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Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1885
Bd.: 85, 1. 1884/85
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 yb,A-85

ID: 00018455
161 /317
... Nur die freiwillig austretende, klare, schwach gelb gefärbte Lymphe, welche, mit bloßem Auge betrachtet, weder Blut noch Eiter noch Gerinnsel enthält, darf zum Impfen benutzt werden. Uebelriechende oder sehr dünnflüssige Lymphe ist zu verwerfen. 8.7. Die Aufbewahrung der Lymphe in flüssigem Zustande geschieht in reinen, gut verschlossenen Kapillarröhren oder Glasgefäßen von 1 bis 2 evm Inhalt. Zur Aufbewahrung in trockenem Zustande werden Platten aus Glas, Elfenbein, Fischbein und Horn (Spatel) benutzt. Dieselben dürfen ohne gründliche Reinigung und Desinfektion nicht zum zweitenmale benutzt werden. Die Lymphe ist vor einer Abkühlung bis auf den Gefrierpunkt und vor einer Erwärmung auf mehr als 50 0. zu schützen. Es ist gestattet, die Lymphe vor dem Aufbewahren mit höchstens 3 Theilen Glycerin und unmittelbar vor dem Gebrauche mit einem Theile reinen destillirten Wassers zu vermischen. Zum Anfeuchten der trockenen Lymphe diene ausschließlich destillirtes Wasser. Nur ein reiner Glasstab werde zum Mischen der Lymphe verwendet. 8. 8. Lymphe von Revaccinirten darf nur im Nothfalle und nie zum Impfen von Erstimpflingen zur Anwendung kommen. Die Prüfung des Gesundheitszustandes eines revaccinirten Abimpslings muß mit besonderer Sorgfalt nach Maßgabe der im 8- 3 aufgestellten Kautelen geschehen. 8. 9. Wenn Zmpfärzte Lymphe zur späteren eigenen Verwendung oder zur Abgabe an andere Aerzte aufbewahren, haben sie sich Aufzeichnungen über den Namen der Impflinge, von denen die Lymphe abgenommen worden ist, und über den Tag der erfolgten Abnahme zu machen, auch ist die Lymphe selbst der Art zu bezeichnen, daß später über die Abstammung derselben ein Zweifel nicht entstehen kann. §. ...
... Die Instrumente zu anderen Operationen als zum Impfen zu verwenden, ist verboten. 8. 13. Die Impfung wird der Regel nach an den Oberarmen vorgenommen. Bei Erstimpflingen genügen 3 bis 5 seichte Schnitte von höchstens 1 em Länge oder ebenso viele oberflächliche Stiche an jedem Arme; bei Wiederimpflingen 5 bis 8 seichte Schnitte oder Stiche an einem Arme. Stärkere Blutungen sind beim Impfen zu vermeiden. Das Aufträgen der Lymphe mit dem Pinsel ist verboten. Neuer Zusatz zu 8- 13. Bei Verwendung von animaler Lymphe ist die Impfung in folgender Weise auszuführen: Fünfzehn bis zwanzig möglichst seichte und vielfach sich kreuzende Schnitte, von denen jeder einige Millimeter lang ist, werden auf einer ungefähr Vs om im Durchmesser haltenden Stelle der Haut angebracht. Steht Glycerinlymphe zur Verfügung, dann wird dieselbe mit Hülfe der Zmpflanzette ...

162 /317
... Es empfiehlt sich, die Kinder nicht früher zu impfen, als bis sie das Alter von wenigstens 3 Monaten überschritten haben. Kinder unter 3 Monaten, ferner solche, welche an schweren akuten oder chronischen, die Ernährung stark beeinträchtigenden oder die Säfte verändernden Krankheiten leiden, sollen in der Regel nicht geimpft werden. Ausnahmen sind (namentlich während des Ausbruchs einer Pockenepidemie) gestattet und werden dem Ermessen des Zmpfarztes anheimgegeben. 8. 15. Die erstmalige Impfung hat als erfolgreich zu gelten, wenn mindestens eine Blatter zur regelmäßigen Entwickelung gekommen ist. Bei der Revaccination genügt für den Erfolg schon die Bildung von Knötchen resp. Bläschen an den Impfstellen. 8. 16. Tritt an einem Orte eine ansteckende, Kinder besonders gefährdende Krankheit in größerer Verbreitung auf (wie Scharlach, Masern, Diphtherie, Croup, Keuchhusten, Flecktyphus) oder zeigen sich an demselben auch nur einzelne Fälle von Zmpfrothlauf, so hat der Zmpfarzt hierüber nach genommener Kenntniß unverzüglich an die zuständige Polizeibehörde zu berichten und eventuell die Unterbrechung des Zmpfgeschäftes an diesem Orte zu beantragen. Hat der Zmpfarzt einzelne Fälle ansteckender Krankheiten in Behandlung, so hat er in zweckentsprechender Weise deren Verbreitung beim Zmpfgeschäfte durch seine Person zu verhüten. 8- 17. Ueber die geeignete Behandlung des Impflinges während der Entwickelung der Zmpfblattern wolle der Zmpfarzt die Angehörigen der Impflinge resp. diese selbst in geeigneter Weise belehren. L. Belehrung über die Behandlung der Impflinge nach er Impfung. 8. 1. Zum Impftermine müssen die Kinder mit rein gewaschenem Körper und mit reinen Kleidern gebracht werden. 8- 2. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1886
Bd.: 86. 1885/86
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 yb,A-86

ID: 00018456
163 /317
... Es sind genug Stimmen da, die verschiedene andere Krankheitserscheinungen, wie das Verseihen des Milchviehs zum Beispiel, überhaupt schwere Schädigungen am Vieh auf das Impfen zurückführen. Alle diese Krankheitserscheinungen, durch die das Vieh minderwerthig wird, würden durchaus keiner Entschädigung unterliegen. Das halte ich für eine große Ungerechtigkeit. Wenn dieses Gesetz von so großer Bedeutung für den gesummten Viehstand des deutschen Reiches ist, warum greift man dann nicht zu viel einfacheren, rationelleren Mitteln? Warum wird von Seiten der Behörde derartiges verdächtiges Vieh nicht angekauft, mit Beschlag belegt, der betreffende Besitzer entschädigt, und das Vieh getödtet? Das ist die billigste und jedenfalls beste Art und mehr werth als alle die Präservativmittel, die in diesem Entwurf enthalten sind. Meine Herren, ich kann von mir aus und als Vertreter meines Wahlkreises für eine derartige Vorlage nicht stimmen, — so gerne ich auch bereit wäre, für alles mögliche, was von Seiten der Regierung zu Gunsten der Landwirthschaft geschieht, einzutreten, — weil speziell mein Wahlkreis zu schwer dadurch geschädigt werden würde. Ein großer Theil meines Wahlkreises beschäftigt sich mit Mästerei. Dieses Vieh wird größtenteils nach Frankreich exportirt, und ich kann Sie versichern, daß alles derartige Vieh, welches mit einem solchen Merkmal versehen wird, wahrscheinlich nicht über die französische Grenze kommen dürfte. Dadurch würde ein unberechenbarer Nothstand entstehen. Darum wende ich mich an Sie und bitte Sie, diesen Entwurf abzulehnen. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1886
Bd.: 87. 1885/86
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 yb,A-87

ID: 00018457
164 /317
... Meine Herren, diese Ueberzeugung stützt sich auf Erfahrungen, die hervorragendeLandwirthe seit 20 Jahren mit dem Impfen gemacht haben, und zwar unter schwierigen Verhältnissen. Es wurde ihnen nicht nur schwer, geeignete Thierärzte zu bekommen, die das Jmpfgeschäft verstanden; auch die Beschaffung reiner Lymphe hatte seine Schwierigkeit und namentlich dann, wenn der beamtete Thierarzt des Kreises ein Jmpfgegner war. ...

165 /317
... — Wie gesagt, die Erfahrungen, welche man seit 20 Jahren in der Provinz Sachsen mit dem Impfen gemacht hat, sprechen entschieden für den Werth dieser Maßregel. Mir liegen eine ganze Reihe von Mittheilungen solcher Herren vor, die bisher freiwillig geimpft haben: alle weisen nach, daß man mit rationeller Impfung große Erfolge erzielt hat. Ich möchte nur einen Fall herausgreifen. Eine Fabrikwirthschaft in einem Kreise, die 400 Zugochsen hält, hat seit dem Jahre 1864 keinen Verlust an Lungenseuche unter den Thieren, welche geimpft waren, mehr zu beklagen gehabt. Man hat dort nach Ablauf von 2 zu 2 Jahren sämmtliches Vieh impfen lasten, und es ist unter den geimpften Thieren kein Erkrankungsfall wieder vorgekommen, obgleich in derselben Ortschaft gleichzeitig neun verseuchte Gehöfte existirt haben und zwar in allernächster Nähe des Fabrikgehöfts, und obgleich nicht zu vermeiden gewesen war, daß die geimpften Thiere mit den Thieren der verseuchten Gehöfte auf öffentlichen Wegen Berührung gehabt hatten. Aber auch folgende Thatsache verdient Beachtung. Dieselbe Fabrikwirthschaft hat zweimal größere Einkäufe von jungen bayerischen Ochsen gemacht, — ich glaube, einmal 20 und einmal 36 Haupt. Unter beiden Transporten erkrankten einige Thiere, sofort nach der Ankunft, bevor sie geimpft werden konnten. Meine Herren, der ganze alte Bestand wurde sofort geimpft; es fiel dann wohl noch ein zugekaufter bayerischer Ochse, von den alten Beständen wurde aber kein einziger von der Krankheit ergriffen. Meine Herren, wenn solche Resultate vorliegen, kann man es, glaube ich, den praktischen Landwirthen nicht verdenken, wenn sie im Gegensatz zu der Ansicht vieler Veterinäre der Lungenseucheimpfung großen Werth beimesten. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1886
Bd.: 90. 1885/86
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 yb,A-90

ID: 00018460
166 /317
... Die Zustimmung des Besitzers darf schon deshalb nicht entscheidend sein, weil der letztere vielfach geneigt sein wird, nur solche Thiere impfen zu lassen, welche bereits äußere Merkmale der Seuche zeigen. Zn derartigen Fällen kann von der Impfung nichts erwartet werden, denn dieselbe ist nicht im Stande, eine bereits ausgebrochene Krankheit rückgängig zu machen. Außerdem würde durch den Einspruch eines Besitzers die gleichartige Durchführung der Impfung in einer Gemeinde gehindert und somit eine wirksame Kontrole des Versuchs in Frage gestellt werden. Der Versuch muß in großem Umfange unter verschiedenartigen Verhältnissen so angestellt werden können, daß Fehlerquellen thunlichst vermieden werden und die Ergebnisse schlüssige Folgerungen gestatten. Allerdings kann die Lungenseucheimpfung unter Umständen auch nachtheilige Folgen haben. Ein Theil der Thiere erleidet bei der üblichen Impfung am Schwänze Einbuße an letzterem, dies zeigt sich nach Zündel bei 7,g Prozent, nach Haubner bei 5 bis 10 Prozent. Ein geringerer Bruchtheil geht in Folge der Impfung ganz ein, nach Zündel 2,s Prozent, nach Haubner 1 bis 2 Prozent, nach den niederländischen Impfergebniffen 1882: 0,9z Prozent bei 22 172, 1883: 1,is Prozent bei 14 563, 1884: 1,2g Prozent bei 4 769 geimpften Thieren. Für die in Folge der Impfung eingegangenen Thiere soll nach dem Entwürfe Entschädigung gewährt werden. Die verbündeten Regierungen gehen nun nicht soweit, die Befugniß zur allgemeinen Durchführung der Impfung als Schutzmittel zu beanspruchen, sie wünschen nur die Ermächtigung zur Nothimpfung zu haben, d. h. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1886
Bd.: 91. 1885/86
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 yb,A-91

ID: 00018461
167 /317
... In den meisten deutschen Bundesstaaten sei das Impfwesen schon vor dem Zahre 1874, zum Theil schon seit Anfang dieses Jahrhunderts, Gegenstand gesetzlicher Regelung gewesen, die sich aber überwiegend auf das Impfen in den ersten Lebensjahren beschränkt habe. Nachdem das Zmpfgesetz in Kraft getreten, sei von den Gegnern des Impfzwanges und des Zmpfens überhaupt alsbald eine äußerst rührige Agitation ins Leben gerufen, welche für den Reichstag dadurch in die Erscheinung getreten, daß kaum eine Session verging, in welcher das Plenum oder doch wenigstens die Petitions-Kommisston sich nicht mit einer großen Zahl auf Aufhebung des Gesetzes gerichteter Petitionen zu beschäftigen gehabt hätte. Diese Petitionen seien die Veranlassung gewesen, daß der Reichstag am 6. Zuni 1883 auf Antrag der Petitions-Kommission den Beschluß gefaßt habe, „den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, thunlichst bald eine Kommission von Sachverständigen zu berufen, welche unter Oberleitung des Reichsgesundheitsamtes den gegen-Aktenstücke zu den Verhandlungen des Reichstages 1885/8K. wärtigen physiologischen und pathologischenStand der Zmpffrage, inbesondere in Bezug auf die Cautelen prüft, die geeignet sind, die Jmfung mit der größtmöglichsten Sicherheit zu umgeben, und die Maßregeln zum Zweck dieser Sicherung vorschlägt. Die Reichsregierung habe nun im Jahre 1884 eine solche Sachverständigen-Kommission berufen, welche unter dem Vorsitz des Direktors des Reichsgesundheitsamts, Herrn Geheimrath Köhler, vom 30. Oktober bis 5. November desselben Zahres in Berlin versammelt gewesen sei. Zusammengesetzt sei die Kommission gewesen in der Mehrheit aus impsfreundlichen Delegirten der verbündeten Regierungen und aus drei impfgegnerischen*) Aerzten. ...

168 /317
... Bei Schaffung des Gesetzes sei man nicht nur von der einen falschen Voraussetzung ausgegangen, daß das Impfen einen wirksamen Schutz gegen die Pocken gewähre, sondern auch von der anderen, ebenso falschen Voraussetzung, daß der einzelne Staatsbürger, um die Allgemeinheit vor verheerender Seuche zu schützen, sich einem ungefährlichen Experimente zu unterwerfen habe. Aber auch diese Voraussetzung sei längst hinfällig geworden, und selbst von den Vertheidigern der Zmpflehre werde zugegeben, daß Syphilis, Tuberkulose, Skrophulose rc. durch die Impfung übertragen werden könne. Das Zmpfen ziehe Krankheiten mancherlei Art nach sich, wie die tausendfachen Zmpfschädigungen zeigten, es bringe zu den vorhandenen Krankheiten noch neue. Zn den letzten Zähren hätten sich die durch Impfung herbeigeführten Schäden so gehäuft, daß das Fortbestehen des Impfzwanges von der Volksstimme als ein medizinisches Experiment schauderhafter Art an Blut und Leben des deutschen Volkes bezeichnet werden müsse. Die zur amtlichen Kenntniß gelangten Zmpfschäden bildeten nur den kleinsten Theil der überhaupt vorgekommenen Zmpfschäden, diese würden von den Aerzten aus eigmem Interesse, sowie aus materiellem Interesse an der Fortdauer des Gesetzes verschwiegen. Die Aerzte hätten ja leider Geldgewinn davon, und welcher andere Geschäftsmann würde sich nicht ebenfalls zu Gunsten einer Einnahmequelle aussprechen. Bis in die entlegensten Dörfer sei heutzutage die Syphilis verbreitet, sie komme dorthin in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle durch die künstliche Durchseuchung mit dem Zennerschen sogenannten Schutzpockengift, denn jede gelungene Impfung habe vier bis acht Tage später frische syphilitische Mandelentzündung und sonstige Zeichen syphilitischer Allgemeininfektion zur Folge. (Arzt Dr. Crüwell.) ...

169 /317
... Daß das Impfen mit animaler Lymphe mit Unrecht als unschädlich empfohlen werde, könne Zeder in seiner eigenen Familie wahrnehmen, im Großen lieferten die Vorfälle auf der Znsel Rügen und in der Provinzial-Jrrenanstalt zu Merzig hierfür Beispiele. Wenn also Krankheiten nicht zu vermeiden seien, wie könne man die Eltern zwingen, die Kinder impfen zu lassen. Man solle sich nur mal in die Lage eines Vaters versetzen, dem schon ein Kind durch die Impfung hingemordet sei und der nun auch noch das folgende Kind impfen lassen müsse. Solche Zustände seien empörend und geeignet, bei dem ruhigsten Staatsbürger Verwünschungen gegen eine Reichsregierung laut werden zu lassen, welche solches dulde. Diejenigen, nach deren fester Ueberzeugung das Zmpseu nicht nur vollständig unnütz, sondern sogar schädlich sei, sähen sich in die peinlichsten Gewissensbedenken versetzt, wenn sie einerseits jeglicher staatlicher Ordnung sich willig unterwerfen wollten, andererseits es vor Gott und ihrem Gewissen nimmermehr verantworten könnten, ihre gesunden Kinder der Impfung auszusetzen. Um sich von der Impfung zu befreien, sei nur Zeit und Geld nöthig, deshalb werde vorzugsweise die unbemittelte Bevölkerung geschädigt. Aber auch um deswillen treffe das Gesetz den Armen viel härter als den Reichen, weil der Reiche durch vorsichtigere Ausübung und Ueberwachung der Zmpfhandlung, sowie durch andere gesundheitliche Maßregeln, den eventuellen Schaden der Impfung verhüten oder die Sache durch ärztliche Zeugnisse rc. in die Länge ziehen und auch Strafe bezahlen könne. Das Zmpfgesetz verstoße gegen die preußische Verfassung, welche die persönliche Freiheit gewährleiste. ...
... 1691 impfen. Warum impfe man den Kindern nicht eine ganze Apotheke ein, damit sie vor allen möglichen Krankheiten gefeit seien? Habe man jemals davon gehört, daß eine Arznei 1 bis 10 Zahre nachwirke? Nur zur Zeit der Pockengefahr solle man die Kuhpockenlymphe einverleiben, aber nicht auf dem Wege der Hautwunde, sondern auf dem sonst gebräuchlichen Wege por os ot vontrieutuin. (Arzt Mayntzer.) Wirksamen Schutz gegen Blattern gewähre das Naturheilverfahren und die von dem Hydropathen N. N. angewandte Kur, der seine Methode erklären und seine Erfolge beweisen solle, Daß der Gesundheitszustand jetzt ein besserer sei als früher, sei den vernünftigeren Vorbeugungsmitteln und einer naturgemäßeren Lebensweise zuzuschreiben, die geringere Sterblichkeit an den Pocken habe ihren Grund in einer verständigeren ärztlichen Behandlungsweise. Die sogenannten wissenschaftlichen Anschauungen wechselten in der Medizin mit jedem Jahrzehnte, mit jedem neuen Professor. Manche Mittel, welche zu den besten im Arzneischatz gehörten, seien in die Rumpelkammer geworfen, so werde es mit der Lymphe auch gehen, aber traurig sei, daß erst Tausende dem Zmpfwahn zum Opfer fallen müßten. Zn früheren Zeiten habe man das Einimpfen der Menschenblattern empfohlen, bald jedoch wieder verboten und als menschenmordenden Irrthum erklärt. Die Thierheilwissenschaft habe eine Zeit lang das Zmpfen der Schafe zur Verhütung der Pockenkrankheit gepriesen. Heute sei man anderer Ansicht und Professor Virchow habe im preußischen Abgordnetenhause die Pockenimpfung der Schafe als eine an sich schädliche, volkswirthschaftlich unzulässige Maßregel bezeichnet. Es handele sich um Befreiung denkender Laien von einer Vergewaltigung peinlichster Art seitens der Fachmänner. ...

170 /317
... Jedes Impfen sei ein Kriminalverbrechen an der Menschheit, es verdiene Galgen und Rad. Der Strang dem, der es ferner thue. Hiermit glaubte Referent den wesentlichen Inhalt der Petitionen zur Kenntniß der Kommission gebracht zu haben, er bemerkte noch, daß vielen Petitionen ausführliche Abhandlungen beigelegt seien. Sodann richtete derselbe an die Herren Regierungskommiffare das Ersuchen, sich darüber auszusprechen, in welcher Weise die Prüfung der Zmpffrage seitens der Sachverständigen-Kommission stattgefunden habe. Denn er glaube nicht voraussetzen zu dürfen, daß alle Mitglieder der Petitions-Kommission diese Verhandlungen noch frisch im Gedächtniß hätten. Ferner richtete der Referent die Frage an die Herren Regierungskommiffare, ob die Neichsregierung vielleicht Veranlassung genommen habe, das statistische Material, namentlich die Urpockenlisten, auf welche die impfgegnerische Minorität in der Sachverständigen-Kommission sich berufen, nachträglich einer Prüfung zu unterwerfen, und drittens fragte er die Herren Regierungskommiffare, ob es vielleicht schon vorgekommen sei, daß Personen, deren Kinder durch die Impfung geschädigt, Entschädigungsansprüche erhoben hätten, und wie in solchen Fällen die Regierungen sich verhalten hätten. Diese Fragen beantwortete der Regierungskommiffar, Herr Direktor des Reichs-Gesundheitsamts Köhler: „Die im Jahre 1884 versammelt gewesene Sachverständigen-Kommission habe ihre Aufgabe wesentlich mit im Sinne des Reichstagsbeschluffes vom 6. Juni 1883 gelöst. Behufs richtiger Beurtheilung müsse daran erinnert werden, daß der Reichstag nicht, wie in einzelnen Petitionen irrig behauptet werde, den Antrag Reiniger und Genossen (Nr. ...

171 /317
... Kuffmauls „ZwanzigBriefe von 1869, — das einzige Werk, aus welchem die ärztliche Welt ihr Wissen über das Impfen schöpft und aus welchem die Zmpfgesetz-Commission von 1872 ihre Beweise genommen hatte; die Verhandlungen bezw. Jrrthumsgeständniffe der Aerztetage von 1876 (Düsseldorf) und 1879 (Eisenach), sowie die Verhandlungen der Wanderversammlung der Naturforscher und Aerzte in Amsterdam von 1879; das englische Blaubuch „Report krom tllo soloot eowitos« von 1876 im Original, — sofern aus demselben die Identität mit den Gutachten der Zmpfgesetz-Commissionen aller Länder und die Unwahrheit aller darin aufgeführten Angaben sich zur Evidenz nachweisen lasten; die Amtsblätter aus allen Regierungsbezirken behufs Feststellung des bis dahin unterdrückten wahren Datums der allgemeinen Einführung der Vaccination und der Revaccination; das Ministerialblatt — zu dem gleichen Zwecke, d. h. zur Feststellung der bis dahin verschwiegenen echten Datums der allgemeinen Einführung der Vaccination und Revaccination; die Generalregister der städtischen und der Bezirks-Polizei-Direktionen, bezw. der Reg. - Medizinalbehörden zum Nachweise der zur Anmeldung gelangten Zmpfkrankheits- und Zmpftodesfälle; die Literatur über die Pockenepidemien der vorigen Jahrhunderte und über die des 19. Jahrhunderts, insbesondere über das wiederholte Erkranken an den Pocken; das Viehseuchengesetz von 1880 und die Reichstags-Verhandlungen zu demselben sowie die Beläge für das in §. 49 ausgesprochene Verbot der Pockenimpfung, die Verhandlungen des preuß. Abgeordnetenhauses vom 5. Juni 1875 über diesen Gegenstand, sowie das Buch „Die Zwangsimpfung der Thierund Menschenpocken von Dr. Oidtmann, 1873; ebenso die Jahresberichte der kgl. Dep. f. d. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1889
Bd.: 109. 1888/89
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-109

ID: 00018658
172 /317
... Gruppe würde von Anhängern der Naturheilmethode und Kaltwasserkuren gebildet, die aus ihren Anschauungen heraus behaupten, aber nicht beweisen, daß das Impfen nicht nur unnütz, sondern sogar schädlich sei. Die II. Gmppe werde von denjenigen gebildet, welche aus moralischen und religiösen Gründen sich dem Impfzwang nicht unterwerfen können und wollen. Die III. Gmppe endlich bilden diejenigen, die, abgeschreckt durch die ja vereinzelt unleugbar vorgekommenenJmpfschädigungen, die Abstellung des Impfzwanges verlangen. Es seien dann noch einzelne Petitionen vorhanden, die in diese 3 Hauptgruppen sich ihrem Inhalte nach nicht ganz unterbringen ließen. Hierher gehörten die Peüüonen: II. Nr. 6360 des Dr. Oidtmann in Linnich, der außer der Aufhebung des Jmpfgesetzes erneut bittet, „den Reichskanzler zu ersuchen, eine gemischte Prüfungskommission zu ernennen, welche die in jeder Zeile von uns angefochtene Denkschrift des Reichsgesundheitsamtes einer gründlichen Prüfung unterziehe und über das Ergebniß der Reichsregierung und dem Reichstage Mittheilung mache behufs Ergreifung eventueller weitergehender gesetzgeberischer Maßregeln gegen das Jmpfgeschäft — Verbot des Jmpfens; -1 -1 59881 des1 H. v. Oppen zu Berlin; -1 -1 58191 des1 H- Pyrlaeus, Kaufmann zu Herrnhut; -1 -1 20331 des1 I. Butterbrod, Pensionär und Pilzzüchter zu Hildesheim; -1 -1 63591 des1 Karl Scholl, Prediger zu Nürnberg; -1 -1 61981 des1 W. Born, Ingenieur zu Magdeburg. Diese versuchen, auf Grund irriger, anscheinend wissenschaftlicher Vorstellungen und Forschungen über das Wesen und die Verbreitung der Pocken die Unnöthigkeit des Jmpfens zu beweisen, theils verlangen sie eine Abänderung des Strafmaßes. Der letzte Petent, W. ...

173 /317
... Direkten Zwang zur Impfung kenne das Reichsgesetz nicht; der Einzelne habe die Befugniß, den Arzt, durch den er impfen lassen wolle, den Ort und in gewissen Grenzen auch den Zeitpunkt und die Art der Impfung selbst zu wählen. Wo in einzelnen Fällen wie z. B. in Hildesheim Zwang geübt sei, habe nicht das Reichs-Jmpsgesetz, sondern ein Landesgesetz die formelle Grundlage gebildet. Aus der Mitte der Kommission wurde sodann die Frage an den Herrn Regierungsvertreter gerichtet, ob er über die Zahl der Jmpfverweigerungen eine bestimmte Angabe machen könne. Der Direktor des Reichsgesundheitsamtes Herr Köhler erklärte: „Der Widerstand gegen die Impfung sei in den betheiligten Kreisen ein verhältnißmäßig geringer; nur sehr wenige Eltern seien so prinzipielle Gegner, daß sie es auf wiederholte Strafen ankommen ließen. Die Zahl der in den statistischen Nachweisen als „vorschriftswidrig der Impfung entzogen verzeichneten Kinder (1885: 45415 unter ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1889
Bd.: 110. 1888/89
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-110

ID: 00018659
174 /317
... bittet, dahin zu wirken, daß die unrichtige Handhabung des Jmpfgesetzes vermieden, und daß jedes Impfen verboten werde. bitten um Aufhebung des Jmpfgesetzes rc. betreffend die obligatorische Einführung seines zum Reinigen von Schornsteinen, Röhren rc. erfundenen Apparats. bittet um Ertheilung der Genehmigung zur Einleitung eines Privatklageverfahrens gegen das Mitglied des Reichstages, Freiherrn von Hammerstein. bitten um Errichtung einer Postagentur in Warstade. bittet um Regelung seines Dienstverhältnisses bei der Reichspostverwaltung — Verleihung einer seiner Dienstzeit rc. entsprechenden Stellung — ev. um Zahlung der vollen Militärpension, sowie um Erstattung von Pensionsabzügen. bittet für den Fall der Besteuerung von Stärke-Zucker und Syrup um Steuerfreiheit für denaturirten Stärkesyrup. bittet, ihm zur Wiedererlangung eines Kapitals verhelfen zu wollen. bittet um Abänderung der Strafprozeßordnung und des Strafgesetzbuches, sowie um Erlaß von Bestimmungen, betreffend Gewährung von Entschädigungen für unschuldig erlittene gerichtliche Untersuchungen, Freiheitsstrafen rc. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1891
Bd.: 124. 1890/92
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-124

ID: 00018674
175 /317
... Zuerst hielt man sich durch einmaliges Impfen für geschützt, jetzt ist 2- bez. 3maliges Impfen gesetzlich vorgeschrieben, bald wird man einsehen, daß auch alljährliches Impfen nicht schützt. Der Glaube an die Schutzkraft der Impfung steht im Widerspruch mit dem Impfzwang. Wie können die Ungeimpften eine Gefahr bilden für die Geimpften, wenn die Impfung wirklich schützt? Warum also Zwang für die vielen Eltern, welche die Nutzlosigkeit der Impfung kennen? Preußen besitzt, behaupten die Petenten, seit 1820 Impfzwang und seit 1830 den Zwang zur Wiederimpfung. Trotzdem brach die Pockenepidemie von 1869/72 in das Land und raffte allein im Königreich Preußen 126 000 Menschen weg. Auffälliger Weise haben die Gesetzgeber von 1874 diese hochwichtige Thatsache der völligen Durchimpfung Deutschlands zur Zeit der erwähnten verheerenden Pockenseuche gar nicht gewürdigt, vielmehr unter dem Eindruck gehandelt, daß die ungenügende Ausführung der Impfung die Schuld trage. Nicht besser steht es, wird nun weiter in den Petitionen ausgeführt, um die andere Voraussetzung, von der das Gesetz ebenfalls ausgeht, die vermeintliche Gefahrlosigkeit der Impfung; auch hier genügt der Hinweis auf offizielle Zugeständnisse. Schon die Denkschrift der Regierung, womit diese die Jmpfkommissions-Verhandlungen einleitete, konstatirt, daß nicht nur die schwersten Krankheiten, wie Scrophulose, Tuberkulose, Syphilis rc., durch die Impfung übertragen werden, sondern diese auch direkt, namentlich im Wege des Jmpfrothlaufs oder in anderen Blutvergiftungsformen, Siechthum und Tod ausstreuen kann. Ganz unumwunden räumt daher die Denkschrift ein, daß, um den Fortbestand des gegenwärtigen Impfwesens ermöglichen und verantworten zu können, Kanteten wider die Jmpfschädigungsgefahr geschaffen werden müßten. ...

176 /317
... Die rechtliche, moralische und religiöse Seite der Frage ergiebt sich daraus, daß das Impfen unter Zwang gestellt ist. Wohl ist zum Bestehen des Staates und zur Erfüllung seiner Aufgaben vielfach Zwang nöthig, aber stets muß da vorher die Nothwendigkeit oder doch die erhebliche Nützlichkeit einer Vorschrift oder Zwangsmaßregel für das Gemeinwohl nachgewiesen worden sein. Die sicherste, festeste Stütze des Staates ist die Familie. Der Staat, der das Familienleben zu stärken sucht, handelt im eigensten Interesse der Selbsterhaltung, handelt weise. Die vornehmste Sorge gewissenhafter und pflichttreuer Eltern ist diejenige für die leibliche und geistige Gesundheit ihrer Kinder. Treue Eltern halten von ihren Lieblingen selbst an sich unschuldige Dinge fern, die auch nur die leiseste Möglichkeit bieten, unter gewissen Umständen schädlich zu werden. Die staatlich eingeführte Impfung ist nun eine Maßnahme, von welcher schon seit Jahren die Behörden, in letzter Zeit sogar auch das Reichsgesundheitsamt, konstatiren müssen, daß sie Tausende von Erkrankungen und Todesfällen verursacht. Gleichwohl zwingt der deutsche Staat die Eltern, ihre Kinder diesen entsetzlichen Möglichkeiten auszusetzen, ja, er belegt sie mit harten Geld- oder Gefängnißstrafen, wenn ihre elterliche Liebe und Pflichttreue ihnen verbietet, sich diesem grausamen Gesetze zu fügen. Freiheit des Glaubens und Gewissens, der Wissenschaft und der Forschung haben noch immer als Frucht und Voraussetzung der Kultur und des Fortschrittes, dagegen ihre Knebelung als Merkstein der Unkultur, der Barbarei und des Verfalls gegolten. ...
... Das Impfen widerspricht den Gesundheitsgesetzen, der Impfzwang den Rechtsgrundsätzen. Was nun noch die Petitionen, betreffend Beseitigung der Impfung beim Militär, anbelangt, so gehen dieselben davon aus, daß das Reichsimpfgesetz nur eine Impfung nach dem ersten und eine Wiederimpfung im 12. Lebensjahre anordnet, von einer dritten Impfung aber, wie sie beim Militär geübt wird, nirgends die Rede ist. Die Petenten behaupten weiter, die sogenannte Pockenfreiheit der revaccinirten Deutschen, insonderheit der preußischen Armee beruhe theilweise auf unrichtiger Aufstellung der Statistik, sei aber jedenfalls mit der Revaccination in keiner Beziehung. Wenn vielmehr etwas unschuldig an der sogenannten Pockenfreiheit der Armee ist, aber schuldig an den zahlreichen Gesundheitsschädigungen der auserlesenen, im kräftigsten Mannesalter stehenden Mannschaft der Armee, dann ist dies die Revaccination. Wäre die deutsche Armee in der That völlig pockenfrei und würde sie nicht revaccinirt, so wäre das Erstere sehr leicht zu erklären durch die in der deutschen Armee besser als in irgend einer anderen gehandhabten Gesundheitsfaktoren: Reinlichkeit, Hautpflege, zweckmäßige Bekleidung, Ernährung, Unterkunft und vor allem: stete, körperlich thätige Bewegung in frischer Luft! Wo wir ähnlichen Verhältnissen in der ländlichen Bevölkerung, namentlich in Gebirgsländern begegnen, da giebt es völlige Pockenfreiheit ohne alle Impfung und Revaccination. Zwölf Bittschriften verlangen den Erlaß eines Gesetzes, welches die Jmpfärzte unter Androhung von Strafe verpflichtet, Jmpfschädigungen zur Anzeige zu bringen: die noch übrigbleibenden 15 Petitionen fordern n) Prüfung der wissenschaftlichen und statistischen Gesetzesunterlagen. ...

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... Man müsse bedenken, daß das Impfen keinen absoluten, sondern nur einen relativen, freilich sehr erheblichen Schutz gewähre, daß deshalb in einer nicht geimpften, also der Gefahr der Erkrankung an den Pocken leicht ausgesetzten Umgebung, auch das einzelne geimpfte Individuum mehr gefährdet sei, als in einer durch Impfung geschützten Umgebung, daß dagegen durch das Geimpftsein der Umgebung der Schutz, welchen der Einzelne durch die Impfung sich erworben hat, erhöht wird. Ein Gesetz, das den Zwang vorschreibt, kann allein und nur zu einem Theile der Unwissenheit, der Nachlässigkeit, dem schlechten Willen, all den Sophismen, die erdacht worden sind und die noch erdacht werden, um die Ansichten derer zu bekämpfen, die gesehen, beobachtet und ihre Augen der Gewißheit nicht erschlossen haben, entgegenarbeiten. Hoffen, daß ohne Zwang dasselbe Ziel erreicht wird, hieße sich mit Chimären schmeicheln. Der schweizerische Kanton Zürich liefert uns den besten Beweis dafür: im Jahre 1883 wird der Zwang dort abgeschafft; am Schluffe des Jahres 1884 bricht eine Pockenepidemie aus. Man zählt während ihrer Dauer 719 Erkrankte, wovon 129 sterben; unter den Todten befinden sich 70 Kinder unter l0 Jahren, wovon keines geimpft worden war. Während der großen Epidemie von 1871—1872, zu einer Zeit, wo die Impfungen noch obligatorisch im Kanton waren, waren nur 15 Kinder desselben Alters gestorben, trotzdem die Gesammtsterblichkeit fast das Doppelte derjenigen von 1884—1886 betragen hatte. Was die Bittschriften gegen die beim Militär eingeführten Revaccinationen betrifft, ist es kaum denkbar, daß die Petenten auch nur die geringste Einsicht in die Frage vorgenommen haben. ...
... Die Schwierigkeiten, welche sich den Direktoren aller animalen Jmpfanstalten entgegenstellen, sobald sie die Thiere mit animaler Lymphe impfen, haben ihren Grund einzig und allein in der technischen Ausführung der Impfung und geht die Petition dahin, daß die animale Lymphe für die Impfung der Thiere in allen Anstalten obligatorisch gemacht wird und daß die humanisirte Lymphe nur ausnahmsweise als Nothbehelf mit gewissen Einschränkungen benutzt werden darf. Die Jntrovaccine, die ersteren Modus darstellt, giebt einen einwandsfreien und untadelhaften Impfstoff, wie er durch den Beschluß der Petitions-Kommission des deutschen Reichstags, in ihrer Sitzung vom 23. März 1886, von der Regierung für die Impfung der Menschen verlangt wurde, und die Vortheile der animalen Vaccination werden I vollständig illusorisch gemacht. ...

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... Prinzipiell steht dem Staat das Recht über den menschlichen Körper nicht zu, und sei es unter den obwaltenden Verhältnissen nicht angängig, selbst angenommen, daß das Impfen eine Wohlthat sei, daß diese Wohlthat dem Volke aufgedrungen werde. Höchst ungerecht aber ist dieser Zwang Eltern gegenüber, welche das Impfen für einen der Gesundheit und dem Leben ihrer Kinder schädlichen Eingriff halten, indem der Staat die Eltern zu einer Handlung zwingt, die vor ihrem Gewissen verwerflich ist. Eine weitere Forderung sei noch der Erwägung werth, nämlich die, ob nicht eine Abänderung der Strafbestimmungen und eine genauere Fixirung derselben angezeigt, ja sehr wünschenswerth wäre. Bei dem einen Gericht begnüge man sich mit einer einmaligen Geldstrafe, bei anderen seien Geld- und Gefängnißstrafen verhängt worden, aus Magdeburg sei ein Fall bekannt, wo ein Böttcher 13 Haftstrafen erlitten hatte. Die ganze Frage des Jmpfgesetzes sei, in Anbetracht der so zahlreich vorliegenden Petitionen, wichtig genug, um im Plenum des Reichstags besprochen zu werden, und beantrage er, die Petitionen mittelst schriftlichen Berichts vor das Hohe Haus zu bringen und dieselben dem Reichskanzler zur Kenntnißnahme zu überweisen. Die Herren Vertreter der Reichsregierung geben hiernach folgende Erklärungen ab: n) Der Direktor des Kaiserliche» Gesundheitsamts Dr. Koehler: Es ist erklärlich, daß die Bewegung gegen das Jmpfgesetz zugenommen hat; denn je weiter wir uns von der Zeit entfernen, in welcher die Pocken in Deutschland noch herrschten, umsomehr gerathen die Verheerungen dieser Krankheit in Vergessenheit und treten diejenigen Nachtheile in den Vordergrund, welche mit der Impfung verknüpft sind. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1894
Bd.: 133. 1893/94
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-133

ID: 00018686
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... Also die Begründung giebt zu, daß über die Impfung jedenfalls sehr verschiedene Meinungen unter den Fachmännern D) herrschen; und im Gesetz wird ohne weiteres diktirt: jedwede Polizeibehörde kann kommandiren: Bauer, du mußt jetzt dein Vieh impfen lassen. Ist denn das logisch? In derselben Tagung des Reichstags, wo wir uns mit einem Initiativantrag zu beschäftigen haben werden, der die Menschen von der Zwangsimpfung befreit, beschert man uns in diesem neuen Gesetzentwurf die Zwangsimpfung für die Thiere! Meine Herren, das paßt nicht zusammen. Ich habe gar nichts dagegen, daß der Landwirth, welcher glaubt, daß es seinen Thieren nützt, die Thiere impfen läßt. Dann ist es sein Wille; nutzt es ihm, so ist es gut, und schadet es ihm, so ist es eben sein Schaden. Aber daß man den Polizeibehörden, die doch in solchen Dingen auch nicht immer Bescheid wissen/ das Recht giebt: ihr könnt befehlen: Bauer, du mußt deine Thiere impfen lassen, — das geht zu weit; dem werden meine Parteigenossen nicht zustimmen. Zum Schluß will ich einen Punkt nicht unangeregt lassen, weil er eine große volkswirthschaftliche Bedeutung hat speziell in den hessischen Kreisen, in denen meine Parteigenossen gewählt sind. Das ist § 10 des Seuchengesetzes, in dem unter anderem als anzeigepflichtig auch die Räude der Schafe bezeichnet wird. ...






Verhandlungen des Reichstages. - Berlin, 1894
Bd.: 135. 1893/94
Signatur: 4 J.publ.g. 1142 y,A-135

ID: 00018717
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... Ich habe immer gefunden, daß dieses Impfen, wozu man hier die Befugniß der Polizei übertragen will, gegenwärtig schon von allen Besitzern gemacht wird, die überhaupt das Unglück haben, daß ihre Viehbestände an Maul- und Klauenseuche erkranken. Ordnet man hier die Impfung an, so ist die einfache Folge die, welche die Kommission auch anerkannt hat, daß eine Entschädigung für die Thiere gezahlt werden muß, die an dieser Zwangsimpfung nun eingehen, und das würde, wie die Herren, die vor mir sprachen, mit Recht ausgeführt, auch nach meiner Auffassung viel zu weit gehen und eine große Summe von Umständen und eine große Summe von Verwaltungskosten ausmachen, da in der That die Sache nicht lohnt. Ich glaube, man kann den Absatz mit gutem Gewissen streichen, und ich empfehle das. Vizepräsident Freiherr von Vuol-Berenberg: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Birk. Abgeordneter Birk: Ich bin im großen ganzen auch der Meinung, daß dieser Absatz besser gestrichen wird. Wenn (8) wir in wissenschaftlichen Abhandlungen und sonst im allgemeinen uns umsehen, dann finden wir, daß durch die Impfung thatsächlich nichts erreicht worden ist. Im Gegentheil, es sind so viele Fälle festgestellt, wo gerade das Gegentheil von dem erreicht ist, was ereicht werden sollte. So hat z. B. der Kollege Pingen schon bei der ersten Berathung hier ganz richtig ausgeführt — und solche Fälle habe ich auch erlebt —, daß thatsächlich der ganze Viehbestand in einer Weise in Krankheitszustand versetzt worden ist, wie es sonst nicht der Fall gewesen wäre. ...


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