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Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1902
Bd.: 193. 1900/03
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-193

ID: 00002803
221 /317
... Den beiden Beziiken wurde zeitweise ein farbiger Lazarethgehülfe zum Impfen zur Verfügung gestellt. Hierdurch, sowie durch Jsolirung und geeignete Absperrungsmaßregeln gelang es, ein weiteres Umsichgreifen der Pocken zu verhüten. Die über die Dauer der Schutzimpfungen angestellten Beobachtungen ergaben, daß für die hiesige Negerrasse, bei der schon seit Menschengedenken direkte Impfungen mit Blatterngift in ausgedehntem Umfang stattgefunden haben, die Immunität jedenfalls länger als 2 Jahre anhält. Im Ganzen wurden in Klein-Popo und Togo circa 2000 Personen geimpft. Der Verbreitung der Lepra wurde dauernde Aufmerksamkeit gewidmet. Nach Berichten der Missionare und Stationsbeamten hat dieselbe im Innern eine große Ausdehnung gewonnen. Die Eingeborenen kennen sie als infektiös, und angeblich werden die Kranken in vielen Fällen auf der Farm isolirt. Allgemeine sanitäre Maßregeln werden sich erst auf Grund der Berichte, die ein im Innern angestellter Arzt zu erstatten hätte, treffen lassen; z. Zt. scheint zu einer Jsolirung sämmtlicher Leprösen des Schutzgebiets noch keine Veranlassung vorzuliegen. Ein Fall von weit vorgeschrittener Lepra, welcher mit dem Tode endete, wurde im Krankenhaus in Kleinpopo beobachtet. Ferner kamen vier Fälle von tetamm traumutieus zur Beobachtung. Sie wurden mit Antitaxin behandelt, bei sämmtlichen z. Zt. der Anwendung des Mittels bereits weit vorgeschrittenen Fällen ohne Erfolg. Außerdem wurden von Infektionskrankheiten Masern beobachtet. In den Polikliniken in Lome und Kleinpopo wurden eine Anzahl chirurgischer Fälle, meistens vernachlässigte Wunden und Geschwüre behandelt. ...

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... Zum Schluß möchte ich noch, die auch von Herrn Geheimrath Koch mir gegenüber mündlich erwähnte Nothwendigkeit hervorheben, die Bewohner des gesummten Jnselgebiets, wenigstens an den Hafenplätzen, in denen am häufigsten Berührungen mit ankommenden Schiffen stattfinden, mit Schutzpocken zu impfen. Leider ist der Bezug der Lymphe von Java oder Jokohama augenblicklich sehr schwierig, da der norddeutsche Lloyd nach dem Anlaufen der München in Jap die Fahrt noch nicht wieder aufgenommen hat. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1903
Bd.: 187. 1900/03
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-187

ID: 00002797
223 /317
... Frägt der Staat die Eltern vor dem Impfen, oder frägt er überhaupt danach, ob dabei Menschenleben zu Grunde gehen oder nicht? Es ist eben gesetzlicher Zwang. Ebenso der Militärzwang u. s. w. u. s. w. Ich will darauf nicht näher eingehen. Ich meine, das sind alles Dinge, die bereits heute in das Staatsgefüge hineinpaffen, und die Entwickelung unserer sozialen Zustände macht es nothwendig, daß der Staat und die Gesellschaft immer mehr in die Verhältnisse der Familien eingreift zum Schutze und zum Wohle der Gesammtheit. Das ist also nichts Außergewöhnliches, sondern erweist sich als eine zwingende Nothwendigkeit. Meine Herren, ich will keine Generalrede halten, aber auf Eines möchte ich doch hinweisen. Es ist überaus bedauerlich, daß in dem Gesetz die Altersgrenze von 13 Jahren festgehalten ist. Die Fabrikgesetzgebung verbietet die Beschäftigung der Kinder unter 14 Jahren. M Was wird die Folge davon sein? Ich habe hier ein Inserat aus dem „Kölner Tageblatt, in welchem es heißt: Wir suchen bei guten Löhnen für dauernde Beschäftigung in unserer Streichgarnspinnerei kinderreiche Arbeiterfamilen. Je nachdem leisten wir Vorschuß für Uebersiedelung. Wohnung kann von uns gemiethet werden. Reflektanten wollen unter Angabe des Alters der Kinder Näheres bei uns erfragen. Krawinkel u. Schnabel, Gummersbach (Rheinland). Meine Herren, durch diese Art der Gesetzgebung, die hier wieder geplant ist, wird man derartigen Ausbeutungen immer weiter Vorschub leisten, und die Folge ist nicht nur dieses heute glücklich vereinzelte Inserat, sondern es werden immer mehr derartige Inserate vorkommen. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1903
Bd.: 196. 1900/03
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-196

ID: 00002806
224 /317
... Das Bezirksamt ließ 528 Personen impfen und zwar 438 Männer, 23 Frauen und 67 Kinder. Wenn schon der Gesundheitszustand der einheimischen Bevölkerung ein ungünstiger ist, und ihre Abnahme keinem Zweifel unterliegt, so setzt doch der für den Bezirk angenommene Regierungsarzt bei der Fügsamkeit der Eingeborenen und bei ihrem großen Verständniß für seine Aufgabe gute Hoffnungen auf die Zukunft; die kurze Zeit seiner Thätigkeit hat bereits schöne Erfolge aufzuweisen. Der intelligente Japer überläßt sich nicht, wie die meisten Eingeborenen fatalistisch seinem Schicksal, er kommt, nachdem einmal das Vorurtheil gegen einen weißen Arzt beseitigt ist, freiwillig und zeigt sich als ein gehorsamer, geduldiger Patient. Der Gesundheitszustand unter der fremden Bevölkerung war durchaus zufriedenstellend. Mit Rücksicht auf die Schiffsverbindung mit Hongkong, wo fast in jedem Sommer die Pest herrscht, waren Maßregeln für Abwendung der von dort drohenden Gefahr nöthig. Es ist deshalb eine neben dem Bezirksamt gelegene und mit diesem durch einen Damm verbundene Insel gepachtet und als Ouarantänestation einfach eingerichtet. Die Schiffe ohne reinen Gesundheitspaß werden nur von dieser Station aus abgefertigt, die Güter dort desinfizirt und dann freigegeben, so daß die Abfertigung der Schiffe ohne jeden Zeitverlust sich vollzieht. 1) Schulen und Missionen. Seit dem Jahre 1886 ist eine Mission des Kapuziner-Ordens im Bezirk thätig, ihr ursprünglich größeres Personal beschränkte sich im Beginn des Berichtsjahres auf vier Patres und sechs Brüder in Jap und zwei Patres und zwei Brüder in den Palau. Andere Inseln sind nicht besetzt. ...

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... Brauer führte die Impfungen bei dem größten Theil der Leute aus; vor Allem bei den Kindern und jüngeren Leuten hatte das Impfen guten Erfolg. Reichstag. Aktenstück Zu Nr. 814. (Anlagen zur Denkschrift über die Deutschen Schutzgebiete.) 5331 ...

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... Die Hereros sehen den Nutzen derselben ein und wollen sämmtlich impfen lassen. Leider hat ein Farmer in der Nähe des Swakops schwere Verluste durch die Rinderpest gehabt, was er lediglich sich selbst zuzuschreiben hat. Ich habe ihn Ende November 1901, als die Rinderpest in Okandu ausbrach, in dessen Nähe er einen Viehposten stehen hatte, gewarnt und ihn dann noch persönlich gebeten, impfen zu lassen. Dieses that er jedoch nicht, sondern trieb sein Vieh von dem Posten nach seiner Farm. Hier brach dann etwa am 20. Dezember v. I. unter seinem Jungvieh die Rinderpest aus, nun ließ er durch den schleunigst herbeigeholten Civilpolizist den Bestand mit Galle impfen. Das Resultat war natürlich sehr schlecht. Die Beobachtungen und Folgerungen, welche im Verlauf der Rinderpest des verflossenen Berichtsjahres gemacht wurden, sind folgende: 1.1 Die Kochsche Gallenblut-Jnipfung hat sich vorzüglich in der Hand von Sachverständigen und auch von ausgebildeten Laienimpfern bei unversuchten Beständen als Schutzimpfung bewährt und verdient in einem Lande, wo durch mangelnde Veterinärpolizei und nicht durchführbare Absperrungsmaßnahmen der Erfolg der Reulung, d. h. Tödtung eines infizirten Bestandes, illusorisch gemacht wird, vor allen anderen Methoden den Vorzug. Der einzige Nachtheil besteht in der Tödtung von ca. 5 bis 7 o/o Rindern, welche zur Gallengewinnung geopfert werden müssen. 2.1 Es konnte nicht einwandsfrei festgestellt werden, ob in Folge der Gallenimpfung Rinderpest entstehen kann. In einigen Fällen brach ca. zehn Tage nach der Gallenimpfung die Rinderpest aus und wurde die Ursache dafür in der injizirten Galle gesucht. ...

227 /317
... In der Umgegend von Siar ist im vergangenen Jahre seitens der Mission wieder begonnen worden, die Bevölkerung aufs Neue gegen Blattern zu impfen. Die letzte Impfung geschah vor etwa 5 bis 6 Jahren und hat sich als sehr segensreich erwiesen. Die Bevölkerung nimmt die Impfung nicht nur willig auf, sondern es wird auch von fernen und nahen Plätzen um dieselbe gebeten. b) Ueuen-Dettetsauer Missionsgesellschaft. Bericht, erstattet von Missionar Joh. Flierl. Die Arbeitsweise in unserer Mission ist noch die gleiche, wie in früheren Berichten schon mitgetheilt wurde: auf den Stationen Unterricht in Kostschulen und Sonntagsgottesdienste sowie tägliche Andachten, daneben missionarische Besuche in den umliegenden Dörfern. Der Kostschulen wegen und auch um für das Personal frische Lebensmittel zu erhalten, wird auf den Festlandstationen mehr oder weniger Garten- und Feldbau getrieben. Am meisten durch die Verhältnisse dazu getrieben und zugleich dafür begünstigt ist die Station auf dem Rücken des Sattelberges. Unsere älteste Station Simbang hatte im vorigen Jahre schwere Zeiten durchzumachen, indem im Februar Missionar Held an einem Schwarzwasserfieber verstarb, während Missionar Vetter ein schlimmes Fußleiden hatte und auf Sattelberg Erholung suchen mußte. Von den übrigen Stationen aus wurde abwechselnd in Simbang ausgeholfen, trotzdem war es nicht zu verhindern, daß es dort mit der Arbeit zurückging. Die Felder wurden von den Schweinen verwüstet, die Schülerzahl verminderte ich und auch die Dörferbesuche konnten nicht mit der rüheren Regelmäßigkeit ausgeführt werden. Die Jnselstation Tami ist zur Zeit verwaist. ...

228 /317
... Zu diesen kommen noch im Berichtsjahre die Pocken hinzu, die für den Europäer Dank des Impfzwanges und der Gewohnheit, sich vor der Ausreise aus der Heimath noch einmal impfen zu lassen, direkt keine Bedeutung haben. Die Malaria kommt als Llalaria ttopioa und Nalaria, yuartana bei den Europäern und Eingeborenen vor. Dieselbe an sich und verbunden mit Hämoglobinurie stellte im Berichtsjahre die für den Europäer wichtigste Infektionskrankheit dar. Die Durchseuchung der Eingeborenen, die Lage der meisten Faktoreien in der Eingeborenen-Stadt, die Nähe der Lagune mit ihren vorübergehenden Sumpfbildungen bieten die Grundlage für die Entwickelung der Anopheles und die Verbreitung der Malaria. Namentlich günstige Bedingungen für das Gedeihen der Anopheles sind in Sebbe und Sebbevi, dem Sitze des Bezirksamtes und der Regierungsschule, vorhanden, deren Beamte sich denn auch durch eine hohe Erkrankungsziffer auszeichneten. Von Seiten des Bezirksamtes ist durch — bei den großen räumlichen Verhältnissen natürlich nur langsam von statten gehendes — Zuschütten sumpfiger Lagunensttecken, durch Verbot des Entleerens von Abfällen in die Lagune, durch polizeilich konttolirte Reinigung der Höfe, durch Ehenung der unbebauten Plätze viel in hygienischer Beziehung geleistet. Wünschenswerth wäre es im höchsten Grade, daß die Europäer durch allgemein durchgeführte persönliche Prophylaxe die Malaria zu einer für Europäer seltenen Erkrankung machten. Bei den Eingeborenen ist, wie schon erwähnt, die Malaria weit verbreitet. Am meisten davon befallen sind die kleinen Kinder, doch sind auch die halberwachsenen Personen noch häufig infizirt. Bei älteren Leuten sind meist keine Parasiten zu finden. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1904
Bd.: 205. 1903/05
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-205

ID: 00002815
229 /317
... das trotz aller Belehrungsversuche hartnäckige Verharren einzelner Besitzer aus mancherlei Abweichungen im üblichen Jmpfverfahren, reden der Zweckmäßigkeit der Einführung einer Zwangsimpfung im mittleren Teile des Schutzgebiets unbedingt das Wort, denn erst wenn das Jmpfpersonal ermächtigt ist, unbekümmert um Sonderwünsche überkluger Besitzer unter Außerachtlassung unbesonnener Forderungen derselben genau nach den gegebenen Vorschriften die Impfungen durchzuführen, und jeder einzelne Besitzer zum Wohle des Ganzen gehalten ist, seine Herden gegen die Pest impfen zu lassen, wird es gelingen, mit geringen Verlusten die Gesamtbestände des Landes seuchenfest zu machen und damit der Rinderpest Hierselbst den Boden zu entziehen. Zur Illustration vorstehend angedeuteter Verhältnisse diene das Verhalten des Unterkapitäns Carolus Swart. Seine Rinder waren mit Galle geimpft, die beiden zur Kontrollimpfung gestellten Tiere jedoch nach der Blutimpfung eingegangen. Da hieraus geschloffen werden mußte, daß die vorhergegangene Gallenimpfung keinen genügenden Schutz verliehen hatte, sollte zur Wiederholung der Gallenimpfung geschritten werden, doch ließ sich der Besitzer trotz eindringlichster Vorstellungen nicht hierzu bewegen, sondern verharrte bei dem Verlangen auf unverzügliche Vornahme der Blutimpfung, indem er sich immer wieder darauf berief, daß er auf eigene Verantwortung, Rechnung und Gefahr die Blutimpfung wünsche, und lediglich er als Besitzer den etwaigen Schaden zu tragen habe. Trotzdem wurde nach nochmaligem Hinweis auf die voraussichtlich schlechten Folgen dieses Versuches dem dringenden Wunsche des Besitzers erst dann Rechnung getragen, als er sich verpflichtet hatte, den Tatbestand schriftlich niederzulegen. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1904
Bd.: 207. 1903/05
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-207

ID: 00002817
230 /317
... 31—), ist darauf hinzuwirken, daß gegebenenfalls alle der Ansteckung ausgesetzten Personen, sofern sie nicht die Pocken überstanden haben oder durch Impfung hinreichend geschützt sind, sich impfen lassen. Wo Zwangsimpfungen nicht zulässig sind, ist in geeigneter Weise auf die Durchführung der Schutzpockenimpfung hinzuwirken. Dies gilt besonders für die Bewohner und Besucher eines Hauses, in welchem die Pocken aufgetreten sind, wie für das Pflegepersonal, die Arzte, die Studierenden der Medizin, welche klinische Vorlesungen besuchen, ferner für die bei der Einsargung von Pockenleichen beschäftigten Personen, für Desinfektoren sowie für Arbeiter in gewerblichen Anlagen, welche den Ausgangspunkt von Pockenerkrankungen gebildet haben. Außerdem wird folgendes bestimmt: 1. Zu §8 12, 13. Diejenigen Personen, welche mit einer an den Pocken erkrankten oder verstorbenen Person unmittelbar oder, wie zum Beispiel Arbeitsgenossen, unter Umständen auch Boten, Briefträger und dergleichen, nur mittelbar in Berührung gekommen sind, ferner die Bewohner eines Hauses, in welchem ein Pockenfall festgestellt ist, sowie Arbeiter, welche mit Sachen, die möglicherweise den Krankheitsstoff an sich tragen (Hadern, Haare, Bettfedern und dergleichen), umgegangen sind (ansteckungsverdächtige Personen), sind einer Beobachtung zu unterstellen, soweit nicht schärfere Maßregeln nach Nr. 2 zu ergreifen sind oder vom beamteten Arzte aus besonderen Gründen für erforderlich erklärt werden. Die Beobachtung soll nicht länger als vierzehn Tage, gerechnet vom Tage der letzten Ansteckungsgelegenheit, dauern. Sie ist in schonender Form und so vorzunehmen, daß Belästigungen ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1905
Bd.: 203. 1903/05
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-203

ID: 00002813
231 /317
... Gersdorff, der hier so fleißig Notizen macht und sich wahrscheinlich auf eine Rede gegen uns vorbereitet, weiß sicher, daß in unserem Kreise einem polnischen Arzte, der seit langen Jahren schon im Kreise praktiziert hat und niemals irgendwelche deutschfeindliche Agitation getrieben hat, ohne Grund die Berechtigung zum Impfen, die Kranken- und Eisenbahnkassen weggenommen wurden, und daß diese einem jungen deutschen Doktor gegeben wurden, der ein ganz schönes Vermögen hat und außerdem vom Ostmarkenverein eine Extrazulage erhält. Der polnische Arzt, der so wie so in sehr beschränkten Vermögensverhältnissen sich befand, kam dadurch in Notlage, sodaß er sich kaum ernähren kann. Wenn das nicht Boykott ist, so weiß ich nicht, was Boykott ist. Und dieser Fall steht nicht einzeln da. Nun geht der Ostmarkenverein so weit, daß nicht su) nur polnische, sondern auch deutsche Firmen boykottiert werden, wenn sie mit Polen geschäftliche Beziehungen eingehen. Ich habe hier eine Warnung seitens des Vorsitzenden des Deutschen Ostmarkenvereins, die ich mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten vorlesen möchte: Ein große Anzahl auswärtiger Firmen hat ihre Vertretung in der Stadt Posen ausschließlich polnischen Gewerbetreibenden oder Geschäftsführern übertragen. Hierdurch wird unnötigerweise eine tiefe Schädigung der unter dem polnischen Boykott schwer notleidenden hiesigen deutschen Kaufleuten und Handwerkern herbeigeführt. Wir bitten unsere deutschen Mitbürger, durch diese Firmen so lange nichts zu beziehen, als sie bei ihrer bisherigen Geschäftspraxis bleiben. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1906
Bd.: 215. 1905/06
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-215

ID: 00002825
232 /317
... Nun wäre ja der Zwang noch immerhin zu ertragen, wenn das Impfen eben nicht notorisch schwere Gefahren im Gefolge hätte; bösartige Krankheit im Augenblick, Siech- ...

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... Wenn jemand mit allen Gewaltmitteln gezwungen wird, sich impfen zu lassen, und hinterher zum Krüppel wird, hat der Staat ganz ohne Frage die Verpflichtung, für denjenigen, der sich infolge dieser körperlichen Verkrüppelung nicht ernähren, erhalten kann, einzutreten und zu sorgen. Der Staat aber denkt: „mag ers ertragen, was Wissenschaft und Mißbrauch der Staatsgewalt angerichtet haben. Wer unter Anwendung aller Gewaltsmittel mich ruiniert, hat auch zweifellos für mich zu sorgen, und gerade der Staat sollte sich diesen Grundsatz zu eigen machen. Es ist doch nichts Kleines, jemand zu zwingen, gegen sein Gewissen zu handeln, und Tausende deutscher Bürger befinden sich in dieser Lage. (Sehr richtig! bei der Wirtschaftlichen Vereinigung.) Ein Gewissenszwang soll weder auf dem religiösen Gebiet noch auf anderem ausgeübt werden. Mag man den Schulzwang gelten lassen, oder dort, wo der Geldbeutel in Frage kommt, einen Zwang ausüben, aber einen Gewissenszwang sollte man im 20. Jahrhundert, im Zeitalter des Fortschritts, der Vernunft und der „Toleranz, nicht mehr verlangen. Um das Jahr 1884 herum, als von allen Seiten Gerüchte über unheilvolle Vorgänge infolge Jmpfens laut wurden, gab die deutsche Regierung in einer Denkschrift bekannt, daß die Hauptvoraussetzung des Jmpfgesetzes von 1874, daß die Impfung keinerlei Nachteile für die Gesundheit haben könne, „hinfällig sei, und „daß die Impfung nicht aufrecht zu erhalten sei, wenn es nicht gelingen sollte, sie zu einem durchaus unschädlichen Eingriff zu machen. Das sagt (s) die höchste Stelle im Deutschen Reich in Medizinalangelegenheiten! ...
... Es wurde aber für die Menschen das Impfen nicht abgeschafft — ich bemerke dabei, daß ich persönlich kein prinzipieller Gegner des Jmpfens bin, nur des Impfzwanges —, im Gegenteil, es wurde verschärft, auch denen ausgezwungen, die, in Erkenntnis der Gefahr, es mit ihrem Gewissen nicht vereinigen konnten, sich solchem Gesetze zu unterwerfen. Wo ist hier nun vor allem die bessernde Hand anzulegen? Nötig ist zunächst die Abschaffung des äußersten Zwanges auf diesem Gebiet. Die Urheber des Gesetzes haben seinerzeit diesen Zwang auch gar nicht gewollt! Warum ist es bei uns nicht möglich, wie es in England der Fall ist, daß diejenigen Hausväter, die es (v) den Behörden glaubhaft nachweisen, daß einzig und allein Gewissensbedenken sie von dem Impfen der Kinder zurückhalten, nicht weiter mit allen Mitteln der Polizeigewalt gezwungen werden, die Kinder zur Impfung zu schicken? (Sehr richtig! rechts.) Der Standpunkt des Zwangsausschlusses war derjenige der gesetzgebenden Körperschaft im Jahre 1874, als man das Jmpfgesetz verabschiedete, und ein hervorragender, tapferer Kämpfer für das Impfwesen und für die Durchführung dieses Gesetzes, Professor Dr. Kußmaul — ich stütze mich also wieder auf einen Jmpffreund — wollte nicht nur keinen absoluten Zwang, sondern wollte geradezu diesen Zwang ausgeschlossen wissen. Auf Seite 116 seiner berühmten „20 Briefe sagt er, zugleich — das darf ich hinzufügen — im Sinne und Geist des berühmten Rechtslehrers l. ...

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... Meine Herren, der Herr Abgeordnete Froelich hat sich soeben als einen radikalen Gegner des Impfzwangs bekannt und hat gemeint, aus Einzelfällen, die er hier vorgetragen hat, Schlüsse ziehen zu können gegen das Impfen im allgemeinen, das ihm als eine Gefahr für die Volksgesundheit erscheint. Ich möchte den Herrn Abgeordneten Froelich doch einmal bitten, einen Vergleich zu ziehen zwischen solchen Völkern, bei denen ein Impfzwang besteht, und solchen, bei denen in dieser Beziehung eine nach seiner Auffassung größere Freiheit herrscht. Wir haben ja Gelegenheit gehabt, vor nicht zu langer Zeit während des Krieges gegen Frankreich, 1870/71, auf deutschem Boden in dieser Richtung bedeutsame Erfahrungen zu machen. In Glogau waren 1870/71 französische Gefangene in großer Zahl untergebracht. Da brach unter ihnen eine Pockenepidemie aus, die auch die einheimische Bevölkerung in Mitleidenschaft zog. Wie mir ein alter erfahrener Arzt, der damals schon in Glogau praktizierte, später öfters erzählt hat, hat die verheerende Epidemie, welche die französischen Gefangenen dezimierte, die Deutschen, die ordnungsmäßig geimpft waren, so gut wie ganz verschont. (Hört! hört!) Heute, wo wir auch ungetmpfte Schwarze zu den deutschen (v) Landeskindern zählen, die Neger in den deutschen Schutzgebieten, die unter der Pockenplage schrecklich leiden, sollten wir uns doch aber auch die Erfahrungen zunutze machen, die beispielsweise in Ostafrika mit der Impfung gemacht werden. ...
... Soeben hat mir einer der Herren Kollegen, der im Vorjahre eine Reise nach diesem Schutzgebiet gemacht hat, berichtet, wie auf Gmnd der günstigen Erfolge der Schutzimpfung sich die Neger dort zum Impfen drängen, und wie fröhlich (Heiterkeit) sie sind, wenn sie geimpft werden, und weiterhin hat mir derselbe Herr Kollege berichtet, ein wie hoher Prozentsatz der heutigen Bevölkerung in Ostafrika pockennarbig umherlaufe — ein Beweis für das Wüten der Seuche, wie er sich uns in den Ländern Osteuropas bietet, wo leider noch immer kein Impfzwang besteht. Die Frage des Impfzwangs ist ja aber doch bei uns schon so häufig und so gründlich von allen zuständigen Körperschaften geprüft und immer in dem gleichen Sinne beantwortet worden, daß der Deutsche Reichstag sich nicht noch einmal damit zu beschäftigen brauchte und nicht noch einmal an die verbündeten Regierungen mit dem Wunsche herantreten sollte, sie aufs neue in Erörterung zu nehmen. Ich glaube, für die gesamte Kulturwelt ist die Frage der Nützlichkeit der Schutzimpfung erledigt. Jetzt noch die Berechtigung der Pockenimpfung in Zweifel zu ziehen, nachdem die Heilserum-Therapie auch zur Bekämpfung anderer Krankheiten sich als so segensreich erwiesen hat, — das will mir antiquiert erscheinen. Ich hatte mich aber eigentlich zum Wort gemeldet, um auf die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Dr. Burckhardt über die Frage der Geheimmittel in aller Kürze einzugehen. Nachdem der Herr Kollege vr. Paasche ...

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... Herr Kollege Müller hat uns die Neger in Deutsch-Ostafrika als Beispiel angeführt, die sich begeistert zum Impfen drängen. — Ja, die Neger beten allerlei Fetische an. Deshalb brauchen wir als gebildete Europäer doch nicht den Negern nachzuahmen und auch einem Fetisch opfern. Wenn Herr Graf Posadowsky und Herr Müller (Sagan) auf Erfahrungen aus dem französischen Krieg hingewiesen haben, so ziehe ich aus diesen Erfahrungen einen anderen Schluß. Es ist richtig, daß in Frankreich zur Zeit der Invasion die Pocken herrschten. Man bekam aber ein ganz übertriebenes Bild von der Ausdehnung der Pockenepidemie; denn die Franzosen hatten bald gemerkt, daß, wenn sie „Mit«» variolss an ihre Türen schrieben, sie keine Einquartierung bekamen, und sie machten davon umfassenden Gebrauch. Es gab also eine Pockenepidemie dort; aber so schlimm, wie sie uach den häufigen Warnungstafeln an den Häusern erschien, war sie nicht. Wenn aber die Schlüsse, die Graf Posadowsky aus den Erfahrungen in Frankreich und in London zieht, zutreffen, wenn also die Geimpften immun sind, warum in aller Well will man dann Leute wider ihr Gewissen zwingen, ihre Kinder impfen zu lassen? Sie tragen doch dann allein die Folgen, sie werden dann doch allein ge- (v) straft und leiden allein unter der Unterlassung, wenn die Pocken wirklich ausbrechen. Man soll das Gewissen höher stellen als Gesundheitsrücksichten, und gerade die Freisinnigen, die fortwährend den Grundsatz predigen, man solle jedem nach seiner Fasson selig werden lassen, müßten auch jeden sich nach seiner Fasson gesund erhalten lassen. ...
... Ich habe dem Herrn Kollegen Froelich so verstanden, daß er das Impfen an sich nicht anfechten will. Er hat seine Meinung darüber, andere haben eine andere Meinung; er hält beide Meinungen zunächst für gleichwertig und sich nicht für sachverständig, zu entscheiden, wer recht hat. So geht es mir auch. Aber etwas anderes ist es um den Impfzwang. Hier handelt es sich tatsächlich um einen Eingriff in den menschlichen Körper, zu dem in allen anderen Fällen die Zustimmung des zu Operierenden erforderlich ist, und wenn die Eltern glauben, daß die Gesundheit ihrer Kinder durch das Impfen gefährdet wird, so muß man, selbst wenn die Eltern darin irren, diese Gewissensnot berücksichtigen. Ich habe oft mit einem verstorbenen Freund, unserem früheren Kollegen vr. König, darüber gesprochen. Er war als Arzt Jmpffreund; aber er stand durchaus auch auf dem Standpunkt, daß der Impfzwang verwerflich sei; er sagte, „wenn eine Pockenepidemie ausbricht, dann werden die ungeimpften Leute sich schon einfinden und sich nachttäglich impfen lassen. Also was für ein Schaden geschieht denn dadurch, daß jemand nicht ohne seinen Willen geimpft werden kann? Meine Herren von der Freisinnigen Volkspartei, Sie loben hier fortwährend die englische Gesetzgebung; nehmen Sie doch einmal etwas daraus an, was auch wir als gut anerkennen: beseitigen Sie den Impfzwang oder fügen Sie die Gewiffensklausel (o) des englischen Gesetzes auch bei uns ein! — und dann mögen Sie sich alle Jahre dreimal impfen lassen, wenn Sie wollen. ...

236 /317
... Die Leute haben sich zum Impfen gedrängt; aber im letzten Moment kommt die Impfung oft zu spät. (Sehr richtig!) Wenn gesagt worden ist, die Leute hätten ja noch Zeit, sich impfen zu lassen, wenn die Pocken ausgebrochen sind, so ist dem entgegenzuhalten, daß es dann meist zu spät ist, und eine Impfung ihren Zweck nicht mehr voll erreichen kann, wenn der Krankheilskeim schon wette Verbreitung gefunden hat. Es ist noch hinzuzufügen, daß in England nach meinen Informationen das Bestreben nach einer Revision der Jmpfgesetzgebung lebhaft sich geltend macht, daß also England selbst anscheinend die Lückenhaftigkeit seiner Gesetzgebung erkannt hat. Ich kann ferner noch mitteilen, daß die französische Akademie der Medizin die deutschen Ausführungsvorschriften zum Jmpfgesetz als geradezu mustergültig anerkannt hat. Es ist gesagt worden: wer sich impfen lassen will, der soll es doch tun, aber den Impfzwang soll man aufheben. Gewiß, meine Herren, es läßt sich der Standpunkt (v) vertreten, daß man niemand zwingen sollte, sich einer sanitären Maßregel zu unterwerfen, von der er für seine eigene Gesundheit keinen Vorteil erhofft. Dieser Standpunkt ist aber nur dann gerechtfertigt, wenn der Betreffende durch das Unterlassen der Impfung nur seine eigene Gesundheit in Gefahr bringt. Wenn es sich aber darum handelt, eine Gefahr auch für seine ganze Umgebung abzuwenden, eine Gefahr, die nicht bloß ihn bedroht, sondern durch ihn Hunderte und Tausende der Bevölkerung, dann kann man auf die Überzeugung eines einzelnen von der Nutzlosigkeit einer sonst als bewährt anerkannten Maßregel keine Rücksicht nehmen. (Zuruf.) ...

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... Froelich, Abgeordneter:1 Meine Herren, ich darf ganz kurz bemerken, daß ich für meinen Teil nicht gegen das Impfen als solches — denn ich bin Laie —, sondern nur gegen den Impfzwang gesprochen und ferner unter anderem die Frage an die Regierung gerichtet habe: was gedenkt sie für diejenigen, die infolge der Impfung verkrüppelt sind oder sonstwie Schaden erlitten haben, zu tun? Gedenkt sie, diese Leute, die — durch Impfung gegen ihren Willen, also durch Staatsgewalt veranlaßt — Schaden erlitten, zu entschädigen oder nicht? Diese Frage ist doch wohl durchaus berechtigt; denn auch die Regierung hat uns heute wiederum nicht klipp und klar sage» können, daß tatsächlich Jmpfschäden ausgeschlossen sind, was 1884 als Voraussetzung des Weiterimpfens seitens der Regierung bezeichnet wurde. Es freut mich aber, nunmehr endlich festgestellt zu haben, daß seit 1896 wenigstens ein einziges Mal diese 1896 beschlossene Kommission, und zwar 1897, getagt hat. Der (8) Herr Regierungsvertreter bemerkte dabei übrigens, daß nur drei Jmpfgegner an der Sitzung teilnahmen. Das lag am Ende daran, daß diese sich sagten, daß, wenn sie nicht mindestens zur Hälfte in diesem Ausschuß vertreten seien, man es ihnen doch unmöglich machen werde, ihren Standpunkt gegenüber der so sehr überwiegenden Mehrheit andersgesinnter Herren aufkommen zu lassen, und sie somit ihrer Sache nach außen hin eher schaden als nützen könnten. Meine Herren, der Herr Graf v. Posadowsky hat alsdann im Namen der verbündeten Regierungen erklärt, daß dieselben das Impfen resp. den Impfzwang niemals aufgeben würden. Schön! ...
... Wollen sie durchaus am Impfzwang festhalten, so müssen sie unbedingt eine Haftpflicht für die Schäden, welche das Impfen verursacht hat, anerkennen und die geschädigten Impflinge entschädigen. Ich werfe hierbei die Frage auf: ist es wahr, was die Jmpfautoritäten behaupten, daß der Impfschutz 6, 8, höchstens 10 bis 12 Jahre vorhält? Wird diese Frage mit ja beantwortet — und sie kann nicht anders beantwortet werden —, so werden Sie ohne weiteres einräumen müssen, daß die Mehrheit unseres Volkes seuchengefährlich ist, und dann entsteht die weitere Frage von selbst: was soll aus diesen Leuten werden? Müßten diese nicht logischerweise sämtlich schleunigst nachgeimpft und von Rechts und Gesetzes wegen alle zwölf Jahre wiedergeimpft werden? Sie werden zugeben müssen, daß dies Millionen sind gegenüber denen, die sich aus Gewiffensbedenken nicht impfen lassen wollen. Also Ihre ganze Argumentation fällt vollständig in sich zusammen. Ich erlaube mir nunmehr die Frage an Herrn Abgeordneten Dr. Müller (Sagan) zu richten, warum er denn immer der Frage der Gewissensfreiheit aus dem Wege geht. Gerade er, der vom vielgepriesenen „liberalen (0) Standpunkt aus gegen jeden Gewissenszwang sein müßte, sollte doch eigentlich unter allen Umständen für Abschaffung des Impfzwanges sein. Er ist doch sonst nicht konsequent. Ich darf bei dieser Gelegenheit darauf hinweisen, daß gerade der nach seinem Geschmack zurzeit regierte Staat England die Gewissensklausel eingeführt hat. Das ist liberal! Abgeordneter Müller meinte auch, die Regierung sollte doch den Beschluß von 1896 gar nicht mehr beachten. Jemand, der so wenig Respekt vor den Beschlüssen des hohen Hauses hat, ist nicht liberal! ...

238 /317
... Aus den Ausführungen des Herrn Direktors des Reichsamts des Innern ist mir höchst interessant gewesen, daß er dem Impfen selbst eine so außerordentlich geringe Bedeutung beimißt. Er stellte sich auf meinen Standpunkt und sagte, jawohl, wenn das Impfen nur ein Eingriff in den Körper des Einzelnen auf dessen Rechnung und Gefahr wäre, und wenn er sich weigert, aus Gewissensbedenken, die Impfung an sich vollziehen zu lassen, so müßte mau ihn davon befreien. Aber, fuhr er weiter fort, er gefährde damit Tausende von andern. Ja, meine Herren, wenn die Tausende Geimpften so wenig immun sind, daß sie durch einen Nichtgeimpften gefährdet werden können, dann scheint mir doch der Wert der Impfung überhaupt sehr problematisch zu sein. Dem Herrn Abgeordneten Or. Müller (Sagan) möchte ich erwidern, daß er in seiner Verteidigung der Sache doch ein klein wenig Zwang antut. Man kann doch nur Gleichartiges mit einander vergleichen. Er sagt, im Programm seiner Partei stehe auch der Schulzwang. Ja, daß gegen den Schulzwang Gewiffensbedenken sich erheben, kommt ja vor; aber diesen tragen wir doch Rechnung: denken Sie daran, wie weit man den Gewissensbedenken der Dissidenten von Staats wegen entgegenkommt! Also kommen Sie doch auch den Leuten, um deren Gewissensbedenken es sich hier handelt, einigermaßen entgegen! Nichts anderes, ich wiederhole es, wird verlangt als Gewissensfreiheit. Ebenso wenig, wie man den Schulzwang mit dem Impfzwang vergleichen kann, ebenso wenig kann man1 den Zwang zum1 Dienst1 im Heere damit vergleichen,1 und trotzdem1 wird auch1 da, z. B. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1906
Bd.: 218. 1905/06
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-218

ID: 00002828
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... Die Dänen impfen in betrügerischer Weise die für den Export bestimmten Tiere vor der Verladung, um so die deutsche Tuberkulinprobe unwirksam zu machen. Daraus sollte man doch endlich die Konsequenzen ziehen und entweder die Einfuhr überhaupt verbieten oder doch die Beobachtungszeit entsprechend verlängern. (Hört! hört!) Das dänische Pökelfleisch wird als besonders gefährlich geschildert. Uber Holland schreibt die „Deutsche Tageszeitung ähnlich: Die holländischen Bauern und Händler kaufen Margarine in ungeheuren Mengen, und der deutsche Michel ist so dumm, einer Ersparnis von ein paar Groschen wegen dieses Fabrikat den holländischen Gaunern abzukaufen (hört! hört! bei den Sozialdemokraten), statt sich an die reine deutsche Butter zu halten. (Heiterkeit). Ich nehme an, daß es auch Ihnen unangenehm ist, wenn derartige Dinge hier vorgetragen werden. Ich meine: wer auch nur wenig Gefühl hat für Gerechtigkeit und Wahrheit, den muß es unangenehm berühren, wenn er derartige unsinnige Auslassungen, derartige skandalöse Beschimpfungen des Auslandes zu lesen bekommt. Wie stehen denn die Dinge speziell in Holland in Wirklichkeit? Es ist mir sehr angenehm, daß ich die beiden verlesenen Zitate gefunden habe. In der „Frankfurter Zeitung hat ein Korrespondent aus Amsterdam festgestellt — als Reichstag. 11. Legisl.-P. II. Session. 1905/1907. Antwort auf den Artikel der „Deutschen Tageszeitung —, (0) daß nicht geleugnet werden könne, daß zuweilen Butterund Käsefälschungen in geradezu schamloser Weise betrieben werden: (hört! hört! rechts.) Aber man muß anerkennen, daß die Regierung und die holländischen Behörden alles tun, um diesen Spitzbübereien ein Ende zu machen .... ...

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... hatten kommen lassen, um in ihrem Bezirk die Schweine gegen Schweineseuche zu impfen, und daß dann die Schweine, die mit dem Serum von einer Tube geimpft waren, sämtlich innerhalb weniger Tage an Rotlauf erkrankten, weil das Serum von einem rotlaufkranken Schwein stammte. (Hört! hört! rechts.) Meine Herren, das sind Zustände, die auf die Dauer unmöglich sind. Also in dieser Hinsicht läge eine wichtige weitere Aufgabe vor. Dann kommt aber als allerwichtigste Aufgabe die systematische Tilgung der Rtndertuberkulose hinzu. Auch in dieser Hinsicht haben wir in Pommern recht gute Erfolge gemacht mit dem sogenannten Ostertagschen Verfahren, der regelmäßigen klinischen Untersuchung der Herden. Es ist gelungen, den Prozentsatz der Rindertuberkulose in den dieser klinischen Untersuchung unterstellten Herden in drei Jahren von 2,92 Prozent auf 0,78 Prozent, also noch nicht den vierten Teil, zu ermäßigen. Und, meine Herren, das ist doch im sanitären Interesse des Volkes, im Interesse namentlich auch unserer Kinderernährung eine ungemein wichtige Sache (sehr wahr! rechts), und es sollte auch in dieser Beziehung im Anschluß an das uns jetzt bevorstehende Viehseuchengesetz das Reich mit seinen Mitteln eingreifen, um systematisch die Rindertuberkulose im ganzen Reich zu tilgen. Nun, meine Herren, das sind nur einige Beispiele für die außerordentlich großen Aufgaben, welche dem Reiche auf diesem Gebiete gestellt sind, und für welche Sie die Mittel bewilligen sollen. Ich behalte mir vor, namens meiner politischen Freunde bei der Besprechung des Etats weitere Anträge zu stellen. Und damit, meine Herren, bin ich am Ende. ...


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