Verhandlungen des Deutschen Reichstags

MDZ Startseite


MDZ Suchen

MDZ Protokolle (Volltext)
MDZ Register
MDZ Jahr/Datum
MDZ Abgeordnete


MDZ Blättern

Protokolle/Anlagen:
MDZ 1867 - 1895
MDZ 1895 - 1918
MDZ 1918 - 1942

MDZ Handbücher


MDZ Informieren

MDZ Projekt
MDZ Technisches
MDZ Impressum
MDZ Datenschutzerklärung
MDZ Barrierefreiheit

Reichstagsprotokolle (Volltextsuche)

Suchbegriff(e) Erscheinungsjahr: von/ab: bis/vor:

Bitte beachten Sie die Hinweise zu den Recherchemöglichkeiten.

Durchsuchbare Seiten: 390869 - Treffer auf 279 Seite(n)






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1885
Bd.: 85, 1. 1884/85
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 yb,A-85

ID: 00018455
61 /279
... Thierfelder:1 Gegen die Annahme bezüglich der geringen Infektion in Baden gegenüber der bedeutenderen in Württemberg hat Herr Dr. Böing Zahlen angeführt aus Oesterreich, wonach in den Provinzen, in denen eine Zmpsrenitenz bestand, viel weniger Erkrankungen stattgefunden haben, als in den anderen Provinzen. Wenn man das blos so hört: Provinz mit Zmpsrenitenz und solche ohne Zmpsrenitenz, so muß man doch fragen, wie groß war das betreffende Territorium, wieviel Menschen waren in den Provinzen mit Zmpsrenitenz und wieviel in den anderen; denn die bloßen Zahlen der Erkrankungen ohne Beziehung zu den Zahlen der Einwohner gestatten doch keinen Schluß auf die Intensität der Pockenerkrankungen. Zch bitte also Herrn Or. Böing, diese Lücke noch auszufüllen und das Verhältniß mitzutheilen. Herr Or. von Conta: Da die Herren Zmpfgegner auch bei dieser Frage auf ihren Haupteinwand zurückkommen, daß sie den Schutz der Vaccination überhaupt leugnen, so möchte ich auf einige Experimente Hinweisen, die mir recht schlagend erscheinen und bisher keine Erwähnung gefunden haben. Es ist bekannt, daß während der letzten Zahre des vorigen Jahrhunderts, während des Herrschens einer starken Pockenepidemie in Europa, mehrfach die Beobachtung gemacht worden war, daß diejenigen Personen, die sich zufällig mit Vaccine angesteckt hatten, von der Pockenkrankheit verschont blieben, und es gab dies die Veranlassung dazu, daß Zenner weitere Versuche in dieser Beziehung anstellte. Die Versuche machte er, nachdem er anfangs direkt variolisirt hatte, später in der Weise, daß er mit humanisirter Lymphe impfte und hierauf die Geimpften mit wirklichem Variolagifte wiederimpfte. ...

62 /279
... Dann ferner ist der Ausdruck „Desinfektion von mir auch in einem anderen Sinne gedacht worden, insofem ich unter Znfiziren beziehungsweise unter Infektion verstehe die Thätigkeit des Eindringens beziehungsweise den Zustand des Behaftetseins mit einem Gifte, und ich denke bei Desinfiziren durchaus nicht allein an die chemischen Desinfektionspräparate. Zch habe selbst auch die Erfahrung gemacht, daß Arbeiter, die zwanzig Zahre in einer Chlorkalkfabrik gearbeitet haben, so zu sagen gar nicht aus dem Chlordunst der Fabrikräume, mindestens nicht ihrer durchchlorten Kleider herausgekommen sind, gerade so schön erkrankt sind als andere auch. Zch bin der Ansicht: wenn ein Mensch in reinlichen Kleidern einhergeht, in einem reinlichen Zimmer, in einem reinlichen Hause, an einer reinlichen Straße wohnt, in einem reinen Bette schläft, sich wäscht und sich in seinem sozialen Leben so hält, wie wir es bei denjenigen Ständen finden, die wir als die höheren Stände anzusehen gewohnt sind, so ist das eine natürliche Desinfektion, welche weit über alle jene chemischen Desinfektionsmittel hinaus wirkt. ...

63 /279
... Böing: Meine Herren, ich muß darauf erwidern, daß ich auch die ganz einfache Impfung unter Umständen mit Gefahren verbunden halte, ohne daß — wenigstens nachweislich — eine spätere Infektion oder Sonstiges dazu kommt. Ich habe mir die Mühe gegeben, bei vielen meiner Impflinge die Temperatur am fünften, sechsten und siebenten Tage zu messen, und habe, trotzdem keine excessive Randröthe vorhanden war, die man als Erysipelas bezeichnen könnte, Temperaturen von 40o 0. und darüber konstatirt. Ich glaube doch, daß man das als eine ziemlich bedeutende Erkrankung des kindlichen Organismus bezeichnen kann. Es kommt hinzu, daß ziemlich allgemein konstatirt ist, daß diese Operation, wenn sie auch in ihrem Verlaufe nicht zu einem ungünstigen Ausgange führt, trotzdem der Organismus des Kindes in einem ganz bedeutenden Grade schwächt, so daß auch ohne Entstehung einer Krankheit ein Schaden erwächst; die Widerstandskraft des Kindes gegen andere Krankheiten wird entschieden vermindert. Ich würde, wenn unsere Berathungen blos für Aerzte bestimmt wären, gegen die Fassung des Herrn Geheimrathes Dr. Koch nichts einzuwenden haben; weil es sich aber darum handelt, über diesen Punkt auch im Publikum Klarheit zu verbreiten, deshalb beantrage ich meine Fassung. Herr vr. von Kerschensteiner: Gerade das, was Herr Dr. Böing zuletzt gesagt hat, würde mich bestimmen, für die Fassung des Herrn Geheimrathes Dr. Koch zu sein; gerade weil diese Sätze, wie sie hier festgestellt werden, vielleicht mit den Verhandlungen auch zur Kenntniß des Publi- ...

64 /279
... Das eine Kind bekam einen wandernden Rothlauf, der ging von den Impfstellen bis in die Fingerspitzen, verbreitete sich zuletzt auf dem Thorax und führte so den tödtlichen Erfolg herbei; das andere Kind hatte mehrere Monate lang eine unheilbare Hautkrankheit, bis endlich eine tödtliche Infektion des Blutes entstand. Wenn wir also solche Zmpfschädigungen nicht leugnen können, und wenn wir Zmpfgegner trotzdem den Beweis liefern sollen, daß das Impfen an denselben schuld sei, dann kehren wir den Stiel um und sagen: beweisen Sie uns, daß das Impfen vor Pocken schützt! Es ist das ganz derselbe Standpunkt. Herr Dr. Meißner: Meine Herren, es kommen ja nach der Impfung allerhand Krankheiten vor, und bezüglich einiger davon sind wir ja alle einverstanden, daß sie übertragen werden. Aber wenn man diejenigen ausscheidet, die nicht durch Uebertragung, sondern aus anderen Gründen zu Stande kommen, so bleiben übertragbare nicht sehr viele übrig. Ich glaube, es giebt wohl keine leichte Verletzung, die so malträtirt wird von den Angehörigen, wie die Impfstellen. Die Jmpfmütter legen vor allen Dingen, wenn sie bei der Nachschau gewesen sind, dem Impflinge als Universalmittel einen Lappen mit ranziger Butter auf die Impfstelle, — und was nachher daraus wird, das misten die Götter. Zch habe auch schon Ekzeme gesehen, die erkennbar von den Impfstellen ausgingen; aber da konnte man auch sehen, wie das Kind mit der Impfstelle umgegangen war. Man hatte es nicht gehindert, darauf zu kratzen u. s. w. ...

65 /279
... Es heißt da: Die für die menschliche Tuberkulose allerdings vielseitig geleugnete, intrauterine Infektion (die Vererbung) ist für die Tuberkulose des Rindes zweifellos eine der häufigsten Ursachen. Mehrfach wurde die ausgebildete Tuberkulose der porösen Häute oder der Lungen oder beider zugleich schon beim Fötus, bei abortirten, öfter aber bei regelmäßig geborenen im Alter von 3 bis 6 Wochen geschlachteten Kälbern nachgewiesen, welche von hochgradig tuberkulösen Müttern abstammten. Zahlreiche Beweise hierfür sind in der Literatur geliefert worden. Meist treten die Erscheinungen der Tuberkulose erst später im Alter von 2 bis 3, bis 4 Jahrm hervor. Ob es sich in diesen Fällen ebenfalls um eine intrauterinale Infektion und einem langen Latenzzustand des Virus oder nur um die Vererbung einer gewissen Prädisposition handelt, ist bis jetzt ebenso wenig entschieden, wie für die Tuberkulose des Menschen. Ich bin in Veterinärangelegenheiten kein Sachverständiger und muß es anderen überlassen, die etwaige Unrichtigkeit dieser Behauptungen zu begründen. Wenn nun das Blut der gefährliche Stoff wäre, der Krankheiten fortpflanzen könnte, so steht mir wieder die humanisirte Lymphe höher, als die animale Lymphe. Beider humanisirten Lymphe kann man viel besser helle Lymphe bekommen, bei der animalen Lymphe dagegen befinden sich immer Massen von Borken, Gewebstheilen und namentlich Blut in dem Impfstoffe. Also auch nach dieser Richiung würde der humanisirte Impfstoff weniger bedenklich sein, als der animale. Ich möchte aber dann noch in Bezug auf die Vergleichung dieser beiden Impfstoffe einen idealeren Standpunkt berühren. ...

66 /279
... Ich habe allerdings gesägt, daß es nicht häufig sei, daß die tuberkulöse Infektion von oberflächlichen Wunden aus geschehe; aber daß es gar nicht vorkäme, habe ich niemals behauptet. Man hat sogar in neuerer Znt im Hinblicke auf die Jmpsfrage Versuche hierüber an Meerschweinchen gemacht und gefunden, daß mau in der That von ganz oberflächlichen Wunden aus die Thiere tuberkulös machen kann. Schließlich ist noch in Bezug auf Tuberkulose hervorgehoben, daß die Perlsucht, von der wir annahmen, daß sie mit Tuberkulöses identisch ist, beim Rindvieh so außerordentlich häufig vorkomme, und daß wegen des häufigen Vorkommens von intrauteriner Perlsucht die Verwendung der Kälber zur Lymphgewinnung sehr bedenklich sei. Daß die intrauterine Perlsucht so häufig vorkommen soll, ist mir ganz neu. Ich weiß nicht, woher Johne, welcher als Gewährsmann zitirt wurde, diese Angabe genommen hat; er selbst vertritt sie sicher nicht; vermuthlich ist es eine Literaturzusammenstellung, um die es sich bei diesem Zitate handelt. Bekanntlich ist nichts seltener als Perlsucht bei Kälbern. Wir haben darüber aus einer ganzen Anzahl von Schlachthäusern umfassende Angaben. Die Perlsucht kommt unter den erwachsenen Rindern an manchen Orten allerdings ziemlich häufig vor. Aber überall, wo man die Kälber untersuchte, hat sich ergeben, daß sich nach der Schlachtung die Perlsucht außerordentlich selten vorfand. Es handelt sich da immer um 30 000, 50 000 und mehr Kälber, unter denen einmal ein einziges mit Perlsucht gefunden wurde. Ein Fall von unzweifelhafter intrauteriner Perlsucht ist meines Wissens in der Literatur nicht erwähnt. ...

67 /279
... Es ist das Bluten deshalb auch bei der Vaccination sehr gefährlich; selbst das eigene Blut kann zur lokalen Infektion dienen, und deshalb bin ich dafür, auch um den Zmpfärzten ihre Pflicht recht dringend ans Herz zu legen: die Reinlichkeit der Instrumente besonders zu betonen Zch wäre der Ansicht, daß jeder Impfarzt zwei,, drei Lanzetten mit sich führen solle, um stets eine Auswahl von reinen Instrumenten zur Stelle zu haben. ...

68 /279
... Die Uebertragung von Tuberkulose und Skrophulose durch die Impfung ist bis jetzt noch nicht mit Sicherheit beobachtet und wird auch möglicherweise in Zukunft nicht in unzweifelhafter Weise nachgewiesen werden können, weil diese Krankheitszustände schon an und für sich außerordentlich häufig sind und weil die ersten Symptome der Erkrankung zu spät nach der Infektion auftreten werden, als daß noch ein unbestreitbarer Zusammenhang zwischen Infektion und sichtbarer Erkrankung zu konstatiren ist. Dagegen kann aber auch die Möglichkeit einer Uebertragung der Tuberkulose oder Skrophulose nicht bestritten werden, wenn berücksichtigt wird, daß nach den Resultaten der neuesten Forschungen das Tuberkelvirus recht häufig, und zwar besonders bei Kindern, in die Blutbahn eindringt und sich dem Blute beimischt, daß ferner die Pockenlymphe niemals ganz frei von den Bestandtheilen des Blutes zu erhalten ist und daß schließlich die tuberkulösen oder skrophulösen Erkrankungen unter Kindern so überaus häufig sind. Namentlich in großen Städten wird es schwierig sein, Abimpflinge in genügender Zahl zu finden, deren Freisein von Skrophulose mit genügender Sicherheit behauptet werden kann; denn Albu fand beispielsweise unter 500 Berliner Impflingen 292, welche mit skrophulösen Affektionen behaftet waren. Mt Rücksicht auf diese Erfahrungen kann man die Impfung nicht mehr, wie zur Zeit der Berathungen über das Zmpfgesetz, als absolut frei von Gefahren für die Gesundheit der Impflinge hinstellen. In erster Linie wird immer die Zmpfsyphilis zu fürchten sein, welche die Hauptwaffe in den Händen der Zmpfgegner bildet. ...

69 /279
... Man hat auch auf die erhöhte Gefahr einer Infektion durch septische Stoffe und besonders durch Erysipel aufmerksam gemacht, wenn die Impfung nicht mit einem einfachen Stich oder Schnitt, sondern durch eine größere Zahl von sich kreuzenden Schnitten gemacht werde. Diesem Bedenken lag die Anschauung zu Grunde, daß die größere Zahl der Schnitte eine erhöhte Reizung der Zmpfwunde bewirke, und daß in Folge dieser Reizung Erysipelas entstehen können. Aber durch die neueren Erfahrungen über die antiseptische Wund- ...

70 /279
... Von Seilen der Zmpfgegner ist der Impfung mit Thierlymphe noch der Vorwurf gemacht, daß sie nicht sicher gegen Syphilis schütze, denn auch Thiere könnten syphilitisch und Zwischenträger der syphilitischen Infektion sein. Dem gegenüber muß auf Grund der sorgfältigsten experimentellen Untersuchungen darauf hingewiesen werden, daß diese Behauptung irrig ist. Einige Experimentatoren, so beispielsweise in neuerer Zeit französische Forscher, haben angegeben, daß es ihnen gelungen sei, Syphilis auf Thiere, z. B. Affen, Schweine zu übertragen. Doch beruhen alle diese Angaben auf Irrthümern. Sowohl bei zahlreichen Versuchen, welche im Gesundheitsamte angestellt sind, als auch bei den Experimenten anderer Forscher, wie z. B. des Professors Neumann in Wien, hat sich herausgestellt, daß die Syphilis nicht auf Thiere übergeht, und daß mithin die Impfung mit Thierlymphe einen absolut sicheren Schutz gegen Zmpfsyphilis gewährt. Außerdem hat man noch vielfach die Befürchtung geäußert, daß die Thierlymphe die Veranlassung zur Uebertragung von thierischen Infektionskrankheiten, wie Milzbrand, Perlsucht, Aphthenseuche u. s. w. geben könne. Auch diese Befürchtung kann als durchaus unbegründet bezeichnet werden, weil die vom Kalbe gewonnene Lymphe sich in einer sehr einfachen Weise darauf prüfen läßt, ob sie frei von derartigen Jnfektionsstoffen sei. Es würde nämlich zunächst die Untersuchung des Kalbes, welches die Lymphe geliefert hat, nachdem es geschlachtet worden, die Abwesenheit der genannten Infektionskrankheiten mit Sicherheit erkennen lassen; außerdem würde aber noch die Lymphe, ehe sie zur Impfung von Menschen benutzt wird, durch Probeimpfungen an Kälbern oder geeigneten anderen Thieren auf ihre Reinheit versucht werden können. ...

71 /279
... Buhl: Zu dem in der Denkschrift enthaltenen Bericht der Sachverständigen kann aus persönlicher Kenntniß der Linzer Infektion berichtet werden, daß die Behauptung der Petenten, die infizirten Weinberge hätten in jedem Jahre eine gleich gute Ernte aufzuweisen gehabt wie die nicht angesteckten Weinberge von gleicher Lage, Bodenbeschaffenheit und Kultur, was den quantitativen Ertrag betrifft, durchaus unzutreffend ist. Wie aus dem erwähnten Berichte hervorgeht, find größere Theile des früheren Weinbaugebietes der Weinkultur überhaupt verloren, und die Versuche, in den verseuchten Stellen wieder junge Weinberge anzulegen, mußten als resultatlos aufgegeben werden, da auch die jungen Reben nach einigen Jahren wieder eingingen. — Aber auch die noch nicht drieschliegenden Reben, welche seit längerer Zeit infizirt sind, erschienen im Wuchs zurückgeblieben und sie waren viel spärlicher mit Trauben behängen als die benachbarten gesunden oder weniger infizirten. Der scheinbar unbegreifliche Umstand, daß die Erkrankung der Reben bei Linz so lange unbemerkt bleiben konnte und daß die dortige Bevölkerung auch jetzt noch durchaus irrige Ansichten über Wesen und Wirkung der Reblaus hat, erklärt sich einigermaßen aus dem der dortigen Gegend eigenthümlichen Rebbau. Während in den Weingegenden mit intensiverem Weinbau die wegen Alters oder aus andern Gründen abgängigm Weinberge sofort ganz ausgehauen d. h. die sämmtlichen Rebstöcke aus denselben entfernt werden, um entweder einer Zwischenkultur Platz zu machen — in der Regel Luzerne — oder im nächsten Jahre schon nach mehr oder weniger tiefem Umgraben des Bodens durch junge Reben ersetzt zu werden, läßt man bei Linz die abgängigen Weinberge „driesch liegen, d. h. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1886
Bd.: 90. 1885/86
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 yb,A-90

ID: 00018460
72 /279
... Von einer Verschärfung der Desinfektionsvorschriften kann der seitens eines der Kommissionsmitglieder erwartete Erfolg zur Zeit schon deshalb nicht erhofft werden, weil der Träger der Infektion noch nicht entdeckt worden ist. Auch lassen sich wohl Sachen, nicht aber verdächtige Thiere desinfiziren, durch welche letzteren die Verschleppung gerade am meisten erfolgt. Ebenso läßt sich die obligatorische Fleischbeschau bei Nothschlachtungen, auf welche von derselben Seite hingewiesen worden, nicht überall durchführen, weil es an geeigneten Kräften fehlt. Die Lungenseuche bietet überhaupt dadurch besondere Schwierigkeiten, daß ihre rechtzeitige Erkennung oft nicht möglich ist, sodaß die infizirten Thiere, ohne selbst äußerlich erkrankt zu sein und dadurch zu Nothschlachtungen Anlaß zu geben, bereits die Krankheit weiter verbreiten können. Wenn dann nach Monaten etwa die Erkrankung der Thiere bemerkbar und bei der Schlachtung konstatirt wird, läßt sich nicht mehr feststellen, mit welchen anderen Thieren die ersteren in Berührung gekommen sind. Nr. 155. Berichterstatter: Abgeordneter Spahn. Bericht der VIII. Kommission über den von dem Abgeordneten Lenzmann eingebrachten Gesetzentwurf, betreffend die Entschädigung für unschuldig erlittene Untersuchungsund Strafhaft — Nr. 12 der Drucksachen —. Am 19. November 1885 hat der Abgeordnete Lenzmann den in der Anlage V. abgedruckten Gesetzentwurf in dem Reichstage eingebracht. Nach demselben soll dem außer Verfolgung gesetzten oder freigesprochenen Angeschuldigten, sowie dem im Wiederaufnahmeverfahren freigesprochenen Verurtheilten auf seinen Antrag aus der Staatskasse für denjenigen Schaden, welcher ihm durch die Freiheitsentziehung in Bezug auf seine Vermögensverhältnisse, seinen Erwerb oder sein Fortkommen zugefügt worden ist, Entschädigung gewährt werden. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1888
Bd.: 101. 1887/88
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-101

ID: 00018473
73 /279
... Meine Herren, ich glaube, die neueste Wendung unserer nationalliberalen Partei kennzeichnet sich damit, daß sie immer glaubt, sie werde sich vor der reaktionären Infektion retten, wenn sie nur die liberale Etikette auf die reaktionären Maßregeln aufklebe, die sie mitmacht, und bis in die neueste Geschichte dieser Tage, glaube ich, haben wir schlagende Exempel (sebr wahr! links) von dieser Selbsttäuschung, von diesem Irrthum. Nein, meine Herren, Sie befinden sich an dem Schweife der Reaktion, und statt daß Sie sie halten, werden Sie nur von ihr immer weitergeschleppt. (Sehr richtig! links.) Das ist die Wahrheit in der Sache. Nun, meine Herren, wenn man mir vorwirft, daß ich mich im Jahre 1874 für diese 5 Jahre ausgesprochen habe, so habe ich schon bemerkt, daß das gar kein Grund ist, heute mit Ihnen zu stimmen. Aber ich füge noch eins hinzu, die Italiener sagen: olli von ta, von talla — wer nichts thut, der irrt sich auch nicht. Wenn man wie ich seit 40 Jahren mit der Feder sündigt, da wird man natürlich auch, wenn man die Akten nachliest, mehr als eine Stelle finden, die nicht zu anderen paßt. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1890
Bd.: 111. 1889/90
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-111

ID: 00018661
74 /279
... Wenn man nachweist, daß in diesem Augenblicke in Steinbruch die Seuche ist, dann wird niemand etwas dagegen haben, daß man dort zumacht; wenn man aber findet, daß die jetzige Infektion nur ein vorübergehender Zufall ist, wie er sich in jedem Dorfe, in jedem Stalle gelegentlich einmal einstellen kann, so folgt daraus nicht, daß man anhaltend in Folge dieses einmaligen Vorkommnisses eine Erschwerung eintreten läßt. Es ist doch festgestellt, daß alle Epidemien von Maul- und Klauenseuche ganz vorübergehender Natur sind. In wenig Wochen ist die Sache erledigt, dann ist die Stelle wieder frei, und man hat nicht Grund, zu sagen: ihr habt einmal die Klauenseuche gehabt und nun werdet ihr dafür Jahre lang bestraft werden. Das ist es, was ich gerne vermieden sehen möchte, und ich glaube, daß, wenn die Regierung nach dieser Seite hm einmal Parallelen aufstellt und sich fragt, was wir im Lande selbst haben, und was drüben jenseits der Grenze vorgeht, und wenn sie dann findet, daß im Lande in der That wer weiß wie viele derartige Herde vorhanden sind, sie mindestens mit derselben Strenge und Geschäftigkeit die örtlichen Verhältnisse überwachen müßte hier im Lande, wie sie es an der Grenze thut. Da komme ich noch einmal auf die Rothlaufseuche der Schweine zurück. Seitdem diese Seuche in höherem Maße Verhandlungen des Reichstags. die Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat, haben die ein- (0) gehendsten Erörterungen in den beiden technischen Hauptinstanzen stattgefunden, um die Gesetzgebung nach dieser Richtung hin einigermaßen auf die Höhe der gegenwärtigen Kenntniß und Erfahrung zu bringen. ...

75 /279
... Es ist unzweifelhaft, daß es kein sicheres Mittel giebt, um die Infektion bei einem Viehtransport an der Grenze bei der veterinärpolizeilichen Untersuchung zweifelsfrei festzustellen. Die Inkubationszeit bei der Maul- und Klauenseuche ist keine fest bestimmte. Wenn unter einem Viehtransport, der die Grenze überschreitet, die Erscheinungen der Maul- und Klauenseuche nicht nachgewiesen werden können, so besteht doch keine Sicherheit für die Gesundheit eines solchen Transports. Noch nach mehreren Tagen kann bei einem jenseit der Grenze infizirten Thier die Seuche äußerlich hervortreten. Auch die Gesundheitsatteste, von denen gestern die Rede war, helfen uns nichts. Was Gesundheitsatteste im Auslande sagen wollen, meine Herren, das haben wir in der Praxis vielfach erfahren. Ich will keineswegs sagen, daß alle Gesundheitsatteste nichts werth wären; aber daß unter solchen, die im Auslande ausgestellt sind, sehr viele fragwürdige sich befinden, das haben wir vielfach bestätigt ge-(L) funden. Also in dieser Beziehung helfen uns weder die Vermehrung des Veterinärpersonals an der Grenze noch auch die Gesundheitsatteste. Beide geben uns keine Gewähr dafür, daß die Importe so gesund sind, wie wir es wünschen müssen. Ich will noch weiter sagen, daß, wenn man solche Orte wie Waldenburg — und ich glaube, der Herr Abgeordnete Dr. ...

76 /279
... Aber leider können auch diese Viehgattungen, wenn sie selber auch nicht an dieser Seuche leiden, die Träger der Infektion sein; (sehr richtig!) und es sind Fälle konstatirt, wo auch durch Gänseheerden mindestens mit außerordentlich großer Wahrscheinlichkeit die Maul- und Klauenseuche nach Deutschland verschleppt worden ist. Rußland gegenüber ist also schon seit Jahren diesen Viehsorten die Grenze gesperrt; eine Ausnahme ist nur gemacht worden gegenüber dem Regierungsbezirk Oppeln, (v) wo bekanntlich eine dichte Montanbevölkerung existirt; auch ist Oberschlesten eine Art todter Winkel, der abseits liegt von dem übrigen Verkehrsdeutschland, also es ist ein isolirtes Verkehrsgebiet für sich. Dort sind seit einer Reihe von Jahren in Rücksicht auf die Bedürfnisse der Montanbevölkerung Einfuhrdispense ertheilt worden, allerdings mit all den Kautelen und Vorsichtsmaßregeln, die am Platze sind. Es sind dort 4 bis 5 Schlachthäuser in den größeren Ortschaften eingerichtet, die unter steter veterinärpolizeilicher Kontrole stehen, und wo es sicher ist, daß das eingeführte Vieh direkt in das Schlachthaus geführt wird und dasselbe nicht wieder lebend verläßt. Dort also in Oppeln ist die Ausnahme gemacht; aber auch da sind die Einschleppungen der Seuche seit Mai dieses Jahres sehr erhebliche gewesen und es hat der größten Mühwaltung bedurft, um von da die Weiterverbreitung nach Möglichkeit zu verhüten.1 Im Mai 1889 wurde bei 20 Transporten aus Rußland, und zwar bei 336 Thieren, Seuche gefunden. ...

77 /279
... Es ist also gar nicht möglich, die Infektion und die Jnfektionsstoffe abzuhalten, sich weiter schon auf dem Viehhofe zu verbreiten. In Breslau ist ja auch, trotzdem gewiß alle mögliche Vorsicht angewendet worden ist, Maul- und Klauenseuche ausgebrochen. Nun bedenken Sie (v) aber ferner — und das ist das Schlimmste —, daß doch auch die Eisenbahnwaggons durch die Viehtransporte infizirt werden können und müßen, und daß es bei der besten Desinfektion unmöglich ist, mit Sicherheit dafür einzustehen, daß die Waggons auch ausreichend desinfizirt sind. Meine Herren, wenn man die Einfuhr freigiebt unter der Bedingung des Schlachtens — worin auch ich mit der Maßregel der Reichsregierung übereinstimme —, so ist die Schlachtung meiner entschiedenen Meinung nach womöglich auf der Grenze selbst in eigens dazu errichteten Schlachthäusern vorzunehmen, jedenfalls, wenn das nicht möglich ist, in solchen Schlachthäusern, die fast unmittelbar an der Grenze liegen. Ich sage Ihnen voraus, meine Herren, daß diejenigen, die das Einfuhrverbot bald aufgehoben zu haben wünschen, sich selbst den größten Schaden thun, wenn sie jetzt nicht darauf dringen, daß die Grenzkontrole auf das schärfste gehandhabt werde, und daß das Jmportvieh nicht tief in Deutschland hinein, nicht auf Schlachthöfe im Innern gefahren wird. Sie schaden sich damit selber; denn die Ansteckungsgefahr wird dann noch viel länger dauern, und immer noch werden wir dann Ausbrüche der Seuche im Innern erleben, so daß ich also von der Annahme des Antrags Websky mir nur eine Verschlechterung des jetzigen Zustandes versprechen kann. Ich bitte also, meine Herren, den Antrag Websky abzulehnen. ...

78 /279
... Ja, wir müssen anerkennen, daß dieser Gesichtspunkt auch von der deutschen Reichsregierung durchaus nicht ganz vernachlässigt worden ist; die Einfuhrerleichterungen, welche für die aus der großen Viehhof- und Mastanstalt in Steinbruch kommenden Schweine für Schlesien und Sachsen gewährt worden sind, wurzeln ja in der Ueberzeugung, daß dort in Steinbruch so vorzügliche Einrichtungen getroffen worden sind, daß man mit einer gewissen Sicherheit darauf rechnen könne: was in Steinbruch zum Import nach Deutschland verladen wird, trägt durchaus nicht die Gefahr einer Infektion für unseren Viehstand an sich, insbesondere dann nicht, wenn diese Importe nicht ohne weiteres dem freien Verkehr überlaffen werden, sondern wenn sie nach öffentlichen Schlachthöfen geleitet werden.1 d) Damit, meine Herren, kommen wir zu einer Lösung der Frage, über die wir, glaube ich, alle, welche unbefangen herantreten, uns einigen können. Uns hat es immer vollkommen fern gelegen, schlechthin die Oeffnung der deutschen Grenze gegen den Import alles Viehes zu verlangen; wir wissen die Gefahren zu würdigen, welche aus den Seuchenherden im Auslande für unseren einheimischen Viehstapel entstehen. Wir sind auch der Ueberzeugung, daß selbst auf Kosten des Konsums, wenn es die Noth erfordert, die Einfuhr fremden Viehes unter solchen Gefahren verboten werden muß, aber wir sind zugleich der Ueberzeugung, daß die getroffenen Maßregeln zu diesem Zwecke weder nöthig noch nützlich sind. Meine Herren, ich habe hingewiesen auf das Beispiel Englands, daß man sich selbst in diesem seinen Viehstand so vorsichtig wahrenden Lande damit begnügt, wenn in dem Exportlande ausreichende veterinärpolizeiliche Einrichtungen bestehen. ...

79 /279
... Man muß danach trachten, daß in jedem Lande, soweit irgend möglich, Vorsorge getroffen wird, daß von einem solchen Seuchenherde aus die Infektion nicht weiter getragen wird. Ich meine auch, indem ich an das erinnere, was ich über den dänischen Schweineexport nach England gesagt habe, daß auf diesem (v) Wege in der That am besten für die Sicherheit unseres Viehexportes gesorgt wird, dessen hohe wirthschaftliche Bedeutung ich nicht im geringsten verkenne. Von sehr großer Bedeutung würde es nun allerdings meiner Ueberzeugung nach sein, wenn man sich entschließen könnte, das Einfuhrverbot als solches aufzuheben und an seine Stelle eine bessere, veterinärpolizeiliche Kontrole zu setzen, welche sich bis in das Binnenland hinein zu erstrecken hätte. Wenn der Herr Abgeordnete Dr. Websky den Antrag gestellt hat, den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, die Zulassung fremder Schweine auf deutsche Schlachthöfe in größerem Maße als bisher zu gestatten, so mag ein solcher Antrag zur Zeit praktisch keine große Bedeutung haben, aber von grundsätzlicher Bedeutung ist er meiner Meinung nach unzweifelhaft. Der Herr Abgeordnete von Wedell-Malchow hat ja auch bereits darauf hingewiesen, wie es wohl dahin kommen könne, daß im internationalen Verkehr weit mehr, als es bisher geschah, an Stelle des Transports lebenden Viehes der Transport geschlachteten Viehes, der Transport ausgeschlachteten Fleisches tritt. Das ist auch nach meiner Ueberzeugung, ja im größeren Umfang, unzweifelhaft die Handelsform der Zukunft. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1890
Bd.: 113. 1889/90
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-113

ID: 00018663
80 /279
... .*) zu erwidern, daß ich im Einverständniß mit dem Senat der freien und Hansestadt Hamburg den dortigen Staats-Thierarzt Völlers zur Untersuchung des aus Bremen in Deptford eingetroffenen, wegen Infektion mit Maul- und Klauenseuche beanstandeten Schaftransportes nach England entsendet habe. Herr Völlers wird, wie ich annehme, die Reise in der Nacht vom 25. zum 26. d. M. angetreten haben und demnach voraussichtlich in der folgenden Nacht in England eintreffen. Ich darf Euerer Excellenz ergebenst anheimstellen, den Senat zu Bremen und die Kaiserliche Botschaft in London mit entsprechender Nachricht zu versehen. Der Staatssekretär des Innern, gez. von Boetticher. An den Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Königlichen Staatsminister, Herrn Grafen von Bismarck-Schönhausen, Excellenz. .k- 79. London, den 25. März 1889. Euerer Durchlaucht beehre ich mich mit Bezug auf das Verbot der Einfuhr deutschen Viehes nach England gehorsamst zu berichten, daß ich nicht unterlassen habe, bei der hiesigen Regierung anzuregen, daß die Untersuchung der angeblich kranken Thiere vor deren Schlachtung in Deptford durch einen deutschen Experten mit möglichster Beschleunigung gestattet werde. Es wurde mir erwidert, die Sendung eines deutschen Experten unterliege keinerlei Bedenken, nur könne nicht zugesagt werden, daß derselbe noch Thiere am Leben finden werde, da in Folge der Ansteckung ursprünglich gesunder Schafe durch die verseuchten mit der Schlachtung fortgefahren werden müsse, weil der Markt in Deptford gegenwärtig Siehe oben Nr. 74—76, 45* ...


< [1] - ... 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 - 8 - 9 - 10 ... [14] >