Verhandlungen des Deutschen Reichstags

MDZ Startseite


MDZ Suchen

MDZ Protokolle (Volltext)
MDZ Register
MDZ Jahr/Datum
MDZ Abgeordnete


MDZ Blättern

Protokolle/Anlagen:
MDZ 1867 - 1895
MDZ 1895 - 1918
MDZ 1918 - 1942

MDZ Handbücher


MDZ Informieren

MDZ Projekt
MDZ Technisches
MDZ Impressum
MDZ Datenschutzerklärung
MDZ Barrierefreiheit

Reichstagsprotokolle (Volltextsuche)

Suchbegriff(e) Erscheinungsjahr: von/ab: bis/vor:

Bitte beachten Sie die Hinweise zu den Recherchemöglichkeiten.

Durchsuchbare Seiten: 390869 - Treffer auf 819 Seite(n)






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1902
Bd.: 183. 1900/03
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-183

ID: 00002794
41 /819
... Wir haben ersten über eine wichtige Frage der Volksgesundheit gesprochen, über die Frage der Tuberkulose. Ohne jeden Zweifel ist die Tuberkulose eine Krankheit, der wir ernstlich zu Leibe gehen sollen und (0) nach meiner Ueberzeugung auch können. Die Tuberkulose ist eine Krankheit der armen Leute genannt worden, mit vollem Recht; denn Tuberkulose hängt in ihrer Entstehung und Ausbildung im wesentlichen mit drei Ursachen zusammen: mangelhafter Wohnung, mangelhafter Ernährung und leider auch in vielen Fällen Alkoholmißbrauch. Der Wohnungsfrage können wir entgegentreten, wenn wir uns bemühen, gesunde und möglichst zahlreiche gute Wohnungen zu schaffen. Für eine gute Ernährung zu sorgen — und das möchte ich Herrn v. Kardorff sagen — haben wir ebenso die Verpflichtung, wenigstens die Verpflichtung, nicht die Ernährung zu verschlechtern. (Sehr richtig! links.) Und, meine Herren, das unterliegt ja gar keinem Zweifel, daß jede Vertheurung des Getreides und des Viehs zu einer Vertheurung dieser Nahrungsmittel führen muß. (Sehr richtig! links.) Das ist der Grund, warum mit vollem Recht der Herr Abgeordnete Müller (Sagan) ersten hervorgehoben hat, daß man bei der Bekämpfung der Tuberkulose auch diesen Punkt im Auge haben sollte, und es war kein Anlaß, darin einen bitteren Angriff gegen den Bauernstand zu erblicken. Es war einfach eine Vertheidigung derjenigen Leute, die vor allen Dingen genöthigt sind, ans eine billige Ernährung zu sehen. (Sehr richtig! links.) ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1902
Bd.: 194. 1900/03
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-194

ID: 00002804
42 /819
... Aber die Maßnahme wäre auch aus Wohlfahrtsgründen gerechtfertigt gewesen, denn der Preis für den Schnaps war soweit gedrückt, daß geradezu die Volksgesundheit gefährdet erschien. Der Beweis, daß man durch eine genügende Belastung den Schnapskonsum einschränken kann, wurde erbracht. Daß die Krisis im Brennereigewerbe nicht im vollen Umfange eintrat, verdanken wir dem doppelten Abgabensatze der neuen Steuer, welcher für einen Theil des Produktes (im Osten werden es etwa 35 Prozent gewesen sein) einen besseren Preis gewährleistete. Trotzdem waren die Einnahmen, welche die Brennereien im Durchschnitt der 5 Jahre vor dem Gesetz gehabt hatten, bessere wie der Durchschnitt der 5 Jahre nach Einführung des Gesetzes, auch wenn man das Kontingent voll in Rechnung bringt. Was aber für das Brennereigewerbe am verhängnißvollsten blieb, war — da der Getreidebau nicht rentabler wurde — der unglückliche Umstand, daß Betriebe vorhanden waren, welche erheblich mehr zu erzeugen vermochten, wie der Konsum aufnehmen konnte und daß die Betriebe meist aufgebaut waren auf die Verwerthung der in ihren eigenen Wirthschaften gewachsenen Kartoffeln. Sobald nun für diese Kartoffeln außerhalb der Brennerei keine genügende Verwerthung vorhanden war, wurden sie verbrannt und es trat (Überproduktion ein; von einer Rente konnte dann beim Brennen von Superkontingent keine Rede sein. Die starke Erzeugung im Winter warf in den Produktionsmonaten den Preis noch stärker, als die Durchschnittszahlen — mit denen häufig operirt wird — angeben. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1903
Bd.: 185. 1900/03
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-185

ID: 00002796
43 /819
... Meine Herren, wenn wir selbst in solchen Gegenden, wo doch die Löhne verhältnißmäßig hoch stehen, noch eine so ungenügende Ernährung haben, dann haben wir allerhand Ursache, darüber zu wachen, daß wir unsere Volkskraft und Volksgesundheit nicht weiter dadurch schädigen, daß wir diese Ernährung erschweren. Meine Herren, ich habe es bedauert, daß heute wieder es so dargestellt worden ist, als ob es durch das Material der Regierung unzweifelhaft nachgewiesen wäre, daß die Brotpreise sich gar nicht analog den Getreidepreisen bewegten. Mir sind ja, wie ich anführte, Fälle bekannt, wo die Bäcker thatsächlich die Last auf sich genommen haben in gewissen Zeiten. Aber es ist auch ...

44 /819
... Hier dürfen die Kosten, die für die Untersuchung erwachsen, um so weniger eine Rolle spielen, als sie gar nicht ins Gewicht fallen gegenüber der Schädigung der Volksgesundheit, die durch die Absperrung der Grenzen hervorgerufen wird. (Sehr richtig! links.) Nun, meine Herren, muß ich aber doch auch eine Frage hier wiederholen, die ich auch schon in der Tarif- M) kommission gestellt habe, ohne eine Antwort darauf zu erhalten. Wenn man gegen die Schlachtschweine so streng vorgeht, weshalb denn nicht ebenso streng gegen die Jagdschweine? Die Schweine für die Wildparks erfreuen sich ja heute noch einer Vergünstigung. Bei der Einfuhr Pflegen die Schweine meines Wissens auch heute noch nicht so scharf kontrolirt zu werden, wie das bei den Schlachtschweinen der Fall ist. In der „Internationalen Fleischerzeitung wurde berichtet, daß in den Kaiserlichen Saupark zu Springe von Frischlingen, also von jungen Wildschweinen, die aus Rußland importirt wurden, eine räudeartige Krankheit eingeschleppt worden sei. (Hört! hört! links.) Ich meine, dieser Seuchenfall verdient um so größere Beachtung und erfordert um so mehr eine Klarstellung, als auf der anderen Seite nicht eine einzige ähnliche Thatsache, eine Erkrankung im Jnlande nachgewiesen ist bei den Kontingentsschweinen, die nach Oberschlesien eingeführt wurden. Uebrigens, meine Herren, hat der Herr Minister hat ja auch selbst anerkannt, daß die Maßnahmen, die jenseits der russischen Grenze gegen die Verschleppung von Viehseuchen getroffen worden sind, sich als wirksam erwiesen haben. ...

45 /819
... Und an dieser Volksverheerung, an dieser Untergrabung der Volksgesundheit, an diesem körperlichen und sittlichen ...

46 /819
... Dazu liegt keine Veranlassung vor, und wir haben keine Ursache, Städte, die sich durchgerungen haben zu der Auffassung, daß es geradezu ein Verbrechen an der Volksgesundheit ist, Mahl- und Schlachtsteuer zu erheben, dafür zu bestrafen, daß sie diesen vernünftigen Standpunkt einnehmen, indem wir anderen Städten die Möglichkeit gewähren, Verbrauchsabgaben auf Lebensmittel zu erheben. Ja, meine Herren, wenn es nach der Auffassung des preußischen Herrn Ministers ginge, dann müßten die Städte, die bereits das Oktroi abgeschafft haben, schleunigst dazu zurückkehren. (Sehr richtig! links.) Ich weiß nicht, ob der Herr Minister diese Politik verfolgt, ich weiß nicht, ob er dahin strebt, daß wir in Berlin z. B. die Mahl- und Schlachtsteuer wieder ein- (v) führen; aber daß die Politik, die von der Regierung hier getrieben wird, schließlich dahin führt, daß die Städte, in denen das Oktroi abgeschafft ist, dazu übergehen werden, es wieder einzuführen, das ist ganz zweifellos, und diese Wirkungen der Regierungspolitik haben wir auf das nachdrücklichste dadurch zu verhindern, daß wir den § 10a aufrecht erhalten. Der Herr Minister hat gesagt, er könne selbstverständlich nicht behaupten, daß in Berlin noch Schlachtsteuern existiren; er hat aber davon gesprochen, daß die Gemeinde Berlin große Ueberschüsse aus den Schlachthofgebühren hat. Nun, meine Herren, ich habe gar nichts dagegen und würde mich freuen, wenn die preußische Regierung ihr Aufsichtsrecht über die Kommunen nach der Richtung hin wahrte, daß sie bestimmen würde, daß solche Einrichtungen nur nach dem Prinzip der Selbstkostendeckung betrieben werden dürfen. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1903
Bd.: 187. 1900/03
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-187

ID: 00002797
47 /819
... Wir haben vor drei Jahren ein Gesetz gemacht zum Schutz gegen die Pest und sollten davor zurückschrecken, einzugreifen in die ungeheuer weitverbreiteten Mängel der Volksgesundheit auf dem Gebiete des Wohnwesens? Ich will nur daran erinnern, daß in den großen Städten es sich um 70 bis 80 Prozent der Bevölkerung handelt, daß z. B. hier in Berlin unter 100 Haushaltungen 4 mit Hausbesitz verbunden sind, in München kommen auf 100 Haushaltungen 8 Hausbesitzer, die anderen sind alle in Miethe, und nur die Wohlhabenden sind, und auch die nicht immer ganz, von der Wohnungsnoth befreit. Es ist ein Gebiet, das mindestens die Hälfte der Bevölkerung des Deutschen Reichs in Bezug auf Gesundheit und Sittlichkeit tief . berührt, und da sollte das Reich nicht Anlaß haben, die Augen aufzumachen? Neben der formellen Verpflichtung des Reichs, wie ich besonders betont habe, kommt noch eine andere, eine moralische, auch auf politischem Gebiet liegende Verpflichtung. Wir haben in den größeren Staaten, in Preußen und Sachsen, das Dreiklassensystem, und dies schließt notorisch einen guten Theil gerade der minderbemittelten Klassen so ziemlich vom Wahlrecht, dem Einfluß auf ihr eigenstes Schicksal in diesen Fragen aus. Herr Roesicke hat vor ein paar Tagen hier dieses Wahlrecht beklagt, weil die Arbeiter dadurch vom politischen Recht ausgeschlossen seien. Sie sind aber auch vom Gemeindewahlrecht ausgeschlossen, und dort, meine Herren, wird ein Haupttheil des Kampfes um die Wohnungsfrage geschlagen werden müssen. ...

48 /819
... Man sollte doch annehmen, daß die Volksgesundheit, das kostbarste Gut des Volkes, von der Negierung wie von allen Parteien gehegt und gepflegt werden sollte. Aber weit gefehlt! Wie ist man nicht jedem ehrlichen Wollen, auf diesem Gebiet vorhandene Mißstände zu beseitigen, entgegengetreten! Hat man nicht alle Mittel der Lüge und Verleumdung angewandt, um gegen den unliebsamen Mahner vorzugehen und zu versuchen, ihn zu bestimmen, von seinem Vorhaben abzulassen? Eines der beliebtesten Mittel, das man gegen mich angewandt hat, war das, daß man nicht etwa versucht hat, die Wahrheit dessen zu finden, was an Schäden vorgetragen ist, sondern daß man sein ganzes Sinnen darauf gerichtet hat, ob nicht unter den vorgetragenen Fällen ein einziger ist, bei dessen Schilderung eine kleine Unrichtigkeit untergelaufen ist. Hat man dann, nachdem man seinen 1109 ...

49 /819
... Ich möchte auf keinen Fall eine offizielle Reichs-Gesundheitswissenschast statuiren; ich möchte vielmehr den zahlreichen Laboratorien an den Universitäten, den Privatlaboratorien, den Lebensmiüelchemtkern Gelegenheit geben, an der Volksernährung und damit an der Volksgesundheit mitzuarbeiten; denn sonst kommen wir dahin, daß schließlich über die Volksgesundheit vom Reichs-Gesundheitsamt allein entschieden wird, und zwar auf Grundlage von Untersuchungen, die von der Wissenschaft bestritten werden, und das wünsche ich nicht gerade wegen der Autorität dieses Amts, die wir dadurch untergraben könnten, was ich aufs tiefste bedauern würde. Ich bin der festen Ueberzeugung, daß auch die Reichsregierung dieses absolut nicht beabsichtigt. Wo wollte übrigens das Reichs-Gesundheitsamt denn die wissenschaftlichen Kräfte hernehmen, um solche abschließenden und weittragenden Untersuchungen vornehmen zu lassen? Es kann höchstens über vier oder fünf Kräfte verfügen; aber im ganzen Deutschen Reich haben wir Hunderte von Kräften und ganz andere Hilfsmittel für solche Untersuchungen. Hat doch das Reichs-Gesundheitsamt erst von der hiesigen Universität den zu den Versuchen benöthigten Respirationsapparat entleihen müssen, weil seine Beschaffung zu kostspielig war! Da behaupte ich: wenn das der Fall ...

50 /819
... Ich denke, wir haben jetzt derartige Erfahrungen gesammelt, daß wir höhere Ziele ins Auge fassen, gewissermaßen die Krankenversicherung als eine Organisation zur Hebung der Volksgesundheit durchführen können. Sobald man das aber will, ist es selbstverständlich, daß sie zunächst auf alle Arbeiter und die diesen wirthschaftlich gleichgestellten Personen ausgedehnt werde, und daß die Leistungen auch solche sein müssen, daß damit der Kranke geheilt wird und die Familie nicht ins Elend versinkt. Was hilft es heute, wenn man den tuberkulösen Familienvater in eine Heilstätte bringt und während dessen seine Familie derart Noth leiden läßt, daß sich bei den Kindern der Keim zu neuer Tuberkulose entwickelt, so daß man wieder Kandidaten für die zukünftige Behandlung hat? Wenn man im all-(L) gemeinen derartige Ziele ins Auge faßt, dann wird man auch bald herausfinden, daß die Verhütung von Krankheiten und die rationelle Hilfe und gründliche Heilung, wo Krankheiten einmal ausgebrochen sind, schließlich billiger ist als dieses fortwährende Flicken von Tag zu Tag, von Fall zu Fall. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Nun, wollte man aber die Krankenversicherung in der Weise organisiren, daß sie eine Organisation zur Hebung der Volksgesundheit werden sollte, dann wäre vielleicht auch die Möglichkeit gewesen, den Aerzten eine ihrem Stande entsprechende Stellung in dieser Organisation anzuweisen. Leider aber muß man konstatiren, daß, wo die Aerztevereinigungen sich mit der Krankenkassenfrage beschäftigt haben, sie in den meisten Fällen die idealen Ziele, die mit der Krankenversicherung leicht erreicht werden könnten, ganz außer Acht gelassen haben. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1903
Bd.: 188. 1900/03
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-188

ID: 00002798
51 /819
... Der Staat sieht gleichgültig zu, wenn die Volksgesundheit unterminirt wird. Daß das ein Vorwurf ist, den man in schärfster Weise gegen die Regierung aussprechen muß, wird niemand zu bestreiten wagen. Bei Einführung der Gewerbefreiheit hat man die Juristen gerade so frei gestellt wie die Mediziner. Man hat aber den Schaden, der durch die schrankenlose Freiheit entstand, erkannt, und für die Juristen find rasch andere Verhältnisse geschaffen worden, sodaß sie fest und sicher stehen. Bloß haben dann die fest und sicher stehenden Juristen die Aerzte vergessen, nur haben sie nicht vergessen, die Aerzte auch an Stellen noch zu bevormunden, wo diese nicht bevormundet zu werden brauchen. ...

52 /819
... Indessen in einer Beziehung gehen wir mit Ihnen zusammen, nämlich — um einen Ausdruck zu gebrauchen, den der Herr Abgeordnete Stadthagen gebraucht hat — um die Volksgesundheit hochzuhalten; da sind wir bei jeder Gelegenheit dabei und haben in Nürnberg alles gethan, was irgendwo in einer Stadt geschehen kann. Ich trete also ihren Bestrebungen nicht entgegen, wenn Sie sich auf legalen Wegen halten; ich trete Ihnen aber dann entgegen, wenn Sie sagen, Sie müßten alles selbst machen, es dürfte keine Kontrolle stattfinden. Das geht über den Begriff der Selbstverwaltung hinaus. Ich glaube also, es ist nicht ohne Grund — und darin weiche ich von dem Herrn Kollegen Lenzmann ab —, wenn eine gewisse Sicherung der Kontrolle jetzt in diesem Gesetz gewährt werden will. Ich bin aber vollständig der Ansicht des Herrn Kollegen Lenzmann, daß man nicht obligatorische Bestimmungen in Gesetze bringen soll, sondern nur fakultative bezüglich der Enthebung vom Posten. Damit könnten Sie doch einverstanden sein; denn Sie werden doch nicht bezweifeln wollen, daß, wie der Herr Staatssekretär vorhin auseinandersetzte, die Sichtung durch mehrere Instanzen hindurch dahin führen muß, daß eine objektive Behandlung der Sache dann eintritt. Ich bitte Sie, meine Herren, auf allen Seiten des Hauses, dem von dem Herrn Kollegen Lenzmann gestellten Anwage zuzustimmen. Vizepräsident Dr. Graf z« Stolberg-Wernigerode: Der Herr Abgeordnete Roestcke (Dessau) hat das Wort. V) Roesicke (Dessau), Abgeordneter: Ich will auf die Materie selber nicht näher eingehen in Anbetracht der vorgerückten Zeit. (Heiterkeit.) ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1903
Bd.: 186. 1900/03
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-186

ID: 00003567
53 /819
... Deswegen hätten Sie, meine Herren, wenn Sie das Interesse der Volksgesundheit vertreten wollten, alle Ursache, einen Zoll auf Backobst abzulehnen. Nun, meine Herren, nicht nur ist es verwerflich, daß ein Zoll eingesetzt ist, sondern noch viel verwerflicher und unrichtiger ist die Differenzirung, die man hier bei diesem Backobst macht. Nach der Vorlage soll ein Zoll von 4 Mark erhoben werden auf Backobst, das in Säcken im Gewicht von mindestens 80 Kilogramm eingeht, während bei anderen Packungen gleich der doppelte Zoll, 10 Mark, gezahlt werden soll. Da kommt die Regierung und erklärt uns in ihrer bekannten Weisheit, daß das Backobst, das in kleineren Kisten eingeht aus Bordeaux und Kalifornien, aus Bosnien u. s. w., ein Luxusobst sei, daß das ein Obst sei, das nicht zu dem Massenbedarf zu rechnen sei und infolge dessen einen höheren Zoll vertragen könne. (Sehr richtig! bei den Nationalliberalen.) — Meine Herren, ich hörte hier eben den Zwischenruf, das sei ganz richtig. Das ist unrichtig! Ich selbst habe, als diese Position in der Zolltarifkommission zur Verhandlung kam, versucht, mich zu informiren. Ich habe eine Reihe von Handlungen, Engroshändlern und Detailhändlern besucht — ein bischen Praxis ist immer viel mehr werth als die ganze Theorie, besonders wenn es sich um so einfache Fragen handelt —, und da haben mir die Leute das ganz klipp und klar auseinandergesetzt, und ich habe mich überzeugen können. Es ist unrichtig, daß nur Luxuswaare in Kisten nach Deutschland geliefert wird. ...

54 /819
... Wo soll die Volksgesundheit herkommen, wenn Sie den Ackerbau verwüsten, das Land brach werden lassen? Lesen Sie doch die Untersuchungen über die schulpflichtigen Berliner Kinder, die jetzt veröffentlicht worden sind. Diese Untersuchungen sprechen Bände! Sehen Sie sich um, wie unser industrieller Nachwuchs aussieht im Verhältniß zum ländlichen Nachwuchs! Das ärmste Land- W) kind hat viel mehr Fonds körperlicher Gesundheit als das reichste Stadtkind! Und wo bleibt die von uns so vielfach geforderte Statistik über die Herkunft und Heimat der Rekruten? Wir sind überzeugt: wir werden Ihnen aus dieser Statistik nachweisen können, daß die deutsche Wehrkraft nur dann fest und sicher bleibt, wenn die deutsche Landwirthschaft erhalten wird. Diese Statistik ist uns zugesagt worden. Hat sie wirklich so viel Schwierigkeiten gemacht? Ich gehöre nicht zu jenen, die immer mißtrauisch sind; manche Leute meinen, man habe sie nicht vorgelegt vor dem Zolltarif. So weit geht mein Mißtrauen nicht; ich möchte aber, daß man endlich einmal diesen Wunsch des Reichstags, der sicherlich nicht kostspielig und nicht schwierig zu erfüllen ist, erfülle. Ich möchte mit dem Hinweis auf eine Rede schließen, die jüngst der Handelsminister von Preußen, Herr Möller, in Köln gehalten hat. Herr Minister Möller redet gern, redet manchmal gut, redet aber manchmal auch mißverständlich. (Heiterkeit.) So soll er in Köln nach unverbürgten Zeitungsnachrichten gesagt haben, die verbündeten Negierungen bezw. die preußische Regierung könnten nicht nur die gesummten Interessen im Auge haben, sondern müßten auch mit den realen Machtfaktoren rechnen. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1904
Bd.: 197. 1903/05
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-197

ID: 00002807
55 /819
... Wir marschieren doch an der Spitze der sozialen Reform; aber Trinkwasser wird nicht geliefert, und zwar zum großen Schaden der ganzen Volksgesundheit. Ich möchte Sie nämlich noch aus Eines aufmerksam machen, was auch vielleicht dem Herrn Staatssekretär Grafen Posadowsky interessieren wird, weil es sich hier um eine Angelegenheit handelt, die zweifellos nach dem Gesetz gegen gemeingefährliche Krankheiten eine Reichssache ist. Nämlich in dem Protokoll über die Sitzung des Wurmausschusses vom 23. September 1902 befindet sich eine Stelle, die ich mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten wohl verlesen darf. Es handelt sich da um die Frage: soll Sumpfwasser zur Berieselung genommen und überhaupt in der Grube zu irgend welchem Zweck verwendet werden? Und da machte der Herr ...

56 /819
... Wie bei der Bekämpfung aller Seuchen, so können Sie fest überzeugt sein, daß auch bei Bekämpfung der Wurmkrankheit die Arzte alles tun werden, was für die Gesundheit der Arbeiter und für die Volksgesundheit notwendig ist. Es empfiehlt sich aber auch, daß Sie, meine Herren, dahin wirken — Sie haben vielfach dazu Gelegenheit —, daß die Arbeiter belehrt werden, daß die Maßnahmen, die jetzt haben getroffen werden müssen, zu ihrem Vorteil gereichen sollen, und daß sie sich diesen Maßregeln, auch wenn sie ab und zu lästig sind, willig unterwerfen. (Bravo! rechts.) ^ Vizepräsident Dr. Paasche: Das Wort hat der Herr Bevollmächtigte zum Bundesrat, Königlich preußische Staatsminister und Minister für Handel und Gewerbe Möller. Möller, Staatsminister und Minister für Handel und Gewerbe, Bevollmächtigter zum Bundesrat für das Königreich Preußen: Ich möchte nur eine Bemerkung des Herrn Vorredners kurz berichtigen. Er scheint mich gestern nicht recht verstanden zu haben. Ich habe nicht gesagt, daß der Satz von 6 Mark an sich zu hoch sei, sondern ich habe nur gesagt: ich habe dahin gewirkt, daß der Satz auf 2 Mark ermäßigt wird unter der Bedingung, daß die Zechen ihrerseits alle Apparate, die Räumlichkeiten und die Heilgehilfen stellen. Wenn der Herr Vorredner diese Umstände mit berücksichtigt, wird er anerkennen, daß die Ermäßigung durchaus gerechtfertigt ist. Vizepräsident vr. Paasche: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Westermann. Westermann, Abgeordneter: Meine Herren, die Wurmkrankheit ist eine sehr ernste Krankheit; darüber besteht in allen Kreisen des rheinischwestfälischen Jndustriebezirks keine Meinungsverschiedenheit. Aber die Wurmkrankheit ist eine Berufskrankheit. ...

57 /819
... Das schlimmste bei diesem Gesetz ist ja gewesen, daß der Entwurf der Reichsregierung, der dahin zielte, ein wirklich hygienisches Gesetz zu machen, dem deshalb auch von der sozialdemokratischen Partei größtenteils zugestimmt werden konnte, umgemodelt wurde von der agrarischen Mehrheit zu einem Gesetz, das nicht dazu dienen sollte, die Volksgesundheit zu schützen, sondern den Profit der Agrarier zu fördern. (Sehr richtig! links. Widerspruch rechts.) Von dem Gedanken ausgehend, daß es sich hier um ein hygienisches Gesetz handeln sollte, haben damals meine Fraktionsgenossen erklärt, daß, wenn die absolut notwendige Untersuchung für Hausschlachtungen eingeführt würde, wie es selbstverständlich sein sollte bei einem derartigen Gesetz, wir bereit seien, die entsprechenden Kosten zu bewilligen, daß also den armen Leuten, auf die von der Rechten hingewiesen wurde, besondere Kosten nicht erwachsen sollen. Weiter war es der Abgeordnete Wurm, der damals schon hier den Gedanken angeregt hatte — wie es auch Sozialdemokraten waren, die es in den Landtagen taten —, daß man dazu übergehen sollte, eine staatliche Viehversicherung einzuführen mit staatlichen Zuschüssen usw. Ich hebe das hervor, um nachzuweisen, daß die Herren sogar bei diesen Fragen bei den verschiedenen Resolutionen bis zu einem gewissen Grade sozialdemokratischen Spuren gefolgt sind.1 lv) Wenn sich dann ferner der Herr Staatssekretär v. Posadowsky erkundigen wollte namentlich in den Handelsstädten bei den Fleisch- und Darmimporteuren, speziell aber auch bei den Fleischermeistern, überhaupt bei allen Nichtvegetarianern, so würde er hören, daß ihnen allen die Erfahrungen vollkommen genügen. ...

58 /819
... Nein, für die große Mehrzahl derjenigen, die für das Gesetz eingetreten sind, kam die Volksgesundheit in allerletzter Linie in Betracht. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Für Sie (rechts) kam in allererster Linie in Betracht der Profit, der Zweck, die Fleischpreise zu steigern und die Fleischeinfuhr zu unterbinden. (Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Meine Herren, einer von Ihnen auf der Rechten hat dieser Tage den Witz gemacht im preußischen Abgeordnetenhause: „Das ist zuviel, ein Mann allein kann das nicht glauben. Auf die Motive, auf die Sie für die Durchdrückung des Fleischbeschaugesetzes hinweisen, paßt das Wort ganz gut. Ein Mann allein kann wirklich nicht glauben, daß Sie damals von hygienischen Gesichtspunkten ausgegangen sind. Das glaubt der stärkste Mann nicht. Aber es ist vielleicht zeitgemäß, gerade in diesen Tagen, wo an allen Ecken die Geschichte wieder losgeht: im Landtage, im Landesökonomiekollegium, nächste Woche im Zirkus Busch, noch einmal an die Auseinandersetzungen zu erinnern, die alle diesem Gesetz vorausgegangen sind, damit Ihnen von vornherein die Möglichkeit abgeschnitten wird, zu sagen: die Sozialdemokraten find wieder einmal diejenigen, die ein segensreiches Gesetz beseitigen wollen. Ich will mich da auf einen außerordentlich glaubwürdigen Zeugen berufen, der ihnen wiederholt in sehr zu Herzen gehender Weise bei Beratung dieses Gesetzes die Wahrheit gesagt hat, nämlich meinen verehrten Nachbarn hier zur Rechten, den Herrn Staatssekretär des Innern Grafen Posadowsky. ...

59 /819
... Meine Herren, das „nebenbei war tatsächlich die Hauptsache, der Schutz der Volksgesundheit war Nebensache. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Der Abgeordnete Vielhaben — er ist ja nicht wiedergekehrt — hat damals gesagt: Die Arbeit der Kommission, die Ihnen vorliegt, ist der erste Erfolg jenes großen nationalen Zuges, der gerade jetzt durch die deutsche Bevölkerung geht. (2) Ach, meine Herren, der „große nationale Zug! Die Worte „national und „Patriotismus stellen sich regelmäßig bei Ihnen in dem Augenblick ein, wo wir uns darauf gefaßt machen müssen, daß dem Volke wieder von neuem ein Stückchen Fell über die Ohren gezogen werden soll. Diesen „nationalen Zug kann man sehr gut in Parallele stellen mit Ihrem sogenannten Schutz der „nationalen Arbeit oder, um noch viel deutlicher zu sprechen, mit dem Schutz, um den es sich namentlich bei diesem Gesetz handelt, mit dem Schutz des „nationalen Schweins. Das deutsche Schwein ist stets gesund, Das fremde bringt uns auf den Grund — das ist der Leitgedanke in diesem Fleischbeschaugesetz. Das deutsche Schwein hat keine Trichinen, aber das ausländische ist ein unanständiges Viech (Heiterkeit links), da sitzen sie drin, die Trichinen. (Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Meine Herren, ich will daran erinnern, daß bei der Beratung jenes Gesetzes vor drei Jahren der Abgeordnete Graf Klinckowstroem gesagt hat — es wurde da geredet über die Ausschaltung der Untcrsuchungspslicht bei den Hausschlachtungen; die Bayern namentlich sträubten sich besonders dagegen —: die süddeutschen Bauern behaupten, daß ihre Schweine trichinenfrei sind. ...

60 /819
... In der Praxis haben wir nicht Assistenten zur Verfügung wie im Krankenhause; wir haben selten Krankenpfleger; in der Praxis haben wir auch nicht die Verpflegung wie im Krankenhause, kurz, wir müssen in der Praxis mit ganz anderen Verhältnissen rechnen, und deshalb ist es notwendig, daß dem Kandidaten, der im Interesse der Allgemeinheit, im Interesse der Volksgesundheit wirksam tätig sein soll, unter allen Umständen das Recht gewahrt werden muß, in gleicher Weise bei freier Wahl entweder das praktische Jahr am Krankenhause oder bei einem praktischen Arzte ableisten zu dürfen. So, wie das Gesetz jetzt bestimmt, daß nur in Ausnahmefälle, nur in den Fällen, wo es unmöglich ist, die Leute an einem Krankenhause unterzubringen, erlaubt sein soll, bei einem praktischen Arzte das praktische Jahr abzuleisten — diese Härte der Bestimmung möchte ich unter allen Umständen doch aus dem Gesetze entfernt sehen. Wenn auch gesagt worden ist, daß die einzelnen Bundesregierungen das Recht haben, das zu tun, so wäre es doch wünschenswert, wenn von derReichsregierung darauf hingewiesen würde, daß man möglichst allen Kandidaten — ich persönlich würde das wünschen — erlaubt, ihr praktisches Jahr bei einem praktischen Arzt abzulegen, und dabei ist selbstverständlich dem Vorschlage des Herrn Kollegen Mugdan zuzustimmen, die Ableistung des praktischen Jahres für alle diejenigen Studierenden der Medizin aufzuheben, die vor dem 28. Mai 1901 ihr medizinisches Studium (S) begonnen haben. (Bravo! bet den Nationalliberalen). Präsident: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Müller (Meiningen). Dr. Müller (Meiningen), Abgeordneter: Nur eine kurze Bemerkung zu den Ausführungen des Herrn Grafen v. ...


< [1] - ... 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 - 8 - 9 ... [41] >