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Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1885
Bd.: 85, 1. 1884/85
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 yb,A-85

ID: 00018455
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... aus der vorhandenen Pocke Lymphe zu nehmen und damit zu impfen, um die festgesetzte Mindestzahl zu erreichen. Es ist faktisch bewiesen, daß die eigentliche Schutzkraft der Vaccine erst nach 12 Tagen eintritt. Schon die ältesten Aerzte, namentlich Sacco, haben solche Versuche gemacht. Das virus muß sich erst im Körper entwickeln und alle Zellen durchdringen, wozu es durchschnittlich 12 Tage bedarf. Schlägt die Autorevaccination an, so würde höchstens noch ein zweiter Revisionstermin anzusetzen sein, um sich davon zu überzeugen, ob die erste Impfung wirklich nicht den gewünschten Erfolg gehabt hat. Auch in Holland ist diese Methode eingeführt. Man macht dort die Autorevaccinationen in jedem Falle, in welchem nicht 10 Blattern zur Entwickelung gelangt sind. Ich möchte diese Methode Ihrer gefälligen Erwägung recht dringend anheimstellen, um dadurch den Erfolg der Vaccination sicherzustellen. Ueber die Revaccination werden wir noch später verhandeln; die Vaccination ist unter allen Umständen mit der größten Sorgfalt durchzuführen, um für den Erfolg bürgen zu können. Nimmt man als die Mindestzahl drei Pusteln an, so befürchte ich, daß eine gewisse Lässigkeit der Jmpfärzte leicht eintreten könnte, indem man sich vorherrschend mit der Mindestzahl begnügen wird. Die Vorliebe, sich eine Sache leicht zu machen, kann dann leicht Platz greifen, namentlich dann, wenn es sich um Jmpfstationen handelt, wo viele Kinder versammelt sind. Es könnte dann leicht das ganze Jmpfgeschäft Gefahr laufen, wenn die Vaccination nicht gründlich stattfindet. Herr Dr. ...

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... Ich möchte also aus diesen Thatsachen die Schlußfolgerung ziehen, daß, da es dem Einzelnen nicht wohl möglich ist, durch einfache Impfung und Wiederimpfung, welche durch das Zmpfgesetz vorgeschrieben sind, absoluten Schutz gegen die Pocken für sich zu gewinnen, der Staat mehr oder weniger das Recht und auch die Pflicht hat, von seinen Angehörigen zu verlangen, daß sie sich impfen lassen, damit der theilweise Schutz, welchen die Impfung der Bevölkerung nur gewähren kann, durch die allgemeine Durchführung dieser Maßregel möglichst vervollständigt werde. Man hat oft gesagt, es mag ja sein, daß das Impfen ganz gut ist, aber dann möge doch derjenige, der diese Ueberzeugung hat, sich impfen lassen, nur solle man andere, welche nicht davon überzeugt sind, damit verschonen. Das ist nicht richtig. Za, wenn es so wäre, daß der Einzelne sich durch die Impfung einen absoluten Schutz für seine ganze Lebensdauer erwerben könnte, dann wäre diese Forderung berechtigt, und dann könnte es dem Belieben des Einzelnen anheimgestellt bleiben, sich impfen zu lassen oder nicht. Aber weil wir nur einen relativen Schutz erlangen können, so erwächst uns gegenüber denjenigen Personen, welche durch die Impfung noch nicht hinreichend geschützt sind, die Verpflichtung, ihren unvollkommenen Schutz dadurch zu ergänzen, daß wir ihnen eine geimpfte, d. h. möglichst pockensichere Umgebung verschaffen. Vorsitzender: Sie haben erwähnt, daß der Staat das Recht und die Pflicht habe, eine geschützte Umgebung zu verschaffen. ...
... Die Zmpffreunde setzen den Impfschutz und die Verpflichtung zum Impfen als bewiesen voraus. Ich halte dem immer wieder entgegen: Wo sind die Beweise? Wir müssen immer wieder darauf hindringen, die aktenmäßigen Nachweise herbeizuschaffen. Wir haben schon so viel Material dieser Gestalt bis jetzt beigebracht, daß man daraus die Berechtigung uns zusprechen muß, immer darauf zurückzugreifen, wie wir unsererseits es auch als eine gewisse Verpflichtung für unsere Gegner ansehen, mit uns auf das Beweismaterial einzugehen, welches in Hülle und Fülle noch unausgeschlossen in den amtlichen Urpockenlisten der Stadt- und Landgemeinden zur Verfügung liegt, so daß also das statistische Prinzip der großen Zahlen mit engbegrenzten Fehlerquellen gewahrt bleibt, und wir nicht auf Zufälligkeiten und prozentualijche Berechnungen angewiesen sind, bei denen die Prozente oft eine größere Ziffer ausmachen, als die Grundzahlen der Erkrankungen und Todesfälle. Aus dem, was bis jetzt zu Tage gekommen ist, ist erwiesen, daß es nicht die Ungeimpften sind, welche zuerst ergriffen werden und daß es wieder nicht die 168 ...

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... Was nun aber andererseits die löschenden Ursachen betrifft, die eine Begrenzung der Epidemie herbeiführen, so muß ich sagen, daß meinen Erfahrungen nach überall löschende Ursachen darin bestehen, daß die Bevölkerung den Schreck bekommt, sich impfen läßt, oder den abschließenden Zwangsmaßregeln mit größerer Theilnahme gegenübersteht, als es so lange geschieht, wie nicht eine gehörige Mortalität auftritt. Sowie diese auftritt, kommt sowohl bei Blattern wie beim Typhus und bei der Ruhr die Bevölkerung mit größerer Bereitwilligkeit den Absperrungsmaßregeln entgegen, und diese sind es, welche das Erlöschen herbeiführen, aber keinesweges ein Nachlassen der Intensität der Mikroorganismen. Wenn wir nun die Ueberzeugung haben, daß wir durch Impfung dasselbe erreichen wie durch Absperrung, so legt sie uns die Verpflichtung auf, die Impfung durchzuführen. Was die schweizerische Statistik betrifft, so möchte ich darauf keinen zu großen Werth legen. Die Schweizer huldigen in jeder Beziehung, insbesondere aber in hygienischen und statistischen Fragen, einer ausgedehnten Demokratie. Schweizerische Thatsachen werden daher stets mit gewisser Vorsicht aufzunehmen sein, denn in der Schweiz giebt jeder an, was er will. Die Zahl der Blatternfälle ist höchstwahrscheinlich in der Schweiz erheblich größer, sie wird aber sicher im Interesse der Fremdenindustrie etwas geringe angegeben. Herr Dr. Böing: Es ist ja ganz selbstverständlich, daß auch wir der Ansicht sind, daß die beste Maßregel in der Absperrung besteht. Ich halte sogar die Zsolirung der Kranken für die Hauptmaßregel, und ich weiß deshalb nicht, ob das, was der Herr Vorredner gesagt hat, etwa an meine Adresse gerichtet sein soll. (Wird verneint.) ...

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... Zch habe in den 34 Jahren, in welchen ich in Heilbronn praktizire, und ich habe eine ziemliche Klientel, noch keine Jmpflanzette angerührt, weil ich nicht schuld sein will, daß ein Kind auf diese Operation hin erkranke, und weil das Impfen gegen mein besseres Wissen und Gewissen ist. Ich stehe also in obiger Hinsicht vollkommen bei Seite. Was meine Kollegen betrifft, so sind dieselben beflissen, die Gesetze des Staates über das Impfen zu befolgen; sie impfen mit voller Gewissenhaftigkeit. Wenn nun trotzdem einzelne Pockenfälle ins Badische eingeschleppt worden sind und dort keine weitere Ausdehnung fanden, so möchte ich das auch nicht der besseren Impfung im Badischen zuschreiben, sondern einer ganz anderen Ursache. Meine Herren, es giebt also zweierlei Wege der Verbreitung, einmal den Transport und dann die tellurischen Verhältnisse, welche den Boden zur Germination der Zmpfpilze, oder wie Sie den Stoff nennen wollen, geeignet machen. Von Heilbronn nach Sontheim, Neckar aufwärts, ist es ungefähr eine halbe Meile oder V4 Stunden weit; von Heilbronn nach Neckarsulm, Neckar abwärts, ist es eine Stunde weit. Dort ist ebenfalls trotz eines gleich fleißigen Verkehrs mit Heilbronn keine Pockenerkrankung, so viel ich weiß, vorgekommen. Also nicht blos im Badischen fand keine Verbreitung statt, sondern ...

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... Das Impfen ist nicht schuld daran. Ich will es Ihnen sagen: Heilbronn liegt in einer Mulde der Trias; in diese Triasmulde wurde hauptsächlich das Geröll vom Aura hineingeschwemmt, und über diesem Gerölle liegt die Diluvialschicht des Lehms. Diese Lehmschicht ist aber in Heilbronn gerade da, wo die Stadt steht, am dünnsten; das Geröll mit seiner Feuchtigkeit bildet also die Nächstliegende geologische Schicht. Wir haben in Heilbronn die Choleraepidemie, und zwar in sehr intensiver Weise, gehabt, glücklicherweise aber nur von sehr kurzer Dauer, und die Pocken haben die Stadttheile am meisten heimgesucht, welche auch von der Cholera befallen wurden. Ich schreibe nun diesen geologischen Verhältnissen die Ursache zu, warum Heilbronn das Zentrum, die Hauptbrutstätte der Pockenepidemie bildete. Zn das Badische wurden einige Fälle hineingeschleppt. Die Lebensweise der badischen Bevölkerung ist allerdings dieselbe wie im Württembergischen; allein von der württembergischen Grenze ab erhebt sich das Diluvium in einer viel größeren Schicht, und wir haben auch bei der Choleraepidemie gesehen, daß von dem Anstiege des diluvialen Lehmes die Cholera abnahm, wie auch die Pockenepidemie. Wir können also nicht annehmen, daß nur Mangel an Verbreitungsstoff schuld sei, daß die Pockenepidemie sich nicht weiter ausdehnte, sondern es sind ganz andere, tellurische, Ursachen gewesen, welche die Pocken in Heilbronn so lange fixirten. Diese Ursachen finden wir aber im Badischen nicht. Zch habe mich vielleicht nicht vollständig ausgesprochen, weil es mir als einem schlechten Redner bisweilen so geht, wie Gemeinderäthen, denen der beste Gedanke dann kommt, wenn sie vom Rathhause weg sind. Herr Dr. ...

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... Dann hat Herr Geheimrath Koch gesagt, die Ursache des Erlöschens der Epidemie läge zum Theile mit daran, daß, wenn die Pocken wieder auftreten, die Furcht der Bevölkerung eine so große wäre, daß sie in hellen Haufen sich impfen ließe. Nun, es läßt sich nicht leugnen, daß die Pocken, wenn sie einbrechen, eine kolossale Furcht verursachen; es giebt aber doch trotzdem einzelne Ausnahmen davon. Z. B. in Essen bei der Epidemie im Jahre 1881 kann ich Ihnen ziffernmäßig nach den amtlichen Zmpflisten nachweisen, daß, obgleich die Epidemie eine sehr starke war, trotzdem die Zunahme der Zmpsrenitenten bis zum Jahre 1882 eine stetige blieb; die Zahl stieg vom Jahre 1875 bis zum Jahre 1882 von 9,g Prozent auf 28,2 Prozent. Trotzdem aber erlosch die Epidemie. Das ist doch jedenfalls ein positiver Beweis, daß nicht alle Bevölkerungen der Furcht so zugängig sind. Nun erinnere ich ferner daran, daß Essen eine kolossale Proletariatbevölkerung hat. Die großen Fabriken von Krupp haben eine ungeheure Masse von Arbeitern, — das geht in das Zehntausende hinein. Die Leute wohnen zum Theil außerordentlich schlecht, in engen Räumen, genau so eine Fabrikbevölkerung, wie der Herr Geheimrath es eben geschildert hat, in engen Räumen, in Miethskasernen. In Essen wurde konstatirt, daß die Pocken eingeschleppt sind von einem Holländer, der dort in einem Hause gewohnt und einen Arbeiter angesteckt hat; dieser hat dann die Krankheit unter seinen Mitarbeitern und in die schlecht situirte Bevölkerung getragen. ...

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... Zch bin durchaus nicht dagegen, daß beim Eintreten einer Epidemie eine Impfung erfolgt; was ich an meinem Orte thun würde, wäre das: ich würde den Kranken sofort isoliren und eine Aufforderung an die Bevölkerung richten, sich impfen zu lassen; denn ich glaube allerdings, daß durch die Impfung ein relativer Schutz für kurze Zeit gewährt wird, und ich halte die Impfung dann für einen Nothbehelf, auf den wir rekurriren können. Aber ich kann mich nicht für berechtigt halten, die Bevölkerung durch ein Zwangsgesetz zu einer Maßregel anzuhalten, welche sie vor einer vielleicht erst nach 5 oder 10 Zähren oder auch gar nicht eintretenden Gefahr in relativer Weise schützen soll. Herr Dr. Großheim: Meine Herren, es sei nur mit wenigen Worten erwähnt, daß Absperrungsmaßregeln, von welchen sich Herr Dr. Böing so großen Erfolg verspricht, gerade im Zahre 1820 vom Generalstabsärzte der Armee empfohlen sind und daß dieselben mit aller Strenge durchgeführt wurden, so gut die militärischen Verhältnisse es gestatteten; nichtsdestoweniger führte das zu dem Resultate, daß man trotz der allerintensivsten Absperrungsmaßregeln, trotz der minutiösesten Vorschriften darüber, in welcher Weise man die Kranken absperren sollte, welche Anzüge die Aerzte anlegen sollten, wie viele Aerzte zu den Kranken gehen dürften u. s. w., doch die Truppen vor den Pockenerkrankungen nicht schützen konnte. Gerade das ist der Grund gewesen, weshalb sich die Armee damals dafür entschied, mit einer Impfung der Rekruten energisch vorzugehen. ...
... Meine Herren, daß dem so ist, daß in der That das Impfen oder Nichtimpfen in der Bevölkerung wesentlich auch Einfluß hat auf die Erkrankung in der Armee, das geht z. B. aus der Statistik, die für die österreichische Armee vorhanden ist, verglichen mit der Statistik der dortigen Zivilbevölkerung, unzweifelhaft hervor. Zch will Sie mit den einzelnen Zahlen nicht aufhalten und nur als Beleg dafür, daß der Erfolg der Impfung seit dem Zahre 1875 in Preußen ein ganz erheblicher ist, anführen, daß in dem achtjährigen Zeiträume von 1875 bis 1882 Paris 5 735 Pockentodte bei einer Einwohnerzahl von etwa 2 Millionen hatte, mithin mehr als das ganze Königreich Preußen, in welchem der Blatternverlust sich bei Aktenstücke zu den Verhandlungen des Reichstages 1884/85. 1348 einer Bevölkerungszahl von etwa 26^ Millionen auf nur 5 055 Köpfe belief. Zch glaube, daß das wesentlich dem Einflüsse der Impfung zuzuschreiben ist, und enthalte mich weiterer Ausführungen mit Bezugnahme auf das, was ich früher schon gesagt habe. Herr Dr. von Koch: Zch hätte über die Heilbronner Pockenepidemie zunächst nichts erwähnt, weil die Zusammenstellungen über diese Epidemie, soweit sie Württemberg betreffen, noch nicht vollendet sind — die Epidemie hat sich nämlich in einzelnen Ausläufern bis in die letzten Monate hineingezogen —; nachdem aber auf diesen Fall von dem Herrn Medizinalrathe Arnsperger exemplestzirt worden ist und über die Art der Ausbreitung und Festhaltung der Pocken in Heilbronn von Herrn vr. Betz besondere Lokaltheorien aufgestellt worden sind, will ich wenigstens das sagen, was mir amtlich bis dahin bekannt geworden ist. Herr Dr. ...

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... Jedenfalls müssen wir uns darüber ganz klar aussprechen, daß die Krankheit, die wir durch das Impfen erzeugen, an sich eine ganz ungefährliche Sache und nie mit einer Gefahr verbunden ist. Herr Dr. Böing: Meine Herren, ich muß darauf erwidern, daß ich auch die ganz einfache Impfung unter Umständen mit Gefahren verbunden halte, ohne daß — wenigstens nachweislich — eine spätere Infektion oder Sonstiges dazu kommt. Ich habe mir die Mühe gegeben, bei vielen meiner Impflinge die Temperatur am fünften, sechsten und siebenten Tage zu messen, und habe, trotzdem keine excessive Randröthe vorhanden war, die man als Erysipelas bezeichnen könnte, Temperaturen von 40o 0. und darüber konstatirt. Ich glaube doch, daß man das als eine ziemlich bedeutende Erkrankung des kindlichen Organismus bezeichnen kann. Es kommt hinzu, daß ziemlich allgemein konstatirt ist, daß diese Operation, wenn sie auch in ihrem Verlaufe nicht zu einem ungünstigen Ausgange führt, trotzdem der Organismus des Kindes in einem ganz bedeutenden Grade schwächt, so daß auch ohne Entstehung einer Krankheit ein Schaden erwächst; die Widerstandskraft des Kindes gegen andere Krankheiten wird entschieden vermindert. Ich würde, wenn unsere Berathungen blos für Aerzte bestimmt wären, gegen die Fassung des Herrn Geheimrathes Dr. Koch nichts einzuwenden haben; weil es sich aber darum handelt, über diesen Punkt auch im Publikum Klarheit zu verbreiten, deshalb beantrage ich meine Fassung. Herr vr. von Kerschensteiner: Gerade das, was Herr Dr. Böing zuletzt gesagt hat, würde mich bestimmen, für die Fassung des Herrn Geheimrathes Dr. ...

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... Ich habe sogar schon zwei Todesfälle unter meinen Klienten gehabt, welche ich einzig und allein dem Impfen zuschreiben mußte. Das eine Kind bekam einen wandernden Rothlauf, der ging von den Impfstellen bis in die Fingerspitzen, verbreitete sich zuletzt auf dem Thorax und führte so den tödtlichen Erfolg herbei; das andere Kind hatte mehrere Monate lang eine unheilbare Hautkrankheit, bis endlich eine tödtliche Infektion des Blutes entstand. Wenn wir also solche Zmpfschädigungen nicht leugnen können, und wenn wir Zmpfgegner trotzdem den Beweis liefern sollen, daß das Impfen an denselben schuld sei, dann kehren wir den Stiel um und sagen: beweisen Sie uns, daß das Impfen vor Pocken schützt! Es ist das ganz derselbe Standpunkt. Herr Dr. Meißner: Meine Herren, es kommen ja nach der Impfung allerhand Krankheiten vor, und bezüglich einiger davon sind wir ja alle einverstanden, daß sie übertragen werden. Aber wenn man diejenigen ausscheidet, die nicht durch Uebertragung, sondern aus anderen Gründen zu Stande kommen, so bleiben übertragbare nicht sehr viele übrig. Ich glaube, es giebt wohl keine leichte Verletzung, die so malträtirt wird von den Angehörigen, wie die Impfstellen. Die Jmpfmütter legen vor allen Dingen, wenn sie bei der Nachschau gewesen sind, dem Impflinge als Universalmittel einen Lappen mit ranziger Butter auf die Impfstelle, — und was nachher daraus wird, das misten die Götter. Zch habe auch schon Ekzeme gesehen, die erkennbar von den Impfstellen ausgingen; aber da konnte man auch sehen, wie das Kind mit der Impfstelle umgegangen war. Man hatte es nicht gehindert, darauf zu kratzen u. s. w. ...
... Wenn die Blattern angezeigt werden wüsten und der Zmpfarzt mit der Anwendung der gewonnenen Lymphe 14 Tage wartet, dann muß er misten, ob das Kind die Blattern bekommen hat, oder ob er weiter impfen kann. Zch möchte noch anführen, daß vor 30 Jahren es einem Zmpfarzte passirte, daß er von einem 17jährigen noch nicht geimpften Mädchen abgeimpft hat, welches 1 oder 2 Tage nachher sehr bedeutende Blattern bekommen hat; damals ist kein Blatternstoff auf die anderen Impflinge übertragen worden. Aber es mag ja vorkommen, das ist kein Zweifel. Herr vr. Eulenberg: Zch muß auf die Beobachtung, die zu Oedt im Kreise Kempen gemacht worden ist, zurückkommen. Herr Dr. Böing glaubte, daß in diesem Falle die Variola mit der Vaccine übertragen worden sei. Zch kann Ahnen, meine Herren, positiv versichern, daß der verstorbene vr. Blümlein, von welchem diese Mittheilung herrührt, von einer ganz falschen Auffassung ausgegangen ist. Bei einer schon begonnenen Pockenepidemie hat er Kinder geimpft, die schon sicher mit dem Pockenkontagium behaftet waren. Wer sich näher hierüber belehren und den Fall noch weiter verfolgen will, den verweise ich auf die Abhandlung von Professor Strahl in Straßburg, die in der Vierteljahrsschrift für gerichtliche Medizin erschienen ist, wo die Gegengründe ausführlich dargelegt sind. Zn meiner eigenen Praxis habe ich gerade nicht selten beobachtet, daß bei vaccinirten Kindern mit der Entwickelung der Schutzpocken auch die Variola auftritt, weil bei der herrschenden Pockenepidemie die betreffenden Kinder das Pockenkontagium bereits aufgenommen hatten. Dr. ...

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... Weber mitgetheilten Statistik aus dem ersten Lebensjahre als tödtlich endende angeführt hat, mit dem Impfen zusammenhängen; denn bei den vielfachen Bemühungen gerade in England, über die Nützlichkeit der Impfung Gewißheit zu erlangen, würde doch eine solche enorme Zahl von Syphilistodesfällen, wenn dieselben auf die Impfung zurückzuführen wären, nicht unbemerkt und ungerügt geblieben sein; mir ist aber überhaupt noch nicht ein einziger bewiesener Fall bekannt, in welchem die Jmpfsyphilis zum Tode geführt hätte. Herr Dr. Weber: Ich beziehe mich auf meine ausdrückliche Erklärung, daß zur Entstehung und Vermehrung der Syphilisfälle und der Syphilistodesfälle im ersten Lebensjahre noch eine Reihe anderer Momente mit Platz greift. Bei der Skrophulosis jedoch liegt die Sache etwas anders, insofern als gerade durch die Impfung, sei es die direkte übertragene Ursache oder durch ihre Wirkung auf das Lymphgefäßsystem, der erste Anstoß zur Entwickelung der Skrophulosis gegeben werden kann. Was im Uebrigen die ärztliche Konstatirung der Vaccination als Ursache von Todesfällen betrifft, und zwar sowohl beim Jmpfrothlauf wie bei der Skrophulose und bei der Syphilis, so weise ich auch hier wieder darauf hin, daß die Anforderungen, welche man an den Zusammenhang zwischen solcher Todesursache und dem Tode selbst gestellt hat, immer außergewöhnlich rigorös von den impffreundlichen Aerzten Eng- ...

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... Wenn man den Zmpfärzten die Möglichkeit nehmen will, von den zur Abimpfung geeignet befundenen Kindern, die sich in einem öffentlichen Impftermine impfen lassen, die Lymphe zu entnehmen, so würde man ihnen allerdings das beste Mittel nehmen, unverdächtige Lymphe zur Verwendung zu bringen. Nun kann man ja allerdings sagen, daß die Gewissenhaftigkeit der Aerzte nicht immer eine so große sei, daß nicht auch hie und da einmal ein Versehen vorkommen könnte, und die aufgeführten Zmpfsyhilisfälle geben ja in der That den Beweis dafür, daß diese den Menschen anhaftende Unvollkommenheit zur Uebertragung solcher Krankheiten wiederholt geführt hat. Das kann und will ich natürlich nicht bestreiten. Zch möchte aber dem gegenüber doch auch angeführt haben, daß wenigstens theoretisch die Impfung mit animaler Lymphe auch nicht von dem Verdachte freigesprochen werden kann, unter besonderen Umständen Syphilis weiter zu verbreiten. Zch nehme an, daß die Syphilis den Thieren nicht anhaftet, ich hege gegen diese Beobachtung nicht den geringsten Zweifel. Zch frage Sie aber, wenn Sie das Experiment anstellen wollten, die wundgemachte Bauchhaut ^ eines Kalbes mit der Lymphe eines notorisch syphilitischen Kindes zu imprägniren und wenn Sie dann nach 4 Tagen den abgeschabten Pockenboden mit den daran haftenden Gewebs- und Bluttheilen zur Weiterimpfung verwenden wollten, hätten Sie dann wohl die Gewißheit, daß das vorher in der Vaccine enthaltene Syphilisgift mittlerweile zerstört oder unschädlich geworden sei? Zch glaube, man wird immer noch einen Zweifel daran hegen können. ...

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... Das ist allerdings recht gut nachträglich gesagt; aber wir haben es doch nicht immer mit Idealen von Zmpfärzten zu thun, sondern unter der großen Zahl derselben wird doch immer einer oder der andere sein, der vielleicht im Drange des Geschäftes es an der äußersten Vorsicht fehlen läßt, und so lange wir mit humanisirter Lymphe impfen, können wir unmöglich sagen, daß unter allen Umständen die Gefahr der Syphilis ausgeschlossen ist. Wenn im Großherzogthume Weimar derartige Fälle noch nicht vorgekommen sind, so ist das sehr erfreulich; aber wie Herr Geheimrath von Conta gesagt hat, liegen dort die Jmpfoerhältnisse auch äußerst günstig, es sind da kleine Zmpfbezirke und vermuthlich auch sehr tüchtige Zmpf-ärzte. Je größer aber die Kreise sind und je größere Anforderungen an den Zmpfarzt herantreten, desto größer wird auch die Gefahr werden, daß die Syphilis bei einem Stammimpflinge übersehen wird. Die Gefahr der Zmpfsyphilis besteht also unbestreitbar bei der Impfung mit humanisirter Lymphe, und wir können diese Gefahr unter allen Umständen durch die Impfung mit animaler Lymphe vermeiden. Herr Geheimrath von Conta hat allerdings gesagt, wenn Lymphe von einem mit Syphilis behafteten Kinde auf ein Kalb verimpft werde, dann sei es möglich, daß nach 4 bis 5 Tagen bei der Abimpfung doch noch das unveränderte Syphilisgift auf das Kind übertragen werden könne. ...

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... Warum soll es also nicht einmal ausführbar sein, ein Kalb antiseptisch zu impfen? Auch die übrigen Bedenken, welche man bisher gegen die animale Lymphe vorgebracht hat, hat Herr Geheimrath von Conta sorgfältig gesammelt, und sie uns hier gleich in ihrer Gesammtheit vorgetragen. Ich bin ihm dafür sehr dankbar, weil er mich dadurch in den Stand gesetzt hat, alle diese Einwände einzeln zu beantworten. Es gehört dazu die Frage von der Übertragung der Tuberkulose. Ich bemerke beiläufig, daß alle diese Einwände schon in der Denkschrift über die Einführung der animalen Impfung bereits besprochen sind, und daß ich manches wiederholen muß, was dort bereits gesagt ist. Die Gegner der animalen Impfung stellen die Behauptung auf, daß bei der Impfung mit Humanisirter Lymphe die Gefahr der Uebertragung des Tuberkelgiftes viel geringer fein soll, als bei der Impfung mit animaler Lymphe, denn man verimpfe in der humanisirten Lymphe eine außerordentlich reine Flüssigkeit, die, wie Herr Geheimrath von Conta sagt, fast kein Blut mehr enthalten soll; früher wurde immer gesagt: die humanisirts Lymphe enthalte überhaupt kein Blut. Nun braucht man aber solche Lymphe nur unter das Mikroskop zu bringen, so sieht man, daß jede humanisirte Lymphe Blut enthält. Ob ihr viel oder wenig Blutkörperchen beigemischt sind, ist für diese Frage ganz gleichgültig; sie enthält stets Blutbestandtheile. Zn diesem Blute kann aber, weil die Tuberkelbacillen nicht selten auch in die Blutgefäße dringen und sich dem Blute beimischen, unter Umständen der Znfektionsstoff der Tuberkulose enthalten sein. ...

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... Ich möchte aber glauben, daß wir mit der animalen Lymphe allein in der Armee nicht auskommen werden, und zwar namentlich dann nicht, wenn wir etwa in Kriegszeiten Veranlassung haben sollten, auf dem Kriegsschauplätze selbst impfen zu müssen. Ob wir da ganz ...

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... 1369 und^gar davon werden absehen können, von Arm zu Arm zu impfen, wenn wir erst einmal eine Anzahl von Rekruten oder Ersatzmannschaften angeimpst haben, ist sehr zweifelhaft. Deshalb möchte ich vorschlagen, daß die Fassung in Passus 1: „so hat die Impfung mit animaler Lymphe an Stelle der mit humanisirter Lymphe zu treten,die kleine Modifikation erfährt,welche von bayerischer Seite beantragt wurde, oder es könnten vielleicht die Worte: „kann — treten in dieser modifizirten Fassung ersetzt werden durch die Worte: „empfiehlt es sich — treten zu lassen. Es scheint mir das um so mehr erforderlich, als in dem vierten Satze auf dieser Seite steht: sobald der Bedarf an animaler Lymphe gesichert ist, wird die Impfung mit animaler Lymphe für den betreffenden Bezirk obligatorisch. Darin scheint mir doch zu liegen, daß beabsichtigt wird, später die animale Lymphe obligatorisch einzuführen, und wie gesagt, bei der Armee könnten doch einige Schwierigkeiten in dieser Beziehung entstehen. Herr Dr. von Koch: Ich glaube auch, daß die Impfung mit animaler Lymphe diejenige ist, welche in der Zukunft die Herrschaft behaupten wird, und daß wir alles thun müssen, um die möglichste Vervollkommnung soweit herbeizuführen, daß sie zum allgemeinen Gebrauche verwandt werden kann. Daß bei der animalen Lymphe durch das Schlachten der Thiere vor der Benutzung bei Menschen die schlimmsten Gefahren beseitigt werden können, ist von zu großem Belang, als daß man nicht darnach streben sollte, die Impfung mit animaler Lymphe mit der Zeit allgemein einzuführen. In Württemberg ist übrigens noch nie ein Fall von Zmpfsyphilis konstatirt worden. Nur die soeben von Herrn Dr. ...
... Mit der obligatorischen Einführung würde ja die Impfung mit humanisirter Lymphe ausgeschlossen; und gegenwärtig wenigstens kommt es noch vielfach vor, daß Leute, die mit der Impfung durch animale Lymphe eine schlechte Erfahrung gemacht haben, ihre Kinder nur mit guter humanisirter Lymphe impfen lassen wollen. Andererseits steht, so lange noch, wenigstens theilroeise und verhältnißmäßig ziemlich häufig, unvollständige Erfolge mit der Impfung durch animale Lymphe erzielt werden, entschieden die Befürchtung nahe, daß allmälig die Bevölkerung nicht mehr hinlänglich geschützt wäre, und damit der Segen der Vaccination durch vorschnelle obligatorische Einführung der Impfung mit animaler Lymphe geradezu in Frage gestellt würde. Herr Dr. von Kerschensteiner: Die Gründe, welche mich zur Abänderung der Ziffer 1, welche zur Berathung vorliegt, gebracht haben, sind folgende: Herr Geheiinrath Koch hat, wenn ich ihn recht verstanden habe, die Sache so aufgefaßt, daß die Impfung mit 172 ...

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... Also, meine Herren, wenn das bei uns Rechtens ist, dann ist es sehr leicht möglich, daß die Zmpfärzte, die mit humanisirter Lympfe impfen wollen, völlig kalt gestellt werden; denn sobald sich die Mütter weigern, ihre Kinder herzugeben, so sitzen die Zmpfärzte auf dem Trockenen. Es ist also unbedingt nöthig, daß auch nach dieser Richtung eine Aenderung getroffen wird. Ich kann persönlich hinzufügen, daß ich auf die allergrößten Schwierigkeiten stoße, wenn ich Lymphe von Kindem entnehmen will; gerade bei Kindern, die ich gern verwenden will, sagt die Mutter: „Ich thue es absolut nicht, so daß ich mitunter nur gegen eine ganz bedeutende Entschädigung zum Ziele gelangen konnte. Gerade auch aus diesem Grunde halte ich es für außerordentlich zweckmäßig, daß wir dazu übergehen, die Impfung mit animaler Lymphe allgemein zu machen, und ich trete deshalb entschieden für den Antrag Koch ein. Wenn in demselben steht: „so hat die Impfung mit animaler Lymphe an die Stelle derjenigen mit humanisirter Lymphe zu treten, — so heißt das meines Erachtens durchaus nicht, daß das nun eine direkte, unmittelbar obligatorische Einführung sein soll. Das geht ja auch aus dem folgenden Paragraphen hervor. Es würde ja zum Beispiel gar nicht heißen können: „so lange die Lympheproduktion der Anstalt den Bedarf des ihr zugewiesenen Bezirkes nicht deckt, bleibt die Impfung mit animaler Lymphe nur fakultativ. Es sind außerdem noch mehrere Ausnahmen festgestellt, die gar nicht gemacht werden könnten bei der Auslegung, die Impfung mit animaler Lymphe solle jetzt direkt obligatorisch gemacht werden. ...

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... Diese Bedenken jedoch waren mir vollständig verschwindend gegenüber der Thatsache, daß die Zmpfung mit animaler Lymphe ein Entstehen der Syphilis ausschließt, daß wir in Baden bei sorgfältiger Ausführung nie unter 94 Prozent des Erfolges gefunden haben, daß auch die kleinen Pusteln, die allerdings bei der Zmpfung mit animaler Lymphe viel kleiner sind, als bei der Zmpfung mit humanisirter Lymphe, ein durchaus wirksames Vaccinegift enthalten — gerade von diesen kleinen Pusteln aus läßt sich mit Erfolg weiter impfen —, daß aber dann durch diese Zmpfung nach meiner Ueberzeugung — ich muß da Herrn von Conta widersprechen — die Uebertragung von spezifisch menschlichen Krankheitsstoffen oder Krankheilsorganismen eigentlich ebenfalls ausgeschlossen ist. Zch halte das Erysipelgift für ein spezifisch menschliches Krankheitsgift und glaube, daß eine Uebertragung desselben durch einen animalischen Impfstoff nicht möglich ist; wo dieselbe dennoch erfolgt ist, glaube ich, ist sie unbedingt auf unreine Instrumente oder auf unreines Verfahren bei der Zmpfung zurückzuführen. Diesem Gesichtspunkte gegenüber halte ich eben dafür, daß die Impfung mit animaler Lymphe in der That das Zdeal ist, welches wir anstieben müssen; und wenn Herr vr. von Kerschensteiner den Antrag stellt, es solle es jeder machen können, wie er wolle, so muß ich sagen: wenn einmal der Staat die Zwangsimpfung einführt, dann ist von keinem „machen, wie er will, die Rede; man muß sich also impfen lassen, kann also auch verlangen, daß der Stoff so gut wie möglich sei. ...
... Animal impfen wir, wenigstens einige Male im Zahre, bereits seit 50 Zähren. Wir haben die Bestimmung, daß aller Impfstoff, der hinausgegeben wird, zuerst ein- oder zweimal durch das Thier gehen muß; größere Versuche aber über Impfung mit animaler Lymphe wurden gemacht im Zahre 1879. Es liegen mir hier Berichte in mehreren Exemplaren vor, und ich bitte die Herren, die sich dafür interessiren, sie sich von mir geben zu lassen. Damals wurde das so gemacht: jeder öffentliche Zmpfarzt bekam aus der Zentralimpfanstalt ein Gläschen humanisirten Stoff und ein Gläschen direkt von einem Kalbe entnommenen, und zwar letzteren unmittelbar nach der Abnahme vom Thiere; er war gehalten, diesen Impfstoff sofort auf Kinder zu verimpsen und wo möglich in der Weise, daß er auf dem einen Arme mit humanisirtem, auf dem anderen mit animalem Impfstoffe impfte. Die Herren sind dem nachgekommen; es haben aber nur 174 davon Berichte erstattet. Dieselben haben 695 Kinder geimpft, davon 495 ohne Erfolg und 200 mit Erfolg. Sie sehen, wir Bayern stimmen mit dem, was wir vorhin gehört haben, insbesondere aus den ausgezeichneten Berichten über Weimar und Württemberg, vollkommen überein, daß wir im Anfange ganz miserable Erfolge hatten. Später aber, wo die Technik vervollkommnet wurde, waren die Erfolge bessere; während wir früher 71 Prozent Fehlimpfungen mit animalischem Stoffe hatten, haben wir jetzt nur 9 Prozent. ...

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... Wir impfen doch nicht deswegen, damit der Mensch geimpft ist, sondern deswegen, damit der Mensch möglichst vor den Blattern geschützt ist. Was die Uebertragung von Syphilis anbelangt, und was etwa das zufällige Erysipelas angeht, so kann das hier dem Zmpfarzte ziemlich gleichgültig sein. Ein Erysipel kann auch kommen auf einen Nadelstich. Aber so viel geht jedenfalls hervor, daß, wie diese Versuche gegenwärtig sind, wir durch animale Lymphe einen so sicheren Schutz noch nicht erzielen können, als durch Impfung von Arm zu Arm. Aber wir müssen darauf hinarbeiten, daß bei den großen Vortheilen, welche die Impfung mit animaler Lymphe ja in der That besitzt, sie vervollkommnet werde, und daß wir dann später auftreten können und sagen: nun ist das Richtige gefunden. Dazu gehören aber, wie auch Herr Geheimrath Dr. Koch sagt, vor Allem noch weitere Versuche. Gegenwärtig mit einer Zwangsimpfung bezüglich der animalen Lymphe vorzugehen, dafür wäre ich niemals, weil wir noch nicht so weit sind; aber Institute gründen, die Versuche fortsetzen, das ist unsere gegenwärtige Aufgabe, und ich glaube, der Antrag, wie er hier steht, hat ja auch zunächst nur dies im Sinne. Herr Dr. Siegel: Meine Herren, der Uebergang von der früheren ausschließlichen Verwendung der humanisirten Lymphe zu der künftigen ausschließlichen Verwendung der animalen Lymphe vollzieht sich unter unseren Augen, wie ganz prägnant aus den uns vorgelegten Karten hervorgeht. Wir in Sachsen haben 1878 2 Prozent aller Erstimpfungen, sowohl der öffentlichen wie der privaten, mit animaler Lymphe gehabt, und im vorigen Zahre hatten wir 33 Prozent. ...
... ein schärferes Auge auf die Privatimpfinstitute zu haben, die des Gelderwerbes wegen impfen und nicht selten eine recht miserable Lymphe herausgeben. Wie die Frage jetzt liegt, und da uns, wie Herr Geheimrath Koch mitgetheilt hat, in den ZK. 2, 3 und 4 Abänderungen in Aussicht gestellt sind, die die Bedenken gegen den imperativen Ausdruck „bat abschwächen, so werde auch ich dem unveränderten Kochschen Antrage zustimmen und möchte empfehlen, daß wir eine möglichste Stimmeneinheit im Interesse der Sache auf diesen ersten Punkt vereinigen. Herr Dr. Vöing: Meine Herren, ich habe zunächst auf das zu antworten, was mir von Herrn Reißner und Herrn Eulenberg in Bezug auf die Zmpfinstitute bemerkt worden ist. Zch habe mich ja selbst sofort rektifizirt, nachdem ich den Ausdruck gebraucht hatte und habe speziell auf Köln hingewiesen. Es würde Unrecht sein, wenn ich ihn auch auf die außerpreußischen Institute ausdehnen wollte, denn darüber habe ich keine persönlichen Erfahrungen. Aber in Bezug auf Köln muß ich bemerken, daß es nach den Aeußerungen des Herrn Geheimrathes Eulenberg selbst schon ziemlich stark ist, wenn die Hälfte aller Aerzte, wie er selbst sagt, sich zu Beschwerden veranlaßt sieht. Dann muß doch etwas daran sein. Außerdem habe ich diese schlimmen Erfahrungen selbst, wenn auch vor längerer Zeit gemacht; einmal habe ich Lymphe bekommen, die völlig unwirksam war. Ein Zahr darauf passirte das meinem Bruder ebenfalls. ...

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... Zch glaube, daß auch Herr Geheimrath Koch „im Allgemeinen so verstehen will: zum großen Theile der Bevölkerung; während „obligatorisch heißt: man hat die Pflicht, in der Weise zu impfen, und es ist verboten, auf an^re Weise zu impfen. Herr Dr. von Conta: Zch würde meinen, es wäre dann zweckmäßiger, zu sagen: „Die Einführung der Impfung mit animaler Lymphe ist möglichst zu befördern, denn wenn einmal erst die Bestimmung hinsichtlich der animalen Lymphe in der vorgeschlagenen Fassung angenommen ist, dann glaube ich auch, daß man diese dahin auslegen könnte, daß im Laufe der Zeit die Impfung mit animaler Lymphe obligatorisch gemacht werden müßte. Wollen Sie nun solche Bedeutung ausschließen, dann, meine Herren, glaube ich, müssen Sie den ersten Theil der Ziffer 2 anders fassen. Herr Dr. Arnsperger: Wir müssen auch anerkennen, daß wir in die Lage kommen, unter Umständen bei dem vielseitigen und außerordentlichen Bedarf oder auch in Feindesland humanisirte Lymphe verwenden zu können. Wenn wir sagen: „obligatorisch — dann müssen wir doch sagen: „sie muß verwendet werden. Selbst der Herr Kollege Meißner aus Darmstadt, wo so vieles für die animale Lymphe geschieht, muß zugestehen, daß er zu Zeiten der Noth gezwungen war, auf die humanisirte Lymphe zurückzugreifen. Herr Dr. von Koch: Zch anerkenne auch einen Unterschied zwischen dem Worte „allgemeine Einführung und „obligatorische Einführung. Nur an dem letzteren Ausdrucke habe ich von Anfang an Anstoß genommen. ...
... Meißner: Dem Herrn Kollegen Arnsperger möchte ich erwidern, daß unser Institut allerdings im Anfange, als es mit Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, Kinderlymphe von auswärts bezogen hat, um Kälber damit zu impfen; aber seitdem wir in geregeltem Betriebe sind, seit über zwei Zähren, sind wir nicht in der Lage gewesen, noch solche Lymphe zu requiriren. Wenn Herr Dr. Eulenberg sagt, daß die in Preußen bestehenden Institute seiner Ansicht nach genügen, so wird dies doch wohl nur der Zahl nach sein, denn was die Produktion derjenigen Institute betrifft, die Kälberlymphe züchten, so ist sie entschieden nicht genügend. Zch bekomme häufig aus Preußen von den Vorstehern des Impfwesens ganzer Kreise Anfragen, ob unser Institut nicht in der Lage wäre, dorthin animale Lymphe für den ganzen Umfang der öffentlichen Impfung zu liefern. Herr Geheimrath Dr. Koch: Meine Herren, der von mir formulirte Antrag schließt ja durchaus nicht aus, daß man in Zukunft im Nothfalle und unter ganz besonderen Verhältnissen noch mit humanisirter Lymphe impfen kann. Zch habe ja schon darauf hingewiesen, daß der von mir in Vorschlag gebrachte Wortlaut derjenige ist, welcher am ehesten von allen angenommen werden kann; er präjudizirt durchaus nichts; es ist damit keineswegs ausgesprochen, daß die Impfung mit humanisirter Lymphe vollständig verbannt werden soll. Herr vr. Eulenberg: Ich wollte dem Herrn Kollegen Reißner blos erwidern, daß er mich mißverstanden hat. Ich ...

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... Betz: Meine Herren, wenn ich auch meine Klienten nicht vor dem Impfen schützen kann, so muß ich doch dafür sorgen, daß sich nicht weitere gefährliche Momente beim Impfen hinzugesellen. Ich habe daher den Absatz g freudig begrüßt, und bitte, denselben vsrstotenus anzunehmen. Abstimmung. Die Einleitung des Absatzes, welcher die Ziffer 3 erhält, wird anstandslos genehmigt. Bezüglich des Alinea s. wird der Antrag des Herrn vr. Siegel, dasselbe zu streichen, mit 10 gegen 3 Stimmen angenommen (2 enthalten sich). Alinea b wird mit 13 gegen 1 Stimme angenommen (1 enthält sich). Alinea o wird nach dem Antrage des Herrn vr. Koch gestrichen. Alinea ä wird mit 12 gegen 1 Stimme angenommen (2 enthalten sich). Alinea s wird nach dem Antrage des Herrn vr. Koch gestrichen. Alinea k wird mit 11 gegen 2 Stimmen angenommen (2 enthalten sich). Von Alinea g wird der erste Theil bis zum Worte „und mit 12 gegen 2 Stimmen (1 enthält sich) angenommen, der zweite Theil nach dem Antrage Koch mit 11 gegen 2 Stimmen (2 enthalten sich) abgelehnt. Alinea st wird gegen den Antrag Krieger, den Passus zu streichen, mit 8 gegen 5 Stimmen (2 enthalten sich) beibehalten und nach dem Antrage vr. Koch einstimmig (1 enthält sich) abgeändert, wonach der Schluß lautet: „werden durch eine Kommission von Sachverständigen spezielle Instruktionen ausgearbeitet. Ein Vertagungsantrag des Herrn vr. Weber wird abgelehnt und auf den Antrag des Herrn vr. ...


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