... Zch erkenne vollkommen im voraus an, — Herr Thilenius braucht mir das nicht erst hernach zu beweisen, — daß ich ein Bönhase auf diesem Gebiete bin, daß ich persönlich kein wissenschaftliches Urtheil darüber habe, ob das Impfen an sich heilsam oder nicht heilsam ist. Zch trete blos dagegen auf, daß man das Geimpftwerden durch polizeilichen, staatlichen Zwang herbeiführt. Das ist mein Standpunkt, meine Herren, und ich glaube, daß dieser Standpunkt, wenn Sie unbefangen die Dinge, wie sie einmal liegen, ins Auge fassen, Ihnen als ein gerechtfertigter erscheinen muß. Meine Herren, ich will nur, wie gesagt, die Hauptmomente, welche für meine Auffassung sprechen, Ihnen vorzuführen mir erlauben. Erstens steht für mich aus allen den Mittheilungen, welche ich erhalten und möglichst genau angesehen habe, so viel fest, daß eine große Zahl von Ansteckungsfällen in Folge der Impfung vorgekommen sind. Es kann nicht bestritten werden, daß schon durch das Impfen selbst jedenfalls eine Krankheit erzeugt wird, denn die unbefangenen Aerzte, die nicht Partei genommen haben, ja sogar die Aerzte, welche für das Zwangsimpfen sind, geben zu, daß eine Krankheit eingeimpft würde, jedoch in einem sehr geringen Maße, damit nicht später einmal die Pockenkrankheit in ihrer schlimmsten Gestalt hervortritt. Daß der Mensch krankhaft affizirt wird, ja affizirt werden muß, wenn er geimpft wird, ist in der That unbestreitbar; es muß ja eine gewisse Abnormität im menschlichen Körper sich zeigen, sonst sagt man, die Impfung habe nicht angeschlagen. Das kann nicht bestritten werden. ... ... Sodann hat man weiter bei den Thieren die Erfahrung gemacht, wie das Impfen, namentlich bei den Schafen, von den allerbedenklichsten Folgen war. Man hat früher die Schafe mit Schafpockengift geimpft; es war eine allgemein verbreitete Meinung, daß solches nicht minder heilsam sei, als das Impfen der Menschen. Man ist von dieser Ansicht nicht blos zurückgekommen, sondern, wie Sie wissen, hat ein preußisches Gesetz in dieser Beziehung sogar spezielle Vorkehr gegen das Impfen mit Schafpocken getroffen. Es hat zu den bekannten Erklärungen zwischen dem Herrn Professor Virchow und anderen geführt, woraus dann wieder ein Znzedenzpunkt in dieser endlosen Zmpfdebatte sich ergab. Die Erklärung des Herrn Professor Virchow ist kurz, und ich glaube wenigstens eine noch kürzere Stelle daraus mittheilen zu können. Herr Virchow hat unter dem 4. November 1875 erklärt: Durch Impfen mit Schaspocken erzeugt man wirkliche Schafpocken, welche die Ansteckung fortsetzen. Bei Menschen impft man bekanntlich mit der Lymphe von Kuhpocken, welche nicht im gewöhnlichen Sinne anstecken und auch keine Menschenpocken hervorbringen. Im vorigen Jahrhundert freilich, — so sagt Herr Virchow: vor Einführung der Kuhpockenimpfung, impfte man auch bei Menschen vielfach mit Menschenpockenlymphe und unterhielt dadurch, wie jetzt bei den Schafpocken, die Seuche. Sie sehen, meine Herren, daß Herr Professor Virchow, der sich schließlich nicht in dem von den Zmpfgegnern erwarteten Sinne erklärte, selbst sagt: „im vorigen Jahrhundert war man der Ansicht. Nun, meine Herren, in diesem Jahrhundert ist man eben anderer Ansicht. Wer bürgt nun für das Eine, wer bürgt für das Andere? ...
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