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Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1883
Bd.: 71. 1882/83
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 yb,A-71

ID: 00018441
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... Indessen habe ich die Ueberzeugung, daß der Herr Reichskanzler schwerlich sich veranlaßt finden wird, von seiner Ermächtigung zu Gunsten der hinsichtlich einer etwaigen Infektion mit Zuverlässigkeit gar nicht kontrolirbaren Rebschulen Gebrauch zu machen, da sonst die Wirkung des ganzen Gesetzes vereitelt, schwerer Schaden angerichtet werden könnte. Die Frage der Entschädigung endlich anlangend, die der Herr Freiherr von Göler noch berührt hat, so findet dieselbe ihre Erledigung auch in Bezug auf solche Fälle, wie der Herr Abgeordnete sie vor Augen hat, in der Bestimmung des H 10 des Gesetzentwurfs, wo es heißt: Derjenige, dessen Rebpflanzungen von den in den HZ 1—3 bezeichneten Maßregeln betroffen worden, ist befugt, den Ersatz des Werths der auf obrigkeitliche Anordnung vernichteten und des Minderwerths der bei der Untersuchung beschädigten gesunden Reben zu verlangen. Weitergehende Ersatzansprüche gewährt das Reichsgesetz wegen unmittelbaren oder mittelbaren Schadens nicht. Ueberdies werden die erwähnten Maßregeln in der Hauptsache nur dann zur Anwendung kommen und zu einer Entschädigung führen, wenn ein Grundstück als infizirt sich erweist oder der Infektion verdächtig wird. Ob und inwieweit etwa nach badischem Landrecht der Besitzer der mehrgenannten Rebschule in der Lage sein möchte, die Nachtheile, welche er in Folge des gegenwärtigen Gesetzes vielleicht indirekt erleiden wird, vergütet zu verlangen, das entzieht sich meiner Beurtheilung. Präsident: Ich schließe die Generaldiskussion, da sich niemand weiter zum Wort gemeldet hat, und habe an das Haus die Frage zu richten, ob eine Berathung des Gesetz- ...

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... Sie kommen fast nur vor bei großer Sonnenhitze, und es scheint daraus hervorzugehen, daß eine den Aerzten nicht sichtbare Zersetzung des Impfstoffes daran die Schuld trägt, vielleicht auch eine nachträgliche Infektion der Impfstellen bei unreinlichen Leuten. Man wird daher die Vorsichtsmaßregel ergreifen müssen, daß man dem Arzte empfiehlt, sich bei großer Sommerhitze nicht aufbewahrten Impfstoffes zu bedienen, sondern nur ganz frischen, und man wird den Eltern empfehlen müssen, nach Analogie der antiseptischen Wundenbehandlung in Krankenhäusern, die Impfstelle mit einer kleinen in Karbolwasser getauchten Kompresse zu bedecken und dieses Verfahren etwa 8 Tage fortzusetzen. Das ist ein Opfer, welches einen Kostenaufwand von wenigen Pfennigen erfordert, also auch von den einfachsten Leuten getragen werden kann. Wenn diese Vorsichtsmaßregeln befolgt werden, so, meine Herren, glaube ich dafür bürgen zu können, daß das Auftreten von Wundrose bei Impfungen in Zukunft ebenso wie in Krankenhäusern und Kliniken aufhören wird. Ich komme zur Jmpfsyphilis. Ich will von vornherein darauf hinweisen, daß auch hier eine große Anzahl von Uebertreibungen und Entstellungen der Wahrheit, absichtlichen und unabsichtlichen, mit unterläuft, namentlich deshalb, weil in der größten Anzahl von Fällen die Jmpfsyphilis verwechselt wird mit dem Ausbruche der erblichen Syphilis, welche das Kind von einem Theile der Eltern ererbt hat. ...
... In einer gewissen Anzahl von Fällen ist cs auch eine äußere zufällige Infektion, z. B. durch kranke Schlafstellen, durch welche das Kind angesteckt wird. Auf solche Weise haben sich z. B. die zwei einzigen Fälle aufgeklärt, welche in Berlin in den Jahren 1879 bis 1881 angeblich an Jmpfsyphilis vorgekommen sein sollten. Sie können das Nähere darüber in dem Sanitätsbericht des Herrn Gcheimrath Skrzeczka finden. Für den Sachkenner gibt es sehr charakteristische Merkmale, an denen sich erkennen läßt, ob man es im gegebenen Falle mit Jmpfsyphilis zu thun hat. Einmal muß verlangt werden, daß der Stammimpfling, von dem dis Lymphe abgenommen ist, sich noch als syphilitisch erweist; sodann muß der ganze Verlauf der Syphilis auf die Impfstelle hinweisen. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1883
Bd.: 72. 1882/83
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 yb,A-72

ID: 00018442
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... Der Weg1 der Infektion konnte nicht1 ermittelt1 werden, nur steht fest,1 daß sie 14 Tage vor der Erkrankung nicht in Rödelheim gewesen, also die Infektion in genanntem Zeitraume (14. bis 27. Januar) muß stattgefunden haben. Patientin starb am 13. Krankheitstage. 7.1 Die1 28jährige Taglöhnerin1 Seiffert, nur als Kind geimpft (Jmpfnarben undeutlich), erkrankte am 29. Januar schwer. Sie hatte die Böggler (Nr. 3) während ihrer Krankheit gepflegt und wohnte gleichzeitig im Hinterhaus der Frau Schulte (Nr. 2), deren Wohnung sie nach ihrem Tode gereinigt hatte. Die Infektion konnte somit auf diesen beiden Wegen erfolgt sein (17. resp. 23. Januar), so daß das Jnkubationsstadium sich auf 12 resp. 7 Tage in winimo berechnet. Sie genaß nach 3 Wochen. 8.1 Frau Huhn, 33 Jahre alt, nur geimpft, hatte nach bereits mehrere Tage lang bestehenden Rückschmerzen und Fieber am 29. Januar ein gesundes Kind geboren, erkrankte am 30. Januar an schwerer Variola und starb am 2. Februar. Sie war also bereits vor der Niederkunft infizirt und irrthümlich die mit Fieber verbundenen Kreuz - schmerzen als Vorboten der bevorstehenden Niederkunft von ihr gedeutet worden. Ihre Wohnung befand sich wenige Häuser von derjenigen der Frau Schulte (Nr. 2) entfernt, so daß sich das Jnkubationsstadium auf mindestens 13 Tage (Todestag der Frau Schulte 17. Januar) berechnet, da ein anderer Weg der Infektion nach den Mittheilungen nicht anzunehmen ist. 9.1 Der 32jährige Seiffert, Ehemann der am 29. Januar erkrankten Frau Seiffert, (Nr. 7), nur geimpft (deutliche Jmpfnarben), erkrankte am 9. ...
... Ihre Infektion durch die Familie Huhn (Nr. 8) mit einem Jnkubationsstadium von in williwo 9—11 Tagen ist annehmbarer als durch die Familie Schulte (Nr. 2) mit in nnninao 25tägiger Inkubation. 11.1 Lina Huhn, 14 Tage alt, Kind der am 2. Februar an den Blattern verstorbenen Frau Huhn (Nr. 8) erkrankte ungeimpft am 13. Februar an Variola und starb nach 5 Tagen. Die Infektion unzweifelhaft vor oder nach der Geburt durch die Mutter erfolgt, hatte ein Jnkubationsstadium von mindestens 11 Tagen, oder gleichzeitige Infektion mit der Mutter schon als Fötus angenommen von 24 Tagen. 12.1 Frau Faist, 31 Jahre alt, geimpft, nicht revaccinirt, erkrankte am 24. Februar schwer und genaß nach 4 Wochen. Die Infektion erfolgte durch zwei Männer, welche beim Transport Blatternkranker in das Hospital thätig gewesen sind, und in dem Spezereigeschäst des Faist Schnaps getrunken hatten. 74 ...

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... Die Infektion erfolgte durch das Nachbarhaus (Familie Faist Nr. 12), in welchem Kreutzer verkehrt hatte. In Sossenheim erkrankte am 31. Zanuar der 30jährige geimpfte und revaccinirte Schreiner Faust leicht an Vuriolois und genaß nach 3 Wochen. Er hatte sich infizirt, als er in Höchst die an Variola verstorbene Frau Sprendler (siehe unten) am 17. Zanuar in den Sarg legte. Das Znkubationsstadium währte demnach 14 Tage. Zn Nied erkrankte am 14. Februar der Arbeiter Berg, geimpft, nachdem er acht Tage in seiner Hcimath Pfungstadt gewesen, von wo er am 13. Februar zurückkehrte, so daß die Infektion vor dieser Zeit fallen muß, weil in Pfungstadt z, Z. keine Blatternkranke sich befanden. Mittelschwerer Fall; Genesung nach 3 Wochen. Nachdem in Höchst seit Mitte November kein neuer Blatternfall mehr vorgekommen war, trat hier die Krankheit nach vierwöchentlicher Pause wiederum plötzlich am 10. Dezember auf bei dem 50jährigen Schreiner Müller (3); geimpft und revaccinirt; genaß nach 14 Tagen. Die Infektion erfolgte durch seine Frau, welche die im November an Variola erkrankt gewesene Familie Keßler öfters besucht und selbst eine ganz leichte Variolois (einige verdächtige Stellen im Gesicht, auf der Brust und an den Vorderarmen) gehabt zu haben scheint, so daß ein Znkubationsstadium von mindestens 16 Tagen bei Müller angenommen werden muß. Durch den direkten Verkehr mit dieser Familie erkrankte: 4.1 in Höchst der Schuhmacher Lauinger, 50 Zahre alt, geimpft und revaccinirt, mittelschwer; Heilung nach 3 Wochen. Das Znkubationsstadium beträgt längstens 7 Tage. ...
... Die Ansteckung war durch Frau Keßler erfolgt, doch ist die Zeit der Infektion nicht festzustellen. 7.1 Anr 1. Zanuar erkrankte der 43jährige Spengler Boy, nur geimpft, schwere Erkrankung; Heilungnach 3Wochen. Die Ansteckung ist nicht klar zu stellen; es liegt die Möglichkeit vor, daß er durch die Familie Hütsch, welche vis-üvis wohnte, und wo am 4. Zanuar die Frau an Blattern erkrankte, infizirt wurde. 8.1 Oberlehrer Hofmann, 55 Jahre alt, im ersten Lebensjahre geimpft, auf jedem Arme eine Narbe sichtbar, nicht revaccinirt, erkrankte am 2. Zanuar schwer und genaß nach 3 Wochen. Für die Infektion liegen bei ihm verschiedene mögliche Gelegenheiten vor. Er selbst glaubt sich von einem Schulknaben angesteckt, welcher ihm am 19. Dezember mit der Anzeige erschreckte, daß in seiner Familie die Blattern ausgebrochen seien und konnte sich von da ab nicht mehr von dem Gedanken frei machen, daß er an Blattern erkranken werde. Doch hat Hofmann noch andere Berührungspunkte gehabt. Der 12jährige Schwickert, der am 2. Zanuar ebenfalls an Blattern erkrankte, besuchte vor seiner Erkrankung die Schule Hofmanns. Ein anderer Schulknabe, der an Blattern erkrankte, saß in der Nähe Hofmanns sowohl in der Schule als in der Kirche. Auch der Kaplan, der ihn am 1. Weihnachtsfeiertage besuchte, erzählte ihm, daß er am Abend vorher den Blatternkranken Lau in ger „versehen habe. Das Znkubationsstadium betrüge demnach längstens 14 Tage. ...

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... Die Infektion war dadurch erfolgt, daß Pferg auf einem Mantel des an Variola erkrankten Lauinger (siehe Nr. 4) geschlafen hatte. 18.1 Erkrankte, angesteckt durch ihren Vater, welcher die Blatternbaracke zum Theil bedient hatte, die 28jährige gravide Frau Schindling (war geimpft und revaccinirt) am 18. Januar mittelschwer und genaß nach drei Wochen. Die Schwangerschaft wurde durch die Krankheit nicht gestört. Leicht erkrankte am 22. Januar 19.1 deren Ehemann, 32 Jahre alt, geimpft und revaccinirt; jedenfalls durch seine Frau angesteckt oder durch den vorerwähnten Schwiegervater (siehe Nr. 17); genaß nach drei Wochen. Dauer der Inkubation in winiwo 4 Tage. 20.1 Der Schwiegervater der snb Nr. 14 erwähnten Frau Sprendler, 58 Jahre alt, einmal geimpft, durch jene angesteckt, erkrankte am 25. Januar leicht, genaß nach drei Wochen. Jnkubationsstadium von mindestens 9 Tagen, da Frau Sprendler am 16. Januar gestorben war. 21.1 Ebenfalls durch Frau Sprendler angesteckt erkrankte am 25. Januar nach mindestens 9tägigcm Inkubationsstadium deren Pflegerin, die 28jährige Frau Clemens mittelschwer und genaß nach drei Wochen. 22.1 Sehr leicht erkrankte am 29. Januar der einmal geimpfte Nachtwächter Ferg und genaß nach 14 Tagen; Ansteckungsweg nicht zu eruiren. 23.1 Ziemlich schwer erkrankte am 31. Januar die 22jährige Frau Fay, geimpft und revaccinirt; gravicka; überstand eine Fehlgeburt im 8. Monat am 3. Tage nach Beginn der Erkrankung. Das Kind, ohne äußere Spuren der Variola, war todt. Sie genaß nach drei Wochen. Die Infektion war zweifellos durch ihren ganz leicht an Varioloi8 erkrankt gewesenen Mann erfolgt. ...
... Das Jnkubationsstadium beläuft sich auf längstens 14 bis in minimo 5 Tage, je nachdem die Infektion durch erstere oder letztere Frau erfolgt ist. Ueber die Impfungen liegt keine Mittheilung vor. 25.1 Am 16. Februar erkrankte die 30jährige Frau Enkemann mittelschwer und genas nach 3 Wochen. Die Genese des Falls ist nicht zu eruiren. 26.1 Ebenfalls ohne Möglichkeit der Ermittelung des Znfektionsweges erkrankte am 29. Januar die 35jährige Frau Hartmann mittelschwer und genas nach 3 Wochen. Durch die oben mehrfach erwähnte Frau Sprendler ebenfalls angesteckt, an deren Beerdigung in Höchst er theilgenommen hatte, erkrankte in Mammolshain, Amt Königstein, der 34jährige, geimpfte, mit deutlichen Zmpfnarben versehene, nicht revaccinirte Bommersheim am 7. Februar leicht und genas nach 10 Tagen. Inkubinationsstadium von mindestens 20 Tagen, da der Tod der Frau Sprendler bereits am 16. Januar erfolgt war. Wenn auch in der großen Mehrzahl obiger Blatternsälle die Ucbertragung und Verschleppung sicher nachweisbar, so bleibt für einzelne Fälle doch die Genese dunkel, so daß eine prozentuarische Berechnung des Jnkubationsstadium leider nicht thunlich, ohne Fehler unterlaufen zu lassen. — Leider sind auch in vier Fällen keine Angaben über die Impfverhältnisse der an Blattern erkrankten resp. verstorbenen Personen gemacht worden, so daß diese Fälle, was ich hier vorausschicken muß, bei den prozentuar.schen Berechnungen des Grades der Erkrankungen u. s. w. in Bezug auf die Iwpfverhältnisse ausgeschieden werden mußten. ...

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... Nur bei 58 Mann, welche von einem spanischen Kinde geimpft wurden, entwickelte sich eine Infektion, die nicht zu verkennen war, sie waren sämmtlich syphilitisch gemacht worden. Die Mannschaften kamen ins Spital, woraus der größere Theil nach 4 Wochen wieder entlassen wurde, doch kehrten sie bald wieder dahin zurück, mit Hautausschlägen, heftigen Kopfschmerzen, Geschwüre an Lippen, Gaumen, Zunge, Zahnfleisch rc. 10.1 Fall. Leipziger Volks-Zeitung. Vom Impfzwang. Zn der 2. Bürgerschule sind ca. 60 Kinder nach erfolgter offizieller Impfung in der Schule erkrankt, manche bedenklich und können die Schule nicht besuchen. Hiesige Blätter scheinen diese hochwichtige Thatsache vollständig zu ignoriren. 11.1 Fall. Aus Gotha wird im September 1882 hierher (Stuttgarter Tageblatt) berichtet, daß in dem nahegelegenen Herbsleben nach einer amtlichen Veröffentlichung nicht nur die in diesem Zahre geimpften kleinen Kinder, sondern auch die revaccinirten zwölfjährigen ernstlich, ja lebensgefährlich erkrankt sind. Das Fleisch an der betreffenden Stelle ist abgefault und der Körper mit Blasen bedeckt. Nach Aussage der Aerzte dürfte es zweifelhaft sein, ob auch nur ein Kind von der Krankheit genesen wird. Dieser Fall von Massenvergiftung soll bereits der herzoglich gothaischen Staatsregierung zur Untersuchung unterbreitet sein. Zu diesem Fall schreibe nun die Allgemeine medizinische Zentralzeitung in der Beilage ihrer Nr. 76: Das sei Alles erfunden! Nachträglich, nach wenigen Tagen, zeigten sich bei einigm Schulkindern eine stärkere Röthung der Impfstellen, theilweises Abstoßen des Zmpfschorfes und an verschiedenen Stellen des Körpers kleine Bläschen; das habe aber nichts zu bedeuten. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1883
Bd.: 73. 1882/83
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 yb,A-73

ID: 00018443
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... Denn die nicht nachweislich kranken bewurzelten Pflanzen, welche der Vernichtung und Unschädlichmachung vorerst noch entgehen, unterliegen immerhin einem dringenden Verdachte der Ansteckung und würden nur etwa Abnehmer finden, welche mit der Thatsache oder der Bedeutung der Infektion des Grundstücks unbekannt sind, mithin getäuscht werden, so daß der Besitzer schwerlich in der Lage sein dürfte, einen aus solchem Verbot hergeleiteten Ersatzanspruch rechtlich zu begründen. Nicht bewurzelte Pflanzen aber, abgeschnittene Blumen, Obst, Gemüse, unter Umständen auch Trauben ohne Blätter werden bei Beobachtung der nöthigen Vorsicht im allgemeinen freigegeben werden können. Endlich wird auch ein Verbot, das heimgesuchte Grundstück zeitweise — der Regel nach für 2 bis 3 Jahre — zur Rebkultur nicht zu verwenden, einen nachweisbaren Schaden nicht verursachen. Denn es ist zu erwägen, daß der Besitzer bei sofortiger Erneuerung der Rebkultur den bereits erlittenen Schaden nicht heilen, sondern voraussichtlich vergrößern würde, da eine einmalige Säuberung des behafteten Grundstücks das Znsekt, dessen enormes Fortpflanzungsvermögen bekannt ist, fast niemals gänzlich vertilgt. Es kommt hinzu, daß in vielen Fällen der Boden durch den Wechsel der Kultur und durch den mit einer Unschädlichmachung verknüpften Gewinn an Nährstoffen eine Verbesserung erfährt, welche dem später neu gepflanzten Weinstock reichlich zu gute kommt. Immerhin beabsichtigt der Entwurf durch die Vorschrift im §. 10 Absatz 1 nur das Mindestmaß der Entschädigungspflicht festzusetzen, ohne die Bundesstaaten, wenn sie nach Lage der Verhältnisse die Leistung weitergehender Vergütungen für angemessen erachten, hierin zu beschränken. 8. 12 enthält die nöthigen Sirasvorschriften. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1885
Bd.: 85, 1. 1884/85
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 yb,A-85

ID: 00018455
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... Nun aber setzen Sie diese inokulirten Leute der natürlichen Ansteckung aus, die tausendmal giftiger ist, lassen Sie das Pockengift einathmen, dann werden Sie mir zugestehen müssen, daß, selbst wenn die Impfung gegen die Inokulation schützt, noch lange nicht gesagt ist, daß sie gegen die natürliche Infektion schützt, die durch die Lunge zu Stande kommt. Herr Geheimrath Dr. Koch: Meine Herren, ich habe keineswegs gesagt, daß das einmalige Ueberstehen der Pocken einen absoluten Schutz verleihe. Ich beziehe mich hierbei wieder auf das Beispiel der Masern. Wir kennen auch eine ganze Reihe von Fällen — mir selbst sind solche Fälle bekannt —, wo einzelne Menschen die Masern zum zweiten, ja zum dritten Male bekommen haben. Das stößt aber nicht die Thatsache um, daß mit wenigen Ausnahmen die Menschen, die die Masern überstanden haben, nunmehr dagegen geschützt sind. Ganz ebenso verhält es sich auch mit den Pocken. Mir stehen einige Zahlen zu Gebote, die wenigstens eine Vorstellung davon geben können, in welchem Umfange das einmalige Ueberstehen der Pocken gegen spätere Erkrankungen schützt. Es sind von Bousquet aus 30 großen Blatternepidemien Zahlen gesammelt, die sich auf 16 051 Blatternkranke beziehen; davon waren nur 34, welche die Pocken zum zweiten Male bekommen hatten. Herr Geheimrath Dr. Siegel, das Mitglied unserer Kommission, hat über die Epidemien vom Jahre 1871 im Leipziger Medizinalbezirke berichtet und giebt an, daß unter 3 188 Kranken zum zweiten Male nur 26 an den Pocken erkrankt waren. ...

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... Die Infektion der geimpften muß dagegen einen unumstößlichen Beweis gegen Pasteurs Theorie liefern. Aus seiner Verbindung herausgerissen klingt dieser Satz allerdings so, als ob ich die künstliche Immunität gegen Milzbrand überhaupt nicht gelten lassen wollte. Aber aus dem Zusammenhange geht hervor, daß dies nicht der Fall ist. Es handelte sich nämlich darum, nachzuweisen, daß ein Unterschied besteht zwischen der gewöhnlich durch Impfung bewirkten künstlichen und der in anderer Weise geschehenden natürlichen Infektion, daß die Präventivimpfung gegen die natürliche Infektion weniger schützend wirkt, als gegen die künstliche. Ich gehe nämlich von der Annahme aus, daß die natürliche Infektion bei den Schafen vorwiegend durch das Futter, und zwar vom Darm aus stattfindet; Pasteur nimmt dagegen an, daß sie zwar auch zum Theile durch das Futter zu Stande kommt, dann aber nur dadurch, daß durch stachliges Futter kleine Wunden in der Maulschleimhaut entstehen und von diesen aus die Thiere infizirt werden. In dem Passus meiner Schrift, aus welchem der zitirte Satz genommen ist, war nur die Rede davon, daß die Pasteursche Theorie — ich meine nicht die Theorie von der künstlichen Immunität überhaupt, sondern die Theorie über die Art und Weise der Infektion — eine andere ist, als die, welche ich annehme. ...
... Mit diesem Verfahren sind, wenn Thiere vollständig immun gemacht und insbesondere gegen die natürliche Infektion geschützt werden sollen, bedeutende Verluste verbunden. Je geringer die Verluste bei der Präventivimpfung sind, um so geringer fällt auch der Schutz aus, welcher damit erzielt wird. Zch glaube, daß meine Worte über die künstliche Milzbrandimmunität nicht mißzuverstehen find und ich erkläre nochmals, daß ich nicht gegen die Pasteursche Auffassung von der künstlichen Erzielung einer Immunität überhaupt bin, sondern daß ich letztere nur nicht in dem Umfange gelten lassen will, wie Pasteur es thut. Vorsitzender: Herr Geheimrath Koch hat inzwischen einen Antrag eingebracht als Antwort auf die erste Frage: Die Kommission hält es für feststehend, daß das einmalige Bestehen der Pockenkrankheit Schutz gegen ein nochmaliges Befallenwerden von derselben verleihe. Herr vr. Eulenberg: Wenn ich das Wort ergreife, so geschieht es, um vorweg die Thatsache als konstatirt hinzustellen, daß die Pockenkrankheit unter Umständen Jemanden zweimal befallen kann. Dies erscheint insofern nicht auffällig, als überhaupt die Disposition zu Infektionskrankheiten eine verschiedene ist und von der Individualität abhängig bleibt. Eine Ausnahme wirft aber die Regel nicht um und muß daher ein zweimaliges Befallenwerden von den Pocken immerhin nur als eine Seltenheit betrachtet werden. Herr vr. ...

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... Wenn die Leute aus dem Krankenhause einmal gesund entlassen sind und nach vier oder sechs Wochen zurückkommen, so haben sie sich einer neuen Infektion ausgesetzt und sind zum zweiten Male erkrankt. Herr Dr. Weber: Ein Theil dessen, was ich sagen wollte, ist schon durch die Bemerkung des Herrn Böing vorweg genommen worden. Was seine Zurückziehung der Löhnertschen Wahrscheinlichkeitsberechnung betrifft, so will ich doch darauf aufmerksam machen, daß Löhnert unzweifelhaft das richtige Prinzip aufstellt, nach welchem solche Berechnung stattfinden muß, wie es auch Herr Dr. Böing vorhin auseinandergesetzt hat. Es ist ja richtig, daß die Berechnung selbst aus Mangel an vollständigen Zahlen nur innerhalb der Grenzen einer gewissen Wahrscheinlichkeit hat angestellt werden können, und insofern ist zwar das erhaltene Resultat am Ende nicht einwandfrei, wohl aber das Prinzip der Kalkulation. Was die Fälle aus Aachen betrifft, so möchte ich den Antrag stellen, daß das Polizeipräsidium von Aachen ersucht werde, schleunigst die betreffenden Akten uns einzusenden, so daß wir die Möglichkeit haben, ein vollständig beweiskräftiges Material vorlegen zu können. Sodann weise ich darauf hin, daß der Beweis aus der Analogie meiner Ansicht nach doch nicht als so stark und geradezu ausschlaggebend heranzuziehen sei. Wenn wir auch nicht bestreiten, daß Masern und Scharlach Infektionskrankheiten sind, die den Menschen nur selten mehr als einmal befallen, so läßt sich das nicht ohne Weiteres anwenden auf die Pocken, die eine Krankheit sni gonoris darstellen. ...

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... Hier handelt es sich zunächst darum, ob das einmalige Bestehen der Pockenkrankheit eine mehr oder weniger große Sicherheit gegen weitere Infektion verleiht, und ich glaube, dem können wir wohl Alle beistimmen. Herr Dr. von Kerschensteiner r Ich möchte vom Standpunkte der bayerischen Erfahrungen zur Unterstützung des Vorschlages des Herrn Geheimraths Or. Koch Einiges beibringen. Wenn wir die Fälle von zweimaligem Befallenwerden von Pocken eintheilen in solche, welche bald nach der ersten Erkrankung vorkommen, und in solche, welche in irgend einem späteren Abschnitte des Lebens vorkommen, so müssen wir auf Grund der Kenntnisse, die uns zu Gebote stehen, sagen, daß über das erstere Vorkommen in Bayern die Erfahrungen vollständig mangeln. Ich bin selbst seit vielen Jahren in der Lage, das Material, welches bei uns ziemlich genau erhoben wird, genau zu prüfen, und ich weiß keinen Fall aus den vielen Krankenhäusern, die doch ihren Zuzug immer aus derselben Bevölkerungsklaffe erhalten, — und auch aus der Privatpraxis weiß ich keinen Fall—, in welchem Erkrankungen stattgefunden hätten 4, 6, 8, 10 Wochen nach der ersten Erkrankung. Mir scheint also die Annahme ziemlich berechtigt, daß hier irgendwie ein diagnostischer Irrthum vorliegt und zwar wahrscheinlich bei der erstmaligen Erkrankung. Was nun die andere Sorte von Vorkommnissen betrifft, bei denen es sich um Leute handelt, die in irgend einem späteren Lebensabschnitte wieder erkranken, so kommt das allerdings vor und wir in Bayern haben dadurch Gelegenheit, Erfahrungen zu machen, daß wir an unseren Grenzen zum größten Theile von dem pockenreichen Oesterreich umgeben sind. ...

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... Bei den Bayern lag der Grund wohl darin, daß sie zunächst von Paris auf den südwestlichen Kriegsschauplatz abgeschickt wurden und dort außerordentlich viel Gelegenheit zur Infektion halten. Außerdem aber hatten sie auch während dieser Zeit sehr viele Verluste an schon geimpften Leuten. Die entstandenen Lücken mußten durch Nachersatz ausgefüllt werden, welcher nicht mehr so ausgerüstet und so sorgfältig geimpft war, wie die ersten Feldtruppen. Daß dem so ist, dafür spricht eine Verfügung des bayerischen Kriegsministeriums, worin angeordnet wurde, daß der Nachersatz sorgfältiger geimpft werden müsse, damit ihm der gleiche Schutz zu Theil werden könne wie den anderen Truppen. Daß es an vielfacher Jnfektionsgelegenheit während des Feldzuges nicht gefehlt hat, das wissen Sie alle. Ich will Sie daher nicht länger aufhallen. Indessen geht aus Allem immer und immer wieder hervor, daß unsere Truppen mitten in dem Seuchenherde in einer außerordentlich wirksamen Weise durch die Impfung geschützt waren. Vergleichen wir die Pockensterblichkeits- und Erkrankungsziffer der Kriegsgefangenen, welche wir nach Deutschland bekamen, mit derjenigen der immobilen Armee, so kommt folgendes heraus: von 372 918 Kriegsgefangenen erkrankten in Deutschland 14 178; von diesen verstarben 1 963, das ist über 13 Prozent der Erkrankten, — von 300 424 Mann der immobilen deutschen Truppen erkrankten im Ganzen 3472 und starben 162, das ist 4,M Prozent der Erkrankten. ...

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... Er theilte aber nicht nur die eine Eigenthümlichkeit mit den anderen ebenfalls dem Jaxtkreise zugehörigen Bezirken, daß dort verhältnißmäßig weniger Pockenerkrankungen und -Todesfälle vorgekommen sind, sondern es verhielt sich ein wieder näher begrenzter Theil dieses Bezirkes so absolut unzugänglich für jede Infektion durch die Pocken aus der Nachbarschaft/daß innerhalb einiger Gemeinden gar kein Pockenerkrankungsfall vorgekommen ist. Das hat sich daraus erklärt, daß dieser Bezirk seit mehr als 30 Jahren von einem Jmpfarzte bedient worden ist, dessen Genauigkeit, Gewissenhaftigkeit und Pünklichkeit in Bezug auf die Vornahme des Zmpfgeschäftes, sowohl des ersten als des Revaccinationsgeschäftes, in jener Gegend allgemein bekannt war. Innerhalb dieses so gut geimpften Bezirkes konnten die Pocken also gar nicht Platz greifen. Ebenso haben wir bei den Papierfabriken ganz frappante Beispiele gesehen; in einer Papierfabrik in Göppingen z. B. kamen vor vielleicht 10 Jahren — ich habe das Material nicht bei der Hand, aber ich könnte es Ihnen zur Disposition stellen — plötzlich, durch die Hadern eingeschleppt, viele Pockensälle vor, so daß Bestürzung bei dem ganzen Personale hervorgerufen wurde. Der Oberamtsarzt stellte sodann bei dem Fabrikbesitzer den Antrag, sogleich sämmtliche Arbeiter, etwa 200 an der Zahl, zu revacciniren und erst, nachdem die Vaccine Zeit gehabt habe, sicher ihre Schutzkraft zu entfalten, die Arbeiter wieder herbeizulassen. So geschah es, und von dieser Stunde an ist nicht ein einziger Pockenfall unter den Fabrikarbeitern mehr erfolgt. Ein weiteres Beispiel kann ich aus einer Bettfeder-Reinigungsfabrik in Cannstatt anführen. ...

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... 1295 verwandte Infektionskrankheiten handelt, dann sieht man gleich, wo die Quelle dieser Infektion und worin die Ursache ihrer Verbreitung liegt; bei den Pocken sieht man daran vorbei und fragt immer zuerst nach dem Zmpfzustande. Was die Angaben bezüglich des amtlichen Pockenberichtes aus Württemberg betrifft, so habe ich diese ausdrücklich auf die Aussage von Kolb hin mitgetheilt, weil ich mir dachte, daß, wenn Kolb als Statistiker etwas sagt, es mehr Bedeutung hat, als wenn ich es sage. Kolb hat sich doch lange Zeit mit der Zmpffrage beschäftigt ; er ist sogar anfänglich mit einem gewissen Widerstreben herangegangen. „Ich fürchtete, sagt er, „es möchte eine Maßregel, die ich bis dahin als eine außerordentlich sanitäre gehalten habe, sich nicht bewähren. Er ist also sicherlich nicht mit Vorurtheilen gegen die Impfung in die Untersuchung eingetreten.. Dies beiläufig. Bezüglich der württemberger Pockenepidemie wird nun nachträglich eine Erklärung versucht, weswegen die betreffenden Kinder unter 6 Zähren als ungeimpft betrachtet werden müßten. Meine Herren, wir berathen hier nicht über eine Frage, die für ihre daraus zu ziehenden praktischen Konsequenzen vollständig erledigt ist. Wenn es sich darum handeln soll, daß die Impfung als Zwang installirt werde, so muß man doch viel penibler mit den Beweisgründen umgehen, wir dürfen nicht von vornherein immer als schon bewiesenen Obersatz aufstellen: Es sei über jeden Zweifel erhaben, daß die Impfung schützt — und nun die widersprechenden Thatsachen von dem Gesichtspunkte aus ansehen, es liege der Grund dafür an der mangelhaften oder ermangelnden Ausführung der Impfung. Ich meine, das dürften wir doch auch nicht thun. ...

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... Wenn ich heute auf diesen Gegenstand nicht wieder eingehen will, so möchte ich doch das feststellen, daß außer dieser allgemeinen Zahl, die ich gestern mitgetheilt habe, noch eine Anzahl von Spezialberichten ärztlicher Berichterstatter aus den Lazarethen vorliegen, welche einmüthig der Ansicht Ausdruck geben, daß die Revaccinirten in der That viel erheblicher gegen die Infektion geschützt waren, und daß, wenn sie erkrankten, der Verlauf der Krankheit dann ein viel milderer war, als sonst. Herr Dr. Eulenberg: Es ist hier öfter die Rede gewesen von statistischen Daten in dem Gutachten der wissenschaftlichen Deputation. Ich will daher nur erwähnen, daß die neueren Erhebungen in dieser Beziehung die dort vertretene Ansicht bestätigen, daß nämlich der Schutz gegen die Pockenkrankheit bei den Ungeimpften weit geringer ist als bei den Geimpften. Namentlich kann ich in dieser Richtung auf eine sehr ausführliche Statistik von Dr. Tripe verweisen, die in dem „Sanitary record veröffentlicht ist. Daraus ergiebt sich mit positiver Bestimmtheit, daß in den Jahren vor der Einführung der Impfung — die Statistik beginnt mit dem Jahre 1620 — durchschnittlich V12 der Bevölkerung der Pockenkrankheit erlegen ist. Nach der Impfung reduzirt sich die Durchschnittszahl der Pockentodesfälle jährlich in London auf nur 36 unter 100 000, — also ein ganz eklatanter Erfolg. Uebrigens hat man auch in England schon vielfach mit den Einwürfen der Jmpfgegner zu kämpfen gehabt, namentlich mit der Behauptung, daß unter den Geblätterten die Pockenkrankheit häufiger auftrete. ...

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... — Ich leugne also nicht die Kontagiosität der Pocken, sondern nehme nur noch eine direkte Infektion durch in der Atmosphäre sich befindende Pockensporen an. Herr Or. von Kerschensteiner r Herr Kollege Or. Weber sprach von der Epidemie in München im Jahre 1871 und legte auf die Thatsache Werth, daß 551 Männer erkrankt sind und nur 470 Frauen. Nun nimmt Herr Or. Weber an, daß die 551 Männer alle revaccinirt waren, die Frauen aber nicht. Der Schluß, glaubeich, ist nicht ganz richtig. Erstens ist es doch nicht wahrscheinlich, daß alle 551 Männer beim Militär waren, sondern es wird eine Reihe solcher dabei gewesen sein, die nicht gedient haben. Andererseits werden auch unter den Frauen welche gewesen sein, die revaccinirt waren. Ich darf hier daran erinnern, daß die Revaccination bei uns auch erst mit dem Reichsimpfgesetze als Regel entstand, und daß früher bei uns die Sache so gehalten wurde, daß die Leute sich häufig revacciniren ließen, wenn sie heiratheten. Es war das so üblich. Es können somit unter den Frauen sehr viele gewesen sein, die revaccinirt waren. Diese Ziffern sind also nach der Richtung, wie Herr Or. Weber sie verwerthet hat, nicht zu verwerthen. Herr Or. Böing: Ich möchte nur betonen, daß, wenn Herr Geheimrath Or. Koch zugiebt, daß 30,ß Prozent der Geimpften in einem gut durchimpften Staate starben, dann die Pockensterblichkeit nicht besser ist, als im vorigen Jahrhundert, so daß wir effektiv, wenn es sich so verhält, durch die Impfung nichts gewonnen haben. Wenn ferner Herr Geheimrath Or. ...

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... Seine Eigenschaften kennen wir noch nicht weiter, als wie wir sie aus unseren Erfahrungen über die Art und Weise der Infektion der Pocken entnehmen können. Mir ist nichts darüber bekannt, daß man mit den Pockenpilzen schon so rechnen könnte, wie z. B. mit den Milzbrandbacillen und anderen pathogenen Mikroorganismen. Es wäre mir deswegen sehr interessant, zu erfahren, ob Herr Dr. Betz solche Pockenpilze schon gesehen hat. Herr Dr. Weber: Wenn Herr Geheimrath Dr. Koch sagte, daß nach 1872 und 1874 mehr Leute geimpft sind, als dazu gezwungen waren, so ist dasselbe auch passirt vor 1871. Wenn nun diese Impfung in großem Maßstabe uns nicht davor geschützt hat, daß wir eine Pockenepidemie in Preußen bekamen, welche relativ gleich war der Pockenepidemie von 1796, der schlimmsten des vergangenen Jahrhunderts, dann können wir auch nicht annehmen, daß die Impfung nachher den ihr zugeschriebenen Erfolg gehabt hat. Es ist mir auch entgegnet worden, Lübeck beweise nichts. Wir wollen auch nicht mit einer Geschichte Alles beweisen, aber man möge es ansehen als eine Artigkeit, auf die kleine Epidemie von Grevenstein auch mit einer Kleinigkeit zu antworten. Von Herrn von Kerschensteiner bin ich mißverstanden worden. Zch habe nicht behaupten wollen, daß diese 559 alle im Heere gesteckt hätten, sondern ich habe nur gesagt, daß ein größerer Prozentsatz unter der männlichen Bevölkerung vom 20. bis 50. Lebensjahre revaccinirt ist, als unter der weiblichen Bevölkerung. Wenn das Verhältniß umgekehrt gewesen wäre, daß also die männliche Bevölkerung in Bayern zwischen dem 20. und 50. ...

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... Ich halte zwar diesen Beweis nicht für richtig, weil ich immer noch unterscheide — und zwar nach dem Vorgänge des Herrn Geheimrath Koch in der Milzbrand-Jmpffrage, der mir in der Behandlung dieser Frage ein Vorbild ist, — zwischen einer Infektion durch Impfung und einer Infektion auf natürlichem Wege. Wenn ich einen mit Vaccine geimpften Menschen in eine Bevölkerung hineinlasse, wo Pocken vorkommen, und derselbe wird nicht von den Pocken ergriffen, dann ist noch nicht gesagt, daß die Impfung es gewesen ist, die ihn geschützt hat, sondern es ist doch noch immerhin der Fall in Rechnung zu stellen, daß er mit dem Pockengifte nicht in Berührung gekommen. Erst dann, wenn er geimpft und zwar log« artis geimpft, an derselben Krankheit erkrankt, vor der er geschützt werden sollte, dann ist der positive Beweis gegeben, daß die Impfung in diesem Falle nichts genützt hat. Also das Nichtergriffenwerden von den Pocken beweist nicht die Immunität, das Ergriffenwerden dagegen liefert den positiven Beweis, daß die Immunität nicht vorhanden war. Was das Experiment mit der Revaccination betrifft, so kommt noch ein Umstand in Betracht. Es sind von dem Bezirksarzte Dr. Gregor Schmidt in Würzburg in der letzten Zeit ausführliche Berichte über seine Revaccinationsergebnisse bekannt gemacht. ...

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... Ich habe mich sehr häufig geimpft, und niemals ist bei mir eine Revaccinationspocke gewachsen, und doch bin ich in meinem Leben soviel mit Pockenkranken und Pockenleichen in Berührung gekommen, daß ich Gelegenheit genug zur natürlichen Infektion gehabt habe. Ich glaube also, daß ich durch die erste Impfung bis jetzt vollständig geschützt bin. Solche Erfahrungen stehen aber, wie gesagt, durchaus nicht vereinzelt da. Es ist also nicht zu bestreiten, daß der Schutz gegen die Impfung ein sehr verschieden langer ist; dennoch können wir nicht umhin, für die Praxis eine ganz bestimmte Altersgrenze anzugeben, und ich bleibe dabei, daß es am zweckentsprechendsten ist, das zehnte Lebensjahr als solche anzunehmen. Vorsitzender: Von Herrn Dr. Böing ist folgender Antrag eingegangen: Ueber die Dauer des durch Impfung erzielten Schutzes gegen Pocken läßt sich keine bestimmte Angabe machen. Herr Dr. Eulenberg: Ich kann mich im Großen und Ganzen dem anschließen, daß keine bestimmte Angabe zu machen ist. Ich stehe in dieser Beziehung auf dem Standpunkte des erfahrenen Cleß, der im Jahre 1871 eine kleine, aber sehr gehaltreiche Brochüre unter dem Titel: „Impfung und Pocken herausgegeben hat. Nach seiner Auffassung dauert die Schutzkraft der Vaccine oft viel länger als die Empfänglichkeit für die Wiederaufnahme der Vaccine. Die Revaccination ist daher nicht für Alle geboten, weil wir nicht wissen können, wie lange die Schutzkraft dauert; aber darüber kann kein Zweifel herrschen, daß sie im Allgemeinen für durchaus nothwendig zu erklären ist. Dies ist ein unbestrittenes Axiom. ...

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... Ich wüßte nicht, wie man den Impfschutz experimentell anders nachweisen wollte; aber auch dann habe ich noch nicht einmal den Schutz gegen die natürliche Infektion bestimmt, sondern vielleicht gegen die lokale Wirkung; denn ich weiß nicht, ob nicht vielleicht durch eine vorausgegangene energische Vaccination das einmal heimgesuchte Stück Haut für eine Zweitimpfung steril geworden ist. Von hauptsächlichem Werthe war es mir, mich zu äußern über eine Art von Immunität, von der ich mir eine Vorstellung machen kann. In den Jahren, in denen ich mich mit der Jmpffrage beschäftigte, hat es nichts gegeben, was mich dazu hätte bringen können, darüber hinauszugehen. Herr Dr. Böing: Es thut mir leid, daß ich Herrn Geheimrath Koch nicht eher das Vergnügen gemacht habe, zu sagen, daß auch ich an Immunität glaube. Ich glaube an Immunität, aber ich halte die Dauer derselben für so kurz, daß ich es nicht für berechtigt halte, darauf ein Zwangsimpfgesetz zu begründen. Wenn die Fassung der ersten Frage anders gelautet hätte, wenn es da nicht positiv geheißen hätte, daß das einmalige Ueberstehen der Krankheit Schutz verleiht gegen das nochmalige Befallenwerden, so würde ich ganz gut die prinzipielle Frage zugegeben haben, daß eine gewisse Immunität eventuell erzielt werden kann; da aber die scharfe Fassung der Antwort beliebt wurde, so mußte ich mit Nein stimmen und mich bei der zweiten Frage der Abstimmung enthalten. Ich glaube also, daß die Immunität nur ganz kurze Zeit dauert; weil ich sie aber nicht ganz leugne, so kann ich sehr gut über die Dauer des Schutzes diskutiren. ...


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