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Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1911
Bd.: 263. 1911
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-263

ID: 00003329
461 /558
... Wenn die Epidemie kommt, gehen die ungeimpft gebliebenen Kinder daran zu Grunde. Jetzt, meine Herren, wende ich mich zu dem, was meines Erachtens das Wichtigste ist, zu den Jmpfschädigungev. Meine Herren, es ist von impfgegnerischer Seite behauptet worden, wir stellten die Jmpfschädigungen überhaupt in Abrede. Das tun wir nicht; im Gegenteil, es ist vorgeschrieben und wird regelmäßig befolgt, daß über jede angebliche Jmpsschädigung, welche zur Kenntnis der Behörden gelangt, eingehende Erhebungen angestellt werden, deren Ergebnis der Landeszentralbehörde und dem Kaiserlichen Gesundheitsamt berichtet wird- Das macht für die Nachgeordneten Behörden ein erhebliches Schreibwerk, das aber notwendig ist, um, wie es erfreulicherweise fast stets gelingt, dev Nachweis zu führen, daß die Jmpfschädigungen entweder überhaupt erfunden oder kolossal übertrieben waren oder mit der Impfung nichts zu tun hatten. (Hört! hört!) Die Zahl der wirklichen Jmpfschädigungen, welche wir zugeben können, ist eine verschwindend kleine, und auch in diese» Fällen trifft weder die Lymphe noch die Jmpfärzte, (L) sondern die Eltern oder Angehörigen der Kinder die Schuld, wenn von Schuld überhaupt geredet werden kann. Meine Herren, wir befinden uns hier nicht vor einer neuen Sache, sondern vor einer Sache, die schon viele Jahre alt ist. Ich habe hier ein Büchlein: „Dritter Hilferuf an den Hohen Deutschen Reichstag. Petition um Aufhebung des Impfzwanges, aus dem Jahre 1878. In diesem Buche sind 449 Fälle von Jmpfschädigungen angeführt. Ein hervorragender Arzt, der jetzige Generalarzt a. D. vr. ...

462 /558
... Bei jeder großen Epidemie können wir beobachten, daß1 das Volk1 sich1 auf1 diejenigen stürzt,1 welche1 ihm helfen wollen. Im Mittelalter wurden nicht selten die Arzte verbrannt, wenn eine Pestepidemie Platz griff, weil sie angeblich die Brunnen vergiftet hatten. Bei der Cholera haben wir noch im vorigen Jahre in Rußland ähnliches erlebt. Soll unser deutsches Volk jetzt, wo es dank von Männern, wie Edward Jenner und Robert Koch, in bezug auf die Seuchenverhütung und die Pockenbekämpstmg so hoch steht wie kaum ein anderes Volk, soll es sich da gegen seine Arzte mit Mißtrauen erfüllen und ohne Grund seines köstlichen1 Besitzes1 berauben lassen?1 Dazu stehen wir1 doch wohl1 in1 der1 Kultur zu hoch.1 Wenn1 Sie beschließen wollen, durch Einführung der Gewiffensklausel eine schwere Bresche in das Jmpfgesetz zu brechen, dann würden Sie eine schwere Gefahr heraufbeschwören und unser Volk und unsere Kinder aufs äußerste gefährden. Darum kann ich Sie nur bitten, meine Herren, glauben Sie uns, folgen Sie den Vorschlägen Ihrer Kommission, gehen Sie über die ganzen Petitionen der Jmpfgegner zur Tagesordnung über! (Lebhafter Beifall.) ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1911
Bd.: 264. 1911
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-264

ID: 00003330
463 /558
... Daß auch die Juden von dieser Epidemie befallen sind, von dieser Sucht, daß unter allen Umständen ihre männlichen Sprößlinge Reserveoffiziere spielen können, erweckt sicherlich keine Sympathie. Aber die Tatsache, daß auch hier wieder die von dem Gesetz und der Verfassung garantierte Gleichheit aller Konfessionen, aller Reichsangehörigen nicht durchgeführt wird, ist die Veranlassung dazu, zu den Dingen Stellung zu nehmen. Da kommt dann gleich noch etwas anderes hinzu. Die Reserveoffiziere werden, soviel ich weiß, von den Reserveoffizieren des betreffenden Landwehrbezirks gewählt. Reserveoffiziere werden inderRegelRichter,Staatsanwälte,Professoren usw-, alles Leute, die uns fortwährend vorgeben, Recht und Gesetz zu achten, und sich nicht genieren, bei allen möglichen Gelegenheiten, besonders in Wahlzeiten, der Sozialdemokratie den Vorwurf ungesetzmäßigen Handelns zu machen. Diese Leute handeln fortgesetzt gegen das Gesetz, indem sie jüdische Aspiranten nicht zu Offizieren wählen. Da soll man uns nicht vorreden — es ist das auch schon von anderer Seite gesagt worden —, daß sich unter den Tausenden und aber Tausenden jüdischen Einjährigen nicht einer finden sollte, der zum Reserveoffizier in körperlicher und sonstiger Beziehung geeignet wäre. (Sehr richtig! links.) Wenn nun der Herr Kriegsminister — und vor ihm hat es meines Wissens auch der Herr v. Einem erklärt — sagt: „Ja, letzten Endes sind wir dabei ohnmächtig — Herr v. Einem hat uns hier einmal gesagt: „Ja, die Offiziere sind in bezug auf ihr Wahlrecht ziemlich frei, ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1911
Bd.: 265. 1911
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-265

ID: 00003331
464 /558
... Wir haben diesmal eine sehr große Epidemie, die nach den letzten Veröffentlichungen des Reichsgesundheitsamts allein in Deutschland nicht weniger als 8000 Gehöfte erfaßt hat. Indessen das war schon einmal da; aber die Epidemie scheint auch hinsichtlich ihres Verlaufs zu den schwereren zu zählen und hat vor allem die unangenehme Begleiterscheinung, daß ein großer Teil der von der Maul- und Klauenseuche befallenen Kühe abortiert, sodaß wir damit rechnen müssen, daß wir in der nächsten Zeit einen außerordentlichen Mangel an Jungvieh haben werden. Dazu kommt nun, daß nach der letzten Viehzählung überhaupt der Bestand an Rindvieh in Deutschland nicht L) zugenommen, im Gegenteil bedeutend abgenommen hat, sodaß wir meines Erachtens auf die Möglichkeit gefaßt sein müssen, daß wir in der nächsten Zeit zum erstenmal eine wirkliche Fleischnot bekommen werden, die gleich bedenklich ist für die Landwirtschaft — hier kommen ja besonders mittlere und kleine Landwirte in Frage — wie für die konsumierende Bevölkerung. Ich glaube daher, daß die verbündeten Regierungen sich schon jetzt die Frage vorlegen müssen, was zu geschehen hat, um diesen mit Sicherheit zu erwartenden Mißstand etwas erträglicher zu machen. Man wird auch zu überlegen haben, in welcher Weise man es den kleineren und mittleren Landwirten ermöglichen kann, zu einer rascheren Aufzucht zu kommen und diese Aufzucht billiger zu gestalten. ...

465 /558
... Das ist um so mehr notwendig, als, wie gesagt, gerade die gegenwärtige Epidemie uns zu außerordentlich schweren Gefahren in bezug auf die Ernährung und auch in bezug auf die Landwirtschaft führen wird. (Beifall links.) Vizepräsident vr. Spay« (Bonn): Das Wort hat der Herr Bevollmächtigte zum Bundesrat, Staatssekretär des Innern, Staatsminister Dr. Delbrück. Dr. Delbrück, Staatsminister, Staatssekretär des Innern, Bevollmächtigter zum Bundesrat: Meine Herren, der Herr Vorredner hat sich darüber beklagt, daß dem Reichstag noch immer nicht genug Gesetze vorgelegt werden. (Heiterkeit.) Ich glaube, meine Herren, wir täten gut, zunächst einmal das zahlreiche Material, das reif ist, aufzuarbeiten, ehe wir immer von neuem Gesetzentwürfe in Angriff nehmen, deren Schicksal wir mit Rücksicht auf die uns zur Verfügung stehende beschränkte Zeit nicht übersehen können. Aber ich kann Herrn vr. Mugdan zu seiner Beruhigung sagen, daß jedenfalls, wenn diese Geschäftserleichterung eintreten wird, die Regierung in der Lage sein wird, auch bezüglich der Hebammen und der Krankenpflege die gewünschten Gesetzentwürfe vorzulegen. Es sind von meiner Sette im vorigen Jahre Ermittlungen darüber eingeleitet, es schweben die Korrespondenzen mit den Bundesstaaten; die Antworten werden demnächst eingehen, zum Teil sind sie eingegangen und werden im Kaiserlichen Gesund-(8) heitsamt verarbeitet. Also auch diese Sache ist im Marsch. Ich möchte dann noch eine Bemerkung machen. Wenn ich den Herrn Abgeordneten vr. Mugdan richtig verstanden habe, erwiderte er auf meine Bemerkung, daß wir im allgemeinen wüßten, wie wir die Tuberkulose bekämpfen müßten: das wäre nicht der Fall. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1911
Bd.: 266. 1911
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-266

ID: 00003332
466 /558
... Herr Geheimrat Kirchner hat gemeint: wenn aber einmal in England eine Epidemie eintritt, wird es geradezu furchtbar werden! Meine Herren, das sind keine wissenschaftlichen Beweise, das sind Ansichten, Meinungen, und die müssen erst ihre Bestätigung finden. Vorläufig haben die Tatsachen eine ganz andere Sprache gesprochen. Aber eine weitere wissenschaftliche Eigentümlichkeit. Herr Geheimrat Kirchner hat beispielsweise die Erkrankungen in der französischen Armee der geringen Er-(D) krankungszahl in der deutschen Armee im Jahre 1870/71 gegenübergestellt. Er hat zunächst, glaube ich, von 23 400 Todesfällen infolge von Pockenerkrankungen in der französischen Armee gesprochen. Auch hier geht der Streit herüber und hinüber. Andere behaupten, die Zahl sei bei weitem niedriger. Man spricht in Frankreich auf Grund einer Statistik von der Zahl 6000. Aber das ist ganz nebensächlich. Ich will hier absolut nicht in eine Entscheidung über die Nichtigkeit dieser Zahlen eintreten. Worauf kommt es denn an? War denn die französische Armee nicht durchgeimpft? — Herr Geheimrat Kirchner ruft: Nein! Die Franzosen behaupten das Gegenteil, und das ist das Interessante: sobald außerhalb Deutschlands größere Pockenepidemien auftreten, beispielsweise in Italien oder anderwärts, dann wird den ausländischen Behörden der Vorwurf gemacht — indirekt, will ich sagen, nicht direkt —, als ob sie nicht in der Lage wären, gründlich, ernst, mit aller notwendigen Gewissenhaftigkeit die Impfung durchzuführen; nur wir Deutschen verständen das. Meine Herren, das geht nicht an, eine solche Auffassung ist unstatthaft. In Frankreich ist geimpft worden auch vor dem Jahre 1870, und auch das Militär ist durchgeimpft gewesen. ...
... Es ist doch ganz klar, daß einer, der in gedrückter, erbärmlicher sozialer Stellung steht, ganz anders den Einflüssen der Epidemie ausgesetzt ist als einer, der sich in besseren sozialen Verhältnissen bewegt. Darüber ist doch gar kein Zweifel. (Sehr richtig! in der Mitte.) Über diese Frage gibt uns die Statistik gar keine Auskunft. Weiter, meine Herren, fragen wir uns: wie steht es (D) mit der Beschäftigung der durch die Epidemie vom Tode Betroffenen? Die eine Beschäftigung ist gesundheitsschädlich, die andere Beschäftigung wieder nicht. Alle diese Fragen bedürfen doch der Aufklärung, der Beantwortung. Dann weiter, wie liegt es mit den Wohnungs-Verhältnissen? Das alles sind doch Begleiterscheinungen von so fundamentaler Bedeutung, die berücksichtigt werden müssen, ehe man hier zu einer einwandsfreien statistischen Aufmachung kommen kann, und solange, wie gesagt, diese Fragen nicht beantwortet sind, so lange hat jede Statistik absolut ihren Zweck und auch für jeden, der nach ernster wissenschaftlicher Aufklärung sucht, ihren Wert verloren. So muß das eine konstatiert werden, was auch — ich muß immer wieder zurückgreifen auf die alte Zeit — Reichensperger bei der Beratung des Jmpfgesetzes bereits ausgeführt hat mit Rücksicht auf die Statistik. Es fehlt — hat er damals gesagt — an einer statistischen Unterlage, welche geeignet wäre für diejenigen, die nicht schon vorweg für den Impfzwang eingenommen sind, darzutun, daß der Nutzen des Jmpfens, bezw. des Wiederimpfens ein unzweifelhafter sei. Man folgert auch heute noch das xroxtor lloo aus dem post Iwo. ...

467 /558
... In der Heimat Jenners selbst ist eine Weile, nachdem durch Agitation die Impfung fast verschwunden war, eine schwere Pockenepidemie ausgebrochen, in der Heimatsstadt Jenners selbst, in Gloucester; da ward nun das Andenken des Erfinders der Pockenimpfung von der ihr bislang abgeneigten Bevölkerung dadurch gefeiert, daß mit einem Male ein massenhaftes Zusammenströmen der Bevölkerung in die Jmpflokale stattfand — allerdings verspätet, aber schließlich wurde die Epidemie so eingedämmt. Einige Unterlassungen bei den Herren von der Naturheilmethode muß ich doch behaupten. Es hat noch keiner der Herren in seinen Veröffentlichungen darauf hingewiesen, er sei selber, z. B. nach Rußland, in einen Pockeuherd gefahren und habe dort aus nächster Nähe selbst ungeimpst eine schwere Epidemie angesehen und dabei die Impfung ...

468 /558
... Es hat sich jedoch herausgestellt, daß sie Nachteile hatte; es kam eine Anzahl von Fällen vor, die trotz der Leichtigkeit der Epidemie doch schwer verliefen, teilweise sogar tödlich endigten, und es kam vor, daß Personen, die inokuliert waren, wenn sie von einer Gegend in eine andere reisten, die Pocken dorthin mitbrachten, sodaß dort eine Epidemie entstand. Dies ist allerdings von den Jmpfgegnern fabelhaft übertrieben worden. So schlimm, wie sie es hinstellen, ist es keineswegs gewesen; wohl aber ist die Tatsache konstatiert, daß durch die Inokulation die Pocken verbreitet worden sind. Das ist der Grund gewesen, weshalb man die Inokulation allgemein verlassen hat und zur Schutzpockenimpfung übergegangen ist. ...

469 /558
... Es ist von den Jmpfgegnern behauptet worden, wenn eine Epidemie an einem Orte ausbreche, so erkrankten die Geimpften zuerst am schwersten, und nicht1 die1 Ungeimpften.1 Das ist eine absolute Fälschung1 der1 Verhältnisse.1 Wir1 stellen bet allen Epidemien, über die uns berichtet wird, eingehende Erhebungen darüber an, wie der Jmpfzustand der erkrankten Personen ist. Immer wieder hat sich gezeigt — so im Jahre 190? in Wien, 1904 in Bochum, 1905 in Metz —, daß, nach den genauen Beobachtungen bei solchen Epidemien,1 die1 geimpften Personen1 in der Minderzahl erkrankten,1 daß1 die Mehrzahl1 von1 ihnen fast für das ganze Leben geschützt ist, während die ungeimpften zuerst und am schwersten erkrankten. (Hört! hört!) Die Impfung schützt allerdings nicht in allen Fällen; aber es findet sich immer wieder, daß unter den geimpften Personen, welche erkrankten, die Zahl der Todesfälle viel geringer war als bei den ungeimpften Personen, die erkrankten. (Hört! hört!) Auch zeigt sich regelmäßig, daß bei den geimpften Personen die Erkrankung überhaupt sehr viel milder verläuft als bet den ungeimpften. Jenner hat niemals behauptet — und niemals hat ein Anhänger der Impfung das behauptet —, daß die Impfung ein absolut sicheres Mittel gegen die Erkrankung an den Pocken sei. Kein Menschenwerk ist vollkommen, auch dieses nicht; wohl aber behaupten wir — und wir erwarten den Gegenbeweis —, daß durch die Schutzpockenimpfung die Zahl der Todesfälle enorm vermindert, und der ganze Krankheitsverlauf in den Fällen, welche nicht tödlich endigen, erheblich gemildert worden ist. Mittwoch den 3. ...

470 /558
... Ich selbst habe Gelegenheit gehabt, die Pocken - epidemte in Metz vor einigen Jahren an Ort und Stelle mitzuerleben, und ich konnte beobachten, daß mit Durchführung der Schutzimpfung der ganzen Bevölkerung mit einem Schlage die Epidemie beseitigt war. Und dte-Reichstag. 12. Legisl-P. N. Session. 190S/1S11. selbe Beobachtung ist seither wieder bei vielen einzelnen (O) kleineren Epidemien gemacht worden. Nach den bisherigen Verhandlungen habe ich den Eindruck, daß hauptsächlich Wert gelegt wird auf die Einführung der englischen Gewiffensklansel. Ich glaube, man kann vor diesem Experiment nicht genug warnen. Die englische Gewissensklausel ist eine Einrichtung, die sich noch im Versuchsstadtum befindet. Im ersten Vierteljahr dieses Jahres sind in London 58 Pockenfälle vorgekommen; dieses Vorkommnis gab Anlaß, daß im englischen Parlament die Frage der Gewissensklausel erneut auf die Tagesordnung kam, und es hat ein Abgeordneter, vr. Hillter, zu dieser Frage Stellung genommen. ...

471 /558
... Wären hier nicht die Privatgespräche, so könnte man bei der Behandlung manches Antrages zu der Auffassung gelangen, die Mehrheit dieses hohen Hauses und die Regierungsvertreter seien von einer Epidemie der Mundsperre befallen. (Heiterkeit.) Wie Sie aber sehen, hindert uns das durchaus nicht, die Anträge einzubringen, die wir im Interesse der Arbeiter für nötig halten, und auch in der Begründung dieser Anträge werden wir uns nicht hindern lassen. Vielleicht führen Sie in Gedanken gegen unseren Antrag die Belastung an, die daraus entstehen wird. Da möchte ich aber bemerken, daß diese Belastung in der Hauptsache von den Arbeitern zu tragen ist, (sehr richtig! bei den Sozialdemokraten) und daß die Arbeiter bereit sind, für eine bessere Unterstützung auch eine etwas höhere Belastung gern in Kauf ...

472 /558
... Da war die Rede von Epidemie der Mundsperre, von Verfolgungswahn, von Wanzentaktik; wir wurden als Wanzen bezeichnet. Das entspricht der Kampfesweise, die Sie lieben und die Sie gewöhnt sind. Wir haben Sie in diesen Dingen nicht gestört; also lassen Sie mich bitte auch ausreden. Ich wiederhole: nach meiner Auffassung haben diejenigen sozialdemokratischen Verbände, die diese Muster aufgestellt haben, in zynischer und frivoler Weise (erneute Unruhe bei den Sozialdemokraten) allen Begriffen von Gesetz, Recht, Anstand und guter Sitte in das Gesicht geschlagen ihrer Parteiinteressen wegen. (i;) (Lebhaftes Sehr richtig! — Unruhe bei den Sozialdemokraten.) Wenn man sich nun vor die Aufgabe gestellt steht, wie man solche Verhältnisse abstellen will, so muß ich gestehen: wer die preußische Geschichte kennt, und wer sie, weil er sie kennt, liebt, dem kommt bei solchen Vorgängen unwillkürlich der Gedanke: hier wären Friedrich Wilhelm I. und Friedrich der Große mit ihrem Krückstock am Platze gewesen. (Lebhafte Unruhe bei den Sozialdemokraten und Zurufe.) Wenn die in die Gesellschaft hineingeleuchtet hätten, so hätte mancher derjenigen, der sich derartige Übergriffe erlaubt und geduldet hat, Zeit gefunden, sich auf der Festung zu überlegen, was das Gesetz, was das Staatsintereffe, was der öffentliche Anstand erfordert. Meine Herren, die Mittel, mit denen damals vorgegangen wurde, stehen heute nicht mehr zu Gebote; sie sind heute nicht mehr modern. (Unruhe und Zurufe bet den Sozialdemokraten.) Aber an dem einen wollen wir festhalten, was die Könige Friedrich Wilhelm I. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1911
Bd.: 267. 1911
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-267

ID: 00003333
473 /558
... eine Epidemie (L) im Anzug ist, die Gegend noch gar nicht von ihr heimgesucht ist, aber die Gefahr vorliegt, daß diese Krankheit vielleicht in die Gegend kommen könnte, so hat der Unternehmer nach § 447 a die Möglichkeit, zur Landkrankenkaffe hinzugehen und zu sagen, ich melde von heute ab sämtliche Arbeiter an, und von dem Augenblick an hat die Kasse die Leute, solange sie nicht innerhalb der ersten drei Wochen erkranken, als vollberechtigte Mitglieder. Nach drei Wochen muß also die Kaffe für sie aufkomme«, und wenn sie allesamt erkranken, und obwohl für keinen Beiträge geleistet wurden. Ein anderer Fall. Nehmen wir an, es wird ein Mann, ein Arbeiter, der bei einem Großunternehmer arbeitet, für den der Antrag auf Befreiung gestellt ist, von Schwindsucht befallen, es sind die ersten Anzeichen da, ohne daß der Mann schon erwerbsbeschränkt ist und eine Ahnung von seinem Leiden hat; da hat der Unternehmer die Möglichkeit, ihn einfach auf Grund der Gesindeordnung zu entlassen, wenigstens soweit die hessische in Frage kommt, wie auch bei einer Reihe anderer in Deutschland. Danach kaun entlassen werden, wer zur Fortsetzung der Arbeit unfähig wird oder den übernommenen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen kann. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1911
Bd.: 268. 1911
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-268

ID: 00003334
474 /558
... Meine Herren, die jetzige Epidemie der Maul- und Klauenseuche ist uns, wie fast alle diese Epidemien, von Osten her gekommen. Die Einschleppung begann etwa zu Anfang dieses Jahres, und im Laufe des Jahres hat dann die Seuche ihren Zug quer durch Deutschland bis an die westliche Grenze, und darüber hinaus bis in die benachbarten holländischen Provinzen, gehalten. Es ist interessant, zu bemerken, wie diese Seuche trotz aller Sperrmaßregeln, trotz aller Handel, Gewerbe, Industrie und Landwirtschaft gleichmäßig schädigenden, verkehrshindernden Bestimmungen von Monat zu Monat ständig an Umfang zugenommen hat. Darf ich mir gestatten, Ihnen ein paar Zahlen vorzutragen? Es waren verseucht: amlll.Mai 3117Gemeinden mit 13 493 Gehöften; 30. Juni 3737 ff 20 793 31. Juli 4308 ,, 31 926 31.August 5095 ff f, 38 250 30. September 5365 „ ff 35 297 15. Oktober 5694 f, ff 34 436 — da ist die Anzahl der Gehöfte ein wenig — um etwa 800 — zurückgegangen. Diese Zahlen sind ja für den einigermaßen Kundigen sprechende Beweise dafür, welch ungeheure Schädigung die deutsche Volkswirtschaft durch diese Invasion der Maulund Klauenseuche hat erleiden müssen; und sicher werden wir alle darin einig sein, daß es notwendig ist, die Einschleppung und Ausbreitung einer solchen Seuche möglichst zu verhindern. Daß Maßregeln gegen die Einschleppung und Verbreitung der Seuche getroffen werden müssen, darin sind auch die Landwirte einig — alle ohne Ausnahme, mögen sie nun Groß- oder Kleinbetriebe haben, und mögen sie sich welcher Partei immer zurechnen. Nur sind wir nicht ganz einig darüber, welche Maßregeln denn nun ergriffen werden müssen. ...

475 /558
... Vielleicht erklärt das auch, daß einmal die Seuche auf Kaninchen übertragbar ist, ein andermal nicht, daß einmal die Seuche eine bösartige Form annimmt, sodaß die von ihr befallenen Tiere bis zu 90 Prozent eingehen, ein andermal, wie es glücklicherweise durchweg bei dieser Epidemie der Fall ist, die Seuche einen gutartigen Charakter hat, und ein eigentliches Eingehen von Vieh selten vorkommt. Aus allen diesen Gründen, meine ich, bekämpfen wir diese beklagenswerte Erscheinung besser, indem wir zunächst einmal dafür sorgen, daß nicht von Osten her immer wieder diese Seuche über Deutschland verschleppt wird, durch zweckentsprechende sachgemäße Einrichtungen, die (L) dann auch nur aus Gründen voraussetzungsloser Wissenschaft angewandt werden und nicht etwa, um Nebenzwecke damit zu erreichen. Und ein andermal wird diese Maulund Klauenseuche nur dann mit Erfolg bekämpft werden können, wenn die wissenschaftliche Forschung aus Reichsmitteln unterstützt wird, um so möglichst bald entsprechende positive Resultate zu erzielen, diese Seuche genügend nach ihrer Art und ihrem Wesen zu erkennen. Das ist der Zweck unserer Interpellation gewesen. Meine Herren, ich hoffe, daß wir hiermit Anregungen in der Sache gegeben haben, und daß diese unsere Anregungen für alle Beteiligten, für die Landwirtschaft sowohl als auch für Handel, Gewerbe und Industrie, insbesondere auch in den Kleinstädten von günstigem Erfolg begleitet sein werden. Wir hoffen, daß unsere Anregung auf fruchtbaren Boden gefallen ist, und daß die leitenden Herren in den leitenden Staatsämtern und Ministerien dieser unserer Anregung Folge geben und sich bemühen, auf diesem Wege etwas Ersprießliches zu erreichen. (Beifall links.) ...
... Auf der anderen Seite haben die Erfahrungen, die wir im Verlauf der letzten Epidemie gemacht haben, und die heutigen Erörterungen insofern für uns eine eminent praktische Bedeutung, weil wir in der Lage sind, sie zu berücksichtigen bet den neu aufzustellenden demnächst abzuschließenden Ausführungsvorschriften, die der Bundesrat zu erlassen hat, und ich darf hinzufügen, daß wir bemüht gewesen sind, alle im Laufe der letzten Zeit gemachten Erfahrungen, vor allem auch die Wünsche der Jntereffentenverbände, die ja eingehend gehört sind, bet der Abfassung der neuen Vorschriften zu berüchstchttgen. Wenn ich nun zunächst mit einigen Worten auf den Stand der Seuche eingehen darf, so will ich mich bemühen, die Sünde, die ich neulich begangen habe, indem ich Sie mit Zahlen überschüttet habe, (Heiterkeit) möglichst dadurch wettzumachen, daß ich mich der äußersten ...

476 /558
... Aber, meine Herren, ich habe vorhin schon erwähnt, daß wir die Erfahrungen dieses Sommers auch benutzt haben, um bei Gestaltung der neuen Ausführungsvorschrtsten nach Möglichkeit die Erfahrungen zu verwerten, die wir bei der letzten Epidemie gemacht haben. Ich habe hier nun vor mir die in Bayern ausgesprochenen Wünsche. Sie sind, soviel ich mich erertnnere, auch in der bayerischen Kammer schon Gegenstand einer Besprechung gewesen. Sie sind veröffentlicht worden im „Bauer, einem Wochenblatt des Christlichen Bauernvereins von Schwaben und Neuburg. Ich habe diese 11 Forderungen durchgeprüft bezw. durchprüfen lassen und mit unseren neuen Äusführungsbestimmungen verglichen und möchte dazu bemerken, daß, wenn ich mich auch nicht überall für die Zweckmäßigkeit der hier aufgestellten Forderungen aussprechen will, doch diese Forderungen, soweit sie überhaupt im Rahmen der Ausführungsbestimmungen berücksichtigt werden können, nach Lage der von uns jetzt ausgearbeiteten Vorschriften, wie sie augenblicklich im Entwürfe vorliegen, erfüllt werden können. Damit würde nach meiner Auffassung eigentlich der wichtigste der Wünsche, die der Herr Redner des Zentrums vorhin ausgesprochen hat, und die in etwas anderer Form ja auch der Herr Abgeordnete Fegter geäußert hat, erfüllt sein. Es handelt sich um eine1 (0) möglichst energische Bekämpfung der ersten Seuchenausbrüche unter vermehrter Heranziehung von Tierärzten und Kontrollorganen. Der Herr Abgeordnete Fegter hat besonders betont, daß, wenn man sich bei einer Epidemie wie der heurigen beschränkt auf den beamteten Tierarzt, Schwierigkeiten entstehen können, die unerträglich sind. ...

477 /558
... Einer der Herren Vorredner hat, glaube ich, vorhin festgestellt, daß für einen preußischen Kreis die Schäden durch die herrschende Epidemie — ich nehme an, daß das direkte und indirekte Schädigungen sein sollen — auf 2 Millionen zu berechnen wären. Ich glaube, ich habe die Zahl richtig verstanden. Mir liegt nun hier eine Berechnung vor, die für das Königreich Bayern ein Sachverständiger, ein Amtstterarzt in Nürnberg, in einer Privatarbeit aufgestellt hat. Er berechnet den Schaden für das ganze Königreich Bayern insgesamt auf 2 420 302 Mark. Meine Herren, ich will mich weder für die eine noch für die andere Schätzung einsetzen — wahrscheinlich werden die Grundlagen, auf denen diese Ermittelungen beruhen, sehr verschieden sein —; aber der Vergleich dieser beiden Ermittelungen zeigt schon, wie schwer es sein würde, auf diesem Gebiete Grundlagen zu finden, nach denen Schäden vergütet werden sollen, die nicht entstanden sind durch den Tod des Tieres — den kann ich feststellen —, sondern durch die Folgen der Er-1030* ...

478 /558
... Aber bei den jetzigen Maßnahmen, bei der Stallsperre, wird nur eine momentane Verhinderung der Durchseuchung erzielt, allein die Bazillen (v) werden im Laufe der Zeit weitergetragen; die Seuchengefahr, die von Ort zu Ort geht, verhindert, daß die Epidemie vollständig erlischt. Darum glaube ich, daß es zweckdienlich wäre, wenn große Sperrgebiete, ganze Markengebiete genommen würden, sodaß die Bestände zu einem raschen Durchseuchen kämen. Wenn ich aber der Meinung bin, daß natürlich die Sperre notwendig ist, so glaube ich doch, daß bei Durchführung der Sperre große Härten bestehen, die vielleicht vermieden werden könnten. Ich glaube, daß die betreffenden Behörden vielleicht nicht immer die nötige Rücksicht nehmen, die genommen werden könnte. Deswegen bin ich der Meinung, daß, wo Milderungen in bezug auf die Sperre möglich sind, ohne den Zweck der Seuchenbekämpfung zu beeinträchtigen, diese Milderungen auch eintreten sollten. Bedauerlich ist, daß die Vollzugsvorschriften zum Seuchengesetz noch nicht erlassen find. Obwohl das Gesetz nunmehr schon seit drei Jahren angenommen ist, liegen die Vollzugsvorschriften noch immer in der Schublade des Reichsamts des Innern. Wir haben ja gehört, daß der Bundesrat sich gegenwärtig mit diesen Vollzugsvorschriften befaßt, und der Herr Staatssekretär hat uns auch geagt, daß die Vollzugsvorschriften und das Gesetz im April 1912 allenfalls in Kraft treten werden. Nun, meine Herren, die Forderung, die gestellt worden ist, die auch in der Resolution vom 18. März d. I. angenommen worden ist, eine Entschädigung für die durch die Maulund Klauenseuche herbeigeführten Schäden aus Reichs-Mitteln zu gewähren, ist notwendig. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1911
Bd.: 269. 1911
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-269

ID: 00003335
479 /558
... Blatternepidemien und Jmpffrage im Ausland (Oesterreich, England, Frankreich, Schweiz, Epidemie in Manchester): Bd. 263, 117. Sitz. S. 42790, 4280X, Off. (Schweiz, Frankreich), 4281^ (England, Gewiffensklausel, Epidemie in London). Blatternepidemie 1870/71, Einschleppung durch französische Kriegsgefangene: Bd. 263, 117. Sitz. S. 4280^.. Blatternepidemie in Bochum: Bd. 263, 117. Sitz. S. 4280V. Ausländer, ausländische Arbeiter, Blatternerkrankungen: Bd. 263, 117. Sitz. S. 42788, 42808. Revision des Jmpfgesetzes, einheitliche Regelung für das Reich, Gewiffensklausel, Denkschrift: Bd. 263, 117. Sitz. S. 4282^.. „Verbrecherische Agitation der Jmpfgegner: Bd. 263, 117. Sitz. S. 42828. Kali, Kaligesetz. Kaligesetz, — zweite Beratung: Bd. 261, 82. Sitz. S. 3027 v (Karenzzeit, Herabsetzung im Interesse der Gemeinden der Provinz Hannover; Entstehung neuer Werke, Vorrechte der hannoverschen Grundbesitzer.) Werke, die vor dem 17. Dezember 1909 mit dem Schachtabteufen begonnen haben usw.: Bd. 261, 82. Sitz. S. 3028 8 ff. Propaganda in den Kolonien, Erhöhung der Etatsposition: Bd. 265, 154. Sitz. S. 57700 (Geschäftsordnung). Kamerun. Bahnbauten, Mißstände, Mißhandlung der farbigen Arbeiter seitens der Aufseher, Bestrafungen der Schachtmeister usw.: Bd. 268, 210. Sitz. S. 80448. —, Wünsche in bezug auf den Bau einer Südbahn; Zweigbahn von der Mittellandbahn aus: Bd. 259, 27. Sitz. S. 9348. Deutsche Sprache, Verwendung der englischen Sprache im Verkehr mit Eingeborenen (Leutnant Schipper): Bd. 260, 60. Sitz. S. 2252V. Flußläufe (Benue), Benutzung zu Transporten: Bd. 259, 27. Sitz. S. 934^. Kautschukausbeute; Oelproduktion: Bd. 259, 27. Sitz. S. 9340. Sanitäre Verhältnisse, Infektionskrankheiten, Bekämpfung: Bd. 259, 27. Sitz. S. 937^.. Schutztruppe, Meuterei; Anwerbung landfremder Soldaten (Askaris): Bd. ...

480 /558
... Maul- und Klauenseuche, Stand der Epidemie; Bekämpfung; Frage der Ansteckung; Impfung; Tötung der erkrankten Tiere in Dänemark; Entschädigung für die Besitzer: Bd. 265, 151. Sitz. S. 5617^.ff. Viehzucht, Bestand des Viehs in Deutschland, Frage einer Fleischnot: Bd. 265, 151. Sitz. S. 56178. Wertzuwachssteuer s. „Grundstücke. Wohnungsfürsorge: Bd. 260, 47. Sitz. S. 1677 8 (Geschäftsordnung). Zentralverband deutscher Industrieller. Berufsgenoffenschasten als Mitglieder des Zentralverbandes deutscher Industrieller, Beiträge, Verwendung zu politischen Zwecken, Gründung eines Wahlfonds: Bd. 267, 177. Sitz. S. 6842^.. Zolltarif, Abänderung des H 15, s. „Versicherungswesen unter 1. ...


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