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Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1883
Bd.: 72. 1882/83
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 yb,A-72

ID: 00018442
81 /558
... Beweis: Die Epidemie von Oedt bei Kempen, welche unter den Impflingen ausgebrochen sei. 7.1 Es sei kaum zu konstatiren, ob ein Kind, von dem abgeimpft werde, auch wirklich gesund sei. 8.1 Nach Untersuchungen von Or. Schoppe könne Skrophulose entstehen, wenn auch die Lymphe von einem gesunden Kinde oder vom Kalb entnommen sei. Es bestehe also niemals eine Sicherheit, daß der Impfling nicht auf das Schwerste erkranke, wie der 8ub 3 mitgetheilte Fall beweise. 9.1 Die Statistik, auf welche das Zmpfgesetz aufgebaut worden, sei falsch, dasselbe daher schon deshalb hinfällig. 10.1 Zn Frankreich habe man den Impfzwang noch nicht durchgeführt und in England werde er fallen. 11.1 Die Kinder, welche das Gesetz treffe, seien für Infektionskrankheiten gerade am unempfänglichsten, also auch für die Pocken. 12.1 Wo am meisten geimpft und das Zwangsgesetz am schärfsten gehandhabt werde, nähmen die Pocken stets zu. Beweis: England. Fazit: Die Zwangsverfolgung mit der oft vergifteten Zmpflanzette sei eine von der Moral, Religion und Wissenschaft ungerechtfertigte, ebenso sinnlose wie abergläubische Maßregel. Den Beweis findet Petent in allen Urpockenlisten. ...

82 /558
... Diphtheritis, aus: 1.1 bei dem Herrn Reichskanzler beantragen, daß im ganzen Deutschen Reiche aus den Epidemie-Journalen der Polizeiämter in Städten und Dörfern statistische Erhebungen angestrebt werden über die Fragen: a)1 wieviel ungeimpfte Menschen an Diphtherie bezw. Scharlach erkrankten bezw. starben, b)1 wieviel geimpfte Menschen aus der Altersklasse vom 1. bis 14. Jahre (frisch geimpfte bezw. revaccinirte) an Diphtherie bezw. Scharlach erkrankten oder starben; 2.1 die Suspendirung des ganzen Reichsimpfgesetzes auf so lange Zeit beschließen, bis über den Kausalnexus nicht nur zwischen Impfung und Pocken, sondern auch zwischen Pockenimpfung und Scharlach- resp. Diphtheritis-Epidemien der statistisch wohlbegründete Verdacht gründlich und vollständig beseitigt sein wird. II. 674. Der Pastor Wisliceny und Genoffen aus Wetteburg ist der Meinung, der Impfstoff an sich sei der Gesundheit nachtheilig, die Impfung schützte nicht, wohl aber würden die Pocken durch die Wasserkur, wie jeder Sachverständige wisse, sehr leicht und gut ohne jegliche Narbe geheilt. Der gütige Gott habe eben in das einfache Wasser die herrlichsten Heilkräfte gelegt, der Impfzwang müsse daher beseitigt werden. II. 879 und II. 880. C. Z. Kayser aus Darmstadt und Genossen bitten: „Hoher Reichstag wolle die Einwohner Deutschlands gegen das schmachvolle, aus moralischen, wissenschaftlichen und juristischen Gründen unhaltbare und ungerechte Impfzwangsgesetz in Schutz nehmen und sie vor den bösen Folgen desselben, sowie der mit dem Gesetz überhaupt unvermeidlich verknüpften körperlichen, moralischen und finanziellen Bedrängniß und Bedrohung bewahren, indem das Impfen nicht ein Segen, sondern ein Fluch für die Menschheit ist. Zn der zweiten Petition wird einfach um Aufhebung des Reichsimpfgesetzes gebeten. ...

83 /558
... So ergebe auch die Beobachtung einer beschränkten Epidemie in der Stadt Höchst im Mainkreise, über welche der dem Kommissionsbericht als Anlage beigefügte, an die Aerztekammer des Mainkreises erstattete Bericht des Or. Sen ff t sehr sorgfältig notirte Zahlen giebt, vollkommen konkludent den Beweis für den Nutzen der Impfung. Nicht weniger ergebe sich ein der Impfung und bezw. dem Impfzwang durchaus günstiges Resultat aus englischen Mittheilungen der in den Pockenhospitälern in London aufgestellten Statistik über die letzte schwere Epidemie von 1881. Seitens der Petitions-Kommission sei wiederholt der Antrag gestellt worden, den Herrn Reichskanzler zur Beschaffung einer richtigen Statistik aufzufordern. Auch heute wieder werde Referent sich erlauben, einen ähnlichen Antrag zu stellen. Die Voraussetzung einer richtigen Pockenstatistik sei aber unbedingt die Pflicht der Anzeige aller Pockenfälle bezüglich des Verlaufs und der Ausgänge der Krankheit. Erst ein Reichsseuchengesetz werde allseitig unanfechtbares statistisches Material zu Wege bringen können. Die klinische Seite der Pockenerkrankungen und der Schutzpockenimpfung anlangend, werde wie früher, so auch heute, die Schutzkraft der Impfung überhaupt bezweifelt, von einzelnen Petenten zwar die Impfung fakultativ zugelassen, aber dennoch bestritten, daß die Einführung des Zwanges auf Grund klinischer Erfahrung berechtigt sei. Bezüglich der klinischen Erfahrung stehe das allgemeine Urtheil der Aerzte, ganz besonders aber das der Militärärzte und der Vorstände von Pockenhospitälern unzweifelhaft fest, daß ohne Schutzpockenimpfungen den Pocken nicht wirksam entgegengetreten ...

84 /558
... Wenn man unzweifelhaft Erfahrungen wie solche mache, daß das nichtgeimpft Wärterpersonal von den Pockenkranken fast ausnahmslos erkranke, während die gleich bei ihrem Eintritt geimpft worden seienden nur höchst selten befallen werden, wenn man sehe, wie nichtgeimpfte Maurer beim Abbruch der Mauern eines Pockenhauses die Pocken acquiriren, von den geimpften dagegen kein einziger, wenn man weiter die auch bei der erwähnten Epidemie von Höchst gemachten Erfahrungen betrachte, so könne für jeden, der überhaupt sehen wolle, kein Zweifel an der relativen Schutzkraft der Zmpfnng mehr bestehen bleiben. Man habe gar nicht einmal nöthig, auf die während der Kriegsjahre beobachteten klinischen Thatsachen zurückzugreifen. Es wird zwar von den Zmpfgegnern immer behauptet, die französischen Gefangenen seien meistens geimpft gewesen oder doch bei ihrem Eintritt in Deutschland sofort geimpft worden. Einerseits schließt nun, wenn die letztere Behauptung richtig wäre, die Impfung beim Eintritt in Deutschland, selbst wenn sie am ersten Tage geschehen wäre, nicht aus, daß das geimpfte Individuum bereits mit den Pocken behaftet war und somit auch seine Krankheit auf andere übertragen konnte, andererseits steht mit jener Behauptung absolut in Widerspruch die ungewöhnlich geringe Zahl der Pockensterbesälle sowohl, als der Pockenerkrankungsfälle bei den durchgehends geimpften deutschen Soldaten im Vergleich zu der geradezu kolossalen Pockensterblichkeit in der französischen Armee. Nach Roth habe die Gesammtzahl der Pockentodessälle in der deutschen Armee im Kriege von 1870/71 nur 261 betragen gegenüber den nahezu 24 000 Pockentodten der unzureichend geimpften französischen Armee. Wen solche Beweise der Schutzkrast der Impfung nicht überzeugten, der sei eben nicht zu überzeugen. ...

85 /558
... Es genügte ja in dieser Beziehung die Anwesenheit eines Angehörigen von Scharlachkranken, um diese so ungemein leicht übertragbare Krankheit unter die Versammelten einzuschleppen und damit Veranlassung zu einer mehr oder weniger großen Epidemie zu geben. Es bestünden hier vollkommen die gleichen Verhältnisse, wie in der Schule. Uebrigens wolle Referent hierauf nicht weiter eingehen und lieber das viel kompetentere Urtheil der Herrn Vertreter des Reichsgesundheitsamts abwarten. Wolle man absolut eine amtliche statistische Erhebung über dies angebliche Zusammenfallen von Diphtheritisepidemien mit vorausgegangenen Massenimpsungen angeordnet wissen, so möge man sich das Vergnügen machen, das Resultat werde aber sicher negativ ausfallen. Schließlich bleibe nun noch die von den meisten der Petenten angezogene Frage der Berechtigung des Impfzwanges zu erörtern. Referent giebt zu, man könne über diese wohl verschiedener Meinung sein. Zweifellos stelle ja die Zwangsimpfung einen erheblichen Eingriff in die persönliche Freiheit des Bürgers dar, und auch die absolute Gefahrlosigkeit der Impfung könne nicht behauptet werden. Wie gelegentlich der Verhandlungen der Zmpffrage im Reichstage Referent schon ausgeführt habe, müsse er auch heute noch bei der Meinung stehen bleiben, es könne Niemand gezwungen werden, sich gegen eine Krankheit, sei es auch die gefährlichste, zu schützen, sofern es in seiner Macht liege, diesen Schutz sich ausschließlich durch eigenes Zuthun zu verschaffen. Die Thatsache aber, daß das Pockenkontagium nicht allein erwiesenermaßen als ein ungemein leicht übertragbares sich charakterifire, sowie die weitere Thatsache, daß die Uebertragung durch dritte Personen mittelst Aktenstücke zu den Verhandlungen des Reichstages 1882. der Kopfhaare z. B. ...

86 /558
... Es ist wahr, der Einbruch einer Epidemie kann furchtbare Maßregeln nothwendig machen, denen sich Alles unterwerfen muß, wie die Niederbrennung der ruffischen Dörfer, in welchen die Pest eingeschleppt worden war, oder in kleinerem Maßstab, die Anordnung einer Art Gefangenschaft in der Quarantaine. Aber vergeblich würde man diese Beispiele zur Rechtfertigung des Impfzwanges anführen. Denn wenn ich ein Haus gegen Entschädigung abbrenne, oder wenn ich mich auf ein paar Wochen meiner Freiheit berauben lasse, so ist dies zwar sehr unangenehm, aber es ist durchaus kein Eingriff auf das Gebiet des Gewissens. Ich erleide einen zeitlichen Verlust, aber es wird mir keine Handlung zugemuthet, von der ich befürchten könnte, sie möchte pflichtwidrig sein. Dr.Thiersch schließt sein Gutachten mit folgenden Worten, nachdem er all dies vorausgeschickt: „So scheine denn die Forderung, daß die zwangsweise Impfung beseitigt, und wo Gewissensbedenken stattfinden, Dispensation ertheilt werde, aus vernünftigen, rechtlichen und sittlichen Erwägungen vollkommen begründet. Walte bei unseren Gesetzgebern und Magistraten die Ueberzeugung noch vor, die allerdings an Boden zu verlieren scheint, daß die allgemeine Vaccination eine Wohlthat für das Volk sei, so suche man auf jedem rechtmäßigen Wege auf die Ueberzeugung und den freien Entschluß der Bürger zu wirken durch Belehrung des Volkes, durch gewissenhaftes Verfahren, durch Bekanntmachung der heilsamen Erfolge, durch strenge Bestrafung gewissenloser Zmpfärzte; bei dem Allem bleibt die Obrigkeit innerhalb ihrer Befugnisse. ...

87 /558
... 20 Städten des Nordens ohne Ausnahme erwiesen, daß bei allen in diesen Städten ausgebrochenen größeren und kleineren Pockenepidemien, während der letzten Zahre (also immer noch Epidemien) die Ersterkrankten und Weiterschlepper des Kontagiums stets Vaccinirte und Revaccinirte, also im Sinne der Zmpffreunde doppelt geschützte gewesen seien, daß dagegen die ungeimpften Kinder entweder gar nicht oder erst gegen das Ende der Epidemie befallen wurden, woraus sich ergebe, daß die Geimpften und also Geschützten der Erkrankung am meisten ausgesetzt seien und der Verbreitung Vorschub leisten, die Gefahr also nicht auf Seiten der ungeimpften Kinder liege. Wie könne man also eine Altersklasse von Menschen, welche ja nach dem Zugeständniß des Referenten den Vorzug der Immunität genieße, der Zwangsimpfung unterwerfen, vollends mit einem Stoffe über dessen Qualität und Unschädlichkeit sich die enragirtesten Zmpffreunde im Streit lägen, so habe unser Herr Korreferent Dr. Westermeyer in seinem Privatberichte über die Zmpfstatistik im Mai 1881 Folgendes hierüber geschrieben: „In neuester Zeit haben sich die Verlegenheiten in Ausführung des Zmpfzwanggesetzes in England wesentlich vermehrt. Dort hat das Parlamentsmitglied Cameron, selbst ein eifriger Zmpsfreund, eine Bill eingebracht, in welcher Angesichts der zahlreichen Ueberimpfung häßlicher Krankheiten verlangt wird, daß allenthalben für echte Kuhlymphe gesorgt werden müsse. Vom 11. bis 18. Dezember 1879 fand wegen dieser Angelegenheit eine eigene ärztliche Konferenz der British Medical Association in London statt. ...

88 /558
... Sage sie doch Solchen, die ihr bange machen wollen, daß sie diese Verantwortung immer noch leichter und lieber übernehme, selbst wenn sie berechtigt wäre, als die Masse Gesundheitsschädigungen, ja Siechthum und Tod unschuldiger Kinder, ohne dafür auch nur annähernd die Gewähr zu haben, daß damit auch wirklich dem Einbrechen einer Epidemie vorgebeugt sei. Den Aengstlichen aber rufe Redner zu, wenn der Schutz, den sich ja Jedes geben kann, dadurch überhaupt alterirt werde, daß in Folge Aufhebung des Zwanges dann Mancher nicht mehr impfen lasse, so sei die ganze Zmpferei nur eine reine Täuschung, ja noch Schlimmeres! So lange der Staat keine absolute Garantie dafür übernehmen könne, daß mit dem Impfen keine Gesundheitsschädigungen verbunden seien, so lange habe er nicht das Recht, durch ein solches Zwangsgesetz seine Angehörigen auch nur der Möglichkeit von solchen auszusetzen. ...

89 /558
... Mehr als ein Drittel aller Erkrankungen, 30 742, entfielen auf die überaus heftige von Frankreich eingeschleppte Epidemie des Kriegsjahres 1871. Von diesen 30 742 Erkrankten waren 29 429 — 95,7 Prozent geimpft, 1 313 —4,z Prozent ungeimpft, ein Faktum, welches von den Jmpfgegnern gegen den Nutzen der Schutzpockenimpfung geltend gemacht worden ist. Daß in einer Bevölkerung, welche bis auf die Kinder unter einem Jahre wenigstens einmal geimpft war, dieses Prozentverhältniß der geimpften zu den nicht geimpften 73 ...

90 /558
... Während nun bei den Ungeimpften die Sterblichkeit den hohen Satz von 60,i Prozent erreichte, betrug sie bei den einmal Geimpften nur 13,6 Prozent, bei den wiederholt Geimpften sogar nur 8,2 Prozent, ein Ergebniß, welches den überaus segensreichen Schutz der Impfung gerade bei einer so verheerenden Epidemie über jeden Zweifel erhebt. Aber nicht nur in dem Ausnahmejahr 1871 finden wir jenes überaus wichtige Verhältniß: dasselbe kehrt vielmehr auch in allen anderen Jahren mit überraschender Gesetzmäßigkeit wieder. So starben von den wiederholt Geimpften einmal Geimpften Ungeimpften 1877 8,zProzent 10,8 Prozent 53,i Prozent 1878 8,11- 11,8 39,z1 - 1879 0,o1 - 13,61 4I,i- 1880 12,2 12,8 37,61 - 1881 8,11 - 10,z 48,21 - Angesichts dieser beredten Zahlen müsse jeder Zweifel ver stummen und könne Redner hinzufügen, daß zum Verständnißzur Würdigung und Verwerthung einer medizinischen Spezial statistik eine Sachkenntniß gehöre, welche den Jmpfgegnern meiflentheils fehle. Die von einem der Herren Vorredner dem früheren Vorstande des Königlich preußischen statistischen Bureaus Herrn Dr. Engel zugeschriebene Aeußerung, daß „der Tod durch die Pocken im Ganzen noch ebenso häufig wie früher sei, könne Redner nicht für zutreffend erachten. Er kenne die preußische Pockenstatistik hinreichend, um behaupten zu können, daß dem Herrn Dr. Engel für eine solche Aeußerung die erforderliche Grundlage gefehlt haben würde. Ebenso entbehre der von demselben Herrn Vorredner berührte Fall einer angeblich bei den französischen Truppen in Algier in Folge der Vaccination aufgetretenen Maffeninfektion von Soldaten mit Syphilis, wie ihm (Redner) aus der französischen Fachlitteratur bekannt sei, der amtlichen Bestätigung. ...

91 /558
... Kerschensteiner angiebt: weitere 2 121, sondern 2 992, in der ganzen Epidemie also 8 062 statt der angegebenen 6 905. Es fehlen also nicht weniger als 1 157, gleichwie einst Kerschensteiners Vorgänger, Ober-Medizinalrath Dr. Klinger, seine Statistik mit einem Federstrich um I 326 Kinder unter 5 Jahren zu erleichtern wußte. Vor einer solchen Statistik verwahren wir uns! Unter den 1871 Gestorbenen befinden sich überdies 743 in dem noch nicht impfpflichtigen Alter unter einem Jahre. Herr Geheimer Rath Dr. Struck habe sodann für die Zukunft nur eine Impfung mit animaler Lymphe in Aussicht gestellt. In Bayern, wo man sich auf das Impfen gewiß verstehe und Versuche, diese Lymphe einzuführen, angestellt worden seien, habe man wenig Glück damit gehabt. In dem, dem Korreferenten vorliegenden „Bericht über Errichtung und Betrieb einer animalen Zmpfstation in München im Jahre 1879, erstattet dem Königlich bayerischen Staatsministerium des Innern von vr. C. Kranz, Königlich bayerischen Zentralimpfarzt, München 1880 fänden sich hierüber folgende für die Zukunft wenig ermuthigende Ausschlüsse. „Anfangs Mai ließ ich in die „Neuesten Nachrichten wiederholt die Annonce einrücken, daß die Eltern, welche ihre Kinder direkt vom Kalbe geimpft haben wollen, in den Monaten Mai und Juni hierzu Gelegenheit finden. Es meldeten sich hierzu im Ganzen nur fünf Individuen. ...

92 /558
... Mit Rücksicht auf die Wichtigkeit einer zwar in Bezug auf ihre Ausbreitung ziemlich beschränkt gebliebenen, aber durch die Schwere der einzelnen Fälle ungewöhnliche und die fast für sämmtliche Fälle nachweisbare Verbreitungsweise interessanten Blatternepidemie, wie die vorliegende, glaube ich anstatt eines Quartalberichtes hier ein Gesammtbild der Epidemie wiedergeben zu dürfen und jedes einzelnen Falls in Bezug auf Schwere, Dauer, Ausgang und Ansteckungsweise, sowie die Zmpfverhältniffe und das Znkubationsstadium kurz Erwähnung thun zu müssen. Die Epidemie begann am 14. November 1881 in Höchst, verbreitete sich von da über die Orte Schwanheim, Rödelheim, Zeilsheim, Sossenheim und Nied (außerdem auch auf Mammolshain, Amt Königstein) und endigte am 27. März d. Z. in Rödelheim. Die einzelnen Blatternfälle vertheilen sich wie folgt: 1.1 Höchst 26; männlich 14, weiblich 12 Fälle. 2.1 Schwanheim 3; männlich 2, weiblich 1. 3.1 Rödelheim 15; männlich 6, weiblich 9. 4.1 Zeilsheim 1 (weiblich). 5.1 Sossenheim 1 (männlich). 6.1 Nied 1 (männlich). 7.1 Mammolshain 1 (männlich). Der erste Fall kam in Höchst am 14. November 188 l bei einer im ersten Lebensjahre geimpften, nicht revaccinirten Frau Keßler, 31 Zahre alt, vor, welche ein Haus in Bockenheim bewohnt hatte, worin Blatternfälle vorgekommen waren, und von dort am 10. November nach Höchst verzogen war und hier die Blattern eingeschleppt hat. Es war ein mittelschwerer Fall; endigte mit Genesung. ...

93 /558
... Aus nachstehenden Tabellen geht hervor, daß die im November vorigen Jahres langsam steigende Epidemie Anfangs Januar ihren Kulminationspunkt erreichte, um dann ebenso wieder bis Mitte März langsam absteigend zu erlöschen. 2.1 Der höchste Prozentsatz der Erkrankungen fällt in das erste Lebensjahr und 5. Dezennium. 3.1 Dein entsprechend kommen auf diese beiden Lebensabschnitte die höchsten Mortalitätsprozente, sowohl in Bezug auf die Gesammtzahl der Erkrankungen, als auch nach dcm Alter der Todesfälle, wie solches bei fast allen Epidemien der Fall zu sein pflegt. 4.1 Bei den Ungeimpsten ist der Prozentsatz der schweren Erkrankungen am größten, bei den Geimpften und Revaccinirten am kleinsten. 5.1 Das Mortalitätsprozent ist bei den Ungeimpsten am höchsten, bei den Geimpften und Nevaccinirten am niedrigsten. 1. Zeit der Erkrankungen: im1 November1 ....1 21 Fälle, -1 Dezember1 ....1 61 - -1 Januar1 ....1 281 - -1 Februar1 ....1 101 - -1 März .1 . . . .1 21 - Summa . .1 48 Fälle. 2. Geschlecht: männlich . . 25 — 52,1 Prozent, weiblich . . 23 —47,g1 - 74* ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1883
Bd.: 73. 1882/83
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 yb,A-73

ID: 00018443
94 /558
... Man möge nur den Fall sich vergegenwärtige», daß in einer Gegend eine große Epidemie ausbreche, etwa in Folge von Naturereignissen, wie die in diesem Winter am Rhein eingetretenen Ueberschwemmungen. In solchen Fällen würden nach jetziger Lage der Gesetzgebung die Gemeinden auf eine Reihe von Zähren erheblich belastet werden. Nach der Vorlage aber, wenn der gestellte Antrag nicht zur Annahme gelange, würde diese Last auf die versicherten Arbeiter fallen. Eine ähnliche Bestimmung, wie der Antrag sie vorsehe, bestehe zur Zeit im Kölligreich Bayern auf Grund des dortigen Gesetzes vom 29. April 1869, welches für die einzuziehenden Beiträge den Betrag von 3 Kreuzer pro Woche als Maximum vorschreibt. Seitens der Vertreter der verbündeten Regierungen wurde erklärt, dieser Antrag schneide in das Prinzip der Vorlage, nach welchem die Gewährung der Unterstützungelt in Krankheitsfällen ausschließlich auf dem Wege der Versicherung, nicht auf dem selbstständiger Leistungen der kommunalen Verbände beruheil solle, so tief ein, daß sie als Kommissare sich nicht befugt hielten, Namens der verbündeten Regierungen bindende Erklärungen über den Antrag abzugeben. Sie persönlich sähen allerdings für die soziale Wirkung des Gesetzes in der Annahme des Antrages einen Gewinn. Sie verkennten dagegen keineswegs die Bedenken, welche dein Antrage vom Standpunkt der Gemeinden entgegenständen. Allerdings sei dabei zu beachten, daß die Gemeinden durch die Bildung von Orts-Krankenkassen in der Lage seien, sich von derartigen Verpflichtungen zu befreien, und daß demgemäß die an sich wünschenswerthe Bildung von Orts-Krankenkassen durch Einführung einer Maximalgrenze der Beiträge zur Gemeinde-Krankenversicherung gefördert werden würde. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1884
Bd.: 75. 1884
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 yb,A-75

ID: 00018445
95 /558
... Dieses Anwachsen ist eben unabhängig von der Existenz eines Sozialistengesetzes, — es ist eine Art Epidemie, die über ganz Europa grassirt, auch in Oesterreich, wo kein Sozialistengesetz besteht. Ich füge dem aber noch den Ausdruck der weiteren Ueberzeugung hinzu, daß ich nicht zweifle an der innersten realen Verquickung jener Partei mit den anarchistischen Bestrebungen, die wir anderwärts sehen. Gewiß, meine Herren, das kann ich hier nur als Geschworener aussprechen, ich habe auch nicht als Richter zu sprechen; ich würde sonst allerdings formellere Beweise fordern. So spreche ich also meine Ueberzeugung dahin aus, daß wir in der That anarchistischen Bestrebungen bereits gegenüberstehen. Es wird das ja hier von den Sozialdemokraten geleugnet, aber das ändert an meiner Ueberzeugung gar nichts, auch nicht, daß man jetzt von den genannten Mostschen Bestialitäten nichts mehr wissen will; auch das ändert nichts, daß der Abgeordnete Frohme hier auf der Tribüne erklärt hat, alle anarchistischen Morde nicht zu billigen. Ich bin der Meinung, das geschieht alles auf dem sehr einfachen und klaren Boden raffinirten Verständnisses. Derselbe Abgeordnete hat ja auch hier auf der Tribüne gesagt, er werde nicht die Prinzipien seiner Partei vor dem Reichstag entwickeln, — und auch das habe ich sehr gut begriffen. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1884
Bd.: 76. 1884
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 yb,A-76

ID: 00018446
96 /558
... Und, meine Herren, da muß man doch in der That sagen, wenn man die Geschichte der Cholerastudien verfolgt, wenn man sieht, wie seit 1850 keine Epidemie vorübergegangen ist, wo nicht die europäischen Regierungen, zum Theil selbst die amerikanischen, mit einander gewetteifert haben, durch Entsendung von Kommissionen dieses Geheimniß zu entschleiern, daß wir diejenigen waren, die allen anderen zuvorgekommen sind. Das ist gewiß ein schöner Sieg, ein Sieg, der erfochten worden ist unter äußerst schwierigen Verhältnissen, auf einem Boden, den, wie die Vorlage mit Recht sagt, schon die äußeren klimatischen Verhältnisse zu einem ungemein gefährlichen machen. Ich darf bei dieser Gelegenheit meiner besonderen Dankbarkeit auch Ausdruck geben in Beziehung auf die hochherzige und in der That ganz ungewöhnliche Weise, in der Seine Majestät der Kaiser anerkannt hat, daß cs sich hier um ein Verdienst handelt, welches dem militärischen gleich steht, indem er der Dekoration diejenige besondere Auszeichnung hinzugefügt hat, welche sonst nur auf kriegerischem Gebiete erworben wird. Meine Herren, gerade in Indien ist speziell seit einer Reihe von Jahren eine englische Kommission thätig gewesen, um diese Erforschung vorzunehmen, und sie ist thätig gewesen schon zu einer Zeit, wo man erwartete, daß ein kleiner Organismus gefunden werden würde. In Egypten war um dieselbe Zeit, als unsere Kommission ankam, eine französische Kommission anwesend zu demselben Zweck, eine Kommission, deren Führer — ein sehr verdienter Mann, der auch uin den Milzbrand sich besondere Verdienste erworben hat, Thuilliers — als Opfer der Ansteckung gefallen ist. ...

97 /558
... Sollten sie sich aber wiederholen, sollten wirklich einmal wieder Milliarden mit einem Male deplazirt werden und von anderen Ländern in unser Land strömen; sollten dieselben Fehler wiederholt werden, daß man die inländischen Anleihen kündigt und zu Anlagen in riskanten Unternehmungen flüssig macht; sollte es sich wiederholen, daß man die hereinströmenden Milliarden, um nur Zinsen von ihnen zu ziehen, durch Staatsinstitute, wie die preußische Seehandlung, gehen läßt, und diese wieder das Geld benutzen, um es an Bankiers zu verleihen und um Jndustrieaktien zu beleihen, — ja, meine Herren, dann wird sich die Epidemie wiederholen, wie Sie dieses Gesetz auch machen und zu welcher Höhe Sie auch den Betrag der Aktien normiren. Ich behaupte also, meine Herren, die 400 Mark sind hoch genug, um den Dienstboten und den kleinen Handwerker daran zu hindern, sein Geld in Aktien anzulegen; die Klassen der Leute aber, die in den siebziger Jahren ihr Geld in unsicheren Aktienunternehmungen angelegt haben, die werden Sie auch nicht hindern, wenn Sie den Mindestbetrag der Aktien auf 5000 oder 1000 Mark normiren. Das waren Leute aus allen Berufsklassen. Wer hat sie denn damals dazu gedrängt, um bei den Gründungen betheiligt zu werden? Waren das die kleinen Leute? Nein, meine Herren, das waren Männer aus allen Klassen: Beamte, Gutsbesitzer, Offiziere und große und kleine Kaufleute! ...

98 /558
... Die Nachrichten über das Auftreten der Cholera in Toulon haben die Reichsregierung selbstverständlich lebhaft beschäftigen müssen, und es ist sofort, nachdem die ersten Nachrichten eingegangen waren, eine Erörterung darüber veranlaßt, erstens einmal: wie es möglich sei, authentische Nachrichten über den Charakter der Epidemie in Toulon zu erhalten, sodann aber: welche Maßregeln zu ergreifen sein möchten, um gegenüber einer möglichen Invasion der asiatischen Cholera in das Reich vorbeugend und abwehrend zu wirken. Meine Herren, es sind die nöthigen Erkundigungen bei der französischen Regierung sofort eingezogen. Bei der Kürze der Zeit, während deren die Epidemie herrscht, ist es aber in diesem Moment noch nicht gelungen, volle Klarheit darüber zu gewinnen, welchen Charakter die Seuche hat. Die Aerzte in Toulon nehmen nach unseren Nachrichten an, daß es sich dabei um die asiatische Cholera handle. Die amtlichen Erörterungen, welche die französische Regierung angestellt hat, sprechen dagegen dafür, daß es nicht die asiatische Cholera sei, daß es eine sporadisch in Toulon auftretende Krankheit sei, die voraussichtlich von sehr kurzer Dauer sein werde, und bei der die Gefahr der Uebertragung nicht eine sehr dringende sei. So steht die Sache augenblicklich. Die Ermittelungen über den Charakter der Seuche werden indessen sorgfältig und gründlich fortgesetzt, und ich hoffe, daß wir sehr bald Klarheit darüber gewinnen werden, mit welcher Krankheit wir es in Toulon zu thun haben. Unter allen Umständen aber ist es für uns geboten, uns mit der Frage zu beschäftigen, 163 ...

99 /558
... Man braucht also noch nicht eine große europäische Epidemie als unmittelbar bevorstehend anzunehmen, und ich will mich mit Ihnen der Hoffnung hingeben, daß wir davon verschont bleiben. Auf der anderen Seite glaube ich auch, daß unsere Regierung hinreichende Maßregeln finden wird, um die Bevölkerung, soweit das in Menschenkraft steht, zu schützen, und ich würde nichts bedenklicher halten, als wenn man sich jetzt mit einem Mal einer großen Cholerafurcht ergeben würde. Vor allen Dingen möchte ich das betonen: was auch irgendwie sonst noch neues entdeckt werden mag, die alte Thatsache wird immer stehen bleiben, daß die beste Sicherheit die sein wird, jeden Fall sofort unter ärztliche Kontrole zu nehmen und ihn möglichst abzusperren von dem weiteren Kontakt der Umgebung. Was wir sonst noch machen können, — das zu erörtern, ist einigermaßen müßig, da nicht viel neues zu sagen ist. Was die Sperre betrifft, so wird man heutigen Tags sowenig, wie man überhaupt nach dem Jahre 1830 den Gedanken gehabt hat, die Sperre an der Grenze zu erneuern, auf einen solchen Gedanken verfallen. Ich habe in dieser Beziehung volles Vertrauen in die Weisheit unserer Regierung; sie wird in der Sanitätspraxis der Vergangenheit hinreichend sichere Methoden finden, um das Erforderliche auszuführen. (Bravo!) Präsident: Das Wort hat der Herr Bevollmächtigte zum Bundesrath, Staatssekretär des Innern, Staatsminister von Boetticher. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1885
Bd.: 80. 1884/85
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 yb,A-80

ID: 00018450
100 /558
... Auch in gesundheitlicher Beziehung sind die Verhältnisse so ungünstig, daß bei einer Epidemie das Festungsgefängniß unfehlbar geräumt werden müßte. Diese ungünstigen Verhältniße haben im Festungsgefängniß Posen zu erheblichen Ausschreitungen gegen die Disziplin geführt; es haben in Folge dessen strenge Zusatzstrafen gegen die Gefangenen verhängt werden müssen, — Strafen, welche die Betreffenden auch noch für die Zeit nach ihrer Entlassung, in ihrem bürgerlichen Leben empfindlich schädigen. Es trat die Nothwendigkeit hervor, hier Wandel zu schaffen. Wie ich schon erwähnt habe, ist ein Umbau des Festungsgefängnisses in Posen, welches sich in dem alten Thurm des Forts Hacke befindet, nicht möglich; es muß ein Neubau ausgeführt werden. Das Festungsgefängniß muß auch in Posen bleiben, weil anderenfalls die Transporte der Gefangenen aus den Garnisonen der Provinz Posen und einem Theil des zweiten Armeekorps zu weit wären und zu viel Kosten veranlassen würden. Es ist nothwendig, das Festungsgefängniß auf etwa 400 Militärgefangene, einschließlich 100 Jsolirte, herzustellen, und sind die Baukosten auf 1 240 000 Mark ermittelt. Da die Bauprojekte genügend gefördert sind, ist gleich die erste Baurate mit eingestellt worden. Mit Rücksicht darauf, daß eine gesunde Strafvollstreckung nicht bloß im Interesse der Disziplin nothwendig ist, sondern ihre wohlthätigen Folgen auch auf breitere Schichten des Volkes wirft in einem Lande, wo die allgemeine Dienstpflicht gilt, darf ich Sie bitten, die Position der Militärverwaltung zu bewilligen. Präsident: Die Diskussion ist geschloffen. Der Herr Referent verzichtet. Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen Herren, welche Tit. 52 bewilligen wollen, sich zu erheben. ...


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