Verhandlungen des Deutschen Reichstags

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Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1874
Bd.: 31. 1874
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 yb,A-31

ID: 00018367
41 /558
... eine solche Berufung für die Choleraepidemie, um die Maßregeln gegen diese unglückliche Epidemie vorzubereiten. Freilich die Resultate sind uns nicht recht bekannt geworden und wirksam sind sie leider nicht gewesen. Aber das hindert doch nicht, die Behauptung aufzustellen, daß die Berufung von den geeignetsten Männern der Wissenschaft für die gerade vorliegende Frage das Richtigere ist, denn wir werden bei einem ständigen Medicinalkollegium doch nicht alle die verschiedenen Specialrichtungen in der medicinischen Wissenschaft vertreten sein lassen können, und ich fürchte, die Homöopathen und die Allopathen würden sich sehr schwer in einem solchen Kollegia vertragen. Dann habe ich die Ueberzeugung, daß nach der Natur der Dinge bei der Konstituirung eines solchen Amtes eine große Zahl solcher Männer, die besonders geeignet wären, ausgeschlossen werden, eben weil sie nicht hier in Berlin sind; und so unzweifelhaft es ist, daß Berlin eine große Zahl der ausgezeichnetsten und tüchtigsten Aerzte besitzt, so werden doch diese Herren selbst nicht leugnen, daß für verschiedene Fragen in anderen Staaten noch bedeutendere Autoritäten sich befinden, und die kann man in einem solchen ständigen Gesundheitsamts nicht vereinigen. Wenn ich aber in diesen Dingen irren sollte, so meine ich, daß jedenfalls der Reichstag wohl thäte, ehe er den Antrag auf Konstituirung einer neuen Behörde, also auf neue Gehälter und neue Staatsdiener, macht, die Initiative der Regierung zu erwarten. Zch habe die Ueberzeugung, daß die Bundesregierungen und der Bundeskanzler, wie das Bundeskanzleramt, sobald sie wirklich das Bedürfniß nach einer solchen Behörde empfinden, uns ihre desfallsigen Anträge bringen werden. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1874
Bd.: 33. 1874
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 yb,A-33

ID: 00018374
42 /558
... dem 8 19 als drittes Alinea hinzuzufügen: „Die in den einzelnen Bundesstaaten bestehenden Bestimmungen über Zwangsimpfungen bei dem Ausbruch einer Pocken - Epidemie werden durch dieses Gesetz nicht berührt. Berlin, den 14. März 1874. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1875
Bd.: 36. 1874/75
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 yb,A-36

ID: 00018378
43 /558
... wenn eine große Anzahl von Zeugen zu laden ist, welche größtentheils an demselben vom Landgerichte weit entfernten Orte wohnen, wenn wegen Ausbruchs einer Epidemie am Orte des Landgerichts die Abhaltung von Schwurgerichtssitzungen an diesem Orte vermieden werden muß, oder wenn zur Verhandlung eines in einer Gefangenenanstalt verübten Verbrechens Gefangene als Angeklagte oder Zeugen zu laden sind, deren Transport nach dem Orte des Schwurgerichtssitzes schwierig und gefährlich wäre. In solchen Fällen kann es den Umständen nach zweckmäßig sein, die betreffenden Sitzungen an dem geeigneten anderen Orte abzuhalten. Da die Hülfsgeschworenen ihrer Bestimmung gemäß in der nächsten Umgebung des jedesmaligen Sitzungsortes wohnen müssen, so bestimmt der Entwurf, daß für solche Sitzungen von dem Landgerichte eine besondere Liste von Hülfsgeschworenen gebildet werden soll. 8. 80. Der Entwurf überläßt es der Landesjustizverwaltung, zu bestimmen, daß die Bezirke mehrerer Landgerichte zu einem Schwurgerichtsbezirke zusammengelegt und die Sitzungen des Schwurgerichts bei einem der Landgerichte abgehalten werden. Die Vorschrift ist nothwendig, damit die Landesjustizverwaltung die Abgrenzung der Landgerichtsbezirke mit Rücksicht auf die sonstige Thätigkeit der Landgerichte in der geeignetsten Weise treffen kann, ohne hierbei durch, die besondere Rücksicht auf die Bildung der Schwurgerichte bei jedem Landgerichte beengt zu werden. Bei kleineren Schwurgerichtsbezirksn ist oft der große Zwischenraum zwischen den einzelnen Sitzungsperioden ein Uebelstand, der nicht nur die Angeklagten trifft, sondern auch die Rechtspflege schädigt. Zn manchen Gegenden würde bei der Bildung kleinerer Schwurgerichtsbezirke vielleicht das geeignete Material an Geschworenen nicht in ausreichendem Maße vorhanden sein. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1876
Bd.: 38. 1875/76
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 yb,A-38

ID: 00018380
44 /558
... Denn das werden Sie mir zugestehen müssen, daß das vorgeschlagene Auskunftsmittel, die Ausnahmen nur durch den Reichskanzler anordnen zu lassen, keine Bestimmung ist, die vor dem Ausbruch einer Epidemie schützt. Wenn in einer Gegend der Seuchenverdacht auftritt, — und ich habe alles Vertrauen zum Reichskanzleramt, daß es so rasch als möglich arbeitet, — so glaube ich doch nicht, daß es im Stande ist, so schnell alle diejenigen Bestimmungen zu treffen, um hier bestehende Ausnahmen nach der oder jener Richtung hin aufzuheben, wie es nothwendig ist, um die Verbreitung der Seuche zu verhüten. Wenn wir auf diese Weise Gesetze machen, dann, glaube ich, brechen wir der Wirksamkeit des Gesetzes die Spitze vollständig ab. Ach muß Sie daher dringend bitten, unser Amendement, wie wir es gestellt haben, anzunehmen. Wer weiß, wie schwerwiegend die Gefahr der Ansteckung den zwei Krankheiten, Lungenseuche und Klauenseuche, gegenüber durch den Transport von Vieh auf Eisenbahnen ist, und welchen Umfang diese Ansteckung annehmen kann, der wird mir darin beistimmen, daß inan einer solchen Gefahr gegenüber nicht Ausnahmen machen darf. Nun sagt der Herr Regierungskommissär, bei den Bezirken, von denen man weiß, daß sie von einer Seuche infizirt sind, können durch die Normen, welche für die Landesregierung vorzuschreiben sind, Ausnahmen nicht gestattet werden. Sehen wir uns aber einmal den heutigen Gesundheitszustand unserer Thiere in Demschland an, und fragen wir, wie viele Bezirke es in Deutschland gibt, die nicht von der Lungenseuche und Klauenseuche iusizirt sind — (sehr richtig!) ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1876
Bd.: 39. 1875/76
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 yb,A-39

ID: 00018381
45 /558
... Anders gestaltet sich die Sache freilich, wenn eine Epidemie eintritt. Zn München haben z. B. im Zahre 1873 die Krankenhausbeiträge 69,000 Gulden betragen, und die Ausgaben 330,000 Gulden, also mit den Zinsen der stehenden Anlagen nahezu das Sechsfache der ersteren. Meine Herren, die Schlüsse, die ich aus diesen Ziffern ziehe, sind sehr einfach. Der eine geht dahin, daß die Gemeinden kein pekuniäres Geschäft mit diesen Beiträgen machen können. Zch habe das hervorzuheben, weil anderwärts wenigstens ein hieher bezüglicher Verdacht laut geworden ist. Der zweite Schluß, den ich ziehe, geht dahin, daß mit dem Betrage von 1 Groschen — dem zulässigen Maximum der Wochenbeiträge — die volle Verpflegung, wie sie nach dem in Bayern bestehenden System geleistet wird, nicht geleistet werden kann. Ich will mich über den wirklichen Bedarf nicht in Konjekturen ergehen, ich glaube aber, daß mindestens der doppelte Betrag von dem erhoben werden müßte, was jetzt bezahlt wird, wenn die Betheiligten die gegenwärtig von den süddeutschen Gemeinden geschehenden Leistungen selbst machen wollten. Zst das richtig, dann entsteht für dis betheiligten Klassen durch das süddeutsche System offenbar eine erhebliche Ersparung. Nehmen wir z. B. das Verhältniß in München an. Wenn jetzt die Betheiligten zirka 70,000 Gulden zahlen, so müßten sie bei eigenem Betriebe 140,000 Gulden zahlen; sie ersparen also eine beträchtliche Summe, welche sie sehr wohl zur Dotirung und Begründung einer freien Kasse für verwandte Zwecke verwenden könnten. Die Entwicklung der freien Kassen wird also durch das System der Krankenhausbeiträge nicht nur nicht gehemmt, sondern gefördert. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1877
Bd.: 46. 1877
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 yb,A-46

ID: 00018390
46 /558
... Auch die letzte große Epidemie von 1872/73 liefert weniger Todte als die schwereren Zahre des vorigen Jahrhunderts. Preußen hatte in den Zähren der schweren Pockenepidemie von 1870—72 durchschnittlich jährlich etwa 20.000 Todesfälle durch Pocken, weniger als 0,1 pCt. der Einwohner, also gleichfalls erheblich weniger wie in den Epidemien vor der Impfung. Wenn irgendwo, so ist gewiß hier der Schluß zulässig: post üo6, 6rK0 proptsr boe. — Bei kleinen Zahlen darf aber den Mortalitätsziffern allein kein zu großes Gewicht beigelegt werden, namentlich können sie nicht zu beweiskräftigen Vergleichen dienen. Einestheils wechselt das Verhältniß der Altersklassen und des Geschlechts unter den Kranken wie unter der Bevölkemng, und damit die Chance des günstigen oder ungünstigen Ausgangs. Anderntheils ist das Eintreten des Todes in Folge einer Krankheit sehr häufig von dem ungünstigen Zusammentreffen zahlreicher anderer Faktoren abhängig, die sich, wenn nicht besondere Umsicht angewendet wird, der Beurtheilung entziehen. Wir müssen vielmehr den größeren Werth auf die Ermittelung der Umstände legen, unter denen die Erkrankung eintritt. Eine der wichtigsten Fragen bezüglich des Impfschutzes bei Kindern und Erwachsenen ist statistisch mit voller Sicherheit noch nicht gelöst. Es fehlt in der Regel und auch in den Schriften der Zmpfgegner die Mittheilung, welcher Zeitraum zwischen Impfung und Blatternerkrankung liegt. Man hat versucht, als Maß für den Impfschutz das Verhältniß der Mortalität zur Erkrankungsziffer zu verwerthen. Viele Zmpffreunde sind der Ansicht, daß bei Geimpften der tödt- ...

47 /558
... Als im Monat Mai die Epidemie ihren Höhepunkt erreicht hatte und die Zahl der Todesfälle eine recht erhebliche war, konnte es nicht unbemerkt bleiben, daß in den recht zahlreich dort angesessenen deutschen und englischen Familien wohl mehrere Erkrankungen vorgekommen, ein Todesfall aber nicht zu registriren war. Stürmisch wurde nunmehr von allen Seiten eine möglichst allgemeine Vaccination begehrt und nachdem mit Mühe Lymphe herbeigeschafft war, in öffentlichen Lokalitäten unentgeltlich ausgeführt. Auffallender Weise setzte gerade die niedere, meist aus Farbigen bestehende Bevölkerung der Vaccination fortgesetzt aus Vorurtheil und Unwissenheit den entschiedensten Widerstand entgegen und blieb mit geringen Ausnahmen ungeimpft. Die Epidemie erlosch ungefähr im Juli und hatte eine ganz erhebliche Anzahl von Todesfällen zu verzeichnen. Im folgendem Jahre, 1853, etwa im März traten Variolen in dem 14/z Vognas (Meilen) entfernt landwärts belegenen Städten Sta Luzia auf, wurden, wie vorauszusehen war, nach Montevideo eingeschleppt und bemächtigte sich der Bevölkerung der Stadt im Hinblick auf die Erlebnisse des Vorjahres eine wahre Panik, so daß manche Familien der besseren Stände ins Innere des Landes flohen. Nachdem die Krankheit sich während März und April mehr in den Umgebungen der Stadt gehalten, drang sie wieder in die Stadt selbst ein und steigerte sich abermals zu einer Epidemie, unter der vorzugsweise die farbige, nicht geimpfte Bevölkerung zu leiden hatte, und während sie allerdings im Ganzen milder auftrat, als im Vorjahr, doch unter der farbigen Bevölkerung der Hauptstadt noch eine namhafte Anzahl von Todesfällen aufwies. ...
... Daß auch die dem Hesseren Mittelstand und den höheren Kreisen ungehörige Bevölkerung, welche sich 1852 gegen das Ende der Epidemie der Impfung unterzogen, mehr verschont blieb und nur einige wenige Todesfälle zu registriren hatte, blieb nicht unbemerkt. Ich bemerke schließlich, daß mit Ausnahme der vaccinirt immigrirten Fremden bisher die Vaccination in Montevideo nicht angewandt wurde und im Volke unbekannt war. Zn vollkommener Uebereinstimmung mit diesen Erfahrungen, bemerkt ein anderes Mitglied, habe sich in seinem Kreise in Ostpreußen gelegentlich der durch die französischen Gefangenen eingeschleppten sehr schweren und ungewöhnlich ausgedehnten Pockenepidemie sowohl die Impfung als die (Bericht der Kommission für Petitionen.) zwangsweise Revaccination in so ausgezeichneter Weise bewährt, daß bei ihm ein Zweifel darüber gar nicht mehr aufkommen könne. Bei den mit gutem Erfolg Geimpften sei keine einzige Erkrankung an den Pocken vorgekommen; nur bei den doch Befallenen sei aus den mit größter Sorgfalt geführten Jmpflisten die nicht erfolgreiche Impfung mit voller Sicherheit zu constatiren gewesen. Dem entgegen erklärt ein Mitglied den Impfzwang für eine ihm sehr bedenkliche Maßregel; namentlich in Ansehung des von vr. Oidtmann vorgebrachten Materials erscheine die Jmpffrage denn doch mindestens nicht vollkommen spruchreif. Auf die aus den Impfungen beim Militär gewonnene Statistik dürfe kein zu großes Gewicht gelegt werden, indem es da sich wesentlich um gesunde und kräftige Individuen handele, bei den Kinderimpfungen aber fehle es an sicheren Angaben über die Nachkrankheiten nach der Impfung, welche den tödtlichen Ausgang herbeiführten; die ganze Statistik sei also mangelhaft. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1878
Bd.: 47. 1878
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 yb,A-47

ID: 00018391
48 /558
... Wie leicht kann es künftig eintreten, daß durch Zufall, vielleicht durch eine Epidemie, die Gegenpartei gar nicht in der Lage ist, von der Hilfe eines Advokaten Gebrauch zu machen. Wie leicht ist es auch möglich, sämmtliche Advokaten von der Möglichkeit auszuschließen, für dis Gegenpartei aufzutreten? Man braucht ja nur in einer Rechtsfrage von jedem einzelnen der Anwälte nur ein Gutachten einzufordern, dann find sie nach allgemeinen Grundsätzen und den speziellen Bestimmungen des Entwurfs nicht in der Lage, der Gegenpartei ihre Dienste zu widmen, dann tritt nach den Grundsätzen dieses Entwurfs ein vollständiges ju8titium ein. Zm großen und ganzen darf man wohl hoffen, daß, was die Oberlandesgerichte und Landgerichte anbelangt, die angedeuteten Schwierigkeiten sich allmählich in der Praxis lösen werden. Große Schwierigkeiten wird aber die Beantwortung der aufgeworfenen Frage für unsers Amtsgerichte haben, und hierin liegt ein besonderes Interesse für uns, die wir ja wesentlich die Interessen des platten Landes und der kleinen Städte zu vertreten haben. Meine Herren, das Bedürfniß des Rechtsschutzes ist auf dem platten Lande und in den kleinen Städten ein sehr großes, die Leute auf dem platteu Lande sind viel mehr daran gewöhnt, Unterstützung beim Rechtsanwalt zu finden, als vielleicht dis Bewohner der Städte. Zch habe mir klar zu machen gesucht, welch ungeheurer Umschwung in der Provinz Ostpreußen durch die Einführung der neuen Justizorgamsation und die Einführung der neuen Anwaltsordnung eintreten ...

49 /558
... Thatsächlich ist die Kaserne in Weisenau, ganz nahe bei Mainz, feucht und ungesund, und es brach in neuerer Zeit dort eine starke Epidemie unter den Soldaten aus. Meine Herren, was ist damals geschehen? Man legte ohne weiteres die Mannschaften hinaus in die benachbarten Landgemeinden trotz des Protestes derselben, weil dieselben mit Recht fürchteten, daß die Verlegung der Mannschaften die Epidemie auf das Land, in ihre Gemeinden übertragen würde. Der Protest blieb erfolglos, vielleicht weil es an anderen Räumlichkeiten fehlte. Die Stadtverordnetenversammlung von Mainz hat sich hierauf, ich glaube an das Kriegsministerium selbst, jedenfalls an die großherzoglichhessische Regierung mit der Bitte um Abstellung dieses Uebelstandes gewendet. Denn ein Uebel sind solche Vorgänge doch unläugbar für alle Betheiligten. Deshalb erlaube ich mir. die Anfrage an die Herren Vertreter der Bundesregierung zu richten: ob sie genügende Aufmerksamkeit auf diesen unläugbaren Mißstand in Mainz bezüglich der Kasernirung gerichtet haben, und ob sie geneigt und veranlaßt sind, bald die nöthigen und erforderlichen Kasernements dort in geeigneter und ausreichender Weise zu beschaffen? Präsident: Der Herr Kriegsminister hat das Wort. ...

50 /558
... Wir haben Mannschaften aus Spandau nach Charlottenburg verlegt, ohne daß sich eine Spur von Epidemie verbreitet hatte. Auch wird jedenfalls Sorge getragen werden, daß die Kaserne, bevor sie wieder belegt wird, durchaus und gründlich desinfizirt wird. Zch glaube, Sie können das Vertrauen haben, daß für die Soldaten so viel als möglich gesorgt wird, und auf der anderen Seite sehen Sie aus unseren Budgetforderungen für Kasernen, wie wir bestrebt sind, die Bügerschaft möglichst von der Einquartierungslast zu befreien. Präsident: Die Bewilligung des Tit. 21 ist nicht angefochten worden; ich konstatire, daß sie erfolgt ist. Tit. 22. — Der Herr Berichterstatter hat das Wort. Berichterstatter Abgeordneter Or. Hammacher: Meine Herren, wie ich bei Tit. 18 auszuführen die Ehre hatte, ist dis Budgetkommission in Uebereinstimmung mit der Militärverwaltung von dem großen Nutzen der militärischen Dampfwaschanstalten überzeugt. Hier bei Münster hat sie trotzdem die Kreditforderung für eine solche Anstalt ablehnen zu sollen geglaubt, weil irr Münster für die daselbst befindliche Garnison eine, wenn auch knapp ausreichende und mangelhafte militärische Waschanstalt besteht, und weil ein so dringendes Bedürfniß wie bei Hannover nicht nachgewiesen ist. Deshalb beantragt die Kommission die Ablehnung. Präsident: Ohne Widerspruch aus dem Hause; ich konstatire, daß Tit. 22, Bau einer Dampfwaschanstalt nebst Wäschemagazin für die Garnison in Münster, erste Rate, 56 000 Mark, nicht bewilligt, sondern abgelehnt worden ist. Tit. 23. — Widerspruch wird nicht erhoben; der Titel ist bewilligt. Tit. 24. — Der Herr Berichterstatter hat das Wort. Berichterstatter Abgeordneter Or. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1878
Bd.: 49. 1878
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 yb,A-49

ID: 00018396
51 /558
... Bezüglich des Trinkwassers hat dasselbe zunächst eine Erhebung über die Wasserversorgung der Städte über 15 000 Einwohner bis ins Detail hinein angestellt und hält das erhaltene Material bereit, um dasselbe theils in Vergleich zu stellen mit den Ergebnissen der Todesursachenstatistik in denselben Städten, theils auch beim etwaigen Ausbruche einer größeren Epidemie in diesen Städten sofort zur Hand zu haben. Die noch keineswegs zu einer endgültigen Aufklärung gediehene Frage über die beste Art der Entfernung der organischen Abfallstoffe aus der Umgebung der menschlichen Wohnungen erfordert nach allseitig gehegten Ueberzeugungen die Anstellung von Ermittelungsarbeilen in so großem Maßstabe, daß ohne Inanspruchnahme staatlicher Mithülfe eine Lösung derselben nicht erwartet werden kann. Dieselbe ist aber bei der zunehmenden Konzentration der menschlichen Niederlassungen auf enger begrenzte Räume und bei der dabei stets zunehmenden Verpestung des Bodens, der Luft, der Brunnen und öffentlichen Wasserläufe zu einem so dringenden geworden, daß ein längeres Zuwarten ihr gegenüber die schwersten Folgen nach sich ziehen könnte. Vor Allem ist es die Frage der Einwirkung der Flußverunreinigungen auf die menschliche Gesundheit, die Konstatirung dieser Verunreinigungen durch Kanaljauche und Zndustrieabfälle und die Auffindung von Mitteln zur Abhülfe dagegen, welche keiner befriedigenden Lösung innerhalb der engeren Erhebungsbereiche der Einzelstaaten fähig ist, sondern zu einer eingreifenden und umfassenden Forschung im Gebiete des gesammten Reichs dringend auffordert und das Gesundheitsamt veranlaßt hat, einen diesbezüglichen Antrag dem Herrn Reichskanzler zu unterbreiten. Zn inniger Beziehung zur öffentlichen Gesundheitspflege steht die Sorge der Abwehr gegen die Entstehung und Verbreitung der Viehseuchen. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1878
Bd.: 50. 1878
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 yb,A-50

ID: 00018397
52 /558
... Ende April 1871 wurde darauf, nachdem, wie Petent behauptet, viele Hundert Pockenkranke gestorben, und wegen der vom Lazareth im Hotel Bismarck aus durch die ganze Stadt verbreiteten Epidemie von den Einwohnern derselben an die Oberbehörden remonstrirt worden war, das Hotel wieder geräumt und das Lazareth nach den leer stehenden fiskalischen Gebäuden auf der kleinen zur Festung gehörigen Insel Dänholm verlegt. Zur Abschätzung des dem Petenten entstandenen Schadens trat nunmehr eine neue, theilweise aus den früheren Mitgliedern zusammengesetzte Kommission zusammen, und setzte nach mehrtägigen Verhandlungen unter dem 13. Mai chck. sowohl für die stattgefundenen Deteriorationen des Hotelgrundstücks als für die entzogene Benutzung desselben die Summe von 10 000 Thlr. als angemessene Vergütung fest, welche den Petenten für die in Folge der Benutzung des Hotels als Lazareth „verursachten Nachtheile nach allen Richtungen hin reichlich schadlos zu stellen geeignet sei, ohne daß weiter gehende Anforderungen als berechtigt anerkannt werden könnten (cfr. Anlage IV). Als dies Resultat der Abschätzung dem Petenten, welcher behauptet bei derselben sowenig wie die Vertretung der Stadtgemeinde persönlich zugezogen worden zu sein, am 16. Juni sjck. mitgetheilt wurde, bestritt er wiederum die Richtigkeit derselben, bemängelte insbesondere die Unparteilichkeit der zugezogenen Taxatoren und verlangte die Gewährung einer Entschädigung von 35 000 Thlr.oder die Erwerbung des Grundstückes seitens der Militärverwaltung für den Preis von 60 000 Thlr., eventuell aber eine anderweite Abschätzung unter seiner und der Stadtgemeinde Beiziehung. In Folge Verfügung der Königl. Regierung zu Stralsund wurde hierauf am 1. Juli chä. ...

53 /558
... Wie schlecht aber die Aerzte die Gelegenheit zu ätiologischen Beobachtungen über das Auftreten der Pocken selbst bei der 70er Epidemie wahrgenommen, davon zeugen die Urpockenjournale aller Polizeiämter aus dem Seuchenjahre; drittens hätten auch in den Universitätsstädten Ortspockenepidemien nicht so häufig geherrscht, daß die medizinischen Professoren erinnert worden wären, daß es überhaupt noch eine Pockenfrage gäbe; viertens verriethen alle die Kollegen der Bekanntschaft des Petenten, welche sich mit ihm über Pocken und Impfung unterhalten, eine unglaubliche Unbelesenheit in der Pockenpolemik. Daraus gehe hervor, daß den Aerzten mit jener wissenschaftlichen Unterlage auch die Unbefangenheit des Urtheils über Werth oder Unwerth der Impfung abgehen müsse; fünftens habe Petent auf seine Flugschriften eine große Menge brieflicher Geständnisse von Kollegen über ihre bisherige Vernachlässigung der Pockenstudien und der Pockenstatistik zu Händen bekommen, so daß er den Aerzten mehr noch als vielen Laien jede Kompetenz zu einer Abstimmung und Expertise über das Zmpfgesetz absprechen müsse; sechstens will Petent Geständnisse medizinischer Lehrautoritäten über ihre bisherige Vernachlässigung der Pockenlehre besitzen, giebt jedoch Namen nicht an, wohl aber die Aeußerungen eines Koryphäen der Wissenschaft, dahin lautend: „Ich selbst habe mich nicht eingehend mit der Zmpffrage beschäftigt, habe also nur Autoritätsglauben und vermag diesen vor noch weiterer Prüfung nicht aufzugeben. Es schadet nichts, wenn dieser Glaube auf wissenschaftliche Art geprüft wird. Bei der Zusammenkunft von ...

54 /558
... auch Herr Löhnert in der oben zitirten Schrift die ohne Erfolg Geimpften einfach als Geimpfte, während Thomas und Wagner in ihrer Statistik der Epidemie von 1870 zu 1871 in Leipzig dieselben selbstverständlich unter die Üngeimpften zählen, dann aber allerdings ein glänzendes Zeugniß zu Gunsten der Schutzkraft der Vaccination erzielen. So lange die Gegner sich nicht auf das seit der Herrschaft des Zmpfgesetzes aufgekommene Material stützen, könne deren statistischer Beweisführung absolut kein größerer Werth zugesprochen werden als derjenigen der Jmpffreunde. Einstweilen sei und bleibe die tausendfältige Erfahrung der ungeheuren Mehrheit der praktischen Aerzte nicht nur Deutschlands, sondern der ganzen Welt, die Erfahrung beim Militär und endlich der in der Impfung selbst gegebene pathologische Versuch die unerschütterliche Stütze des Zmpfgesetzes. Was endlich das Verlangen des Dr. Oidtmann sowohl, wie vieler der anderen Petenten anlange, dasJmpfgetz solle einer gemischtenKommissionvorgelegtwerden, so glaubt Referent den Hinweis darauf nicht unterlassen zu dürfen, daß gerade die Petitionskommission diese Forderung erfüllt. Es seien in ihr vorhanden 4 staatliche und 2 städtische Verwaltungsbeamte, 8 Zuristen, 4 Geistliche, 2 Kaufleute, 5 Gutsbesitzer und nur 2 Aerzte, darunter allerdings kein Zmpfgegner. Die allerernsteste Aufmerksamkeit der Kommission, sowie des Reichstags und vor allem aber der Reichsbehörden müßten, führt Referent weiter aus, solche traurige Fälle in Anspruch nehmen, wie die in den Petitionen sowohl als auch bereits in der medizinischen Fachpresse mitgetheilten Fälle von Verimpfung der Syphilis bei der Revaccination in Lebus, und angeblich auch in Tzschetzschnow und Bukau bei Magdeburg vorgekommenen. ...

55 /558
... Nittinger, ins Werk gesetzten ziemlich verbreiteten Antiimpfbewegung, theils in einer gewissen Scheu der Behörden vor zwangsweiser Durchführung des Jmpfens bei diesen Jmpfgegnern ihren Grund gehabt habe, bei jener Epidemie die Ausbildung eines sehr intensiven Ansteckungsheerdes und eines besonders bösartigen Charakters der Krankheit zur Folge hatte. Aus jener Epidemie wurde sodann ein Fall angeführt, in welchem ein ungeimpftes Kind in einem von etwa 40 Personen bewohnten Hause an der bösartigsten Form der Blattern erkrankte und starb, dagegen, ungeachtet der ungenügenden Absperrung der von der betreffenden Familie bewohnten Räume, weder ein Mitglied dieser Familie, noch sonst ein Bewohner des Hauses, welche sämmtlich einige Zeit zuvor in Folge allgemeiner Anordnung der Behörden revaccinirt worden waren, erkrankte, mit Ausnahme eines einzigen Dienstmädchens, welches allein zuvor sich der Revaccination nicht unterzogen hatte. Durch diese Thatsachen werde nach der Ansicht jenes Mitgliedes nicht blos die Schutzkraft der Revaccination, sondern auch die Gemeingefahr, welche durch eine Aufhebung oder nachgiebige Handhabung des Impfzwanges entstehe, und in welcher eben dieser Impfzwang seine volle Rechtfertigung finde, auf das Klarste bewiesen. Auf die oben mitgetheilten bezüglichen Ausführungen der impfgegnerischen Mitglieder wird von einem anderen Mitglied der Kommission Widerspruch dagegen erhoben, daß man aus der an Zahl relativ so geringen Jmpfschädigungen so weitgehende Folgerungen gegen den Impfzwang ziehen wolle, sowie gegen die Behauptung, die Aerzte selbst seien in der Frage nicht klar und vertrauten nicht auf den Schutz der Impfung. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1879
Bd.: 52. 1879
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 yb,A-52

ID: 00018399
56 /558
... Endlich, meine Herren, ist es von sehr hohem Interesse, den Einfluß der Jahreszeiten auf den Gang der Epidemie zu beobachten. Sie entwickelt sich gewöhnlich im Anfange des Winters, in den Monaten Dezember bis Februar, erreicht gegen den Frühling ihre Höhe, um mit der heißen Jahreszeit wieder zu erlöschen. Eine der allerschlimmsten Wirkungen, die eine Pestepidemie hat, namentlich in politischer Beziehung, ist die Panik, die so leicht die Bevölkerung ergreift, wo sie ausbricht, und nur zu leicht zur Auslösung aller sozialen Ordnung führt. Nichtsdestoweniger haben wir vorläufig durchaus keinen Grund einer übertriebenen Besorgniß vor der Invasion der Pest. Es ist auch darüber bei allen Beobachtern Einstimmigkeit, daß man durch gehörige geregelte Gesundheitspflege, namentlich durch minutiöse Reinlichkeit sich gegen die Pest ebenso verwahren kann, wie gegen jede andere infektiöse Volkskrankheit. Ich will aber damit keineswegs irgendwie Sorglosigkeit veranlassen; es würde im Gegentheil ein sehr verhängnißvoller Fehler sein. Nachdem heute Eisenbahnen und Dampfschiffe den internationalen Verkehr so sehr ineinander verwebt haben, nachdem namentlich mit dem Orient ein lebhafter Verkehr in Stoffen stattfindet, die unzweifelhaft Träger des Kontagiums sein können, da ist auch für uns entschieden die Gefahr vorhanden, daß dieser unheimliche Gast auch unsere Grenzen überschreitet. Damit komme ich zur zweiten Frage, die ich stelle, zu dem guiä taoiawus nos? Da muß ich allerdings konstatiren, daß man im Anfang die Sache nicht genügend überwacht hat. Es ist heute kein Zweifel mehr darüber, daß das, was wir jetzt vor uns sehen, bereits im Jahr 1874 seinen Anfang genommen hat. ...

57 /558
... Zch möchte also doch glauben, daß wir trotz der beruhigenden russischen Nachrichten die volle Aufmerksamkeit jener russischen Epidemie zuwenden müssen, und ich möchte mir vor allem erlauben, an den Herrn Präsidenten des Reichskanzleramts die Frage zu richten, die der Herr Interpellant bereits an ihn gerichtet hat, und die, soviel ich gehört habe, von ihm noch nicht beantwortet worden ist, nämlich die Frage, ob die Regierung in der Lage sei, uns Mittheilungen darüber machen zu können, welche Vorsichtsmaßregeln dis russische Regierung ergriffen hat oder ergreifen wird, um nicht durch die rückkehrende russische Armee Epidemien nach Rußland und damit auch nach dem übrigen Kontinent einzuschleppen. Zch glaube, diese Frage, die der Herr Professor Virchow neulich in der hiesigen medizinischen Gesellschaft ausgesprochen hat, ist von so eminenter und vielleicht größerer Bedeutung, als die augenblickliche Pest in Astrachan, so daß ich bitten würde, diese Frage speziell zu beantworten. Zm übrigen glaube ich allerdings, so vorbeugend auch die Maßnahmen gewesen sind, daß wir doch durch diese eventuell nicht geschützt werden können vor dem Eindringen dieser oder irgend einer anderen Epidemie, und ich möchte bei dieser Gelegenheit noch auf etwas anderes aufmerksam machen und auch nach dieser Richtung hin mir eine Erklärung von der Negierung erbitten. Das wichtigste beim Entstehen einer Epidemie ist unzweifelhaft die Kenntniß über den ersten Fall, der überhaupt vorkommt. Gelingt es, diesen ersten Fall zur Kognition der Behörden zu bringen, so ist damit die Möglichkeit gegeben, dem Weitergreifen der betreffenden Epidemie vorzubeugen. ...
... Zch glaube, daß es absolut nothwendig ist, mit Rücksicht auf die Epidemien, die uns vom Osten her in der Regel, und speziell von Rußland her, eingeschleppt werden, daß in den Grenzdistrikten unseres Reichs, speziell also in den Grenzkreisen der Provinz Preußen, Posen und Schlesien eine obligatorische ärztliche Leichenschau eingeführt wird, damit man sofort Kenntniß davon bekommt, wenn irgendwie eine Epidemie dort im Entstehen ist. Meine Herren, in einer sehr ausgezeichneten Arbeit des Medizinalraths Dr. Pistor von der Regierung zu Oppeln ist im vorigen Zahre erst nachgewiesen worden, wie ungenügend die Zustände nach dieser Richtung hin in jenen Grenzkreisen sind, aus denen uns die Epidemien nach Deutschland hereingeschleppt werden. Es kann a er auch gegen die obligatorische ärztliche Leichenschau in diesen Grenzkreisen nicht etwa eingewandt werden, daß der Arzt, wenn der Betreffende todt ist, auch nicht sehen kann, was ihm gefehlt hat, denn gerade in den epidemischen Fällen, um die es sich hier handelt, ist man im Stande, nach dem Tod durch die Besichtigung der Leiche in der Regel eine Diagnose zu stellen. Das gilt also in Bezug auf die Pest durch die Drüsenanschwellungen, das gilt in Bezug auf den exanthematischen Typhus durch die Blutunterlaufungen, die sich noch bei der Leiche finden. Zst es möglich, den ersten Fall, der in einem solchen Grenzkreise vorkommt, zu konstatiren, so ist damit die Möglichkeit gegeben, die betreffenden Orte zu isoliren und die Weiterverbreitung zu verhindern. ...

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... Wir haben eine Epidemie der Verbrechen, das ist wahr; es ist in Spanien auf den Monarchen geschossen worden, es ist in Italien auf den Monarchen geschossen worden, das ist richtia; aber, meine Herren, — später werde ich noch auf die Art und Weise zu sprechen kommen, wie diese Attentate ausgebeutet worden sind, —aber wo ist der Beweis für unsere Mitschuld, wo ist der Beweis dafür, daß wir deutsche Sozialdemokraten, speziell die Berliner Sozialdemokraten das geringste mit diesen Ereignissen zu schaffen gehabt haben? Zeder Sozialdemokrat, der die Grundsätze unserer Partei begriffen hat, glaubt als Sozialdemokrat an das organische Entwickelungsgesetz der Gesellschaft, er ist kraft seiner sozialdemokratischen Weltanschauung ein prinzipieller Gegner gewaltsamen persönlichen Eingreifens, persönlicher Gewaltthätigkeit, wenn auch die persönliche Gewaltthätigkeit, soweit sie in der Weltgeschichte bitz, jetzt vorgekommen ist, fast als Regel vorgekommen ist, durchaus erklärlich gefunden werden muß- Aber von allen politischen Parteien ist gerade die sozialistische diejenige, die von sich behaupten kann, — nicht, daß sie den Meuchelmord mißbilligt, das setze ich von jeder Partei als selbstverständlich voraus, — nein, daß sie die Basis nicht hat, auf welcher der politische Meuchelmord entsteht: ich meine den Glauben an die Wunderkraft einzelner Personen, den Glauben an große Männer, an gottähnliche Individuen, die den Gang der Geschichte entweder aufhalten oder sie nach Belieben in willkürliche Bahnen lenken könnten. Wer das glaubt, wer z. B. annimmt: dieser oder jener Mann kann Deutschland verhindern, glücklich zu werden, — hier ist das Leben eines Menschen, dort das Glück von1 431 Millionen! ...
... Es ist freilich wahr, daß in der letzten Zeit eine wahre Epidemie der Verbrechen grassirt hat, daß sie noch grassirt, aber sind Sie denn sicher, daß nicht die Art und Weise, wie die Attentate in Deutschland politisch ausgebeutet worden sind, wesentlich zu dieser Verbrechenepidemie beigetragen hat? Zn verschiedenen Zeitungen, auch in Regierungsblättern, z. B. in der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung wurde seiner Zeit ausgeführt, daß der Kultus, der mit dem Bildniß Hödels getrieben ward und die sensationellen Zeitungsartikel über das Hödelsche und Nobilingsche Attentat der Herostratischen Großmannssucht geschmeichelt haben und geeignet gewesen seien, disponirte Naturen zu ähnlichen Verbrechen anzuspornen. Wenn man liest, was von Moncasi in seinen Verhören über den Eindruck ausgesagt worden ist, welchen der Prozeß Hödels und dessen Besprechung in der Presse auf ihn gemacht, wird man zu der Vermuthung gedrängt, daß, wenn die deutschen Attentate nicht so sensationell zu politischen Zwecken ausgenutzt worden wären, aller Wahrscheinlichkeit nach kein Moncasi und kein Passanante aufgetreten wären. Zn England hatte man auch in jüngster Zeit so etwas wie ein politisches Attentat, wenigstens glaubte man einem politischen Komplott gegen das Leben der Königin auf die Spur gekommen zu sein. Ein Tollkopf bedrohte das Leben der Königin. Za, was that man dem Manne — M. Madden hieß der Unglückliche —? Man behandelte ihn, wie es vernünftig war, machte von der Sache kein Aufhebens und sperrte den Narren in ein Narrenhaus. Es wird kaum jemand, der sich nach herostratischer Berühmtheit sehnt, Lust haben, dieses Schicksal zu theilen. ...

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... Aber niemand ist es in England eingefallen, jene Attentate zu politischen Zwecken zu verwerthen, sie auf politische Ursachen zurückführen zu wollen, man glaubte einfach an eine Epidemie des Mordens, des Verbrechens, und die Attentäter wurden sämmtlich ins Irrenhaus gesperrt. — Auch jetzt, meine Herren, können wir mit Fug und Recht von einer Epidemie des Verbrechens reden, allein das Wort Verbrechen ist in weiterem Sinne zu nehmen, als dem des politischen Mords. Ja, es herrscht die Epidemie des Verbrechens, gerade wie wir andere Epidemien haben, — eine Epidemie der sittlichen Krankheiten, die unser Zeitalter mit früheren Geschichtsperioden gemein hat — eine Epidemie, wie sie aufzutreten pflegt, wenn alle Gesellschaften zu Grunde gehen, und besonders auch nach langen Kriegen, z. B. nach dem dreißigjährigen Kriege. Und in einer ähnlichen Periode leben wir ja gegenwärtig —; die Menschheit ist außer Rand und Band in sittlicher wie in wirthschaftlicher und politischer Beziehung — wir befinden uns in einer Aera der Kriege, und die natürliche Folge ist, daß die Statistik eine furchtbare Zunahme der Verbrechen aufweist. Aber was hat die Sozialdemokratie damit zu thun? Man verwechselt hier wieder, wie es in dem Rechenschaftsbericht so oft geschieht, die Ursache und die Wirkung. Die Sozialdemokratie ist unzweifelhaft ein Produkt dieser krankhaften Zustände. (Ruf: Ganz richtig!) Sie ist die Reaktion des sozialen Körpers gegen die Krankheit, die in ihm steckt. Aber eine Umkehr der Wahrheit ist es, zu behaupten, die Sozialdemokratie habe die Krankheit erzeugt. ...

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... Es ist in der That, man könnte fast sagen, eine Epidemie von Mordanfällen eingetreten, und daß diese Epidemie in der That auch bei uns nicht ganz erloschen ist, das beweisen die schmählichen Drohbriefe, welche in sehr großer Zahl erlaffen worden, (Zuruf aus der äußersten Linken: Auch an uns!) theils an die Allerhöchste Person, theils an eine Menge anderer Personen, welche doch auch mit in Betracht kommen müssen. Nun, meine Herren, soweit sie mich betroffen haben, so habe ich dasselbe damit gemacht, wie der Herr Vorredner, ich habe sie in den Papierkorb geworfen. Das ist eine Verantwortung, die der einzelne Mann für sich übernehmen kann und übernehmen darf. Es ist aber eine Verantwortung, die man nicht übernehmen darf, wenn diese Drohbriefe andere Personen betreffen und vor allem eine Person, an deren Leben, an deren Wohlsein etwas mehr hängt, als an der irgend eines anderen Mannes, (sehr richtig!) und an deren Wohlsein auch das Land ein weit größeres Interesse nehmen muß und, wie ich mit Freude sage, durchgehends nimmt. (Bravo!) Solchen Spuren, mag man auch an ihrer Erheblichkeit wesentliche Bedenken tragen, — und ich glaube mich einer besonderen Leichtgläubigkeit in dieser Beziehung oder einer übergroßen Besorgniß nicht zeihen zu dürfen, — dergleichen Spuren muß man nachgehen und auf die muß Werth gelegt werden, soweit sie es verdienen. Zch kann Ihnen auch sagen, daß dergleichen Dinge nicht immer ganz ohne Halt gewesen sind. Sie haben geführt zur Beschlagnahme von Instrumenten, die zu Mordanschlägen dienen konnten, und auf Spuren von äußerst verdächtiger Art. ...


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