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Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1878
Bd.: 49. 1878
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 yb,A-49

ID: 00018396
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... Andernfalls würde die Pest bei der ersten Invasion eine viel größere Verbreitung gewonnen haben, da dieselbe in zahlreichen Fällen schon eine längere Zeit bestanden hatte und schon einzelne kranke Thiere geschlachtet oder gefallen waren, bevor die Anzeige bei der Polizeibehörde gemacht und der Ausbruch konstatirt wurde. In diesen Fällen würden namentlich die Thierärzte oder die Empiriker, welche die kranken Thiere behandelt hatten, den Ansteckungsstoff häufig verschleppt haben, wenn dieser eine große Lebenszähigkeit besäße. Der im Oktober 1877 erfolgte Ausbruch der Rinderpest in Geisenheim, Regierungsbezirk Wiesbaden, war durch die Einfuhr von Schlachtvieh, welches aus Oesterreich stammte oder doch mit österreichischem Vieh in Berührung gekommen war, verursacht. Die Rinderpest hatte in Oesterreich bereits eine große Verbreitung gewonnen, als von der Königlich bayerischen Regierung die Einfuhr von Vieh über die österreichische Grenze am 13. Oktober, gänzlich verboten wurde. Vorher, und zwar seit dem 9. Oktober, war nur erst die Einfuhr von Wiederkäuern aus Nieder-Oesterreich, Mähren und Böhmen, außerdem schon seit längerer Zeit aus Galizim untersagt gewesen. Es hatte in der Zeit vom 17. September bis zum 15. Oktober die Pest bereits in Galizien in 10 Bezirken an 17 verschiedenen Orten, unter welchen drei Kontumazanstalten waren, in der Bukowina in 2 Bezirken an 5 Orten und in einer Kontumazanstalt, in Nieder-Oesterreich in 2 Bezirken an 3 verschiedenen Orten, in Mähren ebenfalls in 2 Bezirken an 3 Orten und in Böhmen an einem Orte geherrscht. Der Viehtransport, welcher am 15. September 1877 in Bischofsheim eingetroffen war und dem die am 17. bezw. am 18. ...
... Danach ist der Viehtransport ein höchst verdächtiger gewesen, und erscheint die Annahme, daß die mehrfach erwähnten Ochsen die Pest in Geisenheim eingeschleppt haben, hinreichend begründet. Nach den Ermittelungen in Betreff der Einschleppung der Seuche in Geisenheim war zu befürchten, daß auch noch nach anderen Orten infizirte Thiere gekommen waren und daß namentlich eine Verseuchung der Schlachtviehmärkte, auf welche österreichisches Vieh gebracht war, stattgefunden hatte. Es wurde deshalb sofort der Abtrieb von Vieh von dm Märkten in Mainz, Wiesbaden, Frankfurt a. M., Mannheim und Köln untersagt, auch der weitere Abtrieb von Vieh von Bischofsheim, woselbst ein großes Depot vorhanden ist, nur unter gewissen Bedingungen, nämlich nur zu Eisenbahn und nach großen Städten, gestattet und eine gründliche Reinigung und Desinfektion sämmtlicher Marktplätze, sowie der dazu gehörigen Stallungen angeordnet. Erst nach vollendeter Desinfektion durfte Vieh, welches auf die Märkte kam, die betreffende Stadt lebend wieder verlassen. Diese Maßregel dürste nach dm früheren Erfahrungen nicht zum Wenigsten dazu beigetragen haben, daß die Seuche nicht weiter um sich gegriffen hat. Übertragung der Rinderpest auf Schafe und auf Ziegen. Eine Uebertragung der Rinderpest auf Schafe hat nur in Emden stattgefunden. In Prenzlau fanden sich drei kranke Kühe und das Kadaver einer gefallenen Kuh in einem Schafstalle vor; trotzdem hat sich bis zur Tödtung der Schafe bei diesen eine Erkrankung nicht gezeigt. ...

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... Danach kann die Annahme, daß nur das Steppenvieh die Pest in Deutschland einschleppe, nicht mehr als richtig anerkannt werden, wie dieselbe ja überhaupt auf der falschen Voraussetzung beruhte, daß bei dem Steppenvieh die Rinderpest in Folge der Strapazen und Entbehrungen des weiten Marsches sich ursprünglich entwickele. Ebenso kann bei Berücksichtigung des Umstandes, daß auf der Eisenbahn Vieh aus entfernten ausländischen Bezirken binnen wenigen Tagm an die diesseitige Landesgrenze transportirt zu werden vermag, die Annahme nicht mehr gellen, daß die Einfuhr von anderem als Steppenvieh nur dann gefährlich sei, wenn die Pest in dm ausländischen Grenzbezirken herrscht. Aus diesen Grüden war auch die Einfuhr von Vieh aus Rußland schon seit längerer Zeit gänzlich verboten. Die im Zanuar 1877 erfolgte Einschleppung der Rinderpest aus Rußland hat jedoch ersichtlich gemacht, daß die Grenzsperre eine effektive nicht war. Die angestellten Ermittelungen haben denn auch ergeben, daß schon früher sehr häufig Vieh aus Rußland eingeschmuggelt war. Es ist festgestellt, daß sowohl der Hofbesitzer Kaliwoda, als auch der Fleischer und Viehhändler Blendowski in Roßberg bei Beuthen die Märkte, welche in der nahe der diesseitigen Grenze liegenden russischen Ortschaft Bendzin jeden Mittwoch und in dm Ortschaften Czeladz und Siewirez alle 14 Tage stattfinden, sehr oft besucht haben, und daß von jenm Märkten fast jedesmal zahlreiche Thiere nach Preußen eingeschmuggelt worden find. Bei der Einschwärzung des Viehes haben die Bauern der russischen Grenzdörfer mitgewirkt, indem sie das Vieh in Pflege nahmen, bis der Transport über die Grenze stattfinden konnte. ...

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... Zn Galizien herrschte die Pest schon Mitte September 1877 in mehreren Bezirken, und erst am 13. Ocktober wurde die Einfuhr von Vieh aus Oesterreich über die bayerische Grenze ganz verboten. Seit dem 9. desselben Monats war zwar die Einfuhr von Vieh aus den notorisch verseuchten österreichischen Ländern nicht mehr gestattet worden; eine solche theilweise Grenzsperre, sowie die Ausschließung des Viehes einzelner Landestheile von der Einfuhr hat jedoch nicht den erwünschten Erfolg, verdächtiges Vieh abzuhalten, weil dieses erforderlichen Falls jenseits der Grenze weite Umwege macht, um die noch nicht geschlossenen Einbruchstationen zu erreichen, und weil die Herkunft des über die Grenze eingehenden Viehes nicht mit Sicherheit festzustellen ist, da die Ursprungscheine, mit welchen das aus Oesterreich einzuführende Vieh versehen sein soll, höchst unzuverlässig sind. Zn der Regel ist das an der Grenze ankommende Vieh nicht mit wirklichen Ursprungscheinen, sondern nur mit einem auf eine große Zahl von Thieren lautenden Scheine versehen, der da ausgestellt ist, wo das Vieh behufs des Transports über die Grenze verladen wurde. Aus dem Scheine läßt sich dann nicht ersehen, ob das etwa in Prag oder in Pilsen oder in Linz oder in Wien verladene Vieh aus Böhmen oder aus Galizien oder aus der Bukowina oder aus einem anderen Landestheile stammt. Als verdächtig sind dann an der bayerischen Grenze immer nur diejenigen Thiere über die Grenze zurückgewiesen, die den Typus der russischen Steppenrace hatten. ...
... Die Pest hat seit dem Erlaß des Gesetzes vom 7. April 1869 bis zum 1. April 1877 laut der Nachweisungen über die in den einzelnen Rechnungsjahren verausgabten Summen dem Reich an Baar-1869 . . ..201 000 1870 . . .1 . 2 530 482 - 18711 .1 . . . 321 600 - 1872 . . 15 426 - 18731 .1 . .1 .1 114 402 - 18741 .1 . .1 .1 392 808 - 18751 .1 . . .1 19 651 - 1876/7.1 . . .1 106 596 - zusammen . . 3 701 965 Danach betrug in den acht Zähren der jährliche durchschnittliche Baaraufwand 462 745 ^ Dieser Durchschnitt würde sich auf ungefähr 550 000 ^ erhöhen, wenn die Entschädigungen für die in dem ersten Quartal des Zahres 1877 89 ...

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... Im Ganzen waren während der erstm Rinderpest-Invasion im Jahre 1877 in 29 verschiedenen Gehöften bereits 57 Stück Vieh theils an der Rinderpest gefallen, theils in Folge der Erkrankung an der Pest geschlachtet, bevor die Konstatirung des Seuchenausbruchs in den betreffenden Gehöften erfolgte. Während die Rinderpest schon im Lande herrschte, ist dieselbe auch von Seitm der Thierärzte noch öfter verkannt. Andererseits find wiederholt Krankheitsfälle, die nur eine gewisse Aehnlichkeit mit der Pest hatten, als Rinderpestfälle oder doch als verdächtige Fälle behandelt. Zu dm zweifelhaften Fällen ist namentlich auch der Fall in Barmen zu rechnen. Es ist in der That oft sehr schwer, ja in manchen Fällen sogar unmöglich die Diagnose der Rinderpest bei der ersten Untersuchung eines kurz zuvor daran erkrankten Thieres sicher zu stellen. Nicht nur, daß die wichtigsten Symptome, nämlich die krankhaften Veränderungen der sichtbaren Schleimhäute, noch fehlen oder doch leicht übersehen werden können, wenn das betreffende Thier bereits fiebert und deshalb eine thierärztliche Untersuchung herbeigeführt wird, sondern auch die bereits ausgebildete Rinderpest kann mit gewissen anderen Krankheiten, bei denen ähnliche Verände- . rungen der Schleimhäute und Diarrhoe vorkommen, verwechselt werden. Diese rinderpestähnlichen Krankheiten — bösartiges Katarrhalfieber und die sogenannte Magm-.Ruhrseuche des Rindes — sind noch nicht genügend bekannt. ...

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... bis die Pest, wenn auch noch nicht erloschen, so doch sicher lokalisirt ist. Die Nothwendigkeit dieser Maßregel ergießt sich aus den Mittheilungen über die Verbreitung der Seuche bei der Invasion in den Monaten Januar bis März 1877. Die Seuche kann erfahrungsmäßig auf einem Schlachtviehmarkte lange herrschen, bevor der offenbare Ausbruch erfolgt, indem das infizirte Vieh immer zur Schlachtbank kommt, ehe es deutlich erkrankt, nachdem es aber bereits wieder andere Thiere direkt angesteckt oder die Marktplätze und die Ställe mit Ansteckungsstoff verunreinigt hat. Es können dann, wie die Erfahrung lehrt, wiederholt infizirte, aber anscheinend noch gesunde Thiere den Marktplatz verlassen und die Seuche weit verschleppen. Wenn diese auf einem Marktplatze entdeckt wird, hat meistens auch schon eine Verschleppung nach anderen Marktplätzen stattgefunden. Auf den notorisch oder auch nur muthmaßlich verseuchten Schlachtviehmärkten, sowie überhaupt in verseuchten Ortschaften oder Bezirken sollte das eingeführte Schlachtvieh immer binnen drei Tagen abgeschlachtet werden, um jeder Anhäufung von Vieh oder dem Ausbruch der Krankheit bei den infizirten Thieren vorzubeugen. Daß das in einen Seuchenort eingeführte Vieh als infizirt betrachtet wird, ist die logische Konsequenz der Bestimmung im Z. 21 der Instruktion, daß alle Hausthiere, mit Ausnahme der Pferde, Maulthiere und Esel, im Stalle behalten werden Müssen, um einer Infektion der erkrankungsfähigen Thiere auf den Straßen u. s. w. vorzubeugen. ...

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... 381 -1 191 -1 81 -1 im Jahre 1870 von1 dem General - Konsulate zu Pest für Beförderung von drei hülfsbedürftigen Arbeiterfamilien nach Schlesien verauslagte, nicht wieder einzuziehen gewesene Kosten. 26 8071 -1 141 -1 81 -1 Unterhaltungskosten1 des Botschafts-Hotels in Pa-1 für das Jahr 1870. Sa. 26 985 Thlr. 17 Sgr. 4 Pf. Die letztere Position steht im Zusammenhange mit der vorhin 8nl W. Nr. 8 erwähnten Ausgabe von 24 174 Thlr. 25 Sgr. für dasselbe Hotel und wird durch die Umstände gerechtfertigt, welche in Anlage II. dieses Berichts zur Begründung der Etatsüberschreitungen bei Tit. 12 angeführt sind. Daß die betreffenden Kosten, welche schon vor dem letzten Kriege gegen Frankreich entstanden, erst gegenwärtig in der Rechnung für 1873 zur definitiven Verrechnung gekommen sind, hat das Auswärtige Amt damit erklärt, daß die Beschaffung der zahlreichen Rechnungen der während des Krieges zum Theil von Paris weggegangenen Bauhandwerker, söwie deren Revision durch den Architekten der Botschaft, welcher, wie alle übrigen Deutschen, aus Anlaß des Krieges Paris habe verlassen müssen und erst 1872 dorthin zurückgekehrt sei, längere Zeit in Anspruch genommen habe. Die Kommission schlägt mit Bezug auf die Revisionsbemerkung Nr. 87 Litt. a. S. 100 die Genehmigung der Ausgaben im Antrage unten unter I. vor. e) Restverwaltung für 1871/72. Der Rechnungshof bemerkt in feiner Bescheinigung 156 der Vorlage unter 3 daß die bei den einmaligen Aus- ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1878
Bd.: 50. 1878
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 yb,A-50

ID: 00018397
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... Der überwiegende Theil dieser Güter geht per Bahn bis Wien, Pest oder Bastas und von da auf dem Donauwege nach Rumänien ein kleinerer, jedoch mit der Entwickelung der Eisenbahnverbindungen zwischen beiden Ländern steigender Theil wird auf der Eisenbahn befördert. Die Einfuhr deutscher Fabrikate auf dem Seeweg ist unerheblich. Deutsche Schiffe sind an dem Verkehr Rumäniens mit dem Auslande fast nicht betheiligt. Dagegen soll die österreichische privilegirte Donau-Dampfschiffahrtsgesellschast z. B. im Jahre 1876 ungefähr 4 000 000 kg Kaufmannsgüter deutscher Herkunft nach Rumänien befördert haben. Zn Anerkennung der Bedeutung unserer Handelsbeziehungen zu Rumänien hat die KaiserlicheRegierung im Einverständniß mit sämmtlichen hohen Bundesregierungen der Fürstlich Rumänischen Regierung gegenüber ihre Bereitwilligkeit erklärt, auf der Grundlage der österreichischrumänischen Uebereinkunft in Verhandlungen einzutreten. Die Verhandlungen sind hierauf im April 1876 in Berlin eröffnet und nach mehrfachen, namentlich auch durch den Wechsel in der Person des Fürstlich rumänischen Bevollmächtigten veranlaßten Unterbrechungen am 14. November 1877 zum Abschluß gekommen. Der an diesem Tage von den beiderseitigen Bevollmächtigten, unterzeichneten Uebereinkunft liegt im wesentlichen die eingangs erwähnte Handelskonvention zwischen Oesterreich-Ungarn und Rumänien zu Grunde. Im einzelnen und insbesondere hinsichtlich der Abweichungen der Uebereinkunft von der letzterwähnten Konvention ist Folgendes zu bemerken: Das Interesse Deutschlands erheischte vor allem, dahin zu wirken, daß nicht anderen Staaten handelspolitische Vortheile im Verkehr mit Rumänien zugewandt würden, an welchen wir keinen Antheil Hütten, ferner die thunlichste Ermäßigung derjenigen rumänischen Zollsätze herbeizuführen, welche für die deutsche Industrie von besonderer Bedeutung sind. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1879
Bd.: 52. 1879
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 yb,A-52

ID: 00018399
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... Zinn, betreffend die Maßnahmen zur Verhütung einer Einschleppung der Pest nach Deutschland (Nr. 34 der Anlagen) . ......... Fortsetzung und Schluß der ersten Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Feststellung des Reichshaushaltsetats für das Etatsjahr 1879/80, — des Gesetzentwurfs, betreffend die Aufnahme einer Anleihe für Zwecke der Verwaltungen der Post und Telegraphen, der Marine, des Reichsheeres und zur Durchführung der Münzreform, — des Gesetzentwurfs, betreffend die Erwerbung und bauliche Instandsetzung eines Grundstücks für das Gesundheitsamt, ^ (Nr. 9, 11, 10 der Anlagen) . Vierzehnte Sitzung am 4. März. Erste Berathung der Uebersichten der Ausgaben und Einnahmen des Reichs für das Etatsjahr 1877/78 (Nr. 33 der Anlagen) . . . ... . - - - - Erste Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Strafgewalt des Reichstags über seine Mitglieder (Nr. 15 der Anlagen) (Die Berathung wird abgebrochen und vertagt.) Fünfzehnte Sitzung am 5. März. Fortsetzung und Schluß der ersten Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Strafgewalt des Reichstags über seine Mitglieder (Nr. 15 der Anlagen).1 .1 .1 .1 .1 .1 . Mündliche Berichte der 3. und 5. Abtheilung, betreffend bei den Wahlen vorgekommene Unregelmäßigkeiten im 4. Danziger, 5. Frankfurter und 10. Potsdamer Wahlkreis ... . Sechszehnte Sitzung am 7. März. Geschäftliches . . . . ... . . . .1 .1 .1 ;1 .1 .1 . Zweite Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Strafgewalt des Reichtags über seine Mitglieder (Nr. 15 der Anlagen) .1 » . . . . . . V .1 .1 ,1 .1 . Seite 137 137 137 155 Seite Anträge der Abgeordneten vr. von Schwarze und Freiherr Schenk von Stauffenberg, betreffend die Disziplinarvorschriften der Geschäftsordnung (Nr. ...

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... Die beunruhigenden Nachrichten über den Ausbruch der Pest im Osten Europas haben uns in die bedauerliche Nothwendigkeit gesetzt, Vorsichtsmaßregeln zu treffen, welche dem Verkehr lästig fallen. Die jüngsten Nachrichten geben der Hoffnung Raum, daß die baldige Unterdrückung der Krankheit wenigstens in Rußland den energischen Vorkehrungen der kaiserlich russischen Behörden gelingen werde. Sobald sich dies bestätigt, wird der Grenzverkehr sofort wieder auf den, den politischen Beziehungen beider befreundeten Länder entsprechenden nachbarlichen Fuß gesetzt werden. Die Ungewißheit, in welcher die Schlußbestimmung von Artikel V des Prager Friedens von 1866 die Zukunft der Einwohner der nördlichen Distrikte von Schleswig erhielt, hat Mich, nachdem die Lösung dieser Frage in wiederholten Unterhandlungen mit Dänemark nicht gelungen war, veranlaßt, mit Seiner Majestät dem Kaiser von Oesterreich und König von Ungarn in Verhandlung über eine Abänderung jenes Artikels zu treten. Den gegenseitigen freundschaftlichen Beziehungen beider Reiche entsprechend, ist eine Vereinbarung beider Höfe in dem gewünschten Sinne zu Stande gekommen und am 11. Januar d. I. ratifizirt worden, deren Wortlaut zu Ihrer Kenntniß mitgetheilt werden wird. Die Hoffnung auf eine baldige Beendigung des Krieges im Orient, die Ich beim Beginn der letzten ordentlichen Session aussprach, hat sich erfüllt und es ist den im vorigen Sommer versammelten Vertretern der Großmächte gelungen, sich über Anordnungen zu verständigen, von deren Durchführung der Schutz der Christen, die Sicherung der Ruhe im türkischen Reiche und die Wahrung des Friedens der Mächte Europas zu erwarten ist. Die durch den Berliner Vertrag bekräftigten ! ...

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... Die Verhandlungen über den Konventionaltarif gingen zu Ende im Oktober 1877, im November oder Dezember 1877 erst wurde der österreichischungarische autonome Tarifentwurf in Wien und Pest den Landesvertretungen vorgelegt. Ueber die gesammte Lage der Tarifverhandlungen haben wir in der vorjährigen Denkschrift dem Reichstag die ausführlichsten Mittheilungen gemacht; es sind darin die einzelnen Artikel aufgezählt, bei denen eine Erhöhung oder auch eine Ermäßigung der im Vertrag von 1868 festgestellten österreichischen Zollsätze nach den im Laufe der Verhandlungen gemachten dortseiligen Zugeständnissen in Aussicht stand. Auf dieser Grundlage — so ist in jener Denkschrift ausgeführt — ließ sich mit gutem Gewissen ein Tarifvertrag nicht abschließen, weil wir dadurch unsere Autonomie einer Tarifvereinbarung geopfert hätten, durch welche die deutsche Industrie geschädigt worden wäre. Es ist von keiner Seite des hohen Hauses damals gegen diese Auffassung irgend ein Widerspruch erhoben worden,1 und1 die1 Regierung1 konnte deshalb von der Ansicht ausgehen, daß sie in dieser Beziehung auf den Beifall und1 die1 Zustimmung des1 Hauses zu1 rechnen habe. Bei den späteren, im vorigen Herbst wieder aufgenommenen Verhandlungen ist allerdings der Versuch nicht erneuert worden, der nach dem vorangegangenen vollständig aussichtslos war, nochmals über einen Tarif zu verhandeln. ...

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... Zinn, betreffend die Maßregeln zur Verhütung einer Einschleppung der Pest nach Deutschland (Nr. 34 der Drucksachen); sodann 2. Fortsetzung der ersten Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Feststellung des Reichhaushaltsetats für das Etatsjahr 1879/80 (Nr. 9 der Drucksachen), des Gesetzentwurfs, betreffend die Aufnahme einer Anleihe für Zwecke der Verwaltungen der Post und Telegraphen, der Marine, des Reichsheeres und zur Durchführung der Münzreform (Nr. 11 der Drucksachen), des Gesetzentwurfs, betreffend die Erwerbung und bauliche Instandsetzung eines Grundstücks für das Gesundheitsamt (Nr. 10 der Drucksachen). Dann, meine Herren, würde ich die Abtheilungen morgen nach der Plenarsitzung zur Wahl der Kommission von 21 Mitgliedern berufen, welche gestern für die Vorberathung des Antrags Stumm beschlossen worden ist. Widerspruch gegen die Tagesordnung und gegen die Zeit der vorgeschlagenen Sitzung wird nicht erhoben; es findet also die nächste Plenarsitzung mit der angegebenen Tagesordnung morgen Vormittag 11 Uhr statt. Ich schließe die Sitzung. (Schluß der Sitzung 4 Uhr.) Druck und Verlag der Buchdruckerei der Nordd. Allgenn Zeitung- Pindter. Berlin, Wilhelmstraße 32, ...

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... Wenn ich recht unterrichtet bin, so ist es in Petersburg wesentlich Herr Professor Zdeckauer und Professor Botkin, zwei Namen allerersten Ranges in der russischen medizinischen Welt, die überhaupt die astrachanische Krankheit als Pest konstatirten und die nothwendigen Maßregeln dagegen veranlaßt haben. Wenn nun einer dieser Herren, Herr Botkin, in seinem Hospital einen Fall aufnimmt, der verdächtige Krankheitserscheinungen hat, so kann man doch nicht voraussetzen, daß ein solcher Mann ohne Grund ein, allerdings allarmirendes, Urtheil ausspricht. Wie gesagt, er ist dementirt worden, und es liegt bei uns das höchste Interesse, gerade über diesen Fall womöglich Aufklärung zu bekommen. Denn das ist keinem Zweifel mehr unterworfen, daß wir dem Schreckgespenst der Pest, das wir längst im Schooß der Zeiten begraben wähnten, wieder gegenüber gestellt sind, und dies zu einer Zeit, wo wir leider in unserem eigenen Lande mit dem Flecktyphus zu kämpfen haben, eine Krankheit, die nach der Meinung vieler wenigstens auf ähnlichem Territorium unter ähnlichen Verhältnissen vorkommt, die auch die Pest im Gefolge haben. Was nun die letztere anlangt, so ist allerdings ihre Brutstätte wesentlich da zu suchen, wo Fäulniß thierischer Substanzen stattfindet, wo schlechte Ernährung der Bevölkerung, Anhäufung von Menschen in engen Räumen zu finden, genug in den Hütten des Elends und des Mangels. Ein anderer Beschreiber der Pest hat sie die Schmutzkrankeit pur sxesllsnes genannt. ...
... Das wird in vielen Fällen bezweifelt, aber ein so ruhiger Beobachter, wie hier unser verehrter Kollege an meiner Rechten, der sich nicht gescheut hat, der Pest Auge gegen Auge entgegen zu treten, theilt uns mit, daß gerade in Konstantinopel — ich meine den Herrn, den Sie alle kennen, und seine Briefe kennen Sis 33 ...

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... gewiß auch; wenn ich ihn nennen muß, es ist der verehrte Graf Moltke — er spricht in seinen Briefen ausdrücklich aus, daß in den mehrsten Fällen die Pest entsteht aus gekauften Gegenständen, alten Kleidern, baumwollenen Waaren, welche die Händler umhertragen. Endlich, meine Herren, ist es von sehr hohem Interesse, den Einfluß der Jahreszeiten auf den Gang der Epidemie zu beobachten. Sie entwickelt sich gewöhnlich im Anfange des Winters, in den Monaten Dezember bis Februar, erreicht gegen den Frühling ihre Höhe, um mit der heißen Jahreszeit wieder zu erlöschen. Eine der allerschlimmsten Wirkungen, die eine Pestepidemie hat, namentlich in politischer Beziehung, ist die Panik, die so leicht die Bevölkerung ergreift, wo sie ausbricht, und nur zu leicht zur Auslösung aller sozialen Ordnung führt. Nichtsdestoweniger haben wir vorläufig durchaus keinen Grund einer übertriebenen Besorgniß vor der Invasion der Pest. Es ist auch darüber bei allen Beobachtern Einstimmigkeit, daß man durch gehörige geregelte Gesundheitspflege, namentlich durch minutiöse Reinlichkeit sich gegen die Pest ebenso verwahren kann, wie gegen jede andere infektiöse Volkskrankheit. Ich will aber damit keineswegs irgendwie Sorglosigkeit veranlassen; es würde im Gegentheil ein sehr verhängnißvoller Fehler sein. Nachdem heute Eisenbahnen und Dampfschiffe den internationalen Verkehr so sehr ineinander verwebt haben, nachdem namentlich mit dem Orient ein lebhafter Verkehr in Stoffen stattfindet, die unzweifelhaft Träger des Kontagiums sein können, da ist auch für uns entschieden die Gefahr vorhanden, daß dieser unheimliche Gast auch unsere Grenzen überschreitet. Damit komme ich zur zweiten Frage, die ich stelle, zu dem guiä taoiawus nos? ...
... Es ist die hiesige deutsche medizinische Wochenschrift gewesen, die zuerst die Nachricht brachte, daß in Rescht, der wichtigsten persischen Handelsstadt am kaspischen Meere, die Pest ausgebrochen sei und die höchste Besorgniß vorliege, sie werde von da aus in die kaukasischen Länder übertragen werden durch das bekannte Epidemieeinfallthor Baku. Von da ist der Weg zu Land oder über das kaspische Meer nach Astrachan und die Wolganiederungen, wohin die Pest gelangt ist, nicht mehr weit. Höchst wahrscheinlich sind diese dort vorgekommenen Fälle nur Glieder in einer großen Kette, die sich bis zum Jahre 1874 nach Bagdad zurückerstreckt. Die Krankheit ist von da langsam den Euphrathinauf nach Persien gewandert und hat von dort den bereits angedeuteten Weg genommen. Was aber dort am kaspischen Meere seit 1877 sich abgespielt hat, von dem haben wir in offizieller Weise absolut nichts erfahren bis zu dem Augenblick, wo vor einigen Monaten die Nachrichten der Erkrankungen in Astrachan kamen. Seitdem werden wir durch Zeitungen rascher und vielleicht mehr als gut ist, auf dem Laufenden erhalten. Aber der Weg der Dinge ist in der Regel der: offiziell werden wir beruhigt, offiziös beunruhigt und privatim allarmirt. Da ist es denn doch in der That an der Zeit, eine bestimmte Aufklärung über den Stand der Dinge zu erlangen. ...

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... Ich dächte, meine Herren, Scharlach, Diphtheritis, Typhus, Flecktyphus, das sind Feinde, die wir ebenso zu fürchten haben, wie die Pest, und es wäre nachgerade hoch an der Zeit, denen auf die Spur zu kommen, sie im großen und ganzen in ihrem Gange zu beobachten und endlich Mittel zu finden, wie man sie von volkswegen abwehren kann. Da, meine Herren, sind mehr als irgend wo der schmerzlichsten Opfer in den Familien genug gebracht. Ich bitte nun den Herrn Präsidenten des Reichskanzleramts, uns auf unsere Frage das zu antworten, was er nach dem heutigen Stand der Dinge zu antworten vermag. Präsident: Zur Beantwortung der Interpellation ertheile ich das Wort dem Herrn Präsidenten des Reichskanzleramts Staatsminister Hofmann. Präsident des Reichskanzleramts Staatsminster Hofmau«: Meine Herren, die gestellte Anfrage ist zwar nur darauf gerichtet, ob die Reichsregierung Mittheilungen über die gegenwärtige Verbreitung der Pest und über die dagegen ergriffenen oder zu ergreifenden Maßregeln machen werde. Ich glaube indessen im Sinne der Herren Fragesteller zu verfahren, wenn ich in der Beantwortung der Interpellation zugleich die Mittheilungen mache, nach denen hier gefragt wird. Was zunächst die Verbreitung der Pest betrifft, so ist ja dem hohen Hause bekannt, daß in dem russischen Gouvernement Astrachan im Dezember des vorigen Jahres eine verheerende Krankheit auftrat, die von .den Aerzten als Pest erklärt wurde. ...
... Von dem Dorfe Wetljanka aus, wo die Krankheit am heftigsten auftrat, verbreitete sie sich in einer Reihe von anderen Ortschaften, die längs der Wolgaufer gelegen sind, und es war nur sehr energischen Maßregeln der russischen Regierung zu danken, daß die Pest in jenem Gebiete nicht weiter um sich griff. Die kaiserlich russische Regierung hat im Dezember einen Militärkordon errichtet, der das infizirte Gebiet gegen außen so vollständig als möglich absperrte. Sie errichtete einen zweiten Kordon zu dem Zwecke, um diejenige Eisenbahnstation, die dem infizirten Gebiet zunächst liegt, und bei welcher deshalb die Gefahr einer Uebertragung der Ansteckung auf das europäische Eisenbahnnetz drohte, — ich meine die Stadt Zarizin — gegen das Eindringen der Pest zu schützen. In Folge dieser Maßregeln der russischen Regierung, die neuerdings noch wesentlich verstärkt worden sind, ist es gelungen, die Pest auf das ursprüngliche Gebiet zu beschränken und auch innerhalb dieses Gebiets nahezu zu ersticken. Bis jetzt, meine Herren, ist kein Fall mit Sicherheit konstatirt, in welchem die Pest sich außerhalb des Kordons gezeigt hätte. Der Fall, den der Herr Vorredner erwähnt hat, und der wohl geeignet war, neuerdings große Besorgniß zu erregen, ist nach den Mittheilungen, die der kaiseruchen Regierung amtlich zugekommen sind, nicht mit Sicherheit als ein Pestfall zu betrachten. Von hier ^2 Aar sofort, nachdem der Telegraph die Nachricht gebracht hatte, daß Or. Bottkin einen Pestkranken in Petersburg behandle, an die kaiserliche Botschaft in Petersburg telegraphirt worden, um möglichst genaue Mittheilungen über diesen Fall zu erhalten. ...

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... Februar, den ich vom Professor Hirsch aus Zarizin erhalten habe, gedachte derselbe sich in den nächsten Tagen in das Pestgebiet zu begeben, dasselbe zu durchreisen, die am meisten von der Pest heimgesuchten Orte zu besichtigen und nach einer etwa 20 tägigen Reise, einschließlich einer 10 tägigen Quarantäne, der auch die Kommission sich zu unterwerfen habe, in Astrachan einzutreffen. Vermuthlich wird also heute unsere Kommission sich in dem Pestgebiete bereits befinden und vielleicht das Schauspiel haben, das Dorf Wetljanka in Flammen aufgehen zu sehen, da es die Absicht der kaiserlich russischen Regierung ist, diesen Heerd der Pest durch Feuer zu vernichten. Meine Herren, wenn die neueren Nachrichten über den augenblicklichen Pestfall in Petersburg sich, wie ich hoffe, dahin bestätigen, daß kein wirklicher Pestfall vorliegt, dann können wir nach den bisherigen Mittheilungen annehmen, daß die dringendste Gefahr beseitigt, daß es gelungen ist, die Pest auf das ursprüngliche Gebiet zu beschränken und auch dort zu ersticken; denn es sind neue Erkrankungsfälle an der Pest in dem Pestgebiet seit einer Reihe von Tagen nicht gemeldet worden. Aber ich gebe dem Herrn Vorredner darin vollkommen Recht, daß wir uns deshalb keineswegs der Sorglosigkeit überlassen dürfen; wir müssen fortwährend auf die Gefahr der Einschleppung der Pest von außen her ein wachsames Auge haben, wir dürfen darin nicht nachlassen, und es liegt in der jetzigen Erfahrung zugleich eine dringende Aufforderung, Maßregeln zu ergreifen, die für die Zukunft einer ähnlichen Gefahr vorbeugen können. ...
... Jedenfalls hat die Möglichkeit der raschen Verbreitung von Krankheiten durch die außerordentliche Vermehrung und Verbesserung der Kommunikationsmittel so zugenommen, daß wir kein unbedingtes Recht haben, uns vor der Gefahr der Einschleppung und Verbreitung der Pest sicherer zu fühlen, als unsere Vorfahren im Mittelalter es gewesen sind. Es wird deshalb darauf ankommen, — die deutschen Regierungen haben darin zum Theil schon die Initiative ergriffen, — auch auf dem Gebiete der inneren Gesundheitspolizei alles mit verdoppeltem Eifer zu thun, was einer Ausbreitung ansteckender Krankheit entgegenzuwirken geeignet ist. Die Reichsregierung wird — damit schließe ich — an gewissenhafter Pflichterfüllung auch in dieser Hinsicht es nicht fehlen lassen. Präsident: Der Herr Abgeordnete Dr. Mendel hat das Wort zur Geschäftsordnung. Abgeordneter Dr. Mendel:1 Zch beantrage die Besprechung der Interpellation. (Unruh e. Rufe: Oh! oh!) Präsident: Meine Herren, es ist der Antrag erhoben, eine Besprechung an die Beantwortung der Interpellation zu knüpfen; der Antrag bedarf der Unterstützung von 50 Mitgliedern. Zch ersuche diejenigen Herren, welche den Antrag unterstützen wollen, sich zu erheben. (Geschieht. — Pause.) Das Büreau hat einstimmig über 50 Unterstützende gezählt; die Besprechung ist daher eröffnet. Der Herr Abgeordnete vr. Mendel hat das Wort. Abgeordneter Dr. Mendel: Meine Herren, wir haben gewiß mit großer Befriedigung die beruhigenden Mittheilungen gehört, die der Herr Präsident des Reichskanzleramts uns gemacht hat; ich möchte aber doch glauben, daß wir in dieser ...

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... Zch glaube, diese Frage, die der Herr Professor Virchow neulich in der hiesigen medizinischen Gesellschaft ausgesprochen hat, ist von so eminenter und vielleicht größerer Bedeutung, als die augenblickliche Pest in Astrachan, so daß ich bitten würde, diese Frage speziell zu beantworten. Zm übrigen glaube ich allerdings, so vorbeugend auch die Maßnahmen gewesen sind, daß wir doch durch diese eventuell nicht geschützt werden können vor dem Eindringen dieser oder irgend einer anderen Epidemie, und ich möchte bei dieser Gelegenheit noch auf etwas anderes aufmerksam machen und auch nach dieser Richtung hin mir eine Erklärung von der Negierung erbitten. Das wichtigste beim Entstehen einer Epidemie ist unzweifelhaft die Kenntniß über den ersten Fall, der überhaupt vorkommt. Gelingt es, diesen ersten Fall zur Kognition der Behörden zu bringen, so ist damit die Möglichkeit gegeben, dem Weitergreifen der betreffenden Epidemie vorzubeugen. Eine solche Kognition ist aber meiner Ansicht nach nur möglich dann, wenn eine obligatorische ärztliche Leichenschau besteht, und ich muß grade bei dieser Gelegenheit auf diesen Gegenstand zurückkommen. Zch glaube, daß es absolut nothwendig ist, mit Rücksicht auf die Epidemien, die uns vom Osten her in der Regel, und speziell von Rußland her, eingeschleppt werden, daß in den Grenzdistrikten unseres Reichs, speziell also in den Grenzkreisen der Provinz Preußen, Posen und Schlesien eine obligatorische ärztliche Leichenschau eingeführt wird, damit man sofort Kenntniß davon bekommt, wenn irgendwie eine Epidemie dort im Entstehen ist. Meine Herren, in einer sehr ausgezeichneten Arbeit des Medizinalraths Dr. ...
... Das gilt also in Bezug auf die Pest durch die Drüsenanschwellungen, das gilt in Bezug auf den exanthematischen Typhus durch die Blutunterlaufungen, die sich noch bei der Leiche finden. Zst es möglich, den ersten Fall, der in einem solchen Grenzkreise vorkommt, zu konstatiren, so ist damit die Möglichkeit gegeben, die betreffenden Orte zu isoliren und die Weiterverbreitung zu verhindern. Zch glaube, daß dieses eins der wirksamsten Mittel wäre, um in Zukunft uns vor dein Weiterdringen solcher Epidemien zu schützen, und ich möchte mir deshalb die Frage erlauben, welche Stellung dis Regierung zu dieser Frage einnimmt. Präsident: Der Herr Präsident des Reichskanzleramts hat das Wort. Präsident des Reichskanzleramts Staatsminister Hofmann: Zch möchte, um aus der Nichtbeantwortung einer Frage, die der Herr Vorredner an mich gerichtet hat, nicht etwa Beunruhigung entstehen zu lassen, nur bemerken, daß, was die Sanitätspflege der russischen Armee anlangt, keine Ursache vorliegt, zu bezweifeln, daß von Seiten der russischen Militärverwaltung alles geschieht, was nothwendig ist. Die russische Regierung hat selbst das dringendste Interesse, zu verhindern, daß durch die Rückkehr ihrer Truppen ansteckende Krankheiten in Rußland verbreitet werden. Es kommt hinzu, daß wir doch auch zunächst abwarten müssen, was unsere Kommission berichten wird. Die Kommission hat bis jetzt überall das größte Entgegenkommen von Seiten der russischen Behörden in dankenswerthester Weise gefunden, und ich zweifle nicht, daß man ihr auch in Bezug auf die Maßregeln, die zur Verhinderung der Verschleppung der Pest durch die Armee getroffen worden sind, bereitwillig Auskunft geben wird. ...

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... Meine Herren, für einen todtgeschlagenen Zdeenträger stehen Hunderte wieder auf, — (Zuruf links) — ganz richtig, wie bei der Pest, — und ich bin deshalb zu meinem Bedauern auch der Meinung, daß die Schutzmaßregeln, welche man dagegen ergreifen will, äußerlich allein nicht genügen, daß man innerlich sich noch mehr dafür vorzubereiten hätte, — es würde mich aber das zu weit führen, ich antwortete hier nur auf den Zwischenruf. Zch bin darum durchaus der Ansicht, daß wir keine besonderen Maßregeln ergreifen sollen, auch nicht in Beziehung auf die Publikation, denn das würde jedenfalls eine Ungleichheit der Dinge hervorbringen, und diese Ungleichheit würde von neuem reizen. Solche Dinge soll man mit den nöthigen Kommentaren dem Volke recht klar vor- ...

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... Wir haben daher alle Ursache, uns auf das energischste gegen diese Pest zu wahren, und man kann gewiß der Reichsregierung nur zum Dank verpflichtet sein, wenn sie vorsorgende Maßregeln in Tit. 10 und 11 trifft, um die Mittel sich zu verschaffen, eine energische Bewachung der Grenzen eintreten zu lasten. Schon im Zahre 1873 hat eine der hervorragendsten Autoritäten im Veterinärwesen darauf aufmerksam gemacht, daß es vor allem die Aufgabe der österreichischungarischen Regierung sei, sich gegen den Osten von Europa abzusperren, wenn die österreichischungarische Monarchie nicht in die Lage kommen wolle, ebenso verseuchte Bezirke zu erhalten, wie es in Rußland selbst der Fall ist. Die neuesten Erscheinungen haben abermals gelehrt, daß die Pest immer weiter nach Westen vorrückt, daß immer weitere westlich gelegenere Bezirke in Rußland dauernd verseuchen, die vor einem Jahrzehnt noch seuchefrei waren. Dasselbe tritt in Oesterreich-Ungarn ein, und wir müssen heute schon die östlichen Provinzen Oesterreich-Ungarns ebenso gut zu den verseuchten Ländern rechnen wie die russischen Provinzen. Unter solchen Umständen bleibt uns nur übrig, wenn wir künftig je wieder darauf rechnen wollen, daß wir unsere Viehprodukte und namentlich unsere gemästeten Thiere nach dem Westen von Europa absetzen wollen, gegen die östlichen Nachbarn uns abzuschließen. Die englische Regierung hat heute schon unser Vieh von ihrem Markte ausgeschlossen, einfach aus Furcht vor der Rinderpest, die nach England sckon zweimal durch deutsches Vieh gekommen ist. ...
... Wodurch, meine Herren, wird die Pest trotz der Sperre immer wieder zu uns kommen? Einfach durch den Schmuggel. Und wodurch wird derselbe begünstigt? Durch die große Differenz der Preise, die auf der deutschen und russischen Seite für das Vieh bezahlt werden. Die lange Sperre hat zur Folge gehabt, daß auf der russischen Seite die Preise der Thiers sehr zurückgegangen sind. Es ist somit sehr lohnend, wenn die Thiere nach Deutschland herübergeschmuggelt werden, denn hier werden viel höhere Preise dafür bezahlt. Rechnen Sie dazu noch, daß der jetzige Stand der russischen Valuta ein solcher ist, daß er dem Schmuggel den größten Vorschub leistet, weil die Leute durch die Umwechslung deutschen Geldes gegen russische Noten einen Vortheil haben, so ist es kein Wunder, wenn der Schmuggel an der Grenze in großem Maßstab getrieben wird. Zch möchte daher die Regierung auffordern, die Grenzen mit aller Energie abzusperren und mit allen Mitteln dahin zu trachten, diese gefährliche Seuche von unseren Grenzen abzuwehren. Zch weiß, daß es in Zeiten der Defizits und der Geldknappheit, in denen wir uns befinden, nicht leicht ist, einen ganz neuen Posten in dem Etat, wie er hier in Titel 11 gefordert wird im Betrage von 355 000 Mark, zu bewilligen; aber ich bitte Sie, meine Herren, im Interesse der Sache und der Wichtigkeit des Schutzes, der hier ausgeübt wird, diesen Titel zu bewilligen. Endlich gestatte ich mir noch eine damit im Zusammenhang stehende Anfrage an das Reichskanzleramt zu richten. ...

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... Bei einem Amte wie das Gesundheitsamt kann es unter Umständen — ich erinnere nur an die Gefahr der Einschleppung der Pest, der wir hoffentlich entgangen sind — von großem Interesse sein, daß der Direktor des Gesundheitsamts seine Büreaus unmittelbar und zu jeder Verhandlungen des deutsche» Reichstags. Sitzung am 24. März 1879. Zeit zur Verfügung hat. Wenn nun das Bedürfniß einmal vorliegt, dem Gesundheitsamts andere Räume zu schaffen, wenn auf der anderen Seite hier ein zweckmäßiger Ankauf gemacht worden ist, so liegen, wie ich glaube, so dringende Gründe (wie solche auch den Bundesrath bestimmt haben), für die Genehmigung des Ankaufs vor, daß ich meine, auch das hohe Haus sollte sich dazu entschließen. Meine Herren, der Bundesrath ist gar nicht sehr geneigt, viel Geld auszugeben zum Ankauf von Reichsgebäuden. Auch im Bundesrath werden die Sachen sehr genau geprüft, und Sie können mit einer gewissen Sicherheit in dieser Beziehung dem Bundesrath nachfolgen. Zch möchte nur zum Schluß noch auf einen Punkt aufmerksam machen. Zch erinnere Sie an die Begründung, welche der Herr Abgeordnete Thilenius kürzlich seiner Interpellation über die Maßregeln gegen die Pestgefahr gegeben hat. Der Herr Abgeordnete hat damals die Reichsregierung aufgefordert, ihrerseits alles. mögliche dafür zu thun, daß auch in den inneren Verhältnissen von Deutschland die Gesundheitspolizei mit größter Energie gehandhabt werde, damit für Einschleppung gefährlicher Krankheiten kein empfänglicher Boden in Deutschland bleibe. Er hat dazu aufgefordert, man möge einen deutschen Gesundheitsrath errichten. ...

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... Za mit dieser Thatsache steht man aber nun weitervor derFrage, ob und in welchem Grade die schweflige Säure im Stande sei, auch unter den praktisch vorkommenden Situationen für die Sanitätspolizei sich zu bewähren, ob sie verwerthbar ist in einem Barackenverschlage, um Kleider und Effekten zu desinfiziren, inwieweit sie in die Waaren eindringe, ohne sie zu sehr zu beschädigen, ob Briefe damit desinftzirt werden können, ohne die Schrift zu zerstören; — alles das sind Fragen, auf die sich die Universitätsinstitute nicht einlassen können und nicht einlassen werden, und solche Aufgaben zu lösen bleibt nothwendig den amtlichen Instituten der Gesundheitsbehörde vorbehalten.1 Meine Herren, als bei der jüngsten Berathung der Abwehrmaßregeln gegen die Pest der kompetenteste Vertreter der hygienischen Wissenschaft, welchen Deutschland besitzt, Herr von Pettenkofer, hier einberufen war, um gerade über die Desinfektionsfrage sein maßgebendes Gutachten abzugeben, da war auch er nicht in der Lage, über alle im Augenblick sich auswerfenden einzelnen Fragen sich hinreichend gerüstet zu erklären, und er war genöthigt, Versuche im Laboratorium des kaiserlichen Gesundheitsamts theils anzustellen, theils zu veranlassen, auf deren Grund er erst sich in den Stand gesetzt sah, über die Desinfektion zum Beispiel der Briefe und des Papiergeldes ein endgiltiges Gutachten abzugeben. Meine Herren, ich glaube, diese Beispiele werden genügen, um Ihnen den Unterschied zu veranschaulichen, welcher besteht zwischen den Aufgaben akademischer Labatorien und den Aufgaben einer praktischhygienischen Versuchsstation, und um Ihnen auch das wirkliche Bedürfniß einer solchen Station für das Gesundheitsamt, wenn es seine praktischen Ziele verfolgen soll, unzweifelhaft zu machen. ...


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