbreitung der Epidemie entsprechend auszuwählenden Stationen des Eisenbahnverkehrs ist wegen Fürsorge für krank befundene Passagiere durch Bereitstellung ärztlicher Hülfe und Unterbringung in geeignete isolirte Räumlichkeiten, wegen Ausrangiren und Desinfiziren (Nr. 15) der von solchen Passagieren benutzten Waggons das Erforderliche zu veranlassen. Die Landesregierungen haben Anordnung zu treffen, daß an denjenigen Eisenbahnstationsorten, an welchen geeignete Krankenhäuser sich befinden, der Aufnahme dort abgesetzter Kranken Hiüdernisse nicht in den Weg gelegt werden. Die schmutzige Wäsche derjenigen Schlafwagen, welche aus Choleraorten kommen oder in solchen Reisende aufgenommen haben, ist auf den Zielstationen zu desinfiziren. An besonders bedrohten Orten (z. B. an der Grenze gegen verseuchtes Ausland) und bei Transporten, welche ihrer Beschaffenheit oder Herkunft nach (Auswanderertransporte, Transporte aus verseuchten Orten) besonders verdächtig sind, kann es rathsam sein, eingehende ärztliche Besichtigungen der Reisenden und ihres Gepäcks, eventuell auch Desinfektion des letzteren eintreten zu lassen. 5.1 Die Polizeibehörde eines Ortes wird je nach den Umständen auf solche Personen ein besonderes Augenmerk zu richten haben, welche dort sich aufhalten, nachdem sie kurz zuvor in von der Cholera heimgesuchten Orten gewesen waren. Es kann sich empfehlen, die von solchen Orten mitgebrachten Gebrauchsgegenstände (namentlich gebrauchte Wäsche und Kleidungsstücke) zu desinfiziren und *) Zur Benutzung für Aerzte, Polizeibeamte rc. ist die Anlage I mit Formular zu einer Zählkarte beigefügt. die Zugereisten selbst einer, der Jnkubationsdauer der Cholera entsprechend bemessenen, ärztlichen Beobachtung zu unterstellen; jedoch in schonender Form und so, daß Belästigungen der Personen thunlichst vermieden werden. ...

209 /558
... 14.1 Vorhandene Abtrittgruben sind, so lange die Epidemie noch nicht am Orte ausgebrochen ist, zu entleeren; während der Herrschaft der Epidemie dagegen ist die Räumung, wenn thunlich, zu unterlassen. Eine Desinfektion von Abtritten und Pissoirs ist der Regel nach nur an den dem öffentlichen Verkehr zugänglichen, nach Lage oder Art des Verkehrs besonders gefährlichen Anlagen dieser Art (Eisenbahnstationen, Gasthäusern und dergleichen) erforderlich. Auf peinliche Sauberkeit ist in allen derartigen öffentlichen Anlagen zu halten. 15.1 Die Desinfektionen sind nach Maßgabe der anliegenden Anweisung zu bewirken. In größeren Städten ist auf die Einrichtung öffentlicher Desinfektionsanstalten, in welchen die Anwendung heißen Wasserdampses als Desinfektionsmittel erfolgen kann, hinzuwirken. Die auf polizeiliche Anordnung erfolgenden Desinfektionen sollten unentgeltlich geschehen. 16.1 Eine, etwa nach dem Muster der Anlage V auszuarbeitende Belehrung über das Wesen der Cholera und über das während der Cholerazeit zu beobachtende Verhalten ist in eindringlicher Weise zur Kenntniß des Publikums zu bringen. H. Maßnahmen, welche an den einzelnen von Cholera bedrohten oder ergriffenen Orten zu treffen sind. Wo nicht bereits dauernd Gesundheitskommissionen bestehen oder für den Fall drohender Choleragefahr vorgesehen sind, sind solche einzurichten. Schon vor Ausbruch der Epidemie sind die Zustände des Ortes in Bezug ans die in Abschnitt uV 11 bis 14 erwähnten Punkte einer genauen Untersuchung zu unterziehen und ist auf Beseitigung der vorgefundenen Mißstände unter besonderer Berücksichtigung der früher vorzugsweise von Cholera betroffenen Oertlichkeiten, hinzuwirken, sowie das sonst Erforderliche in die Wege zu leiten. ...

210 /558
... Hervorgehoben darf werden, daß die in der Anweisung unter 1 bis 4 aufgezählten Desinfektionsmittel hinsichtlich der Wirksamkeitim Allgemeinen gleichstehen, so daß, falls im Verlaufe der Epidemie der Vorrath an einem oder dem anderen Mittel zu Ende geht, auf eins der anderen zurückgegriffen werden kann. Auch unterliegt es keinem Bedenken, weitere, nicht besonders genannte Desinfektionsmittel zuzulassen, sofern deren Wirkung nach wissenschaftlicher Feststellung als gleichwerth ig zu erachten ist. 7.1 Um einen vorzeitigen Aufbrauch der Desinfektionsmittel, sowie unnöthige Vergeudung derselben zu vermeiden, darf anheimgestellt werden, die betheiligten Kreise auf die Ausführungen am Schluffe der Anlage IV besonders hinzuweisen. 8.1 Zur Beruhigung der Bevölkerung, sowie zur Erhöhung des persönlichen Schutzes des Einzelnen gegen die Empfänglichkeit für Cholerainfektion dient die Massenverbreitung einer kurz gefaßten und leicht verständlichen Anweisung über das Verhalten zur Zeit einer Choleraepidemie. Ein Entwurf dafür wird zur Zeit im Kaiserlichen Gesundheitsamt ausgearbeitet und demnächst den Hohen Bundesregierungen mit dem Anheimstellen zugehen, denselben in einer den örtlichen Verhältnissen, insbesondere dem lokalen Sprachgebrauchs angepaßten Form unter die . breiten Massen des Volkes zur Vertheilung gelangen zu lassen. Nach der Ueberzeugung der Reichsverwaltung sowohl, als auch nach dem allseitigen Einverständnisse der zu den oben erwähnten Berathungen versammelt gewesenen Fachmänner läßt sich die über Deutschland hereingebrochene Seuche wirksam nur dann bekämpfen, wenn die vereinbarten Grundsätze den bezüglichen Maßregeln überall gleichmäßig zur Richtschnur dienen, und dadurch ein einheitliches, zielbewußtes Vorgehen an allen Orten ermöglicht wird. ...

211 /558
... 3.1 Die Auswahl der Untersuchungsstationen erfolgt durch die Sanitätsbehörde nach Benehmen mit den Eisenbahndirektionen; sie geschieht unter Berücksichtigung der Verbreitung der Epidemie und der Verkehrsverhältnisse; thunlichst werden Stationen mit ausreichendem fahrplanmäßigen Aufenthalt gewählt. 4.1 Auf den Untersuchungsstationen sind zur Vornahme der Untersuchung Erkrankter die erforderlichen Räume, welche thunlichst mit einem Kloset versehen sein oder unmittelbar zusammenhängen müssen, von der Eisenbahnverwaltung, soweit sie ihr zur Verfügung stehen, herzugeben. 5.1 Ein Verzeichniß sämmtlicher Krankenübergabestationen (einschließlich der Untersuchungsstationen) ist, nach der geographischen Reihenfolge der Stationen geordnet, jedem Führer eines Zuges, welcher zur Personenbeförderung dient, zu übergeben. Der Zugführer hat die unterwegs an verdächtigen Erscheinungen Erkrankten der nächsten im Verzeichniß aufgeführten Station, gleichviel ob diese zugleich eine Untersuchungsstation ist oder nicht, zu übergeben. Zu diesem Zweck haben die Schaffner dem Zugführer von jeder während der Fahrt vorkommenden choleraverdächtigen Erkrankung sofort Meldung zu machen. Choleraverdächtig ist Jeder, welcher in Cholerazeiten an Erbrechen und Durchfall leidet. Es giebt aber auch schwere Cholerafälle, welche einen tödtlichen Ausgang nehmen, ohne daß es zum Erbrechen und Durchfall gekommen ist. Solche Fälle sind an der großen Schwäche und Mattigkeit, die oft ganz schnell die Betreffenden überfällt, zu erkennen. Schon während der Fahrt ist thunlichst festzustellen, wer der Erkrankte ist, woher er kommt, und welches das Ziel seiner Reise ist. 6.1 Die Sorge um den Erkrankten hat sich zunächst auf eine möglichst beqüeme Lagerung desselben zu erstrecken und ist Sache desjenigen Schaffners, dessen Aufsicht der betreffende Wagen untersteht. ...

212 /558
... Die gleichen Erfahrungen machen wir auch gegenwärtig wieder, denn seit dem Bestehen der Epidemie in Hamburg sind von dort zahlreiche Waaren nach vielen Orten verschickt worden, ohne daß jemals von einer Ansteckung durch solche Kolli etwas bekannt geworden wäre. In Anbetracht dieser Verhältnisse liegt kein Grund zu der jetzt vielfach verbreiteten Besorgniß einer Verschleppung von Cholera durch Waaren vor. Die meisten Waaren sind schon durch ihre trockene Beschaffenheit (Bücher, Cigarren, Tabacke, Erzeugnisse der Papierindustrie, derLederindustrierc.) ungeeignet, als Vermittler des Ansteckungsstoffes zu dienen. Ferner ist zu berücksichtigen, daß die Waaren in Umhüllungen zum Versandt kommen, welche den Inhalt der Pallete, Ballen, Kisten rc. vor verdächtigen Berührungen ausreichend schützen. In besonderem Maße gilt dies von allen Sendungen, welche durch den verseuchten Ort nur durchgehen, ohne daselbst geöffnet zu werden. Aengstliche Empfänger von Waarensendungen aus Cholera verseuchten Ortschaften können die zur Verpackung benutzten Umhüllungen entweder vernichten oder durch Abwaschen mit Kalkmilch (Kisten, Tonnen und Aehnliches) beziehungsweise 5prozentiger Karbolsäurelösung (Ballen, Sackleinewand und dergleichen) desinfiziren, obwohl solches im Allgemeinen überflüssig ist. b. Vom SV. September 18SS. Der im Kaiserlichen Gesundheitsamte errichteten Cholerakommission gehen fortdauernd Anfragen zu, ob und welche Gefahren im Hinblick auf die Verbreitung der Cholera aus dem Verkehr mit Nahrungsmitteln und anderen Handelsartikeln zu befürchten sind. Um die Interessenten allgemein von der Auffassung dieser Kommission zu unterrichten, zu welcher unsere erfahrensten Fachmänner gehören, und um beruhigend zu wirken, erscheint es zweckmäßig, einige Grundsätze, nach welchenbisher den Fragestellern Bescheid ertheilt worden ist, zu veröffentlichen. ...

213 /558
... Erklärung findet dies, abgesehen von der Langsamkeit der Samoaner in ihren Entschließungen, theils in der seit Wochen andauernden Heimsuchung des Landes durch die Influenza-Epidemie, theils in dem Eintritt der schlechten Jahreszeit, während deren der Bootsverkehr zwischen den verschiedenen Plätzen der Inseln erschwert ist. Was die inneren Verhältnisse der Landesregierung betrifft, so führt Freiherr Senfft von Pilsach, unter fortgesetzter Beurlaubung von den Munizipalgeschästen, die Geschäfte als Regiernngsberather und Verwalter der samoanischen Einkünfte einstweilen weiter, und zwar ohne bemerkenswerthen Widerstand, da man sich in samoanischen, wie fremden deutschfeindlichen Kreisen allgemein der Erwartung seiner baldigen Abberufung hingiebt. Mit Bezug auf ihre finanziellen Mittel wird die Regierung sich binnen Kurzem vor schwierige Fragen gestellt sehen. Die Kasse der Landesregierung weist einen Bestand von etwa 10 000 L Gold auf. Aus demselben würde, wie Herr von Senfft mir gegenüber gesprächsweise anerkannt hat, zunächst der vom 1. Oktober d. I. ab der samoanischen Staatskasse zur Last fallende Jahresgehalt des Oberrichters, beziehungsweise zur Zeit noch der Betrag von 5000 K, sicher zu stellen sein. Da bei dem zahlreichen Beamtenpersonal der Regierung deren Ausgaben (außer dem Gehalt des Oberrichters) monatlich etwa 1500 H Gold betragen, so werden die noch verfügbaren 5000 Z etwa Ende Februar d. I., wenn nicht früher, aufgebraucht sein. Auf das Eingehen der seit dem 1. Februar d. I. fälligen zweiten oder gar der dritten Kopfsteuer wird aber kaum zu rechnen sein. Freiherr von Senfft will allerdings demnächst mit deren Ausschreibung vorgehen. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1893
Bd.: 131. 1892/93
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-131

ID: 00018684
214 /558
... Ein Bild davon, welche Verluste an Menschenleben die Cholera herbeiführt, hat die Epidemie des Jahres 1892 in erschreckender Weise gezeigt. In Rußland beläuft sich für dieses Jahr bei rund 550 000 Erkrankungen die Zahl der Opfer auf über 260 000, und im Hamburgischen Staatsgebiet sind bei einer Einwohnerzahl von rund 620 000 im Ganzen etwa 18 000 Erkrankungen und etwa 8000 Todesfälle vorgekommen. Die Größe der unmittelbaren Aufwendungen, welche ein heftiger Ausbruch der Cholera für die betheiligten Gemeinwesen mit sich bringt, läßt sich daraus ermessen, daß in Hamburg während der vorjährigen Epidemie aus staatlichen Mitteln für die Unterdrückung der Seuche nahezu vier Millionen Mark verausgabt worden sind. Während das Reich auf dem Gebiete der Veterinärpolizei von dem ihm zustehenden Gesetzgebungsrecht bereits ausgiebigen Gebrauch gemacht und insbesondere für die Abwehr und Unterdrückung der Viehseuchen durch das Gesetz vom 23. Juni 1880 (Reichs-Gesetzbl. S. 153) einheitliche Gmndlagen geschaffen hat, ist dies auf dem Gebiete des Medizinalwesens bisher nicht in gleichem Umfange geschehen. Die hier erlassenen reichsgesetzlichen Bestimmungen beschränken sich der Hauptsache nach auf die Verhältnisse des Heilpersonals, auf den Schutz der arbeitenden Bevölkerung gegen die gesundheitsschädlichen Einwirkungen der geiverblichen Betriebe und auf den Verkehr mit Nahrungsmitteln, Genußmitteln und Gebrauchsgegenständen. Mit der Bekämpfung der besonders gefährlichen Volksseuchen, welche für das Gemeinwohl von höchster ...

215 /558
... Die Gemeingefährlichkeit dieser Seuche ist so groß und bei der Epidemie des Jahres 1892 von neuem in so verderblicher Weise zu Tage getreten, daß die Berücksichtigung derselben einer Begründung nicht bedarf. Es genügt daran zu erinnern, daß in den sechs Jahrzehnten von 1831 bis 1891 die Cholera hauptsächlich in drei verheerenden, Jahre lang sich hinziehenden Epidemien ganz Mitteleuropa schwer betroffen hat. Zum ersten Male hielt sie von Rußland kommend im Jahre 1831 ihren Einzug in Deutschland und erlosch erst im Jahre 1837, die zweite Epidemie währte, nachdem bereits 1846 im südlichen Rußland die Seuche sich gezeigt hatte, in Deutschland mit kurzen Unterbrechungen von 1848 bis 1859; die dritte begann für Deutschland im Jahre 1865, breitete sich während der Kriegszeit des Jahres 1866 besonders heftig aus und erlosch erst im Jahre 1873. Nachdem dann ein verhältnißmäßig wenig ausgedehnter Ausbruch der Seuche während des Jahres 1886 in Italien und Südfrankreich beobachtet worden war, hat das Jahr 1892 einen erneuten heftigen Ausbruch gebracht, indem die Krankheit, von Persien ausgehend, sich über Rußland und verschiedene Staaten Mitteleuropas ausbreitete. Noch verderblichere Wirkungen als die Cholera würde voraussichtlich ein Einbruch der Pest herbeiführen, jener mit Recht gefürchteten Krankheit des Orients, welche während des Mittelalters auch in Deutschland nicht selten auftrat und unter dem Namen „der schwarze Tod allbekannt war. Noch im 16. und 17. ...

216 /558
... Die Ruhr, eine zumeist in den Tropen heimische und dort mit hoher Sterblichkeit auftretende Krankheit, hat in vergangenen Jahrhunderten europäische Länder häufig als schwere Epidemie heimgesucht und ist neuerdings besonders während der Kriege in verderblicher Weise aufgetreten. Wie 1856 in der Krim und 1859 in Italien, hat sie im Jahre 1870 während des deutschfranzösischen Krieges in den von jeher durch diese Krankheit heimgesuchten Theilen des östlichen Frankreichs zahlreiche Opfer gefordert. Ein besonders gefährdetes Einfallsgebiet der eigentlichen Ruhr, welche zum Unterschiede von einem im Volksmunde oft als Ruhr bezeichneten sommerlichen Darmkatarrh wissenschaftlich auch „Dysenterie genannt wird, bildet die westliche Grenze des Deutschen Reichs, doch ist ausgedehnteres Auftreten der Ruhr während der letzten Jahre auch in Schlesien und Posen beobachtet worden. Ferner kamen Darmtyphus, Diphtherie, Scharlach und Kindbettfieber in Betracht — Krankheiten, die in Deutschland heimisch sind und alljährlich beträchtliche Verluste an Menschenleben verursachen. Namentlich Scharlach und Diphtherie treten meist schwer und verderblich auf und fordern vornehmlich unter den Kindern und jugendlichen Personen zahlreiche Opfer, während der Darmtyphus in der Regel die lebenskräftigsten Personen heimsucht und deren Erwerbsthätigkeit, wenn der Tod nicht eintritt, durch langes Siechthum und langsame Genesung schwer zu beeinträchtigen pflegt. ...

217 /558
... Erst damit wird für den gemeinsamen Kampf der Behörden aller Bundesstaaten gegen die Seuchen die noch während der Choleraepidemie des letzten Jahres schwer vermißte feste Grundlage geschaffen; wie auch andererseits der Bevölkerung überall der in der letzten Epidemie gleichfalls oft entbehrte Schutz gegen ausschreitende amtliche Anordnungen geboten. In der Einleitung ist bereits hervorgehoben, daß mit Rücksicht auf die verschiedenartige Natur der in Betracht kommenden Krankheiten und auf die steten Fortschritte der medizinischen und chemischen Wissenschaft das Gesetz nicht alle Einzelheiten erschöpfen kann, sondern sich auf die Feststellung der Grundlinien, nach denen die Bekämpfung der Seuchen zu organisiren ist, beschränken muß. Indem jedoch der Entwurf im §. 20 den Erlaß näherer Vorschriften nach dem Vorgänge des Viehseuchengesetzes dem Bundesrath überträgt, ist die Wahrung der Einheitlichkeit in den zu ergreifenden Vorkehrungen sichergestellt. Die Schutzmaßregeln, welche der Entwurf in allgemeinen Grundzügen vorsieht, sind folgende: 1.1 die Beobachtung kranker und verdächtiger Personen; 2.1 die Meldepflicht für zureisende Personen; 3.1 die Absonderung kranker und verdächtiger Personen; 4.1 Beschränkungen des Gewerbebetriebes und Verhütung von Menschenansammlungen; 5.1 die Beschränkung des Schulbesuchs; 6.1 die Beschränkung der Benutzung gewisser, der Seuchenverbreitung förderlicher Einrichtungen; 7.1 die Räumung von Wohnungen; 8.1 die Desinfektion; 9.1 die Behandlung der Leichen. Zur Verhütung der Einschleppung auf dem Seewege sollen endlich besondere Schutzvorkehrungen, welche den Eigenheiten dieses Verkehrs sich anpassen, zulässig sein. ...

218 /558
... Während der Epidemie des Jahres 1892 waren Einschränkungen der hier angedeuteten Art nicht nur für die Eisenbahnen getroffen, sondern auch für den Schiffahrtsund Flößereiverkehr in den Hafenplätzen und auf den größeren Strömen (Weichsel, Oder, Elbe, Rhein, Donau). Nach dem Urtheile der in dem Aufsichtsdienste beschäftigt gewesenen Aerzte haben sie sich namentlich hinsichtlich der Schiffahrt und Flößerei, welche einen besonders gefährlichen Weg für die Weiterverbreitung der Cholera bilden, als nützlich erwiesen. Daß auf kleine Verkehrs anstalten von örtlicher Begrenzung des Betriebes, wie Pferdebahnen, Omnibus- und Droschkenunternehmungen, die Vorschriften des Entwurfs ebenfalls anwendbar sein müssen, ist aus deren Zweck ohne Weiteres gegeben und durch ihre Fassung nicht ausgeschlossen. ...

219 /558
... Was den Waarenverkehr anlangt, so können Einfuhrverbote im Jnlandsverkehr nicht als zweckmäßig betrachtet werden; die während der vorjährigen Epidemie gesammelten, unerfreulichen Erfahrungen haben den Beweis geliefert, daß solche Verbote für den Verkehr mit schweren Belästigungen verknüpft und kaum durchführbar sind; die Bedeutung des damit zu erzielenden Schutzes ist sehr gering und steht in keinem Verhältniß zu den Wunden, die sie dem Verkehrsleben schlagen. Statt dessen legt der Entwurf im §. 14 unter Nr. 3 für die gefährlichsten Seuchen den Behörden die Befugniß bei, die Ausfuhr der zur Verbreitung einer Seuche geeigneten Waaren aus dem Seuchenorte zu verbieten. Die Durchführung eines solchen Ausfuhrverbots begegnet nicht den erwähnten Schwierigkeiten ; sie ist für den Verkehr weniger empfindlich, überdies werden sich derartige Verbote in dem wichtigsten Falle, nämlich bei dem Auftreten der Cholera, nach den heutigen wissenschaftlichen Anschauungen auf wenige Gegenstände beschränken können. Für diejenigen Stellen, welche zur Anordnung der im §. 14 bezeichneten Maßnahmen zuständig sein sollen, ist in dem Entwurf die Bezeichnung „Landesbehörde gewählt, um den Landesregierungen die Möglichkeit zu geben, die Machtvollkommenheit für diese tief in das Erwerbsleben einschneidenden Verfügungen höheren Behörden zu übertragen. 8- 15. Die beim Auftreten einer gemeingefährlichen Krankheit hinsichtlich der Schulen und Unterrichtsanstalten zu treffenden Anordnungen gehören zu den Aufgaben der Schulverwaltung und haben daher in dem Entwurf nicht Berücksichtigung gefunden. ...
... Die vorjährige Epidemie hat ergeben, wie leicht es zu derartigen Maßnahmen kommt und wie schwer die Bevölkerung daran zu tragen hat. Die Belehrungen, welche von Seiten der ...

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... Die Erfahrungen während der letztjährigen Epidemie haben dargethan, zu wie übertriebenen Maßregeln gegenüber der Einfuhr aus Deutschland man ...


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