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Verhandlungen des Reichstages des Norddeutschen Bundes. - Berlin, 1869
Bd.: 8. 1869
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-8

ID: 00018292
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... Es betrifft dies nämlich die Frage, ob dem Abgeordneten Mende im Gefängniß die Selbstverflegung gestattet worden sei. Es war auf diesen Punkt, wie Sie sich erinnern werden, ein gewisser Werth gelegt worden. Die Geschäftsordnungs-Kommission fand sich deshalb veranlaßt, unter Nr. 5 der Fragen, die sie stellte, zu sormuliren: Ist dem Mende nicht gestattet worden, sich aus eignen Mitteln zu beköstigen? Darauf erfolgte die telegraphische Antwort: Der Untersuchungsrichter hat Mende die Selbstverpflegung nicht gestattet, weil er der Rebellion angeklagt sei. Nach hiesigen Gesetzen steht dem Jnstruktionsrichter die alleinige Entscheidung darüber zu. Inzwischen ist unter dem 29. April seitens des Herrn Bundeskanzlers an den Herrn Regierungs-Präsidenten in Düsseldorf ein Telegramm folgenden Inhalts gerichtet worden: In der gestrigen Reichstagssitzung ist geltend gemacht worden, daß der Abgeordnete Mende im Gefängnisse nicht mit Schonung behandelt werde. Euer rc. ersuche ich zu ermitteln, daß man demselben zulässige Rücksicht angedeihen lasse. Darauf ist telegraphisch die Antwort erfolgt: An den Bundeskanzler Grafen Bismarck. Berlin. Die Vermittelung ist erfolgt und der Untersuchungsrichter veranlaßt worden, dem Mende die Selbstverpflegung zu gestatten. Kühlwetter. Dieser Punkt ist also, wie die Herren sehen, sachlich erledigt. Ich gehe nun über zu der Verlesung der betreffenden Schriftstücke. Der Bericht des Polizei-Kommifsarius Bornheim lautet wie folgt:1 - München-Gladbach den 25. April 1869. An den Königlichen Oberprokurator Herrn Vierhaus Hochwohlgeboren Düffeldorf. Euer Hochwohlgeboren beehre ich mich Folgendes gehorsamst zu berichten: „Am Donnerstag, den 22. d. Mts. ...
... Nachdem Kux mit einigen Worten zur Ordnung ermahnt und mitgetheilt, daß ihnen die seltene Ehre zu Theil sei, den Präsidenten des Lassalleschen allgemeinen Deutschen Arbeitervereins, den Reichstagsabgeordneten Fritz Mende, in ihrer Mitte zu sehen und gleich sprechen zu hören, ertheilte Kux demselben dasWort, nachdem Mende und Genossen an einem Tische Platz genommen, über welchem das Bild Lafsalles auf dem Todtenbette an der Wand angebracht war. Mende eröffnete nun seine Rede, indem er sich vorerst über die zur Lösung der sozialen Frage von dem verstorbenen Lassalle in dessen Schriften niedergelassenen Principien verbreitete, wobei er besonders bemerkte, daß der Nothstand der arbeitenden Klaffe in Permanenz sei, was der eine Arbeiter den anderen an seinen zerlumpten Kleidern und hungrigen Magen erkennen könne. Indem im Allgemeinen, mit Ausnahme der durch das fortwährende Zuströmen von Publikum hervorgerufenen, das Zuhören indeß wenig beeinträchtigenden Unruhe, spannende Aufmerksamkeit der Arbeitet zu erkennen war, bemerkte Kux, den Mende in seiner Rede unterbrechend: „Ich bitte um etwas mehr Ruhe, es sind, wie es scheint, welche hierhergekommen, um die Ruhe zu stören und der Polizei Gelegenheit zum Einschreiten zu geben. Diese Bemerkung, wozu keinerlei Grund vorhanden war, wurde alsbald von dem Herrw Mende wiederholt. Im Laufe verschiedener Erörterungen betonte Mende namentlich, daß man an verschiedenen Orten, namentlich aber in München-Gladbach sich bemühe, hen Verein der Arbeiter zur Erzielung ihres Rechts zu unterdrücken und ihnen die Rechte des Vereinsgesetzes zu nehmen, welche Unterdrückung indeß ihr Ende bald erreicht haben würde. ...

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... Die zweite Frage lautet: Steht faktisch fest, daß Mende in agitatorischer Weise gegen die Auslösung der Versammlung pro-— 33. Sitzung am 3. Mai 1869. testirt und sich thatsächlich den Vertretern der Polizei widersetzt hat? Die Antwort ist: Es steht fest, daß Mende agitatorisch gegen die Auslösung der Versammlung protestirt, und wenn auch nicht thätlich doch thatsächlich sich dem Polizeikommissar widersetzt hat. Später ist er unter einem Volkshausen, welcher Fenster zertrümmerte, gesehen worden. Die dritte Frage lautet: Ist anzunehmen, daß durch die Freilassung Mendes die Verdunkelung des Thatbestandes resp. die Verschleppung der Untersuchung oder die Benach- - theiligung der übrigen Untersuchungsgesangenen eintrete? Antwort: Wird Mende freigelassen, so stockt die Untersuchung. Konfrontationen mit Zeugen sind nothwendig, ebenso mit den übrigen Beschuldigten, und die Hast der 22 Verhafteten wird ohne gesetzlichen Grund verlängert, wenn Mende nicht zur Stelle ist. Die vierte Frage lautet: Ist festgestellt, daß Mende als Zeuge zu einer Gerichtsverhandlung nach Gladbach aus Düsseldorf geladen war? Antwort: Ueber die Zeugenschast Mendes Näheres in dem Berichte. Die Herren werden aus dem Bericht schon entnommen haben, daß Mende eine Vorladung nach Düsseldorf nicht erhalten hatte, daß er aber als Schutzzeuge von dem Angeklagten zur Stelle gebracht und gehört worden ist. Die fünfte Frage betrifft die Selbstverpflegung und ist mit Antwort bereits mitgetheilt. Der Schluß des Telegramms von Seiten des Herrn Oberprokurators lautet: Der Untersuchungsrichter ist seit Mittag in Dienstgeschäften abwesend; in einer heute Morgen mit ihm abgehaltenen Konferenz haben wir die Fortdauer der Hast Mendes für unbedingt nothwendig erachtet. ...
... Mende wurde wegen der Beschuldigung des Aufruhrs, der Widerstandsleistung gegen Beamte, Miß-Handlung derselben, Zerstörung fremden Eigenthums, oder weil er Andern hierzu Anleitung gegeben oder sie angereizt habe; ferner Gefährdung des öffentlichen Friedens, von mir unter Verwahrbesehl gestellt. Nach den eidlichen Erhebungen steht es fest, daß Mende durch seine Rede den öffentlichen Frieden durch Aufreizung der Arbeiter gegen die besitzende Klaffe gefährdet, daß er die Lösung der sozialen Frage durch alle Schrecken der Revolution angedroht, daß er die Auflösung der Versammlung für ungesetzlich erklärt und durch sein Verhalten, wobei er äußerte, er werde schon am Montag bei Ew. Excellenz auf dem Thee Klage führen und dort vertreten, was Ungesetzliches geschehe, soll er die bis dahin ruhige, aber durch Schlagwörter aufgeregte Masse zu dem mit aller Wuth geführten Widerstände angereizt haben. Daß er auch thätlich gewesen, ist noch nicht erwiesen. Die Ruhe der. Beamten wird gerühmt. Die Freilassung des Mende kann die Untersuchung verdunkeln, was bereits angestrebt wird, jedenfalls würde sie solche verschleppen und die Mitbeteiligten benachtheiligen. Mende war am Tage der Rede Schutzzeuge in einer Sache zu Düsseldorf wegen Verletzung des Vereinsgesetzes, ohne Einladung nach Gladbach gereist. Der Untersuchungsrichter gez- Hoffsümmer. Ich vervollständige schließlich dieses ganze Material durch einen Bericht des Herm Oberprokurators zu Düsseldorf vom 29. April, wie es scheint aus die Anfragen, die ergangen waren, an den Herrn Bundeskanzler gerichtet: ...

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... Wenn Sie nun Alles dies erwägen — die langjährige Praxis des Preußischen Abgeordnetenhauses, die Uebereinstimmung der bedeutenden Staatsrechtslehrer, das Recht und den Gebrauch der Parlamente von England und Nordamerika —, daß alle diese Autoritäten dahin übereinkommen, daß die Parlamente niemals auf eine juristische Prüfung der Anklage und der Gründe der Verhaftung sich einzulassen, sondern dasjenige thatsächliche Material, welches die Gerichte vorlegen, und die Prüfung, welche die Gerichte mit diesem Material vorgenommen haben, einfach ihren Beschlüssen als wirklich existirend und richtig zu Grunde zu legen haben, so, glaube ich, werden Sie mit der Kommission dahin kommen, daß wir nach der Erklärung des Jnstruktionsrichters und nach der Erklärung des Oberprokurators (welche ganz bestimmt dahin lauten: nach unserer pflichtmäßigen Ueberzeugung würde die sofortige Entlassung des Abgeordneten Mende die Verdunkelung Und Verschleppung der Sache zur Folge haben) nicht das Recht haben, an der Auffassung dieser Beamten zu rütteln und in eine juristische Prüfung der Frage einzutreten, ob deren Erklärungen für richtig oder unrichtig zu halten seien. Wir müssen hypothetisch ihre Angaben und ihr Urtheil als wahr und richtig annehmen, und nur fragen: liegt ein Grund vor, welcher uns veranlassen könnte, eine Tendenz in dieser Sache zu vermuthen? Einen solchen Grund hat Ihre Kommission aber nirgends gefunden. ...
... Abgeordneter Försterltng: Meine Herren, es ist daraus hingewiesen worden, daß diese Sache keine politischtendentiöse sei und es ist ferner in dem Antrage der Kommission darauf hingewiesen worden, daß wegen der 22 gleichzeitig verhafteten Mitangeklagten der Abgeordnete Mende noch in Hast bleiben ...

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... Ja, ich kann Ihnen versichern, daß ich eine ganze Zahl von Arbeitern Ihnen zur Stelle bringen könnte, welche bereit wären, für den Abgeordneten Mende sofort ins Gefängniß zu gehen. Es ist eine Deputation der Arbeiter bei mir eingetroffen. nicht vom Rhein, sondern von Sachsen; dieselben haben mir gesagt, daß die Arbeiter sofort bereit wären, zu Hunderte für Herrn Mende in das Gefängniß zu gehen, wenn derselbe dadurch sofort frei werden könnte. Aber, meine Herren, die Sache liegt so: es ist ein Versammlungsgesetz da, dies muß von .uns beachtet werden, es muß aber auch von Seiten der Behörden beobachtet werden. Mir gehen Briefe zu, die die merkwürdigsten Dinge darüber enthalten, wie von Seiten der Polizei mit diesem Versammlungsrechts verfahren wird. Ich hätte diese Briefe mitgebracht und vorgelesen, ich will aber den Hohen Reichstag nicht aushalten; wer es indessen von Ihnen wünscht, meine Herren, dem kann ich die Briese zeigen. Unter Anderem ist mir gestern ein Fall mitgetheilt worden, wo für die Anwesenheit eines Referendarius in einer Arbeiterversammlung 4 Thaler gezahlt werden sollten — (Ruf: wo, wo?) in St. Michaelis bei Brand in Sachsen. Meine Herren, in keinem Versammlungsgesetz steht das vorgeschrieben. Und wenn das noch gleichmäßig wäre, aber es wird nicht mit gleichem Maaße gemessen! Die Verfolgungen treffen nur die Lafsalleaner, nur den Laffalleschen Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein; für uns existirt auf diese Weife eigentlich kein Versammlungsgesetz in diesem Augenblicke. Der Schweitzersche Verein, der dieselbe Organisation hat, wie der unsrige, hält seine Versammlungen an denselben Orten ab, wo wir uns zu versammeln verhindert werden. ...
... Ich glaube dann ferner, aus dem Antrage der Kommission zwischen den Zeilen entnehmen zu können, daß auch die Mitglieder der Kommission, wenigstens die Mehrzahl derselben, geneigt sind, in Kurzem die Freilassung des Abgeordneten Mende zu befürworten und daß sie nur noch eine kurze Frist und einige Thatsachen mehr, als Ihnen bislang vorliegen, für eine solche Beschlußfassung respektive für einen solchen Antrag beanspruchen. ...

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... Meine Herren, Sie haben nun den Bericht der betheiligten unteren und oberen Beamten selbst gehört, und ich frage Sie, kann man in diesem Falle annehmen, daß ein Antrag oder ein Vorschlag gestellt ist, sei es von Mende oder sei es von irgend jemand Anderem, der eine Aufforderung oder Anreizung zu strafbaren Handlungen enthält? Die Frage wird man verneinen müssen. Was vorgekommen ist, mag hinsichtlich des Mende in seinen Aeußerungen eine strafbare Handlung enthalten, das will ich nicht untersuchen, es können in den Aeußerungen des Mende, möglicherweise auch in denen anderer Anwesender Beleidigungen oder Aufreizungen zu Haß und Verachtung einzelner Gesellschaftsklassen gegen einander enthalten sein, die möglicherweise ein Vergehen dieser einzelnen Mitglieder der Versammlung konstatiren; das aber genügt noch keineswegs nach der klaren und unzweifelhaften Vorschrift des § 5 der Verordnung vom 11. März 1850, um eine Versammlung aufzulösen, durch welche Auflösung man nicht den Einzelnen straft, nicht gegen den Einzelnen einschreitet, sondern Hunderte und Tausende von Menschen in der Ausübung ihrer politischen wohlbegründeten Rechte hindert. Zu einer solchen Auslösung, welche einen Eingriff in die verfassungsmäßig garantirten politischen Rechte der Staatsbürger enthält, soll man nach der ausdrücklichen Vorschrift des Gesetzes nur dann schreiten können, .wenn das Vorgehen Einzelner oder Mehrerer derartige Aufforderungen oder Anreizungen enthält, welche dazu führen können, daß nicht bloß ein Einzelner ein Vergehen begeht, sondern daß eine ganze Versammlung zu strafbaren Entschlüssen verleitet wird, wodurch eine Gefahr für die öffentliche Ordnung zu befürchten steht. ...

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... Was nun die Stellung des Herrn Abgeordneten Mende zu der Untersuchung anlangt, welche wegen Aufruhrs und anderer Verbrechen in Gladbach eingeleitet ist, so liegt es uns nicht ob, hier zu prüfen, ob ihn eine Schuld trifft, dazu würde auch das Material nicht ausreichend sein; es liegt uns auch nicht ob zu prüfen (es würde auch kein Interesse mehr haben), ob im ersten Augenblick Gründe zur Verhaftung vorgelegen haben; wir haben jetzt nur darüber zu entscheiden, ob überwiegende Gründe, vom politischen Standpunkte mit betrachtet, vorhanden sind, welche eine Fortdauer der Hast erheischen. Welche Gründe sind nun nach den Mittheilungen, welche uns in der früheren Sitzung und heute geworden sind, von den Behörden angeführt, um die Nothwendigkeit der fortdauernden Hast darzuthun? Meiner Meinung nach sind es nur zwei Momente, ich habe wenigstens nicht mehr aus den Mittheilungen entnehmen können: einmal daß die Entlastung des Herrn Abgeordneten Mende die Aufregung in den Arbeiterkreisen noch erhöhen würde, und zweitens daß die Entlassung in diesem Augenblick dazu führen würde, daß die Untersuchung in ihrem raschen Fortgänge gestört werden würde, daß Thatsachen verdunkelt werden und Kollisstonen eintreten könnten. ...
... Mende ist seit acht Tagen bereits verhaftet, die Untersuchungen und die Zeugenausnahmen sind seit acht Tagen in vollem Gange, so daß, wenn überhaupt ein genügendes Material herbeigeschafft werden kann, es in dieser Zeit füglich hätte geschehen können. Sie wissen Alle, soweit Sie sich mit Untersuchungen wegen stattgehabter Tumulte beschäftigt haben oder davon Kenntniß genommen haben, daß es sehr schwer ist, eine Nachweisung der Handlungen Einzelner bei solchen Tumulten zu liefern, daß , wenn diese überhaupt erreicht werden soll, dies nur möglich durch Vernehmungen, welche in der ersten Zeit unmittelbar nach den Tumulten erfolgen. Durch die große Zahl der Theilnehmenden, durch die aufregenden Gespräche, welche nach solchen Vorfällen stattfinden, durch das Vermischen der eigenen Wahrnehmungen mit demjenigen, was man hat von Andern erzählen hören, bildet sich schon in wenigen Tagen eine solche Verwirrung in der Auffassung aus, daß Jeder, welcher als Richter, Staatsanwalt oder Geschworener damit zu thun gehabt hat, weiß, wie schwer es ist. von Zeugen, die nicht unmittelbar nach den Tumulten vernommen worden sind, etwas Erhebliches über die Sache zu erfahren. Ich sollte also glauben, daß, wenn überhaupt nach dem ganzen Verfahren eine Verhaftung des Mende nöthig war, die verflossenen acht Tage wohl ausreichen konnten, um das nöthige Material gegen ihn herbeizuschaffen. ...

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... Meine Herren, wenn Sie diese verschiedenen politischen Gesichtspunkte in Erwägung ziehen, wenn Sie ferner, woraus ich noch einmal besonders aufmerksam mache, berücksichtigen, daß die Veranlassung zu den unglücklichen Exzessen und Vergehen in Gladbach die ungesetzliche Auflösung einer Versammlung gewesen ist, dann hoffe ich, daß die Gründe, welche der Untersuchungsrichter anführt für die Fortdauer der Haft, nämlich die Vermeidung von Kollisionen, und die größere Bequemlichkeit in der Fortführung der Untersuchung für Sie in diesem Falle nicht von der Bedeutung sein können, um nicht unserem Antrage beizutreten, daß schon jetzt Herr Mende aus der Hast entlassen werde. (Lebhaftes Bravo links und im Centrum.) Präsident: Der Abgeordnete von Kardorff hat das Wort. Abgeordneter von Kardorff: Meine Herren, ich kann diejenige Darstellung, die der Herr Abgeordnete von Bennigsen so eben von den Vorgängen in Gladbach gegeben hat, ebensowenig wie diejenigen Gründe, welche er dem Votum der Kommission untergelegt hat, unwidersprochen lassen. Nach der Meinung des Herrn Abgeordneten von Bennigsen sind die gesammten Excesse lediglich durch das unberechtigte Einschreiten der Polizei hervorgerufen worden. Ich muß dem widersprechen. Die Aufregung ist hauptsächlich, mag nun das Eingreifen der Polizei ein unberechtigtes gewesen sein oder nicht, dadurch hervorgerufen worden, daß Herr Mende dem Eingreifen der Polizei sich nicht unmittelbar, wie es seine Pflicht und Schuldigkeit war, gefügt hat. (Sehr richtig! rechts.) Es ist ausdrücklich konstatirt, daß er fortgefahren hat in seiner Rede, er hat gegen die Auflösung protestirt. ...
... Ist das Interesse des Reichstages größer, den Herrn Mende in seiner Mitte zu besitzen, oder ist das Interesse der 21 Mitangeklagten größer, deren Untersuchung nach dem ausdrücklichen Ausspruch des Gerichtes verschleppt werden wird, wenn Herr Mende frei gelassen wird? Meine Herren, um das Interesse des Reichstages geltend zu machen, hat man darauf hingewiesen, und der Herr Referent hat das schon mit Recht widerlegt, man müsse dem einzelnen Wahlkreise gerecht werden^ der Herrn Mende in das Haus geschickt hat. Der Herr Referent hat schon daraus aufmerksam gemacht, daß wir nicht Vertreter eines Wahlkreises sind, sondern der ganzen Nation, soweit sie im Norddeutschen Bunde vereinigt ist. Herr von Bennigsen hat weiter daraus hingewiesen, die Herren wären Vertreter der arbeitenden Klassen, Ich muß das aus das allerentschiedenste zurückweisen und dabei stehen bleiben, was selbst von Mitgliedern seiner Partei früher Herrn* ...

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... , Meine Herren, dies sind die Gründe, welche die Kommission geleitet haben, daran festzuhalten, daß zunächst das Gericht aussprechen müsse, Herr Mende mag freigelassen werden. Ich glaube, Sie haben Alle Ursache, dem Votum der Kommission beizutreten aus Achtung vor dem Ausspruch eines Preußischen Richters, aus den Bedenken, welche es jedesmal mit sich führen muß, den Gang der Rechtspflege zu unterbrechen und aus dem Interesse, welches wir für die 21 Mitangeklagten haben werden. — (Lebhafter Beifall rechts.) Präsident: Ehe ich dem Abgeordneten Dr. Becker das Wort gebe, zeige ich an, daß ein Antrag auf namentliche Abstimmung über das Amendement des Abgeordneten von Bennigsen, mit 50 Unterschriften versehen, bereits in meinen Händen ist. Der Abgeordnete Dr. Becker (Dortmund) hat das Wort. Abgeordneter Dr. Becker (Dortmund). Meine Herren, erlauben Sie einem, Mitglied der Minorität Ihrer Geschäftsordnungs-Kommission, in aller Kürze den Standpunkt darzulegen, von welchem aus wir votirt haben. Die Minorität IhrerGeschäftsordnungs-Kommission ist der Ansicht gewesen, daß in der Gegend von Gladbach nicht gleiches Recht für Alle gewährt worden sei. Sie ist insbesondere der Ueberzeugung gewesen, daß das durch die Verfassung verbürgte Versammlungsrecht den Arbeitern in einer gesetzwidrigen Weise verkürzt worden sei. Gestatten Sie mir den Beweis, den ich in Händen habe, Ihnen vorzutragen. Es war in Gladbach ein Arbeiterverein aufgelöst worden. Die Auflösung dieses Vereins ist Veranlassung zu der Verhandlung geworden, um deren willen Herr Mende in Düsseldorf vor dem Zuchtpolizeigericht als Schutzzeuge erschienen ist. Nachdem dieser Verein nicht mehr bestand, suchten die Arbeiter in freien Versammlungen zusammenzutreten. ...
... Statt dessen weicht sie von ihrer, nach meiner Auffassung höchst willkürlich eingenommenen Position zurück in demselben Augenblick, als der Reichstagsabgeordnete Fritz Mende selbst kommt. Nun wird die Anzeige in derselben Weise wie sonst gemacht, und nun wird die Versammlung zugelassen. Wenn ich auch nicht sehr viel aus alle einzelnen Aeußerungen geben will, wie sie sich in den Korrespondenzen finden, welche der Kommission vorgelegen haben, so glaube ich das doch nicht als absolut unwahrscheinlich zurückweisen zu können, was von einem der Korrespondenten gesagt ist, nämlich man habe in Gladback bereits am Morgen gewußt, daß am Abend die Versammlung unter allen Umständen aufgelöst werden solle. Der Bericht des Polizei-Kommissars widerspricht einem solchen Vorhaben durchaus nicht. Jedenfalls ist dieser zu der Auflösung in der Absicht geschritten, nachdem die Auflösung ausgesprochen sei, auch Exekution anzuwenden, und das mit einem Aufgebot von 4 oder 5 Polizeidienern, beziehungsweise Gensdarmen. Es ist das jedenfalls nicht der ausreichende Apparat, um einer Volksversammlung gegenüber etwas mit Aplomb auszuführen; das ist aber nicht meine Sache, zu untersuchen. Der Polizei-Kommissarius spricht die Auflösung aus, der Mende versucht ihm Vorstellungen zu machen. Einiger Tumult konnte ohnehin gar nicht ausbleiben, er wäre überall eingetreten; er entsteht ganz gewöhnlich durch das Zögern und Warten der Leute, die sich nicht beeilen mögen, zur Thür hinauszukommen. Nun ertheilte derselbe Polizei - Kommissarius demselben Fritz Mende, um dessen Rede willen er die Versammlung aufgelöst hatte, noch einmal ...

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... Aber wenn ich mich frage, ob Mende bei diesen Ereignissen, die hinterher geschehen sind, irgendwie mitgewirkt habe, und darauf hin das Material durchlese, und wiederholt durchlese, so kann ich in der That auch nicht das Allermindeste finden, was den Mende beschwert, nicht das Mindeste, was ihn namentlich verdächtig macht, an einem Aufruhr mit Gewalt an Sachen oder Personen selbst theilgenommen zu haben. Auch ist erst hinterher die Behauptung in die Debatten geworfen worden, der Mende sollte gesehen worden sein unter einem Haufen Tumultuanten, die Fensterscheiben einwarfen. Er soll unter dem Hausen gewesen fein, — zu behaupten, er sei in dem Haufen gewesen, das hat der Oberprokurator selbst nicht gewagt. So lag die Sache, als Ihre Kommission darüber sich berieth. Ihre Minorität hat gesagt: Wenn der Mende ernstlich beschwert erschiene, an diesem Aufruhr wirklich theilgenommen zu haben, so würde der Oberprokurator sich wohl bestimmter ausgedrückt haben; er würde sich nicht damit begnügt haben, sich zum Organe eines so unbestimmt gehaltenen und — darf ich wohl hinzusetzen — ja kaum zu vermeidenden Gerüchts zu machen. Dem ist eben Jeder ausgesetzt, der an einem solchen Tage an dem betreffenden Orte gewesen ist. Wie Stimmungen und Neigungen solche Gerüchte entstehen lassen, hat Ihnen der Abgeordnete von Bennigsen vorgeführt. Es wäre vielmehr im höchsten Grade zu verwundern, wenn der Oberprokurator sagen könnte: das stehe fest, daß Mende nicht unter den Tumultuanten gesehen worden ist. ...
... Wenn ich mir nun die Frage vorlege, ob ich dem Antrage des Abgeordneten von Bennigsen beistimmen kann, so gebe ich ferner dem Abgeordneten von Bennigsen darin entschieden Recht, daß die Angabe, als ob die Entlassung des Abgeordneten Mende daruin nicht erfolgen dürfe, weil durch dieselbe eine Aufregung herbeigeführt oder gesteigert werden könne, für mich keinen durchschlagenden Grund abgeben kann. Das, meine Herren, ist weder ein Justizgrund, noch ein solcher Grund, der für den Reichstag maßgebend sein kann; denn, wenn der Abgeordnete Mende entlassen würde, so würde er hier hoffentlich erscheinen, und es würde dadurch keine Aufregung unter dem dortigen Volke hervorgerufen werden; vielmehr wenn man diesen Standpunkt überhaupt einnehmen will, ist möglicherweise zu befürchten, daß die Detention am Orte die Aufregung weit mehr steigern würde. Ich bin also lediglich auf das Urtheil des Untersuchungsrichters beschränkt. Nun, meine Herren, das Urtheil desselben haben Sie gehört. Ich spreche also nicht von denjenigen Thatsachen, welche hier geltend gemacht worden sind, um das Vertrauen in das angemessene Verhalten der Polizeibeamten und des Oberprokurators zu erschüttern. Ich halte mich lediglich an den Ausspruch des durch die Verfassung und den König dazu berufenen Richters, welcher uns gesagt hat, es würde die Untersuchung erschweren, die Feststellung des Thatbestandes hindern und die Lage der übrigen Angeklagten erschweren, wenn der Abgeordnete Mende jetzt entlassen würde. Dieser Ausspruch ist für mich bindend und ich stehe in dieser Beziehung vollständig aus dem Standpunkte, welchen der Herr Referent hier vertreten hat. ...

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... Allein, meine Herren, indem ich mir das selbstständige Urtheil über die Sachlage wahre, kann ich doch unmöglich den Punkt unerwogen lassen, daß der Herr Untersuchungsrichter weit über die Grenzen der juristischen Beurtheilung hinaus, und zwar auch, wie ich annehme, weit über die ihm erkennbaren Grenzen der juristischen Beurtheilung hinaus Rücksicht genommen hat auf diejenige Einwirkungen, welche die Entlassung des Abgeordneten Mende aus die dortige Gegend haben würde — eine Erwägung, meine Herren, die so vollständig unjuristisch ist, und die so vollständig die Pflicht des Richters überschreitet, daß ich unter diesen Umständen doch bedenklich bin, rein mich auf das Urtheil des Untersuchungsrichters in der ganzen Sache zu verlassen, wenn ich weiß, daß dieser Herr sich über die Grenzen seiner Ausgabe nicht ganz klar ist. Aus allen diesen Gründen, meine Herren, sind die Ausführungen des Abgeordneten von Bennigsen in keiner Weise erschüttert, und ich bitte Sie, den Antrag des Abgeordneten von Bennigsen anzunehmen. Präsident: Der Abgeordnete Gras von der Schulenburg-Beetzendors hat das Wort. Abgeordneter Graf von der Schulenburg-Beetzendorf: Meine Herren, nach meiner Ansicht hat die Angelegenheit, welche uns beschäftigt, eine Bedeutung und einen Umfang gewonnen, den ich nur bedauern kann. Ich glaube, daß der Abgeordnete Wende das vollständig erreicht hat, was er am liebsten gewünscht hat zu erreichen, nämlich: ein hinreichendes Aussehen zu machen. (Oh! Oh! von der äußersten Linken.) ...

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... Abgeordneter Graf von der Schulenburg-Beetzendorf (fortfahrend): Ich will mich also dahin korrigiern, daß nicht der Abgeordnete Mende selbstdas Aufsehen erregt hat, sondern daß es erregt worden ist durch die lange Debatte, die hier im Hause über die Angelegenheit geführt worden ist, und Sie haben die Bedeutung sogar noch gesteigert, indem Sie Namensaufruf beantragt hatten. Ich will gar nicht auf die Gladbacher Vorgänge zurückgehen; ich will fogar zugestehen, daß auch ich glaube, daß die Einschreitung der Polizei durch das Gesetz, insofern es die Auflösung betraf, nicht ganz gerechtfertigt gewesen ist. (Hört! links.) Ich glaube aber, daß die Polizei befugt war, den Abgeordneten Mende persönlich zu verhaften, und ich möchte um so mehr glauben, daß die Polizei in den gesetzlichen Schranken bei dem Tumulte, der dabei und nachher entstanden ist, sich bewegt hat, als meines Wissens in dem dortigen Kreise ein Landrath ist, der der nationalliberalen Partei angehört. (Heiterkeit, links.) Ich hoffe, daß die Herren (nach links) das Kompliment, was ich Ihnen mache, vollständig annehmen. Ich habe geglaubt, daß wir heute würden durch die Mittheilung empfangen werden, daß der Abgeordneter Mende bereits auf freien Fuß gesetzt sei, eine Mittheilung, die mir am allerangenehmsten gewesen sein würde, indem sie uns aller weiteren Erörterung überhoben hätte. ...
... Das ist indessen nicht geschehen, sondern der Untersuchungsrichter und der Oberprokurator sind bei ihrer Ansicht geblieben, daß seine Jnhafthaltung für den Gang der Geschäfte und für die Aufklärung der Thatsachen nach nothwendig und nützlich wäre, und der Abgeordnete von Bennigsen ist auch nicht im Stande gewesen, von hier aus, wo Raum und Zeit ihn trennen — trotz unsrer gesteigerten Verkehrsmittel, — hinreichend zu beurtheilen, ob wirklich noch viel darauf ankomme, daß der Abgeordnete Mende dort in Hast gehalten werde, oder nicht. Ich kann mich daher nur der Deduktion anschließen, die der Herr Referent in sehr ausreichender Weise, wie mir scheint, gehalten hat, daß der Reichstag vor der Frage steht: ist es wünschenswerther, daß der Gang des Gesetzes unterbrochen werde, damit der Abgeordnete Mende seiner Reichstagsthätigkeit wieder gegeben werde? Diese Frage muß ich mit „Nein beantworten. Ich will mich keineswegs, wie der Herr Abgeordnete Meyer (Thorn) eben angedeutet hat, auf eine Untersuchung der geistigen Kapizität eines Mitgliedes hier einlassen; aber ich glaube doch wohl auf den Umstand hindeuten zu dürfen, daß bis jetzt der Abgeordnete Mende sich fast gar nicht, glaube ich, in unserer Mitte befunden hat. Es scheint also ihm selbst aus seine Reichstagsthätigkeit nicht viel angekommen zu sein. Ich ersuche Sie also, meine Herren, lassen Sie dem Gesetze seinen Lauf. Der Richter wird bei der Feststellung des Thatbestandes nachher selbst auszuführen haben, in wie weit seine Behauptung gerechtfertigt gewesen ist, daß er den Abgeordneten Mende habe in Haft behalten müssen. ...

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... Mende. Meulenbergh. Müller (Stettin.) Dr. v. Niegolewski. Oehmichen. Dr. Oetker. Pilaski. Fürst v. Pleß. Graf von Plessen. Freiherr Dr. v- Pross-Irnich. v. Radkiewicz. Rang. Herzog v. Ratibor. Graf Renard. Röben. v. Salza und Lichten«», v. Saucken. v. Savigny. Schraps. v. Schwendler. v. Seydewitz (Rothenburg.) Dr. Strousberg. Frhr. v. Vincke. Wagener (Neustettin). v. Wedemeyer. Weißich. v. d. Wense. Zurmühlen. Das Ergebniß der Abstimmung ist Folgendes: Es haben an der Abstimmung 197 Mitglieder theilgenommen; davon haben 107 mit Ja, und 90 mit Nein gestimmt. Der Antrag des Abgeordneten von Bennigsen Nr. 152 der Drucksachen ist hiernach angenommen und damit der entgegenstehende Antrag der Kommission und die erste Nummer der Tagesordnung erledigt. — Wir kommen auf die zweite Nummer der Tagesordnung, die Fortsetzung der Berathung über den Entwurf der Gewerbeordnung, die bis zum § 160 vorgeschritten war. Bei § 160 liegen zwei Abänderungsvorschläge, oder vielmehr ein eigentlicher Abänderungsvorschlag, der des Abgeordneten Dr. Löwe, und der Antrag der Abgeordneten Lasker und Dr. Meyer (Thorn) vor, den Paragraphen zu streichen. Ich eröffne über § 160 die Diskussion. Der Abgeordnete Dr. Löwe hat das Wort. Abgeordneter Dr. Löwe: Meine Herren! Ich bin in erster Linie der Meinung, welche der Antrag der Herren Lasker und Genossen vertritt, nämlich den Paragraphen ganz zu streichen. Wenn Sie sich aber dazu nicht entschließen können, so schlage ich Ihnen den Zusatz vor, daß Strafen, die durch politische Verbrechen herbeigeführt sind, nicht die in der Vorlage angedeuteten Folgen für die Gewerbthätigkeit haben. ...

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... .Mende. Meulenbergh. Müller (Stettin). Dr. von Niegolewski. Dr. Oetker. Pilaöki. Freiherr Dr. von Pross-Irnich, v. Radkiewicz. Rang. Reichensperger. Gras Renard. v. Salza und Lichtenau. Salzmann. v. Saucken. v. Savigny. Schraps. Gras Schwerin-Putzar. v. Seydewitz (Rothenburg), v. Simpson-Georgenburg. Stavenhagen. Dr. Strousberg. Twesten. Ulrich. Frhr. v. Vincke. Wagener (Neustettin), v. d. Wense. Dr. Windthorst. v. Zehmen. Präsident: Ich theile das Ergebniß der Abstimmung mit. Es haben sich an derselben 203 Mitglieder betheiligt, von denen 109 mit Ja, 94 mit Nein gestimmt haben; der Antrag des Abgeordneten Dr. Waldeck ist also in zweiter Berathung angenommen und wird zu seiner Zeit zur dritten Berathung gestellt werden. — Die nächste Nummer der Tagesordnung ist der Antrag der Abgeordneten Harkort und Genossen (Nummer 62 der Drucksachen), mit dem nach dem Beschlusse des Hauses die statistischen Angaben über die Ausdehnung, welche der Psennigtarif aus den Bahnen im Bundesgebiete gewonnen hat (Nummer 80 der Drucksachen), verbunden werden sollen. Der Abänderungsvorschlag der Abgeordneten von Luck, von Blanckenburg und Genossen (Nummer 166) ist in Ihren Händen. Der Herr Antragsteller hat das Wort. Abgeordneter Harkort: Meine Herren! Die sämmtlichen Eisenbahnen müssen als Verkehrsanstalten des Staates betrachtet werden. Hohe Tarise wirken hier viel schädlicher, als hohe Zölle auf Wasser- und Landwegen. Ich erinnere Sie an den Sundzoll, der abgelöst ist, und an die noch bestehenden Elbzölle. ...

34 /904
... Der Abgeordnete Mende hat für den heutigen Tag Verhandlungen des Reichstages des Nordd. Bundes. wegen dringender Geschäfte Urlaub. Der Abgeordnete von Blanckenburg zeigt an, daß er wegen Krankheitsfalles in seiner Familie genöthigt war, Berlin zu verlassen. Der Abgeordnete Stephani zeigt an, daß er für heute, eventuell auch für morgen, wegen Unwohlseins verhindert ist, an den Sitzungen Theil zu nehmen. Für die heutige Sitzung haben sich ferner entschuldigt die Abgeordneten Lesser und Dr. von Bunsen und für heute, den 13. und 14. d. M. der Abgeordnete Bloemer. Der Herr Abgeordnete Schraps ist heute in das Haus eingetreten und der zweiten Abtheilung zugeloost. In der sechsten Abtheilung hat in Folge des Austretens des Herrn Cornely aus der zwölften Kommission eine Nachwahl stattgefunden, und ist an Stelle des Abgeordneten Cornely der Abgeordnete von Kirchmann gewählt. Die dreizehnte Kommission ist erwählt und hat sich konstituirt, sie hat zu ihrem Vorsitzenden den Herrn Abgeordneten von Bennigsen, zu dessen Stellvertreter den Herrn Abgeordneten von Bodelschwingh, zum Schriftführer den Herrn Abgeordneten Stumm und zu dessen Stellvertreter den Herrn Abgeordneten Grafen Kleist gewählt. Ehe wir in die Tagesordnung eintreten, gebe ich dem Abgeordneten von Brauchitsch (Elbing) das Wort zur Geschäftsordnung. Abgeordneter von Brauchitsch (Elbing): Meine Herren, als stellvertretender Vorsitzender der Petitionskommission stell; ich den Antrag, die in Nummer 134 sub X und D bezeichneten Petitionen heute von der Tagesordnung abzusetzen, weil nachträglich denselben Gegenstand betreffende Petitionen eingegangen sind, die in der Kommission noch nicht haben zur Berathung gelangen können. ...

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... Präsident: Der Abgeordnete Mende hat das Wort. Abgeordneter Menöe: Meine Herren! Daß man den Fürsten, sowohl den regierenden wie den verstorbenen, Portofreiheit gewähren muß, dafür bin ich durchaus; wenn man aber ihren Gemahlinnen auch Portofreiheit gewähren will, so hat es damit eine ganz andere Bewandtniß. Man hat in diesem Gesetzentwurf zwar die Portofreiheit den Militärs gewährleistet, indeß, meine Herren, hat man das wohl nur gethan, weil die Militärs bekanntlich gar geringe Diäten beziehen. Man hat in diesem Gesetzentwurf jedoch trotz des Antrages des Herrn Abgeordneten Hausmann die Portofreiheit der Reichstags-Deputirten und Mitglieder der Kammern, abgelehnt, auch derjenigen, welche gar keine Diäten beziehen. Ich nun, meine Herren, wenn ich für irgend etwas von dem, was in dem eingebrachten Antrage steht, votiren sollte, würde dies nur unter der Bedingung thun, daß man für alle Diejenigen, welche gar keine oder sehr geringe Diäten erhalten, ebenfalls dieses Privilegium gewährleistet. Wenn man, meine Herren, den Gemahlinnen und Wittwen der regierenden Fürsten Portofreiheit gewährt, dann mag man vorher bedenken, wie große „Diäten sie beziehen. ...

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... Präsident: Der Abgeordnete Mende hat das Wort: Abgeordneter Mende: Meine Herren, ich bin gegen den Paragraphen und bitte, denselben abzulehnen. Ich finde gegen denselben mehrere Bedenken; der Paragraph leidet offenbar an Begriffsverwirrung. Zunächst, meine Herren, ist die Fassung desselben eine solche, daß man nicht weiß, was man eigentlich davon zu halten hat. Es heißt: „Die Vorschriften des Artikel 52 „leiden auf dendenjenigen Theil keine Anwendung. Ich weiß nicht, wie die Artikel der Bundesverfassung überhaupt Anwendung „leiden können. Ich habe dann ein zweites Bedenken, dieses, daß man von Artikeln der Bundesverfassung überhaupt in Gesetzen sagen könne, sie „fänden keine Anwendung. Die Artikel der Bundesverfassung, meine Herren, sind die Artikel des Grundgesetzes, als dessen Ausströmung alle anderen Gesetze zu betrachten sind. Zieht man uns einmal den Boden der Verfassung unter den Füßen weg, dann, meine Herren, wissen wir nie mehr, auf welchem Boden und Grundgesetz wir stehen. Es ist also dieser Paragraph eigentlich eine Verfassungsänderung; man würde, wenn man ihn annehmen wollte, zu § 52 der Verfassung hinzusetzen müssen: „dieser Artikel findet auf das und das Gesetz keine Anwendung; aber, meine Herren, im Gesetze zu sagen, die Verfassung finde auf dasselbe keine Anwendung, würde ein Präjudiz sein, dessen Folge sein könnte, daß wir eines schönen Tages erlebten, daß man sagt: die Verfassung findet auf die Redefreiheit in gewissen Fällen keine Anwendung. Ich habe gesprochen und bitte den Paragraphen abzulehnen. Präsident: Ich habe versäumt, daß von Lucksche Amendement zur Unterstützung zu stellen und bitte deshalb um Entschuldigung. ...

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... Abgeordneter Freiherr von Hoverbeck: Meine Herren, ich halte den Einwand des Abgeordneten Mende nicht für unbedingt unbegründet. Ich glaube, es wäre eine gefährliche Bahn, auf die wir uns begäben, wenn wir statuiren würden, daß in einzelnen Gesetzen erklärt würde: „in dem und dem Punkte darf die Bundesverfassung außer Anwendung bleiben. Im Uebrigen aber wird sich die Sache ziemlich leicht dadurch erledigen, da wir einen außerordentlich bequemen Modus für Verfassungsänderungen vor uns haben. Ich glaube, der Unterschied besteht darin, daß in diesem Falle das Gesetz nur rechtliche Giltigkeit haben würde, wenn zwei Drittel des Bundesraths sich dafür erklären, und ich zweifle an diesen zwei Dritteln keinen Augenblick. Präsident:1 Der Abgeordnete Camphausen (Neuß) hat das Wort. Abgeordneter Camphausen (Neuß): Meine Herren, ich glaube, daß bei den Entgegnungen doch wohl nicht vollständig ins Auge gefaßt wird, daß man in dem Staatsvertrage, der der Begründung der Verfassung vorausgegangen ist, hinsichtlich der Vertheilung der Postüberschüsse Spezialbestimmuugen getroffen hat. Als man diese Spezialbestimmungen traf, bestanden die Portofreiheiten in den einzelnen Ländern in bekanntem Umfange, und es war also mit Gegenstand und Inhalt der damals getroffenen Vereinbarung einmal, daß die Portosreiheiten bestehen blieben, und zweitens, daß die Portointraden in der durch die Verfassung vorgesehenen Weise vertheilt würden. ...

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... Prosch: Ich halte freilich die Bedenken, welche von dem Abgeordneten Mende gegen den § 13 vorgebracht sind, nicht für fehr gewichtvoll, indessen glaube ich, daß demselben durch die von mir vorgeschlagene Fassung vollständig zu begegnen sein wird und möchte daher diese zur Annahme empfehlen. Präsident: Ich schließe die Diskussion über den § 13. Ich werde zuerst den Antrag des Abgeordneten Dr. Prosch, — dann den des Abgeordneten von Luck und schließlich den ganzen Paragraphen, wie er sich nach diesen Vorabstimmungen zusammensetzen wird, zur Abstimmung bringen. Der Abgeordnete Dr. Proich schlägt vor, din Eingang des Paragraphen dahin zu fassen: Die Vorschriften des Artikel 52 der Bundesverfassung sind nicht auszudehnen aus denjenigen Theil der Post-überschüsse u. s. w. Diejenigen Herren, die für den Fall der Annahme des § 13 demselben den eben verlesenen Eingang geben wollen, bitte ich aufzustehen. (Geschieht.) Das ist die Majorität. — Ich habe danm zu fragen, ob dem Paragraphen — für den Fall seiner Annahme — beigefügt werden soll, was der Abgeordnete von Luck vorgeschlagen hat: Die näheren Bestimmungen über die Berechnung und Verwendung dieses bis Ende Dezember 1875 äuszunehmenden Theils bleiben der Verständigung im Bundesrath unter Zustimmung des Reichstages vorbehalten. Diejenigen Herren, die für den Fall der Annahme des § 13 auch diesen Zusatz beschließen wollen, bitte ich auszustehen. (Geschieht.) Das ist ebenfalls die Majorität. Der Paragraph lautet im Ganzen: Die Vorschriften des Artikel 52 der Bundesverfassung sind nicht auszudehnen auf denjenigen Theil der Postüberschüsse, welcher durch die in gegenwärtigem Gesetze angeordneten Portofreiheiten gewonnen wird. ...
... Präsident: Der Abgeordnete Mende hat das Wort. Abgeordneter Mende: Meine Herren! Ich wäre, bevor das Amendement zu dem § 1 des Gesetzes über die Portofreiheit angenommen war, entschieden für diesen Antrag gewesen, unter den gegenwärtigen Umständen aber, nachdem die Gemahlinnen und die Wittwen der verstorbenen und regierenden Fürsten in diesen ersten Paragraphen aufgenommen worden sind, bin ich nicht mehr dafür. Ich habe gesprochen, um meine Abstimmung zu motiviren. Präsident: Ich werde die Resolution zur Abstimmung bringen: sie geht dahin: Der Reichstag wolle nach Annahme des Gesetzes beschließen: den Bundeskanzler aufzufordern, dem Reichstag in seiner nächsten Session den Entwurf eines Gesetzes vorzulegen, welches die Befreiungen von Telegraphengebühren nach den Grundsätzen des Gesetzes, betreffend die Portofrciheiten, regelt. Ich bitte diejenigen Herren aufzustehen, die so beschließen wollen. (Geschieht.) Das ist die Majorität. Die Resolution ist angenommen. — Jetzt müßte — nach § 18 der Geschäftsordnung — die Schlußabstimmung ausgesetzt werden, bis das Bureau die heutigen Beschlüsse wiederum zusammengestellt hat; es wäre denn, daß das Haus einstimmig die Abstimmung heute schon vornehmen will. Wenn kein Widerspruch dagegen erhoben wird, veranlasse ich diese Abstimmung und bitte diejenigen Herren sich zu erheben, die der Zusammenstellung unter Nr. 179 einschließlich des Ämendemendements von Luck zu § 1, des Amendements Lasker zu § 6, und des Amendements Dr. Prosch zu § 13, so wie der eben beschlossenen Resolution ihre Zustimmung geben wollen. (Geschieht.) Die Zustimmung ist erfolgt und somit das Gesetz auch im Ganzen in dritter Berathung angenommen. ...

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... Präsident: Der Abgeordnete Mende hat das Wort. Abgeordneter Mende:1 Meine Herren! Es ist sonst meine Ärt und Weise nicht, oft zu sprechen, indessen bei so wichtigen Fragen, wie die vorliegenden es sind, wird selbst ein .sonst nicht beredter Mund beredt, und ich nehme mir die Freiheit, heute so viel zu sprechen, als ich auf dem Herzen habe. Meine Herren, der § 2 dieses Gesetzes will das Heer von dem Rechte, zu wählen, ausschließen. Sie haben, meine Herren, aus dem Mnnde eines greisen Veteranen der Demokratie soeben gehört, mit wie wenig Recht dies geschehen würde. Ich will jetzt nicht mehr über das Recht, ich will über die Klugheit sprechen, darüber, meine Herren, ob es klug sein würde, das Heer von den Wahlen auszuschließen, Das ist eine Frage, die sich einfach danach bemessen läßt, ob es gut sein wird, und, meine Herren, der Herr Abgeordnete Waldeck hat Ihnen eben gesagt, wie wenig es gut sein würde. Ich, meine Herren, erlaube mir, Sie zurückzuweisen auf jenes Gesetz, welches im ewigen Weltsystem immer als ein regierendes anerkannt worden ist, auf jenes Gesetz, welches sagt, daß, was nicht gut, auch nicht klug ist. Nun, meine Herren, wenn das Volk — und das Heer ist die Blüthe des Volkes — wenn das Volk in seinem Rechte, in einem seiner ersten und heiligsten Rechte sich gekränkt sieht, dann, meine Herren, dann greift es zum Himmel empor und holt sich seine ewigen Rechte. (Heiterkeit.) ...

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... Mende. Freiherr von Moltke. Pauli. Graf v. Plessen. Dr. Pohlmann. Graf v. Pückler. Reichensperger. Frhr. v. Romberg. Russell, v. Saltzwcdell. v. Savigny. v. Schaper. Dr. Schleiden, v. Schröder. Graf v. d. Schulenburg-Beetzendorf. Graf v. d. Schulenburg-Filehne. Dr. Schweitzer, v. Seydewitz (Rothenburg). Gras zu Solms-Baruth. v. Sperber. Stavenhagen. v. Steinmetz. Graf zu ...


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