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Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1895
Bd.: 141. 1894/95
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-141

ID: 00018726
181 /317
... Die strengen Maßregeln in Bezug auf Jsolirung des Viehes haben Viele — Weiße wie Eingeborene — bewogen, zu impfen. Eine sehr wünschenswerthe Verordnung des Inhalts, daß nur geimpfte Ochsen zum Frachtfahren verwandt werden dürften, erscheint zur Zeit nicht angängig, da es für die Leute theilweise unmöglich ist, frisch infizirte Lunge oder Lungenwasser zu erlangen, die Kapsche Lymphe aber vielfach verdorben im Schutzgebiete anlangt. Hiermit wird bis zur Errichtung eines für das Land ungemein wichtigen Lymphinstitutes gewartet werden müssen. Pferdesterbe. Die sogenannte Pferdesterbe ist auch in der letztjährigen Regenzeit stark, in einzelnen Distrikten sogar sehr heftig aufgetreten. Dem zur Untersuchung der Krankheit herausgekommenen Privatdozenten an der Berliner Universität, Marinestabsarzt a. D. l)r. Sander, ist es gelungen, werthvolle Entdeckungen zu machen. Kleinviehräude. Unter dem Kleinvieh macht sich an einzelnen Plätzen, namentlich in Windhoek und Rehoboth, die Schafräude bemerkbar. Da die Besitzer vielfach nicht in der Lage sind, sich die bekannten Mittel, wie Lysol oder Kreolin, selbst kommen zu lassen, so hat die Landeshauptmannschaft größere Posten davon in Kapstadt und Deutschland bestellt und beabsichtigt, das Mittel zum Selbstkostenpreis an die Kleinviehbesitzer abzugeben. Bergbau. Die South-West-Africa-Company hat während des Berichtsjahres ihre Vorarbeiten im Otavigebiete fortgesetzt und dieselben kürzlich zum Abschluß gebracht. In Folge dessen hat der technische Leiter, Mr. Rogers, mit dem größeren Theil seines Personals den Platz seiner angestrengten Thätigkeit verlassen. Während Rogers selbst mehrere kleinere Expeditionen zu Minenzwecken machte, hat der Generalvertreter Lieutenant Dr. ...

182 /317
... Während es früher schon schwierig war, die in Klein-Popo und dessen unmittelbarer Umgebung wohnenden Eingeborenen zu bewegen, sich zum Impfen zu stellen, eilen jetzt die Bewohner ganzer fern im Innern belegener Dörfer herbei, um sich impfen zu lassen. Die den Geimpften ausgestellten Bescheinigungen werden von Allen sorgfältig bewahrt und stets mit besonderem Stolz gezeigt. Jedenfalls läßt sich hoffen, daß sich im Laufe der Zeiten die klimatischen Krankheiten verringern, zum mindesten ihre Heftigkeit verlieren werden, da von der Regierung unablässig daran gearbeitet wird, die hygienischen Verhältntsse zu bessern. Abgesehen von der Anlage von breiten Verkehrswegen nach dem Hinterlande, der Verbreiterung und Verbesserung der Straßen in den Küstenplätzen, dem Erlaß einer Bauund einer Begräbnißordnung, der Anlage von öffentlichen Aborten und der Beaufsichtigung der Straßen und Plätze der Küstenplätze durch Polizisten in Bezug auf Reinlichkeit, muß besonders des vor Kurzem fertig gewordenen Neubaues des Regierungshospitals, das zur Erinnerung an den verstorbenen hochverdienten Afrikaforscher den Namen Nachtigalkrankenhaus erhält, Erwähnung gethan werden. Es enthält sieben Räume im Erdgeschoß, in dem sich Apotheke, Operationssaal, Bibliothek, Empfangs- und Sprechzimmer für den Arzt, Unterkunft für eine größere Anzahl besser situirter Schwarzer und sonstige Nebenräumlichkeiten befinden. Dieselbe Anzahl von Räumen weist das obere Stockwerk auf, das die Wohnung für den Arzt und zwei Schwestern, einen gemeinschaftlichen Speisesaal für diese und die in der Rekonvalescenz befindlichen Kranken und zwei große Krankenzimmer mit vorläufig vier Betten für Europäer enthält. Die Einrichtung der letzteren ist der Hülfe des deutschen Frauenvereins für Krankenpflege in den Kolonien zu danken. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1896
Bd.: 144. 1895/97
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-144

ID: 00002757
183 /317
... Der Todtenschetn lautete auf LebenSschwäche, während doch da» Jmpfgesetz verbietet, lrbensschwache Kinder zu impfen. Nachdem da» Kind nun aber einmal geimpft worden war, (6) hätte die richtige Todesursache „Jmpfschädigung angegeben werden müssen. Sehnlich hat man in anderen Fällen die Nächstliegende Ursache geleugnet und eine allgemeine Bezeichnung fhr die Sache gewählt. Ein anderer Fall. Ein Chirurg, der zugleich Leichenbeschauer ist, sagt, daß bei allen Kindern, die in Folge der Impfung gestorben waren, und bei denen er als Leichenschauer dies in den Listen vermerkt hatte, vom Bezirksärzte eine andere Todesursache angegeben ward; er selbst aber erhielt für seinen wahrheitsgemäße« Eintrag folgenden Rüffel: „Im Dienste dürfen Sie da» nicht sagen! Und nun treten dann die Vertheidiger der Schutzimpfung hin und behaupten, e» liege keine Jmpfschädigung vor, wenn e« einem Leichenbeschauer im Dienste verboten ist. die wahre Ursache anzugeben. Meine Herren, Jmpfschädigungen werden von der Berliner Polizeibehörde und anderwärts in reichem Umfange angegeben. Im Kreise Lyck find in einem einzigen Impftermin 78 schwere Erkrankungen, darunter 15 mit tödtltchem Ausgang vorgekommen; in Berlin sind in einem einzigen Impftermin 8 Todesfälle polizeilich angemeldet und amtlich zugestanden worden. ...

184 /317
... Wer nun nicht die Ueberzeugung von dem Segen der Schutzimpfung hat und trotzdem impft, begeht eigentlich eine solche Fahrlässigkeit; er verletzt den Körper eine« Anderen durch Fahrlässigkeit.1 Die Folge würde sein, daß ein solcher Arzt, (8) der — ich will einmal sagen — auf dem ketzerischen Standpunkt steht, gar nicht impfen dürfte. Das würden wir von ihm allerdings erwarten müssen. Der Professor Pott in Halle hat auf der Naturforscherund Aerzteversammlung im Jahre 1895 ganz bestimmt anerkannt: Eine Ausrottung ansteckender Krankheiten und Seuchen werden wir durch Schutzimpfungen nie erreichen. Bis jetzt hat die Vaccination weder die Pocken noch das Pockengift aus der Welt zu schaffen vermocht. Das sagt ein hervorragender Vertreter der Heilkunde, und wenn nun er und seine Jünger erklären: folglich müssen wir von diesem Mittel absehen und andere anwenden, — kommt gleichwohl der Staat oder das Gesetz und sagt: nein, andere Mittel werden nicht angewendet, ihr müßt euch unter diese Bestimmung fügen, dieses Mittel ist das einzig giltige, es hat ein Vorrecht, es allein darf im deutschen Staat verwendet werden. Es ist die Frage, ob wir dann einer bestimmten Richtung der Heilkunde in solch ausschließender Weise das Wort reden wollen, ob wir nur eine bestimmte Schule gelten lassen wollen oder nicht auch andern Richtungen ihr gute» Recht lassen wollen, wenn sie nachweisen, daß auch sie Mittel gefunden haben, mit denen sie der Krankheit Herr werden können. Das, scheint mir, verstößt gegen die schätzbare Lehrund Heilfretheit des ärztlichen Standes selbst, der man solch einen Zwang auferlegt. ...

185 /317
... in Hildeshelm vorgekommen, daß der Polizeidirektor Gerland einem Mann, der als eine Art Märtyrer der Schutzpockenimpfung angesehen werden kann, — einen gewissen Butterbrodt, — ins Haus gerückt ist, ihn gefangen genommen hat und — dir Mutter lag im Bett — die Kinder zwangsweise hat impfen lasten. Die Väter des JmpfgesetzeS vom Jahre 1874 ließen sich eine derartige Vergewaltigung, eine derartige Knebelung der Freiheit des Staatsbürgers nicht träumen; niemand hat damals etwas derartiges als möglich auch nur in Aussicht genommen, eine solche Eigenmächtigkeit der Behörden und der Gerichte. Da» verdient auch hier in der allerschärfsten Weise in den Vordergrund unserer Betrachtung geschoben zu werden, und e» wird auch wohl keiner von Ihnen eine derartig strenge, eigenmächtige Ausführung befürworten. Es fehlt dabei aber auch nicht an einem gewissen Humor, wie neulich in Apolda z. B. folgender Fall vorgekommen ist. Im Jahre 1892 find dort über 300 Jmpfverweigerungen vorgekommen; die Polizei schickt jedem Jmpfoerweigerer ein Strafmandat über 5 Mark zu. Einmüthig wurde gerichtliche Entscheidung verlangt, und da ergab es sich, daß der Staatsanwalt, der selbst Jmpfgegner geworden war, nur 1 Mark Strafe beantragte, und der aburtheilende Amtsrichter erwiderte, er könne auf nicht unter 2 Mark Strafe gesetzlich erkennen, er sei ja auch Jmpfgegner und bäte die verurtheilten Angeklagten, recht fleißig gegen den Impfzwang zu wirken, damit diese» Gesetz endlich abgeschafft würde. Und in Köln ist es einem Rechtsanwalt ähnlich gegangen. ...
... Gründe genug, daß von Zwang nicht die Rede sein darf, sondern die Wahl, zu impfen oder nicht zu impfen, den Bürgern selbst, auf ihre eigene Verantwortung, überlassen werden muß. Angenommen selbst den Fall, daß die Impfung ein vollkommene« Vorbeugungsmittel gegen die Pocken sei, und daß sie ganz gefahrlos vorgenommen werden könnte, so wäre doch ein Zwang von Staatswegen nicht erlaubt. Dem Staat steht da» freie Ver fügungsrecht über den menschlichen Körper nicht zu, selbst dann nicht, wenn er überzeugt ist, daß die Verfügung nutzbringend wär«. Vielleicht wäre dieser Zwang noch zu vertheidigen, wenn bewiesen wäre, daß ein Ungeimpfter derart gefährlich für seine Umgebung sein könnt«, daß zur Sicherung der allgemeinen Gesund- ...

186 /317
... Wenigsten» hat der Gesetzgeber nicht gewagt, die Machtbefugniß zu beanspruchen, Personen wider ihren Willen zu impfen oder sie durch Geldstrafen zur Impfung zu nöbtgen. Dagegen hat man Eltern und Pflegern die Pflicht auferlegt, die unter ihrer Obhut stehenden, die Schule besuchenden Kinder impfen zu lassen. Und diese Pflicht wird in dem Regierungserlaß aufgehoben und dadurch ersetzt, daß den Eltern nicht geimpfter Kinder beim Eintritt in die Schule da» Impfen empfohlen wird. Gleichzeitig wird aber ernsthaften Jmpfgegnern nicht länger der Zugang zur Schule versperrt, auf die sie kraft der niederländischen Gesetze Anspruch haben. Nach diesem Grundsatz hat die holländische Regierung die Zumuthung, den Impfzwang einzuführen, zurückgewiesen, und nach derselben Beweisführung, aus denselben Gründen verlangen wir die Aufhebung des Zwanges auch von der deutschen Regierung. Meine Herren, wir haben die religiöse Freiheit und die politische Freiheit; neben diese Freiheit tritt die über den eigenen Leib. Wir wollen nicht mehr, daß man von Staatswegen in diese Selbstoerfügung eingreife. Denken Sie sich auch in die Lage von Eltern hinein I Ein Kind ist ihnen an den Folgen der Zwangsimpfung siech geworden oder gestorben. Sie haben andere Kinder, die sie der Zwangsimpfung unterwerfen sollen; in welchen Gewissenszwang bringen wir diese (L) Eltern hinein, die mit allen Fiebern ihres Herzens und mit voller Ueberzeugung sich dagegen erklären, aber nun ihre Kinder dem Jmpfarzt bringen sollen! Wir find der Meinung, ein solcher Zwang laßt sich fürder nicht mehr aufrecht erhalten. ...
... Meine Herren, ich meine, wir hätten im Deutschen Reich schon mehr als hinreichende Gelegenheit, eingesperrt zu werden (Heiterkeit) ; eine Mutter aber, welche von der Ueberzeugung ausgeht wie die Tausende von Petenten, die vor Sie getreten find, daß da» Impfen ISS* ...

187 /317
... Zwischen zwei Jmpfgegner» in Dresden, einem Kommerzienrath und seinem Hausdiener, wurde folgendes Gespräch geführt: Höre, wir find doch die einzigen Männer, welche thatsächlich für ihre Ueberzeugung eintreten und das Impfen ihrer Kinder verhindern. Ja, antwortet der Hausdiener, das können wir auch, Sie wegen Ihres Geldes, ich, weil ich nichts habe — Sie bezahlen, ich sitze es ab, der Mittelstand kann sich das nicht leisten, der muß seine Kinder impfen laffen. So ist es auch wirklich; es giebt heute keinen Ausweg. Die Behörden ordnen so häufig die Bestrafung an, daß es einfach augeschloffen ist, daß jemand, der nicht über ein bedeutende» Vermögen verfügt, sich oder seine Kinder der Impfung entziehen kann. In der Rechtsprechung über die Ausführung des Jmpfgesetzes herrscht eine wahre Anarchie. Im Jahre 1890 (0) urtheilte ein Frankfurter Gericht: kein Impfzwang, keine Strafe; in München wurde wenige Monate später das Urtheil gefällt: jede» Jahr eine Strafe für versäumte öffentliche Impfung; in Breslau wurde da» Urtheil gefällt: eine Strafe für 814 Absatz 2 und eine für Absatz 1; in Hamburg wiederholte Bestrafung, jedoch mit Aufschub, so lange über eine Strafe prozesfirt wird; in Darmstadt Bestrafungen für beliebig viele Aufforderungen, die nicht befolgt find, selbst wenn über die erste Strafe noch prozesfirt wird; und 1891 in Frankfurt a. M. fortwährend Strafen auch ohne neue Aufforderung zum Impfen. So verschieden find die Urtheile, und es ist mehr als kennzeichnend, wie dieses Gesetz selbst von verständigen Richtern — das muß man doch annehmen — ausgelegt worden ist. ...
... Sie werden bestraft so lange, bi» sie ihre Kinder impfen laffen. Ob diese Handlungsweise aus einem und demselbm Willen hervorgeht, eine und dieselbe Handlungsweise ist, wofür fie schon bestraft find, das ist für diese Art Rechtsprechung ganz gleichgiltig. Man versucht eben das Gesetz mit aller Gewalt durchzuführen. Selbstverständlich ist es, daß bei einer solchen Handhabung de» Gesetzes ein Maffenwiderstand gegen da» Jmpfgesetz weniger zu Tage tritt und weniger zu bemerken ist. In dem Augenblick, wo e« den Eltern möglich ist, sich der Impfung durch eine kleine Geldstrafe zu entziehen, würde e» den Jmpsfreunden und impffreundlichen Aerzten klar werden, daß die übergroße Mehrzahl de» deutschen Volkes Jmpfgegner find. Es ist ganz leicht erklärlich, daß die meisten Menschen davor zurückschrecken, mit Polizei, Behörden und Gerichten ...

188 /317
... Eine solche, einen großen Theil des Volk» beherrschende Stimmung und Abneigung gegen das Impfen muß doch wohl einen tieferen Grund haben als den des bloßen Widerspruchs und des Widerstands gegen das Gesetz, und so ist es auch in der That. Der Grund ist thatsächlich darin zu suchen, daß der zweifellose wissenschaftliche Nachweis des Nutzens der Jmpftheorie bis heute noch nicht gelungen ist. Ich kann als Laie ja nur die Aerzte anführen, die darauf Hinweisen. Z. B. Dr. msä. Stein schreibt in der „Frankfurter Zeitung: Den Hauptinhalt zur vorjährigen Abweisung der Petition gegen den Impfzwang im Reichstag gab der damalige Kommissionsbericht, in welchem der betreffende ärztliche Referent Dr. Thilenius die unbegreifliche und durch nichts erhärtete Behauptung aufgestellt hat, daß die Jmpftheorie wissenschaftlich auf da» vollkommenste begründet sei, mithin der Impfzwang in seitheriger Form weiter zu bestehen habe. Nun ist aber in keinem Lehrbuch der Pathologie (Krankheitslehre) eine wissenschaftliche Begründung der Jmpflehre überhaupt zu finden. ^1 (Widerspruch.) Auf keiner Aerzteversammlung ist von einer wissenschaftlichen Begründung des Impfen» je die Rede gewesen, und keine medizinische Autorität hat je von einer auf logische Gesetze begründeten wissenschaftlichen Jmpftheorie gesprochen. Ferner sogt Dr. wsä. Roser im Reichsrath zu Wien: Ohne physiologische Beweise bleibt mir die Impfung eine Charlatanerie; ohne Physiologie giebt es keine Wissenschaft, und die Impfung ist, ich möchte sagen, ein wissenschaftliche» Verbrechen. ...

189 /317
... Ja, meine Herren, ist die Jmpftheorie richtig, ist e» richtig, daß da» Impfen so ungemein zur Verbesserung der Volksgesundheit beiträgt, dann ist e» ihre heiligste Pflicht, alle die Einwendungen, die dagegen gemacht werden, zu widerlegen, sich aber nicht hinter den Satz zu verkriechen: wir wollen un» den Angriffen nicht aussetzen. Wenn die Jmpsfreunde, welche über große Macht verfügen und sich in einflußreicher Stellung befinden, solche Ausflüchte machen, 10) dann steigen die Gegengründe der Jmpfgegner und deren Muth ungeheuer im Werthe. Mit solcher Leichtigkeit, wie die» von Setten der Jmpsfreunde geschieht, soll man sich über eine Frage, die alle Volkskreise fortlaufend in Aufregung erhält, nicht hinwegsetzen. Wenn nun die Statistik für die Armee in solcher Weise aufgestellt wird, wie Oberst Spohr behauptet, dann ist auch die Annahme berechtigt, daß die Pockenkrankheiten nicht vollzählig aufgeführt werden; jedenfalls kann man annehmen, daß da» in den Krankenhäusern in ähnlicher Weise gemacht wird. Der Nachweis, daß die Impfung und die Jmpftheorie richtig, ist, glaube ich, auch mit dieser Denkschrift nicht gelungen. Es wird für jeden Einzelnen immer auffällig bleiben, daß man für Schafe die Impfung als solche im Jahre 1880 aufgehoben hat, und zwar, wie schon erwähnt wurde, auf Betreiben de» Herrn Professor» Virchow. Wenn man nun behauptet, die Thiere seien doch etwa» andere» als die Menschen, so sagt derselbe Gelehrte: Es ist zu betonen, daß zwischen Thier und Mensch wissenschaftlich keine Scheidegrenze ist oder sein ollte. ...

190 /317
... Meine Herren, nach meiner Auffassung ist es viel nützlicher und richtiger, wir machen eü der Schweiz nach, wir überlasten es dem einzelnen, sich impfen zu lasten, so viel er Lust hat, wir heben die Zwangsimpfung auf und wenden (5)1 die Millionen, die wir heute für Jmpfzwecke ausgeben, für bester« hygienische Einrichtungen und andere nützliche Dinge auf. Wir sehen leider, daß gegen alle Krankheiten geimpft wird: erst Pocken, dann Lungenkrankheiten, dann Diphtheritis und jetzt sogar gegen Typhus; gegen alle Krankheiten wird Heilserum erfunden und geimpft. Ist die Jmpftheorie richtig, und kann man alle Uebel damit heilen, so wäre es äußerst verdienstvoll, wenn die Herren Aerzte sich einmal bemühten, Reinkulturen des Unzufriedenheils, und des sozialdemokratischen Giftbazillus zu erzeugen ; dann könnte man mit Leichtigkeit durch Impfung die ganze Sozialdemokratie tödten, und die Lymphe, nun, die würde man ja aus Neunkirchen beziehen können. Die Neunkirchener Lymphe würde ganz bestimmt so ausfallen, daß es in Zukunft keine Sozialdemokratie mehr giebt. (Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.) Nein, meine Herren, wenn wir in dieser Weise mit der Impfung weiter gehen, wenn die Aerzte für jede Krankheit neue Impfungen und Serums erfinden, dann wird wohl die Zeit kommen, wo wir nicht über Pockennarben zu klagen haben, sondern über Impfungnarben. Ich bin nun weit entfernt, anzunehmen, daß die Herren Aerzte aus purer Lust, und weil es Geld einbringt, impfen, sondern ich bin überzeugt, daß sie in voller Ueberzeugung und in der besten Absicht diese Impfungen vornehmen. ...

191 /317
... Das hat man verlassen, weil diese Impfung zuweilen dem Geimpften gefährlich wurde, und weil diese» Impfen mit wirklichem Pockengtft zu Epidemien unter der Bevölkerung, die den betreffenden Geimpften umaab, führte. Dasselbe ist mit der Schafpockenimpfung der Fall. Da verwendet man keine Vaccine, keine abgeschwächte Lymphe, sondern hat auch den Pockenstoff benutzt und hat auch dieselben Erfahrungen gemacht mit den Schafen wie früher mit den Menschen, als man mit Pockenstoff impfte: auch hier hat sich gezeigt, daß ein großer Theil geschützt war, daß nur ein ganz geringer Theil einging, aber daß die Schafe, die mit diesen Geimpften in Berührung kamen, erkrankten. Man hat keineswegs wegen de» mangelnden Impfschutzes bet den Schafen die Impfung verlassen, sondern vor allem aus dem Grunde, weil die große Zahl der Geimpften außerordentlich unter der Impfung litt — sie magerten ab (hört! hört!) und verloren an Werth. Es find also zwei sehr wesentlich verschiedene Dinge, um die e» sich bei Schafpocken und Vaccineimpfung bei Menschen handelt; da» läßt sich nicht vergleichen. Dann sagte Herr Reißhau» auch, der größte Theil der Menschen seien Jmpfgegner. Ja, das hat auch seinen ganz guten Grund. Daß die, welche uns Petitionen zuschicken, Jmpfgegner find, liegt vor allem daran: sie sehen keine Pocken mehr; das Elend, welches in früheren Zeiten dazu führte, mit Begeisterung die Impfung aufzunehmen, ist durch die Impfung nicht mehr vorhanden, kommt ihnen nicht mehr vor Augen. Wenn dann die Agitation kommt und sagt: Pocken giebt e« überhaupt nicht mehr, da« ist eine Vorspiegelung. ...

192 /317
... Denn, wenn man mit gewöhnlicher animalischer Lymphe Mäuse impfen wollte in der Menge, wie man sonst Lymphe anwendet bei Impfungen, dann würde eine Maus auch bei reiner Lymphe vielleicht daran sterben. Meine Herren, nun hat noch Herr Dr. Förster von der Pockenerkrankung der Armee im Feldzug 1870/71 gesprochen. Ich kann natürlich nicht die Beweise dafür beibringen, daß die Zahlen, die in dem Bericht des Reichsgesundheitsamts stehen, richtig find; daß sie aber annähernd richtig sind, geht aus den Berichten hervor, die wir über die Erkrankungen der französischen Armee in Deutschland haben, die als kriegsgefangen eingebracht wurde, und die unserer Bevölkerung die Pocken brachte. Es liegt ein Bericht au» Danzig vor; da ist die Zahl der Erkrankungen und Sterbefälle unter den französischen Kriegsgefangenen so erheblich gewesen, daß der Vergleich diese» Bruchthetls zu der ganzen Armee vollständig genügt, um e» wahrscheinlich zu machen, daß diese große Zahl von 23500 Pockentodten erreicht wurde. Darüber wird auch Herr vr. Förster keinen Augenblick im Zweifel sein, daß zu der Zeit, als unsere deutsche Armee in Frankreich war, die Pocken in Frankeich außerordentlich wütheten; er weiß doch, daß die Zivilbevölkerung in hohem Grade befallen war, und daß viele Tausende von französischen Einwohnern den Pocken erlegen find. Innerhalb dieser an den Pocken erkrankten französischen Bevölkerung ist unsere Armee verschont geblieben. Da» ist doch eine Thatsache, die so auffallend, so augenscheinlich ist, daß sie nach meiner Meinung einen ganz stringenten Beweis dafür bildet, daß die Impfung schützt. Dann hat der Herr Abgeordnete vr. ...

193 /317
... nicht in dem Augenblick impfen, wo sie die deutsche Grenze überschritten, sie mußten erst untergekommen sein, man mußte erst die Lymphe besorgen. Daß eine Anzahl doch erkrankt ist, zum Theil nach der Impfung, einige Tage nachher schon, spricht in keiner Weise gegen die Impfung. Dann muß ich noch gegen den Herrn Dr. Förster, der den Professor Vogt als besonders sichere Säule der Jmpfgegnerschast aufgeführt hat, mich wenden. Wenn der Herr I)r. Förster die Güte haben wollte, die Schriften, die gegen Professor Vogt erschienen sind, u. a. die Schriften von Lotz und Korösi zu lesen, so würde er sich überzeugen, daß Professor Vogt in Bezug auf die Jmpffrage einer der unzuverlässigsten Schriftsteller ist, die e» giebt. (Hört! hört!) Ich bitte die Herren, die sich für die Sache interessiren — die Bücher sind zu haben auf unserer Bibliothek —, die Schriften von Lotz oder von Korösi zu lesen, die die Sache wirklich in ausgezeichneter Weise behandeln, und Sie werden sich überzeugen, daß diese Schriftsteller mit der allergrößten Bestimmtheit Professor Vogt auf Schritt und Tritt nicht allein Irrthümer, sondern — ich kann das nicht anders bezeichnen — absichtlicher Täuschung überführt haben. Meine Herren, dann muß ich noch ein paar Worte sagen über die Stellung der Aerzte zu dieser Frage. Die beiden Herren Vorredner haben behauptet, es gebe eine ganz große, täglich wachsende Zahl von Aerzten, die zu den Jmpfgegnern gehören. Das hat mich überrascht, denn ich meinestheils kenne so gut wie gar keine. ...

194 /317
... Ich habe schon gesagt, in Beziehung auf die vielen, vielen D) schweren Folgen, die nach dem Impfen entstanden sein sollen, da hat da» Reichsgesundheitsamt schon in früherer Zeit sehr ausgedehnte Erkundigungen und Untersuchungen angestellt; und e» ist ganz zweifellos, über eine Reihe von Erscheinungen hat es un» eine hinreichend genügende Erklärung gegeben. Außerdem, meine Herren, ist das Impfen in früherer Zeit nicht in der exakten Weise und auch nicht mit der Lymphe ausgeführt worden, mit der e» jetzt ausgeführt wird. In meiner Jugend habe ich viele Tausende geimpft. Meine Herren, ich habe nie einen schweren Fall danach gesehen. Ich gebe aber zu, daß schwere Fälle vorkommen. Meine Herren, die Impfpusteln, wenn sie aufgehen, stellen Wunden dar; die sind auch empfänglich für Sporen von Mikroben aus der Lust; die können dazu kommen; danach kommen Erkrankungen z. B. ErysipelaS u. s. w. Ich will mich darauf nicht zu weit einlassen. Herr Dr. Förster leitete seinen Vortrag damit ein, daß er sagte, er wolle von den Heilungen u. s. w. nicht sprechen; das wäre eine Sache, mit der sich die Wissenschaft zu beschäftigen habe und die Aerzte; aber er müsse von den Folgen sprechen. Meine Herren, ich bin anderer Meinung; ich bin der Meinung, daß gerade die Folgen noch eine viel schwerere Aufgabe für die Wissenschaft find als irgend etwas anderes. Da muß ich doch bestätigen, was mein Herr Vorredner gesagt hat: nennen Sie mir einen einzigen wissenschaftlichen medizinischen Verein in ganz Deutschland, der sich gegen die Pockenimpfung ausgesprochen hat! ...
... Die Aerzte haben von der Impfung gar nicht»; ich habe kaum ein paar Groschen mit dem Impfen verdient. Da» Impfen ist ein schwere» Geschäft, ein unbequemes Geschäft, da» hindert (6) einen praktischen Arzt außerordentlich, und, meine Herren, e» ist von den Aerzten nur ausgeführt, well e» zum allgemeinen Besten geschah, und weil es die Leute verlangten. Nun aber, meine Herren, kommt mein schwerster Vorwurf gegen diejenigen, die heute den Impfzwang aufheben wollen. Meine Herren, leben Sie denn in der Jetztzeit? Sie haben sich doch mit allerhand wissenschaftlichen Dingen befaßt? Herr Dr. Förster hat die Wissenschaft gestreift u. s. w. Meine Herren, wollen Sie denn leugnen, daß in diesem Jahre — 100 Jahre erst nach der ersten Anwendung der Pockenlymphe — in diesem Jahre zum ersten Mal die Medizin einen kolossalen Fortschritt oder wenigstens einen kolossalen Fortschritt in bestimmter Richtung gemacht hat, und zwar in derselben Richtung, von der Jenner damals ausgehend die erste Pockenimpfung ausgeführt hat? Meine Herren, ich würde mich schämen, wenn wir heute mit Majorität beschließen sollten, das Impfzwanggesetz aufzuheben, zu beschließen: „mit der Impfung ist es nicht»!, und wenn man so vergnügt darüber hinweggeht. (Heiterkeit.) Meine Herren, in dem Augenblick, wo wir mit den schwersten Forschungen, mit Darangabe von Hunderttausenden und Millionen von Seiten des Staates und mit Darangabe aller Kräfte von Seiten der Aerzte forschen in dieser Richtung: ist für viele Krankheiten noch Hilfe zu finden, eine Immunität oder Heilung zu finden? ...

195 /317
... Er sprach weiter davon, daß es sich vielleicht empfehle, die Unzufriedenheit dadurch zu beseitigen, daß man die Lymphe den Aerzten unentgeltlich giebt, und daß man den armen Leuten, die ihre Kinder impfen lassen müssen, die Wahl de» Arzte» anheimgiebt. In dieser Beziehung ist bereit», wie mir gesagt wird, der Anfang in einem Bundesstaat gemacht: in Hessen wird die Lymphe unentgeltlich verabfolgt. Ich bin gern bereit, in Erwägung zu nehmen, ob nicht auch in anderen Theilen de» Reich» auf demselben Wege vorgegangen werden kann. Ane weitere Maßregel zur Verringerung der Unannehmlichkeiten bei der Zwangsimpfung habe ich mir noch in neuerer Zeit bei den Regierungen anzuregen erlaubt. Es wird darüber geklagt, daß die Kinder an beiden Armen geimpft werden, daß namentlich, wenn die Pocken aufgehen, (6) Fieber eintritt, und daß dann da» Betten der Kinder schwierig ist. Wir haben die Ueberzeugung gewonnen: es genügtauch die Impfung an einem Arm, und zwar soll da« künftig, wenn möglich, der linke sein, damit das Kind nicht behindert ist, von seinem rechten Arm Gebrauch zu machen. (Heiterkeit.) —1 Natürlich nur zu Zwecken des Schulunterrichts. (Heiterkeit.) So werden wir jede Anregung, die auf diesem Gebiet gegeben wird, gern verfolgen; wir werden uns sehr freuen, wenn es möglich ist, die unangenehmen Seiten der ZwangStmpfung und die unangenehmen Eindrücke, welche die Vorschrift der Zwangsimpfung auf einen großen Theil des Publikums ausübt, hintanzuhalten. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1896
Bd.: 145. 1895/97
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-145

ID: 00002758
196 /317
... Er sagt weiter: die Aerzte halten von der Impfung gar nichts, ich habe kaum ein paar Groschen mit dem Impfen verdient. Meines Wissens bekommt der beamtete Arzt für jede Impfung 75 Pfennige. Er kann, wenn er es ein wenig versteht, eine ganze Menge Schlachtopfer mit der Jmpflanzette in einer Stunde abmachen; dabei kommt doch kein geringer Verdienst heraus. Im übrigen mag Herr Dr. Langerhans für seine Person nicht viel verdient haben; aber daß man damit viel verdienen kann und daß die Aerzte insgesammt Millionen damit verdienen, ist eine bekannte Thatsache. Und warum kündigen die Herren neben den sogenannten Geheimkuren auch an, daß sie die Impfung vollziehen? Da muß sie (V) doch etwas einbringen. Man sagt, es sei ein schweres, unbequemes Geschäft. Schweres Geschäft, ein paar Punkte und kleine Schnitte zu machen? und unbequem? Die Näherin, die täglich tausend und tausend Stiche macht, mag das ein unbequemes Geschäft nennen; und sie verdient den ganzen Tag nur 75 Pfennig, der Arzt aber das Gleiche für ein paar Stiche. Endlich sagt Herr vr. Langerhans: leben Sie denn in der Jetztzeit? Das wunderschöne Wort! Natürlich leben wir in der Gegenwart; und gerade weil wir über den unvollkommenen Stand der Heilkunde und Heilkunst hinauskommen wollen, sind wir viel mehr Männer der Gegenwart und Männer einer besseren Zukunft als die, die nur immer an dem alten Schlendrian festhalten. ...

197 /317
... Davon ist damals nicht die Rede gewesen — oder vielmehr es ist davon die Rede gewesen, aber man hat damals ausdrücklich erklärt, so sei es nicht gemeint, und all die Verlegenheiten, von denen ich neulich gesprochen habe, in die unsere Richter und Beamten und selbst unsere Aerzte hineinkommen, wenn sie auf der einen Seite impfen oder die Impfung erzwingen sollen und auf der anderen Seite keinen rechten Glauben an die Sache haben — alle diese Dinge spielen hier auch eine entscheidende Rolle mit. Und endlich denken Sie sich in die Lage der Eltern hinein, die zwischen ihrem Gewißen und der Erfüllung eines staatlichen Gesetzes in einen schweren Konflikt gestellt werden. Ich stehe gar nicht an — man mag es mir ja vielleicht verdenken —, zu erklären, in einem solchen Gewissenskonflikt würde ich auf die Seite der Eltern treten, die das Gesetz umgehen, um ihr Gewissen nicht zu verletzen. Es mag das umstürzlerisch klingen; aber man soll nicht dagegen handeln, was uns das Gewißen gebietet zu thun oder zu unterlaßen. Ich bitte Sie also, aus allen diesen und noch anderen Gründen, die vielleicht von anderen Seiten noch vorgebracht werden: stimmen Sie dem Antrag bei; und ich glaube auch, daß der Bundesrath hierzu seine Hand bieten wird, und wir werden dann in einer anderen Tagung des Reichstags, mit mehr Sachkenntniß ausgerüstet, an diese Frage noch einmal herantreten. Das dürfen wir von Ihnen verlangen, und das erwartet das deutsche Volk von Ihnen. (Bravo!) ...

198 /317
... Diese Blatternepidemie verschonte dazu keineswegs die hygienisch bevorzugten Stadttheile, gerade diese wurden betroffen, weil hier die Hauptgegner der Impfung wohnten, die ihre Kinder nicht haben impfen lassen. Man verschwendete Tausende von Pfund Sterling für Jsolirung der Kranken, Desinfektion und Quarantäne; es half alles nichts, die Pocken schritten ruhig fort und ergriffen immer weitere Kreise; im Hospital kamen 90 Todesfälle vor, davon 74 bei Nichtgeimpften. Von den Geimpften, welche betroffen worden, gehörten nur sehr wenige den jüngeren Altersklassen an; bei den meisten waren seit ihrer Impfung schon viele Jahre verstrichen. Da begaben sich die Vertreter der Staatsbehörde ihres Sicherheitsgefühls: bestürzt erließen sie ein Zirkular, um zu empfehlen, es möchte sich ein jeder impfen lassen, und dieselben Personen, die vorher als Gegner der Impfung auf- M getreten waren, setzten nun die Zwangsbestimmungen des englischen Jmpfgesetzes in Kraft; ja einige von ihnen ließen sich selbst impfen. Die Zeitschrift „Umnoot, der diese Mittheilungen zum größten Theil entnommen sind, bemerkt dazu, die Herren in Gloucester hätten ihre Erfahrungen genau 100 Jahre zu spät gemacht. (Zuruf.) — Sie finden die näheren Angaben in Nr. XIV. vom 4. April 1896 der genannten Zeitschrift und in den letzten Nummern des „kritisb Neckioa! ckournal, den angesehensten medizinischen Blättern in England. Wenn die Herren Jmpfgegner auch bei uns solche Zustände herbeiführen wollen, wie die Stadtbehörden in Gloucester, so glaube ich, sie werden bei zahlreichen Mitgliedern dieses hohen Hauses Widerstand finden. (Bravo!) Vizepräsident Schmidt (Elberfeld): Das Wort hat der Herr Abgeordnete Pauli. ...

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... Nun, meine Herren, welcher Arzt ist überhaupt im Stande, in einer Minute den Gesundheitszustand eines Kindes zu beurtheilen und dann noch zu impfen? (Sehr gut!) Vizepräsident Schmidt (Elberfeld): Es ist der Schluß der Debatte beantragt worden von den Herren Abgeordneten Freiherr von Manteuffel, Dr. von Bennigsen und Frese. Der Antrag bedarf der Unterstützung. Ich bitte diejenigen Herren, die den Antrag unterstützen wollen, sich zu erheben. (Geschieht.) Die Unterstützung reicht aus. Ich bitte diejenigen Herren, welche den Schluß beschließen wollen, stehen zu bleiben respektive sich von den Plätzen zu erheben. (Geschieht.) Das ist die Mehrheit; die Debatte ist geschlossen. Zu einer persönlichen Bemerkung hat das Wort der Herr Abgeordnete vr. Hammacher. Abgeordneter vr. Hammacher: Ich habe zu meinem lebhaften Bedauern an den heutigen Verhandlungen des Reichstags nicht theilnehmen können, weil mich dringende (L) Pflichten ins Abgeordnetenhaus riefen. Während meiner Abwesenheit hat der Herr Abgeordnete Förster — ich verdankte meine Kenntniß der Einsicht in die stenographischen Niederschriften — behauptet, daß ich mich bei der Wahl für den gegenwärtigen Reichstag im Kreise Duisburg bereit erklärt habe, alle von den Jmpfgegnern gestellten Forderungen im Reichstag zu vertreten. Der Herr Abgeordnete Dr. Förster ist offenbar nicht richtig unterrichtet über die Vorgänge, auf welche gestützt er zu seiner erwähnten Behauptung gelangte. Ich habe meinen Wählern darüber gar keinen Zweifel gelassen, daß ich nicht zu den Jmpfgegnern gehöre und einen Antrag auf Aufhebung des Jmpfgesetzes bekämpfen werde, ebenso wie ich heute entschlossen bin, gegen den Hauptantrag des Herrn Abgeordneten vr. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1897
Bd.: 152. 1895/97
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-152

ID: 00002765
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... Das Impfen mit Lymphe oder das Eingeben von Lungenwasser hat sich als ein relativ sicheres Mittel gegen die Lungenseuche erwiesen. Leider sind die Eingeborenen, insbesondere die Hereros, aus Furcht vor etwaigen kleinen Verlusten nur schwer zum Impfen zu bewegen. Die sogenannte Blutsenche, welche in der Trockenzeit des vorigen Jahres ziemlich stark auftrat, ist fast ganz erloschen. Bei dem Kleinvieh trat die Räude auf. Dieselbe wurde jedoch mit den von der Landeshauptmannschaft bezogenen und zum Selbstkostenpreise abgegebenen Mitteln (Kreolin und luttle lip) erfolgreich bekämpft. Die sogenannte Pferdesterbe trat während der letzten Regenzeit verhältnißmäßig sehr gelinde auf. Landbau. Soweit Versuche mit Anpflanzungen von Gemüsen und europäischen oder kapländischen Bäumen gemacht worden sind, haben dieselben allgemein günstige Resultate geliefert. Es giebt kaum eine heimische Gemüseart, die in dem Schutzgebiete nicht bei genügender Pflege und Wasserzufuhr gut gedeiht und einen sehr reichlichen Ertrag liefert. Hohe Erträge wirft die sehr schnell wachsende Kartoffel ab. Dieselbe ist in diesem Jahre in großen Mengen in Groß- und Klein-Windhoek angepflanzt worden, sodaß zu erwarten steht, daß die Preise, welche bei der vorjährigen Ernte 7b Pfennig pro Pfund betrugen und nur vorübergehend auf 60 Pfennig herabgingen, etwas niedriger werden. Vorzüglich kommen ferner Wein und Feigen fort, und zwar sind hierzu große Strecken des Schutzgebietes geeignet. Auch Obstbäume, insbesondere Aepfel, Birnen, Pflaumen, Pfirsiche, Orangen und Citronen, welche neuerdings sowohl in Regierungsgärtm als von Privaten versuchsweise an dm verschiedensten Stellen angepflanzt sind, versprechen gut fortzukommen. ...


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