... Zch Habs auch gar nichts dagegen zu erinnern, wenn Sie die sorgsamsten Maßregeln treffen, um das Impfen zu ermöglichen, aber auf das Allerentschiedenste bin ich dagegen, daß man den Eltern Zwang anthue, gegen ihre Ueberzeugung ihre Kinder impfen zu lassen, und noch mehr, daß man die Erwachsenen in dieser Weise zwinge. Es hat nun der Herr Präsident des Reichskanzler-Amtes Ahnen von der Annahme der Amendements abgerathen, weil sie in der zwölften Stunde eingebracht sind. Das scheint mir kein schlagendes Argument zu sein, das würde höchstens einen Grund dafür bieten, daß der Herr Präsident erklärt, er wäre nicht in der Lage sich darüber zu äußern, denn er habe die Sache noch nicht mit dem Bundesrathe erwägen können, aber ein Grund sie zu verwerfen, der liegt darin für uns meines Dafürhaltens durchaus nicht. Es ist dann Bezug genommen worden auf die Bestimmungen des preußischen Regulativs vom Zahre 1835, welches ewentuell eine Zwangsimpfung in Aussicht stellt, und der Herr Präsident des Reichskanzler-Amtes hat uns gesagt, gegenüber einem Gesetze, was seit nun nahezu 40 Zähren existire, möchten wir unsere Bedenken doch schwinden lassen. Es entsteht aber die Frage, wie es mit der Handhabung dieses Gesetzes aussieht. Wenn die Sache nun so liegt, daß während der 40 Zahre das Gesetz zwar in der Gesetzsammlung gestanden hat, aber trotzdem nicht zur Ausführung gekommen ist, wie dann? Zn meinem Wohnorte, der höchstens 100 Wohnhäuser zählt, war im vorigen Sommer die Blatternkrankheit in nicht weniger als 11 Häusern. ... ... Die Behörde hat Vorsorge getroffen, daß das Impfen erleichtert war, aber es ist keinem Menschen eingefallen, trotz des Regulativs von 1835, irgendwie Zwang auszuüben. Von den Einwohnern hat der Eine gesagt: ich lasse mich impfen, und ein Anderer hat wieder gesagt: fällt mir nicht ein, es hilft ja doch nichts; und so ist es meines Wissens überall, mir ist wenigstens kein Beispiel bekannt, wo eine Zwangsimpfung stattgefunden hätte; dagegen weiß ich sehr wohl, daß man von oben herunter in Beziehung auf das Impfen im Allgemeinen Reskripte erlassen hat, die möglichst daraus ausgingen, die Leute glauben zu machen, sie wären gezwungen, die Kinder impfen zu lassen, indem angeordnet wird, sie sollen ein-, zwei-, dreimal vorgeladen werden zum Zmpsen, wenn sie es aber trotzdem ablehnen, so solle man sie gehen lassen; also ein wirkliches Zwangsrecht ist in der Beziehung nicht in Anspruch genommen worden. Wenn so die Praxis sich gestellt hat, dann, meine ich, ist das der glänzendste Beleg gegen die Nothwendigkeit dieses Gesetzes, und wenn gegen die Nothwendigkeit, dann ganz gewiß auch gegen die Zweckmäßigkeit. Sie werden doch in der Vorliebe, die allerdings viele Parteien, die in diesem Hause vertreten sind, zeigen für Zwangseinrichtungen, nicht so weit gehen, daß Sie auch da, wo Sie selbst nicht eine dringende Nothwendigkeit erkennen, ...
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