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Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1920
Bd.: 333. 1919/20
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-333

ID: 00000017
241 /279
... Schürfe von Kratzwunden sind bei einzelnen sichtbar, Geschwüre infolge von Infektion durch Kratzen mit unsauberen Händen sind nur wenige angetroffen worden. Die Kost wird unter strenger Kontrolle durch Militärgefangene zubereitet. Die Leute erhalten dieselbe Fleischmenge wie die Zivilbevölkerung. Die Gesundheitsverhältniffe der Gefangenen sind unter Berücksichtigung der Lebensmittelknappheit zufriedenstellend. Durch die Belieferung von Kohlen in den letzten Wochen ist wieder Gelegenheit zum Baden und zur besseren Reinigung geschaffen. Ferner werden Hemden neu überwiesen werden. Auf die Vernichtung des Ungeziefers wird die Verwaltung ununterbrochen hinwirken. Präsident: Zur Ergänzung der Anfrage hat das Wort die Frau Abgeordnete Zietz. Zietz, Abgeordnete: In der Antwort ist gesagt worden, daß auf Beschwerde hin von der Verwaltung Untersuchungen angestellt worden seien. Ich möchte anfragen, ob die Regierung der Meinung ist, daß die Ver- (v) waltung sich nur dann um die Insassen der Gefängnisse und um die Zuchthäusler zu kümmern hat, wenn Beschwerden eingereicht werden, und ob sie nicht immer die Verpflichtung hat, darüber zu wachen, daß hygienisch einwandfreie Zustände in diesen Anstalten herrschen. Ferner ist in der Beantwortung meiner Anfrage nicht der Passus berücksichtigt worden, daß keine Lebensmittelpakete von Verwandten usw. angenommen werden dürfen. Ich frage an, wie sich die Regierung dazu stellt. Präsident: Zur Beantwortung dieser Ergänzungsanfrage hat das Wort Herr Gehetmrat Dr. Grünwald. Dr. Grünwald, Wirklicher Geheimer Kriegsrat, Chef der Rechtabteilung im Reichswehrministerium, Kommissar der Reichsregierung: Ich habe heute keine weitere Erklärung abzugeben. Präsident: Ich rufe auf Anfrage Nr. 805, Neuermann und Genossen (Nr. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1921
Bd.: 345. 1920
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-345

ID: 00000029
242 /279
... Unter den gegenwärtigen Verhältnissen reichen die Rationen zusammen mit den sonst erhältlichen Lebensmitteln aus, um die Bevölkerung in ihrem verminderten Gewicht zu erhalten, vorausgesetzt, daß ihr Körperzustand keiner übermäßigen Anstrengung, sei es durch Arbeit oder durch Infektion, unterworfen wird. Aber ihre Widerstandskräfte sind auf ein niedriges Maß herabgesunken, und wir müssen erwarten, daß sie eine (s)1 leichte Beute jeder auftretenden Infektionskrankheit werden, vor allem der allgegenwärtigen Keime von Tuberkulose und Lungenschwindsucht. — Ich lade die Mitglieder dieses Hauses ein, den Bericht, den das Mitglied dieses Hauses, Herr Dr. Moses, speziell über die Berliner Zustände dieser Tage gemacht hat, mit diesen Darstellungen zu vergleichen. — Die Zunahme der Sterblichkeitsrate war bei der Zivilbevölkerung wie folgt: 1915 s- 9,5 °/o; 1916 s- 14 °/o; 1917 s- 32 °/y; 1918 s- 37 °/, (verglichen mit dem Durchschnitt der Vorkriegsjahre). Die Geburtenrate in Deutschland ist gesunken von 27,5 °/o auf Tausend in 1913 auf 15,85 °/» in 1916 und 14,29 °/o in 1917, so daß die Zahl der Geburten jetzt ziemlich unter der Zahl der Toten liegt. Die fast vollständige Entziehung der Milch vom 3. Lebensjahr an und die geringen Mengen der für die Familie verfügbaren Butter bewirken, daß tatsächlich in allen Klassen Rachitis herrscht und diese Krankheit nicht länger auf die Klasse der Armen und Unwissenden beschränkt ist. (Hört! Hört!) ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1921
Bd.: 348. 1920
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-348

ID: 00000032
243 /279
... So vernichten die berufenen Hüter des Volkes diesem die besten Waffen, die die allweise Mutter Natur jedem von Infektion bedrohten Organismus schenkt. (Lachen bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.) Heilserum Orgesch! Patent ist noch nicht angemeldet. Dieser Mann wünscht sogar die Anwendung des Reichsseuchengesetzes vom 30. Juni 1900, und er sagt — das ist noch interessanter —: Pestkranke sollen bis zu ihrer völligen Heilung derart abgesondert werden, daß jede Verbreitung des Krankheitskeimes ausgeschlossen ist. Alle Ausscheidungen der Krankheit, wie die Ergüsse der „Roten Fahne und der „Freiheit sind wirksam zu desinfizieren. (Lachen bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.) Meine Damen und Herren! Es geht wirklich nichts (0) über einen deutschen Professor. Den machen uns die anderen nicht nach! (Sehr richtig! rechts.) Aber wir erinnern uns daran, daß es kein geringerer als Moritz Hartmann war, der einmal vor über stebenzig Jahren gesungen hat: „Hundertfünfzig Professoren, Vaterland, du bist verloren! Meine Damen und Herren! Nun hat gestern auch der Herr Kollege Broun mit ein paar kurzen Worten auf die monarchistische Propaganda hingewiesen. Ich will bei dieser Gelegenheit nicht auf dieses überaus interessante Kapitel eingehen. Nur ein Charakteristikum möchte ich erwähnen. Es war mir sehr interessant, im „Fränkischen Kurier, einem angesehenen Organ der Demokratischen Partei, im Anschluß an einen Leitartikel des Herrn Kollegen Petersen über den „Sinn der Wahlen eine Polemik gegen den eigenen Parteiführer zu lesen, in der dieses Blatt erklärt — man denke: ein demokratisches Blatt! ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1922
Bd.: 356. 1920
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-356

ID: 00000040
244 /279
... soundso durch Infektion erledigt. — (Hört! Hört! links.) Sie wissen auch, wer mit diesen durch Infektion zu Erledigenden gemeint ist. Dann wird es allmählich in der rechtsradikalen Presse wieder laut, und die Wulle und Dienstag den 11. Juli 1922. die Henning schreiben wieder, wie nur die Wulle und (0) die Henning schreiben können, (sehr richtig! links) und eines Tages ist der neue Attentatsversuch da, das Attentat Scheidemann. In diesem Augenblick, werden Sie sagen, hätte man ja wieder den Belagerungszustand in Kraft setzen können. Wer hätte das verstanden? Meine Freunde hätten das verstanden, aber von rechts hätte man gesagt: Klistierspritze, Gummiball; lächerlich, den Ausnahmezustand zu verhängen! Und so wäre es Weiler gegangen und so ist es weiter gegangen bis zur nächsten Mordtat. Damit das nicht wieder geschieht, damit wir aus das Abschwellen und auf das allmähliche Wiederanschwellen solcher Bewegungen eingerichtet sind, deshalb brauchen wir ein solches Dauergesetz. (Sehr richtig! links.) Und jetzt muß für einen Augenblick die Szene zum Tribunal oder besser zum Auditorium werden. Der Herr Kollege Emminger hat den Gesetzentwurf, um eine früher von mir gebrauchte Wendung in anderem Zusammenhange zu wiederholen, ausgelegt wie der Teufel die Bibel, und als Gesetzgeber hat er damit vollkommen Recht gehabt. Kant sagt einmal, ein gutes Gesetz müsse so beschaffen sein, daß es auch in einer Welt von Teufeln gelten könnte, in einer Welt von Teufeln, die so bös find, daß sie jede Lücke des Gesetzes durchschlüpfen, und so klug, daß sie jede Lücke des Gesetzes merken. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1923
Bd.: 360. 1920
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-360

ID: 00000044
245 /279
... Die Paralyse tritt früher auf, zirka sechs Jahre nach der Infektion, und in der Anamnese namentlich der Privatpatienten finden sich 6, 7 nnd 8 kräftige Salvarsankuren. Nicht selten bricht die Krankheit mitten in der Kur oder unmittelbar im Anschluß an eine solche aus. Das ist mir von einem Psychiater mitgeteilt worden, der über ein großes Material verfügt und sehr objektiv ist. Nach Professor Hübner waren nach einem bis zwei Jahren Prozent der mit Salvarsan behandelten Fälle noch angeheilt. Professor Genncrich, einer der bedeutendsten Salvarsanstützen — Professor Buschke sagt von ihm, er sei ein fanatischer Salvarsananhänger —, sagt: Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Häufigkeit der Gehirnerkrankungen infolge Salvarsanbehandlung zugenommen hat. Bet 40 Prozent ist mit Entzündungsvorgängen an den Gehirnhäuten zu rechnen. Die Folge davon war Gehirn- oder Rückenmarksyphilis. Welcher unglaublichen ärztlichen Diktatur wir unter der Herrschaft dieses Gesetzes entgegengehen werden, davon will ich aus der jetzigen Praxis der Behandlung der Geschlechtskrankheiten eine Probe geben. Ich möchte Sie bitten, dem, was ich jetzt verlese, aufmerksam zuzuhören, weil das Schicksal, das hier den von mir erwähnten einzelnen in der Gegenwart geblüht hat, in Zukunft vielleicht Ihnen selber blühen kann. Ich gebe Ihnen — das in meinen Händen befindliche Material ist sehr umfangreich — nur einige Proben von Vorgängen, wie (0) sie sich in der neuesten Zeit abgespielt haben. Ein Herr zweifelhaften Charakters, dem es daran lag, seine Verlobte loszuwerden, denunzierte das Fräulein bet der Polizei als geschlechtskrauk. (Es handelt sich um einen Fall aus Stuttgart.) Es kam ciuc Lorladung. ...

246 /279
... Ich bin der Meinung, daß die Gefahr der Infektion und die seelische Verrohung, die bei jedem Manne eintritt, wenn er Prostituierte benützt, ein viel zu teurer Kaufpreis sind, als daß wir selbst vom Männerstandpunkt die Prostitution als solche befürworten könnten. Aber der Antrag, der hier eingebracht worden ist, will viel weiter gehen als die Reglementierung. Er will nicht einmal die kontrollierten Mädchen irgendwie schützen — wir wollen ja alle die Kontrolle abschaffen —, sondern er will jede Frau, der nachgewiesen werden kann, daß sie durch die Hingabe ihres Körpers Geld verdient, unter Strafe stellen. Damit wird der unendlich dehnbare Begriff der gewerbsmäßigen Hingabe, den wir eben ausrotten müssen, in den Mittelpunkt eines Kautschukparagraphen gestellt, der alle Schichten von Frauen bedroht. Wiederum aus Männerkreisen und auch aus Gelehrtenkreisen stammt die vielverbreitete Lehre von der Minderwertigkeit der Prostituierten. Es ist nicht zu bezweifeln, daß hieran manches Wahre ist. Es ist nicht zu bezweifeln, daß in die Prostitution in allererster Linie diejenigen Frauen hinabgleiten, die weniger widerstandsfähig, die erblich belastet sind, in deren Jugendgeschichte Alkohol, Wohnungselend und früher Mißbrauch durch l!) eigene Familienangehörige oder durch Schlafgänger eine verhängnisvolle Rolle spielen. Aber wenn die Prostituierte wirklich minderwertig ist, wollen Sie dann vielleicht durch Haftstrafen oder durch Gefängnisstrafen diese Minderwertigkeit beseitigen? Denken Sie auch an die vielen, die von Anfang an nicht minderwertig waren und die einfach durch das ungeheure soziale Elend auf die abschüssige Bahn gedrängt worden sind! (Lebhafte Zustimmung links.) ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1924
Bd.: 371. 1920/24
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-371

ID: 00000055
247 /279
... - gehen meist in früher Jugend an der syphilitischen Infektion zugrunde. Die überlebenden aber sind, falls ihnen nicht eine sorgfältige ärztliche Behandlung zuteil wird, in ihrer körperlichen und geistigen Entwicklung aus das schwerste geschädigt. Vererbt sich der Tripper auch nicht aus die Nachkommenschaft, so kann doch die Übertragung des mütterlichen Trippergiftes auf die Bindehaut des Kindes während der Geburt erfolgen. Die daraus entstehende Augcnentzündung der Neugeborenen kann, wie öfter beobachtet worden ist, zur Erblindung führen. Während bei allen anderen übertragbaren Krankheiten jeder verständige Mensch der Gelegenheit zur Ansteckung sorgsam aus dem Wege geht, liegen die Verhältnisse bei den Geschlechtskrankheiten wesentlich anders. Hier ist es der ungehemmte Geschlechtstrieb, der dazu führt, daß zahllose Personen in ständigem Wechsel der geschlechtlichen Beziehungen sich immer wieder neuen Ansteckungsgefahren aussetzen. Die häufige Tatsache, daß innerhalb kurzer Zeit ein Mann mit mehreren Weibern oder ein Weib mit mehreren Männern geschlechtlich verkehrt, ist die Hauptursache für die Verbreitung der Geschlechtskrankheiten. Besonders erschwert wird der Kampf gegen die Geschlechtskrankheiten dadurch, daß der Geschlechtskranke oft seine Erkrankung heimlich zu halten und sich der! ärztlichen Behandlung zu entziehen trachtet. Die unsachgemäße Behandlung durch Laien und die verspätete Inanspruchnahme des Arztes hat in zahllosen Fällen Unheilbarkeit der Erkrankung und Übertragung der Krankheit auf andere zur Folge gehabt. Von Aufklärung und Warnung allein, so wichtig und notwendig sie sind, ist dem ungehemmt waltenden 439 ...

248 /279
... Außer der unmittelbaren Übertragung der Krankheit besteht auch die Möglichkeit einer mittelbaren Infektion durch Gebrauchs-) Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamt, Band 22 Seite 827. gegenstände. So kann die Syphilis übertragen werden durch ärztliche oder zahnärztliche Instrumente, Rasiermesser, Kämme, Schwämme, Gabeln, Löffel, Trinkgefäße, Tabakspfeifen, Blasinstrumente usw. Nach dem Verschwinden der ersten Krankheitserscheinungen verläuft die Syphilis häufig ohne äußere Anzeichen weiter und kann noch nach Jahren schwere Krankheitserscheinungei, (z. B. Rückenmarksschwindsucht und Gehirnerweichung hervorrufen. Die Krankheit kann sowohl vom Vater als auch don der Mutter auf die Nachkommenschaft vererbt werden. Die Gonorrhoe (Tripper), deren Erreger im Jahre 1879 von Neißer in Breslau entdeckt worden ist, wird fast ausschließlich durch den Geschlechtsverkehr übertragen und äußert sich beim Manne zunächst durch einen eitrigen Ausfluß aus der Harnröhre. Namentlich bei vernachlässigter Behandlung kommt es im weiteren Verlaufe der Krankheit zu Entzündungen benachbarter Teile, z. B. der Harnblase. Greift die Entzündung auf die Nebenhoden oder bei der Frau auf das Innere der Gebärmutter über, so kann Zeugungsunfähigkeit und Unfruchtbarkeit die Folge sein. Bei Frauen bedarf es unter Umständen schwieriger Operationen, um die Erkrankten vor dauernden, Siechtum zu bewahren. Der weiche Schanker tritt in Form von Ge schwüren an den Geschlechtsteilen auf und führt häufig zur Vereiterung der Leistendrüsen. Die Krankheit wird hervorgerufen durch einen von Ducrey im Jahre 1889 entdeckten kettenförmigen Bazillus. Bei sachgemäßer Behandlung führt sie in wenigen Wochen zur Heilunig. Bei Vernachlässigung des Leidens kommt es jedoch zu Zerstörungen, auch zu brandigem Zerfall der Gewebe. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1924
Bd.: 377. 1920/24
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-377

ID: 00000061
249 /279
... In den weiter zurückliegenden Jahren sind noch etwa acht weitere Fälle von Milzbrand durch Infektion beim Arbeiten mit Rohwolle beobachtet worden. Soweit einerseits festgestellt werden konnte, sind alle diese Fälle ausschließlich beim Verarbeiten von asiatischer Schafwolle, Kamclwolle, Ziegenhaar (Mohair) vorgekommen. Besondere Maßnahmen zum Schutze der mit Wolle beschäftigten Arbeiter erscheinen hiernach in Deutschland nicht erforderlich. Trotzdem dürfte es unbedenklich sein, dem Vorschlag zuzustimmen- denn damit übernimmt Deutschland noch keine völkerrechtliche Verpflichtung, bestimmte Maßnahmen zu treffen. Im übrigen ist noch eine weitere internationale Regelung dieser Frage zu erwarten, denn die dritte Allgemeine Konferenz, die in Genf im Oktober und November 1921 tagte, hat beschlossen, einen Ausschuß einzusetzen, welcher diese Frage prüfen soll. In diesem Ausschuß ist Deutschland ebenfalls vertreten.. Der Ausschuß hat Ende vorigen Jahres in London getagt und eine Reihe von Beschlüssen gefaßt, die den Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamts voraussichtlich auf seiner Tagung im April 1923 beschäftigen werden. Zu 114. Vorschlag, betreffend den Schutz der Frauen und Jugendlichen gegen Bleivergiftung. In Deutschland gelten für den Schutz der Arbeiter gegen Bleivergiftung folgende gesetzliche Bestimmungen: 1.1 Verordnung über die Einrichtung und den Betrieb von Anlagen zur Herstellung von Bleifarben und anderen Bleiverbindungen vom 27. Januar 1920 (Rcichsgesetzbl. S. 109). 2.1 Bekanntmachung des Reichskanzlers, betreffend die Einrichtung und den Betrieb der Bleihütten, vom 16. Juni 1905 (Rcichsgesetzbl. S. 545). 3.1 Bekanntmachung des Reichskanzlers, betreffend die Einrichtung und den Betrieb der Zinkhütten und Zinkerzrösthütten, vom 13. Dezember 1912 (Rcichsgesetzbl. S. 564). ...

250 /279
... Die polizeiliche Reglementierung, die die männliche Jugend in die vollkommen trügerische Sicherheit wiegte, daß die Sittenpolizei durch die Zwangsuntersuchung der Prostituierten in der Lage sei, ihr hygienisch einwandfreies Material für den außerehelichen Verkehr zur Verfügung zu stellen, habe auf die Männerwelt nicht nur moralisch verwüstend gewirkt, sondern auch viel zur Ausbreitung oer Geschlechtskrankheiten insoweit beigetragen, als sie dem Gebrauch von Schutzmitteln gegen Infektion entgegenwirkte. Die Sozialdemokratische Partei würde alles Interesse an dem Zustandekommen des Gesetzes verlieren, wenn von irgend einer Seite der Versuch gemacht werden sollte, Reglementierung und Dirnenliste durch eine Hintertür wieder in das Gesetz hineinzubringen. Den offenbar dahin zielenden Beschluß des Reichsrats zu H 13 lehne die Sozialdemokratische Partei mit aller Entschiedenheit ab. Von den Strafbestimmungen des Gesetzes gegen diejenigen, welche Geschlechtskrankheiten verbreiten, obwohl gegen sie grundsätzlich nichts einzuwenden sei, dürfe man sich für den Kamps gegen Syphllis und Gonorrhoe große Erfolge nicht versprechen. Wie bei allen großen Volksseuchen seien auch bei dem Kampfe gegen die Geschlechtskrankheiten zweckmäßige soziale und sanitäre Maßnahmen viel wirksamer als die Androhung hoher Strafen. Gerade aus 844 ...

251 /279
... 5661 diesem Grunde komme auch der Ziffer II des § 13, die den Vertrieb von Schutzmitteln gegen sexuelle Infektion von lästigen Fesseln befreit, eine besondere Bedeutung zu. Biete somit der Gesetzentwurf zweifellos eine Reihe von Fortschritten, so seien aber andererseits durch ihn auch Verschlechterungen des bisherigen Zustandes zu befürchten. Nicht ohne schwere Bedenken könne man der in ß 6 vorgesehenen Aufhebung der Kurierfreiheit gegenübertreten. Wenn auch zugegeben werden müsse, daß unter den Laienbehandlern sich viele Kurpfuscher befinden, so dürfe doch nicht übersehen werden, daß auch die Vorbildung der Arzte für die Behandlung von Geschlechtskrankheiten bisher sehr ungenügend war. Durch H 6 erfahre die Parität der Heilmethoden in der Tat eine starke Einschränkung, sodaß der Massenprotest der Anhänger der Naturheilmethode gegen den Gesetzentwurf durchaus zu begreifen wäre. Wenn auch die Sozialdemokraten in dieser Frage nicht einig seien, so stehe doch die Mehrheit der Sozialdemokratischen Fraktion auf dem Standpunkt, daß auch für die Behandlung der Geschlechtskrankheiten nach Mitteln und Wegen gesucht werden müsse, die Kurierfreiheit ohne Schädigung der Volksgesundheit zu erhalten. Die Sozialdemokratische Partei behalte sich daher vor, entsprechende Anträge zu den die Kurierfreiheit und die Parität der Heilmethoden einschränkenden Paragraphen des Gesetzes zu stellen. Die Vertreter des Zentrums betonten in der Generaldebatte, daß für ihre Partei die ethischreligiösen Gesichtspunkte bei Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten die wichtigsten seien. Zuzugeben sei, daß die Aufgabe, unser Volk zu einer sittlichen Lebensführung zu erziehen, von der Gesetzgebung nur unvollkommen gelöst werden könnte. Das sei in erster Linie Aufgabe der Kirche und Schule. ...

252 /279
... Nach 8 223 des Reichsstrafgesetzbuchs kann eine geschlechtskranke Person, die den Beischlaf ausübt, nur dann bestraft werden, wenn bei der anderen Person eine Infektion tatsächlich eingetreten ist. Das genüge jedoch nicht. Der Geschlechtsverkehr einer an Syphilis, Gonorrhöe oder Ulcus molle leidenden Person müsse auch dann hart bestraft werden, wenn er zu keiner Infektion geführt habe. Deshalb soll nach 8 4 schon die Gefährdung der sexuellen Gesundheit einer Person durch Ausübung des Beischlafs seitens eines Geschlechtskranken bestraft werden. Von sozialdemokratischer Seite werden erhebliche Bedenken gegen 8 4 geltend gemacht. 8 4 enthalte eine gute Strafbestimmung gegen die syphilitische Ansteckung, er sei aber den Verhältnissen bei einer aonorrhöischen Infektion schlecht angepaßt. Bei der Gonorrhöe lägen die Dinge so, daß sie bei der Frau ganz anders verläuft wie beim Manne. Angesehene Ärzte hätten den Standpunkt vertreten, daß die Gonorrhöe beim weiblichen Geschlecht überhaupt nicht in dem Maße heilbar sei, um später jede Infektionsgefahr auszuschließen. Auch unter den Männern gäbe es zahlreiche Personen, bei denen die gonorrhöische Erkrankung so ungünstig verläuft, daß sie zu schwerer Entzündung der Prostata führt, die zumeist eine Heilung im Sinne absoluter Beseitigung der Infektionsgefahr ausschließt. Obwohl ein solcher Mann von allen Merkmalen gonorrhöischer Erkrankung frei erscheint, sei bei ihm doch immer die Möglichkeit einer In- ...

253 /279
... Dagegen hätten wir es erlebt, daß Männer, die junge Mädchen in Weinlokale verschleppten, sie dort betrunken machten und schließlich im ckambre ssparöe mit ihnen sexuell verkehrten, sich nicht scheuten, später gegen sie wegen sexueller Infektion Strafanzeige zu erstatten, die dann auch zur Bestrafung der Mädchen führte. Obwohl vom Gesetzgeber nicht gewollt, stelle die Bestimmung der Verordnung vom 11. Dezember 1918 über die Strafbarkeit der bloßen Gefährdung der sexuellen Gesundheit (ohne tatsächliche Infektion), die im 8 4 des vorliegenden Entwurfs wiederkehrt, in der Praxis ein rigoroses Ausnahmegesetz gegen die Frauen dar. Aus diesen Gründen wünsche die Sozialdemokratie eine Abschwächung des 8 4 nach zwei Richtungen. Erstens beantrage sie (Nr. 13 Ziffer 2 a) im Abs. 1 Satz 1 die Worte „oder den Umständen nach annehmen muß zu streichen, und zweitens (Nr. 13 Ziffer 2 b) an Stelle des Abs. 2 zu setzen: „Die Verfolgung tritt nur auf Antrag des geschädigten Teiles oder seines gesetzlichen Vertreters ein. Von deutschnationaler Seite wird ausgeführt, daß, obwohl es unverkennbar unter gewissen Umständen schwierig sei, nachzuweisen, ob jemand „den Umständen nach annehmen mußte und es verhältnismäßig selten zu Verurteilungen auf Grund des 8 4 kommen würde, eine Strafandrohung angesichts des Mangels an Verantwortungsgefühl bei einem Teil der männlichen Jugend doch von Bedeutung wäre. Sie würde abschreckend wirken und von Wert sein, um die Niedrigkeit, die in einem derartigen Vergehen liege, gebührend zu charakterisieren. Von seiten der Deutschen Demokratischen Partei wird diesen Darlegungen beigepflichtet. Nachdem die Regierungsvertreter sich gegen die Abschwächung des bestehenden Zustandes ausgesprochen, wird Antrag Nr. ...
... Die Möglichkeit der Infektion werde aber bei vielen nie Wirklichkeit, sei es, daß sie klug jeden Exzeß im ehelichen Liebesleben vermeiden, sei es, daß ihre Ehemänner weniger empfänglich für gonorrhöische Infektion sind. Natürlich wird einer Frau das Eingeständnis, daß sie früher einmal gonorrhöisch infiziert worden und deshalb nicht völlig frei von Ansteckungsstoffen sei, sehr vieil schwerer fallen als dem Mann. Die Zahl der Männer, die nach einem solchen Eingeständnis ihrer Braut noch bereit sein würden, die Ehe mit ihr zu schließen, werde wohl nicht groß sein. Umgekehrt werden Frauen angesichts der Tatsache, daß von der großstädtischen Männerwelt gut 90 o/o eine Gonorrhöe hinter sich haben,, ivenn sie in die Ehe treten,, kaum zu dem Entschluß gelangen, das Eingeständnis einer gonorrhöischen Infektion zum Anlaß zu nehmen, von der Eheschließung abzusehen, weil die Aussicht, in der städtischen Bevölkerung einen Mann ohne gonorrhöische Vergangenheit zu finden, nicht eben groß sei. Fordern sollte der Gesetzgeber die Heilung also nur insoweit, als sie tatsächlich nach dem Stande unseres ärztlichen Könnens zu erreichen ist. Der 8 4 trage der Erkenntnis der modernen medizinischen Forschung, daß Gonorrhöe, insbesondere bei Frauen, keine vollständig heilbare Krankheit ist, nicht genügend Rechnung. Frauen, die einmal gonorrhöisch infiziert waren, müssen „den Umständen nach stets annehmen, „daß sie an einer mit Ansteckungsgefahr verbundenen Geschlechtskrankheit leiden, von der keine ärztliche Kunst sie befreien kann. Gewiß werden solche Frauen, wenn sie klug sind, sich leicht ein ärztliches Attest beschaffen, welches ihnen bescheinigt, daß sie sexuell gesund seien. ...

254 /279
... Gewiß sei eine gonorrhöische Infektion in der Ehe ein großes Anglück. Solche Unglücksfälle durch vieljährige Gefängnisstrafe beseitigen zu wollen, scheine jedoch ziemlich aussichtslos. Nicht übersehen dürfe auch werden, daß 8 5 ähnlich wie 8 4 bereits bei Gefährdung der Gesundheit anwendbar sei, auch wenn tatsächlich keine Infektion stattgefunden habe. Das Damoklesschwert des 8 5 bleibe also auch über einer Ehefrau hängen, die trotz ihres gonorrhoischen Leidens ihren Mann nie infiziert hat, sofern sie ihm vor der Eheschließung ihr Leiden nicht eingestanden hat. Gewiß werden durch 8 5, wenn die Spruchpraxis der Gerichte sich in Einklang mit der modernen wissenschaftlichen Erkenntnis von der nicht völligen Heilbarkeit der Gonorrhöe setzen sollte, viele Ehefrauen bestraft und zahlreiche Ehen zerstört werden, für die Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten werde dabei jedoch nur wenig herausspringen. Von denSächverständigen wird zugegeben, daß die Gonorrhöe der Frau allerdings oft nicht völlig heilbar sei und Unglücksfälle auch nach einer sachgemäßen Besudlung eintreten könnten. Bei der Gonorrhöe des Mannes seien nicht völlig heilbar im Sinne einer Ansteckungsgefahr eigentlich nur noch die veralteten, nicht sachgemäß behandelten Fälle. Durch die modernen Provokationsmethoden sei ein tüchtiger Facharzt in der Lage, bei der Gonorrhöe des Mannes jenen Zustand der Heilung zu bescheinigen, wo eine Infektionsgefahr tatsächlich nicht mehr vorhanden sei. Hierauf wird der Antrag Nr. 13 Abs. 3, im 8 5 Zeile 2 hinter dem Wort „einer einzufügen „noch, abgelehnt und 8 5 in der Fassung der Regierungsvorlage angenommen. 8 «. ...

255 /279
... In Ziffer II des 8 18 ist eine Ergänzung des 8 184 des Strafgesetzbuchs in dem Sinne vorgesehen, daß das Ausstellen, Ankündigen oder Anpreisen von Schutzmitteln gegen sexuelle Infektion nicht mehr als eine Verbreitung unzüchtiger Gegenstände angesehen werden soll. Ein deutschnationaler Redner wendet sich scharf gegen § 13, II. Der Absatz sei einer der bedenklichsten im ganzen Gesetz. Wer weiß, mit welcher Schamlosigkeit gewinnsüchtige Fabrikanten und Händler dieser Mittel heute schon vorgehen, könne gar nicht im Zweifel darüber sein, welche sittliche Verheerungen durch diese Freigabe angerichtet werden müssen, wenn in jedem Schaufenster, in Zeitungen, an Anschlagsäulen ohne jedes ernste Hindernis diese Mittel angepriesen werden. Das sei um so bedenklicher, als diese Mittel notorisch fast alle gleichzeitig antikonzeptionell wirken. Wenn man die Schutzwirkung dieser Mittel so rühme, so sei doch festzustellen, daß eine Erziehung im Sinne sittlicher Selbstzucht auf religiöser Grundlage doch ein besserer Schutz sei. Im Gegensatz zu früheren Schilderungen von anderer Seite wurde betont, daß es doch auch heute noch nicht ganz geringe Kreise gebe, die auf diesem Boden stehen. Übrigens sei es befremdlich, daß auch Frauen diesen Mitteln begünstigend gegenüberstehen, die doch dazu dienen, Angehörige des weiblichen Geschlechts zu einem Mittel zur Befriedigung der ungezügelten Triebe von Männern zu erniedrigen. Nun wolle auch er, der Redner, diese Mittel keineswegs völlig beseitigen. Aber er wolle sie in die Hand des Arztes legen, der über ihre Anwendung in jedem Einzelfall entscheiden möge. ...
... Das Reichsgericht habe sich aus den Standpunkt gestellt, daß Mittel gegen sexuelle Infektion ganz allgemein als Gegenstände anzusehen seien, die „zu unzüchtigem Gebrauche bestimmt seien und die deshalb, selbst in der dezentesten Verpackung, in Ladengeschäften nicht ausgestellt werden dürften. Auch ihre Ankündigung oder Anpreisung ist nach der Entscheidung des Reichsgerichts ein Verstoß gegen 8 184, der mit Gefängnis bis zu einem Jahre bestraft werden kann. Angesichts der guten Erfolge, die überall mit den Schutzmitteln gegen sexuelle Infektion im Kampfe gegen die Geschlechtskrankheiten erzielt worden seien, sei die durch die Spruchpraxis des Reichsgerichts geschaffene Rechtslage unerträglich. Nach Ansicht der Fachärzte aller Länder könne durch die ungehinderte Verbreitung von Schutzmitteln gegen sexuelle Infektion eine ungeheure Zahl von geschlechtlichen Erkrankungen vermieden werden. Die Vertreter der Sozialdemokratie unterstützen die Auffassung der Regierung. Der durch die Spruchpraxis des Reichsgerichts geschaffene Zustand führe zur syphilitischen und gonorrhöischen Verseuchung des ganzen deutschen Volkes. Während man in andern Ländern alles daran setze, die unverheirateten Männer, die ja doch vom unehelichen Verkehr nicht leicht abzuhalten seien, zur^An- ...

256 /279
... Selbst in England, wo man sehr prüde sei und von sexuellen Dingen nicht gern spreche, sei man dahin gekommen, den Gebrauch von Schutzmitteln gegen sexuelle Infektion energisch zu propagieren. Namentlich geschähe dieses in der britischen Armee und Marine. Die Erfolge waren so groß, daß der gegen die Propaganda für Schutzmittel erhobene Einspruch verstummen mußte. Die Redner der Deutschen Demokratischen Partei erklären sich zwar nicht grundsätzlich für die Aufrechterhaltung der bestehenden Rechtslage, äußern aber andrerseits lebhafte Bedenken, den Vertrieb von Schutzmitteln gegen sexuelle Infektion vollständig freizugeben. Die Schranke, die der Regierungsentwurf für den Vertrieb von Schutzmitteln zieht, nämlich, daß derselbe nicht in einer Sitte oder Anstand verletzenden Weise erfolge, reiche nicht aus. Es wäre doch z. B. unerträglich, wenn Reklamezettel für solche Schutzmittel, auch wenn sie an und für sich nicht gegen Sitte und Anstand verstoßen, als Einwickelpapier benutzt würden und dadurch auch in die Hände von Kindern und Jugendlichen gelangten. Ein sozialdemokratischer Redner betont nochmals die Bedeutung der Schutzmittel für die Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten. Man müsse unterscheiden zwischen Infektionskrankheiten, die wir nur eindämmen, und Infektionskrankheiten, die wir ausrotten können. Wo bei einer Infektionskrankheit menschlicher Wille allein nicht ausreicht, alle Ansteckungsmöglichkeiten zu beseitigen, wie z. B. bei der Tuberkulose, kann bei Bekämpfung der Krankbeit das hygienische Ziel naturgemäß nur auf die Eindämmung der Krankheit gerichtet sein. Ganz anders muß unsere Einstellung zu Infektionskrankheiten sein, vor denen wir uns durch bestimmte Maßnahmen wirksam schützen können. Hier muß das Ziel nicht bloß Bekämpfung, sondern Ausrottung der Krankheit sein. ...
... Aus diesem Grunde müssen wir die moralischen Bedenken, die sich einer Empfehlung von Schutzmitteln gegen sexuelle Infektion entgegenstellen, zurücktreten lassen. Es muß die rechtliche Möglichkeit geschaffen werden, nicht nur Aufklärung über den Schutz gegen sexuelle Ansteckung zu verbreiten, sondern auch die hierzu wirklich geeigneten Mittel in einer Sitte und Anstand nicht gefährdenden Weise zum Verkauf zu bringen, wobei der Gesichtspunkt nicht aus dem Auge verloren werden darf, daß in dem Maße als es gelingt, die Männer beim außerehelichen Verkehr zur Anwendung von Schutzmitteln zu bestimmen, man dem Ziel der Ausrottung der Geschlechtskrankheiten immer näher kommt. Allerdings ist es richtig, daß es wirklich wirksame Mittel gegen Infektion nur für den Mann gibt. Das spricht jedoch nicht gegen den Wert der individualhygienischen Methode bei Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten, weil die Frauen, die der Prostitution verfallen, ja von Männern angesteckt werden. Will man der sexuellen Volksseuchen Herr werden, so dürfe man sich nicht von einem falschen Schamgefühl leiten lasten. Tatsache ist, daß der Mann, wenn er eine Minderung der Lustgefühle im sexuellen Verkehr in den Kauf nimmt, sich durch den Gebrauch von Condomen und sorgfältigen Waschungen vor sexueller Ansteckung, wenn auch nicht absolut, so doch in weitgehendem Maße schützen kann. Die weitaus größte Zahl von Infektionen kann also verhindert werden, wodurch uns zugleich die Aussicht auf völlige Ausrottung der Geschlechtskrankheiten eröffnet wird. ...

257 /279
... Zu der in erster Lesung gestrichenen Ziffer II, welche die stark umstrittene Frage des Ausstellens und der Ankündigung von Schutzmitteln gegen venerische Infektion behandelt, liegen vier Anträge vor. Ein sozialdemokratischer Antrag Nr. 46 Ziffer 3 b und ein demokratischdeutschvolksparteilicher Antrag Nr. 68 Ziffer 1 verlangen die Wiederherstellung der Regierungsvorlage. Letzterer außerdem eine Änderung derselben, indem die Worte: „das Ausstellen, Ankündigen oder Anpreisen ersetzt werden sollen durch die Worte: „das Ausstellen oder Ankündigen. Für vollständige Freiheit des Ausstellens ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1924
Bd.: 383. 1924
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-383

ID: 00000067
258 /279
... In den weiter zurückliegenden Jahren sind noch etwa acht weitere Fälle von Milzbrand durch Infektion beim Arbeiten mit Rohwolle beobachtet worden. Soweit einerseits festgestellt werden konnte, sind alle diese Fälle ausschließlich beim Verarbeiten von asiatischer Schafwolle, Kamelwolle, Ziegenhaar (Mohair) vorgekommen. Besondere Maßnahmen zum Schutze der mit Wolle beschäftigten Arbeiter erscheinen hiernach in Deutschland nicht erforderlich. Trotzdem dürfte es unbedenklich sein, dem Vorschlag zuzustimmen. Deutschland übernimmt damit noch keine völkerrechtliche Verpflichtung, bestimmte Maßnahmen zu treffen. Im übrigen ist die internationale Erörterung der Frage der Milzbrandverhütuug noch nicht abgeschlossen. Die Internationale Arbeitskonferenz hat ans ihrer sechsten Tagung im Juni 1924 sich mit den Beschlüssen eines von ihr auf einer früheren Tagung eingesetzten Ausschusses über die Desinfektion milzbrandkeimverdächtiger Wolle befaßt. Sie hat sich in einem neuen Beschluß dahin entschieden, daß eine Entseuchung von in der Textilindustrie verwendeten Wollarten und Haaren auf dem Wege einer internationalen Bindung nicht zu empfehlen sei, daß dagegen zur Regelung der Milzbrandverhütung im übrigen ein internationales Übereinkommen oder ein Vorschlag in Erwägung gezogen werden soll. Zu 84. Vorschlag, betreffend den Schutz der Frauen und jugendlichen gegen Bleivergiftung. In Deutschland gelten für den Schutz der Arbeiter gegen Bleivergiftung folgende gesetzliche Bestimmungen: 1.1 Verordnung über die Einrichtung und den Betrieb von Anlagen zur Herstellung von Bleifarben und anderen Bleiverbindnngen vom 27. Januar 1920 (Reichsgesetzbl. S. 109). 2.1 Bekanntmachung des Reichskanzlers, betreffend die Einrichtung und den Betrieb der Bleihütten, vom 16. Juni 1905 (Reichsgesetzbl. S. 545). ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1925
Bd.: 385. 1924
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-385

ID: 00000069
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... Nach einer Dentscbrisr des preußischen Wohlfahrtsministeriums hat die ruhende Infektion mit Tuberkulvsebazillen um 15 Pro zent zugenommen. Allein 50 Prozent aller groß städtischen Kinder seien mit Tuberkulosebazillen infiziert. Die Zunahme der Tuberkulose zeige sich besonders stark an schulpflichtigen Kindern, wie das in der Denkschrift ini einzelnen nachgewiesen wird. Während im Jahre 1913 von 1000 Schulkindern 8,3 tuberkulös erkrankt waren, stieg dieser Prozentsatz im Jahre 1922 auf 30 Prozent. (Hört Hört! bei den Sozialdemokraten.) Aber auch bei den Erwachsenen zeigen sich die Schäden der Unterernährung in ganz erschreckender Weise. Nach einem Bericht der Dresdener Ortskrankenkasse war im Durchschnitt der letzten 40 Jahre ^ der Vorkriegszeit der Krankenstand 2500 bis 3000 pro Monat. Die Zahl der Kranken stieg im Juli 1921 auf 8583 und betrug zeitweilig sogar 9000 bis 10 000 im Monat. Auch bei der Leipziger Ortskrankenkaffe ist der Krankenstand mehr als doppelt so boch wie in der Vorkriegszeit. Die Berliner Ortskrankenkaffe bat vom Januar bis Juli 1925 eine Steigerung ihrer Krankenziffer von 26,7 Prozent zu verzeichnen. Dasselbe Bild, welches uns die großstädtischen Krankenkaffen zeigen, trifft auch bei den kleinen Ortskrankenkaffen zu. So berichtet die Ortskrankenkasse von Heilbronn, daß sich der Krankenstand von 450 auf rund 1000 erhöht habe. Das sind wahre Elendsbilder, die als Folge der Unterernährung, hervorgerufen durch die schlechte Entlohnung, sich hier entrollen, und hieran ist das Statistische Reichsamt durch seine falsche Indexberechnung nicht ganz unschuldig. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1925
Bd.: 386. 1924
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-386

ID: 00000070
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... Aber ich möchte Ihnen, um überhaupt eine Probe der Berufsgefahren hier zu geben, sagen, daß nach einer Enquete des Verbandes der Gemeinde- und Staatsarbeiter in den Jahren 1923 und 1924 in 16 Irrenanstalten allein folgende Berufsunfälle zu verzeichnen waren: Todesfälle durch Angriffe Geisteskranker 3, durch Infektion 2, sofortige Invalidität durch Angriffe Geisteskranker 1, durch Infektion 3 Fälle, längere Krankheit durch Angriffe Geisteskranker 26, durch Unfälle 5, und durch Infektion 126. Dies waren die Geschehnisse in 16 Anstalten in einem einzigen Jahre! (Hört! Hört! bei den Sozialdemokraten.) Dazu kommen die Fälle von Infektion von Lungentuberkulose, der unendlich viel Mitglieder des Berufs der Krankenpfleger unterliegen. Es ist doch erschütternd, wenn eine einzelne Organisation festgestellt hat, daß bei einer großen Zahl von Krankenschwestern das durchschnittliche Lebensalter 35 Jahre ist. (Hört! Hört! links.) Aus diesem Grunde hätte ich gewünscht, daß uns Herr Ministerialdirektor Grieser mitgeteilt hätte, wieweit die Frage geklärt ist, ob es möglich ist, die Zehntausende von Angehörigen des Krankenpflegepersonals in die Unfallversicherung einzubeziehen. Präsident Löbe: Das Wort hat der Herr Abge ordnete Andre. ...


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